24.02.2024 15:24 - bearbeitet 24.02.2024 15:47
Shin'ainaru kabushiki ichiba no yujin no minasama!
Habt Ihr's bemerkt? Am gestrigen Freitag, den 23.2.2024, haben nicht nur der DAX, der S&P 500 und die anderen amerikanischen Indizes ein neues Rekordhoch markiert. Und -- nur nebenbei bemerkt -- mir schwindelerregende Verluste in meinen DAX- und Nasdaq-Puts beschwert. Selber schuld. Zum Glück gleichen die Aktiengewinne diese Verluste um ein Vielfaches aus.
Viel spannender ist, dass im fernen Osten ebenfalls ein neuer Rekord eingestellt wurde: Auch der japanische Nikkei 225 hat ein neues Rekordhoch erreicht. Warum berichte ich hier darüber? Weil er bemerkenswert lang dafür gebraucht hat. Genau genommen mehr als 35 Jahre!
Verlorene Jahrzehnte in Japan
Der letzte Rekord im Nikkei 225 stammt vom, man glaubt es kaum, 29.12.1989 (!!!) und lag bei 38 916 Punkten. Und gestern hat er diesen Stand erstmals wieder übertroffen: 39 098 Punkte auf Schlusskursbasis. Dreieinhalb Jahrzehnte nach dem Platzen der asiatischen Immobilien- und Börsenblase. Diesem Crash vorausgegangen war ab Mitte der 1980er-Jahre eine regelrechte Goldgräberstimmung. Staatliche Investitionen und sehr billiges Notenbankgeld hatten einen künstlichen Aufschwung entfacht. Von 1985 bis 1989 vervierfachte sich der Stand des Nikkei-Index. Doch der Boom war auf Sand gebaut: Banken saßen auf faulen Krediten, Unternehmen mussten Mitarbeiter entlassen, und Verbraucher waren zum Sparen gezwungen. Der Nikkei rauschte nach dem Platzen der Blase von knapp 39 000 bis auf rund 14 300 Punkte im Sommer 1992 in die Tiefe. Es folgte eine verhängnisvolle Spirale aus Deflation und Wirtschaftsschwäche. So wurden die Jahre zwischen 1990 und 2010 zu zwei verlorenen Jahrzehnten für Japan. Das Tief war erst am 10.03.2009 erreicht und lag bei 7054 Punkten. Das hat richtig weh getan.
Um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen und Investitionen anzukurbeln, entschied sich die Notenbank für eine extrem lockere Geldpolitik, an der sie bis heute festhält. Doch die strukturellen Wirtschaftsprobleme blieben lange und wurden erst unter Shinzo Abe so richtig angegangen: Die gezielte Auseinandersetzung mit Corporate-Governance-Praktiken hat in Japan vor etwas über zehn Jahren im Rahmen der "Abenomics" begonnen und ist 2023 durch eine Initiative der Börse in Tokio neu belebt worden. Die japanische Wirtschaft ist heute stark exportorientiert und leider daher nur noch wenig unter dem eher schwachen Binnenkonsum.
Lustigerweise liest man bisher in der europäischen Fachpresse nicht viel über den Rekord. nmh-Leserinnen
und Leser wissen ja schon länger, dass der japanische Markt einer meiner Favoriten ist. Und wer nicht nur amerikanische Titel im Depot haben möchte, findet in Japan durchaus interessante Ideen zur Diversifizierung.
Mensch, klasse, aber wie profitiere ich davon?
Grund genug, mal eine Rosenheim-Spezialauswertung zu machen und die besten japanischen Aktien (fast hätte ich jetzt geschrieben: der Welt) herauszufiltern. Wie üblich sind die Kriterien dabei vor allem eine niedrige "Verlust-Ratio", die Aktie soll also nur selten Kursverluste haben und diese sollen auch möglichst schwach ausfallen. Da wir mit den Aktien auch Geld verdienen möchten, soll aber andererseits die Kursrendite möglichst hoch sein. Wenn man diese Parameter miteinander kombiniert, ergibt sich folgende kleine, aber feine Top 6-Liste mit Aktien aus Japan, die man jetzt kaufen darf, wenn man vom Boom in Japan profitieren möchte.
Titel CRV Ziel Stop Einschätzung
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ITOCHU CORP.(855471) 9,74 89 33 klarer Kauf, Favorit
CAPCOM CO.LTD(886135) 9,56 100 26 kaufen, aber riskant
SONY GROUP CORP.(853687) 7,13 200 70 kaufen, Basisinvestment
NINTENDO CO. LTD(864009) 6,99 130 40 kaufen
KEYENCE CORP.(874827) 6,49 960 340 kaufen, siehe unten
HOYA CORP.(856625) 5,83 250 90 kaufen
Die Kursziele sind rein rechnerische Kursziele nach der Rosenheim-Methode mit Sicht auf fünf Jahre. Alle Angaben in Euro. Die Liste ist geordnet nach dem "CRV", nach dem Chance-Risiko-Verhältnis, das der Rosenheim-Algorithmus ausrechnet. Je höher desto besser. Attraktive Aktien haben derzeit ein CRV von über 8, noch besser über 10. Weltweit auf Platz steht immer noch die OBERBANK AG AKTIEN O.N.(854018) mit einen CRV von über 40. Der Nikkei 225-Index selbst kommt übrigens auf ein CRV von nur 5,32.
Itochu ist ein Mischkonzern, der aus mehreren hundert einzelnen Beteiligungen besteht. Sony und Nintendo muss man Euch hippen jungen Menschen nicht weiter vorstellen. Was machen Capcom, Keyence und Hoya? Capcom entwickelt Videospiele, und Hoya ist einer der weltgrößten Herstellern von Kontaktlinsen und anderen medizinischen Geräten. Doch Keyence ist aus meiner persönlichen Sicht das spannendste Unternehmen der Liste, und sogar im wahren Leben ein Kunde von mir:
Habt Ihr Euch schon mal gefragt, wie das Haltbarkeitsdatum auf den Joghurtbecher* oder auf die Milchflasche oder auf die Dosensuppendose oder auf das Gurkenglas oder auf die Gummibärchentüte kommt? Meistens besteht der Aufdruck ja aus kleinen Punkten, so wie früher bei einem Nadeldrucker. Aber da man die Joghurtbecher nicht in einen Drucker einspannen kann, muss das irgendwie anders funktionieren.
Gebt mal in Google den Begriff "continuous ink jet printing" ein. Das sind Drucker, die Tinte versprühen, aber bis zu 20 cm (!!) vom Joghurtbecher entfernt sind. Die Tinte wird im Drucker elektrostatisch aufgeladen, dann vom Becher angezogen und über ein Magnetfeld nach oben oder unten ausgelenkt und erzeugt auf diese Weise den Aufdruck auf dem Joghurtbecher, während er in der Fabrik auf dem Förderband rollt. Da der Aufdruck in der Bewegung des Bechers erfolgt, ist er oft ganz leicht "schräg", die Zeichen sehen fast ein wenig "kursiv" aus. Und manchmal dreht sich der Joghurtbecher auf dem Förderband versehentlich, dann läuft der Aufdruck plötzlich nach oben oder unten weg, das habt Ihr sicher auch schon gesehen. Die Tinte trocknet unmittelbar und gibt dann beispielsweise die Chargennummer und das Haltbarkeitsdatum an.
Und genau solche Drucker baut Keyence!
Vor über 30 Jahren (im Oktober 1990, so schließt sich der Kreis zum letzten Nikkei-Rekord) war ich mal auf der Messe "Orgatec" in Köln-Deutz, da gab es einen Aussteller mit einer Modelleisenbahn. Man konnte auf einen der Eisenbahnwagen einen Filzstift aus grauem Plastik legen, der ist dann mit der Bahn an so einem Druckkopf vorbeigefahren, und hinterher war mein Name auf dem Stift aufgedruckt! Ich weiß nicht mehr, ob das damals schon Keyence war, aber mich hat diese Technik schon immer fasziniert.
Keyence macht freilich nicht nur continuous ink jet-Drucker, sondern auch alle möglichen Sensoren und andere elektronische Geräte. Auch die Website ist toll: Wenn man dort surft, erscheint nach wenigen Sekunden ein Fenster, in dem jemand fragt, ob er helfen kann.
Und natürlich kann man auch einfach mit einem ETF oder einem Zertifikat auf einen weiteren Anstieg des Nikkei 225 setzen. Ich bin bereits seit Oktober in SG EFF. TRACK NKY(SW26AN) investiert; das Papier folgt dem Nikkei und hat keine Laufzeitbegrenzung. Es ist bei comdirect für 3,90 Euro Gebühr handelbar und bei der Consors"bank" dauerhaft gebührenfrei. Zur Sicherheit kann man bei 94 Euro einen Stoppkurs vormerken. Breiter als der Nikkei 225 ist übrigens der Topix-Index aufgestellt, aber hier scheint es aktuell keine attraktiven Vehikel für ein Investment zu geben.
Übrigens, ganz zum Schluss noch die Auflösung auf die Frage, die Euch sicher jetzt am meisten umtreibt. Die kursiv gedruckte Anrede zu Beginn meines kleinen Beitrags heute heißt nichts anderes als "Liebe Börsenfreunde" auf japanisch.
Herzliche Grüße aus einem trüben, aber warmen München
schönes Wochenende
die Kamikaze-Samurais vom
nmh-Team
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*) Joghurt, speziell "Erdbeer"joghurt, ist übrigens in vielerlei Hinsicht für Aktionäre und für Neugierige faszinierend. Bitte hier klicken.
Hinweis auf Interessenkonflikte: Selbstverständlich halte ich alle genannten Wertpapiere und noch zahlreiche weitere in meinen Depots. Von einigen viel, von anderen weniger. Eine Kursbeeinflussung durch den vorliegenden Text ist aufgrund der hohen Marktkapitalisierung nahezu ausgeschlossen. Ich halte es nur für fair, Titel vorzustellen, von denen ich auch selbst überzeugt bin, so dass ich mit den Lesern im selben Boot sitze.
Gelöst! Gzum hilfreichen Beitrag.
am 25.02.2024 11:32
Danke, lieber @nmh, dass du in einem Nebensatz auch auf die Möglichkeit hinweist, mittels eines ETFs in Japan aktiv zu sein.
Ich habe hierzu tatsächlich bereits einen Artikel in der Pipeline, den ich aber aus Zeitgründen erst auf einer längeren Bahnfahrt in der übernächsten Woche abschließen kann.
Bis dahin viele Grüße,
Andreas
26.02.2024 09:20 - bearbeitet 26.02.2024 09:25
Wieder einmal ein kleines aber feines Schmankerl vom lieben @nmh
ich kann auch etwas dazu beitragen, zum einen habe ich Marubeni im Depot und seit einiger Zeit auch diesen 5 Sterne Fonds
am 26.02.2024 09:36
Danke @nmh für diesen schönen Einblick in die Börse Japan!
Ja, im Moment brennen fast alle Kerzen auf der Portfoliotorte sehr hell, der Lambo steht schon fast vor der Tür 😁
Wenn ich auch keine Einzeltitel und keinen Japan ETF halte, so doch all world ETF mit teilweise mehr als 5% Japananteil. Ja, das macht sich deutlich bemerkbar!
Wenn ich nicht den Lambo anzahlen müsste, würde ich sicher aus deiner Liste shoppen gehen!
Vielen Dank für die Fütterung deiner Gemeinde!!!
am 26.02.2024 10:51
Lieber @nmh
Vielen Dank für den launigen und lesenswerten Thread über die Zeitenwende in Japan.
Leider hat die Zeitenwende noch nicht den Wechselkurs von Yen zum Euro erreicht, denn der
arbeitet(e) in den letzten 5 Jahren leider gegen Euch. Bitte bei einem Direkt-Investment in Japan-Titel
berücksichtigen!
Gruß, Pramax
26.02.2024 11:27 - bearbeitet 26.02.2024 11:30
Lieber Börsen-Eugen! (Prinz Eugen, der edle Ritter!)
Jetzt hab ich mal spaßeshalber gegoogelt, was @nmh s japanische Begrüßung im Deutschen bedeutet:
Bittte ignorieren, da war schon jemand schneller als ich!
Gruß, Pramax
am 26.02.2024 14:00
Mein Nachbar nmh hat sich seit einigen Tagen nicht mehr gerührt. Das letzte, was ich von ihm gesehen habe, war, wie er mit mehreren Dutzend Flaschen Kikkoman-Sojasoße ins Haus verschwunden ist. Daher antworte ausnahmsweise ich stellvertretend für nmh.
Die Aktie von Sanwa schwankt relativ stark. Die lange Seitwärtsbewegung ab 2017 hat auch viel Rendite gekostet. Das reicht nur für ein CRV von knapp 5. Trotzdem vor allem kurzfristig keine schlechte Aktie.
Exakt das Gleiche gilt auch für Tokyo Electron. Das CRV liegt bei etwa 4,5, vor allem wegen des Kursrückgangs in 2022. Aktie ist nicht schlecht, bitte halten.
Die Begrüßung lautet wörtlich übersetzt eigentlich: "Hochverehrte Damen und Herren, die Freunde der Börse von Aktien sind". Auf japanisch ist man förmlich. Lustigerweise gibt es für "Damen-und-Herren" ein eigenes Wort. Keine Ahnung, wie Goooooogle da auf den Prinz Eugen kommt. Vielleicht sollte man Übersetzungen doch keiner KI überlassen.
Auf japanisch kommuniziert es sich in Tokio leichter. Mein Nachbar nmh hat mal "six slice" bestellt, weil er sechs Scheiben Toast haben wollte. Nach wiederholter Nachfrage, ob er sich da wirklich sicher sei, hat man ihm dann sechs Schüsselchen mit Reis gebracht. Trotzdem kommt man in Tokio auch mit Englisch erstaunlich weit, und wenn man mit Vielflieger @dg2210 unterwegs ist, wird man in Tokio am Flughafen sogar automatisch upgegradet ("we also created business class for you, Sir, hihihi!").
Das theoretische Kursziel auf fünf (zehn) Jahre für den Nikkei-Index nach der Rosenheim-Methode liegt bei 60 000 (90 000) Punkten, das bedeutet ein Potential von 51 (129) Prozent. Wendet man diese Steigerung auf das Zertifikat SW26AN an, kommt ein rein rechnerisches Kursziel von 175 (265) Euro heraus.
Hochachtungsvoll
der Nachbar von nmh
26.02.2024 15:25 - bearbeitet 26.02.2024 15:26
26.02.2024 15:25 - bearbeitet 26.02.2024 15:26
Da ich persönlich angesprochen wurde, komme ich nicht um eine Gegendarstellung herum:
@FakeAccount schrieb:Trotzdem kommt man in Tokio auch mit Englisch erstaunlich weit, und wenn man mit Vielflieger @dg2210 unterwegs ist, wird man in Tokio am Flughafen sogar automatisch upgegradet ("we also created business class for you, Sir, hihihi!").
Soweit dadurch impliziert wird, dg2210 würde nach Tokio in der Business Class fliegen, stelle ich fest:
Während meiner Zeit im Vorstand hatte ich auf Langstreckenflügen Anspruch auf ein "Bett", d.h. eine waagrechte Liegefläche. Unsere Reisestelle hatte die Anweisung, nur Fluggesellschaften zu buchen, die ein solches "Bett" ausschließlich in der First anbieten; dies war z.B. die Lufthansa, die in der Business (zur Abgrenzung zwischen Business und First) die berüchtigte "LH Rutsche" oder "Rutsche des Grauens" (bitte googeln) einbaute.
Ich habe für Flüge zwischen Frankfurt und Tokio niemals(!) ein Downgrade in Business akzeptiert.
Weiterhin stelle ich fest: Es hat niemals ein mehr als dreistündiges Meeting zwischen Masayoshi Son, nmh und mir in Tokio gegeben.
am 26.02.2024 15:54
comdirect ist rechtlich zum Abdruck der Gegendarstellung von @dg2210 verpflichtet. Das Redaktionsteam bleibt bei seiner Darstellung.
Hochachtungsvoll
die Juristen hinter der Glasscheibe des Grauens (bitte nicht googeln)
am 26.02.2024 18:54
Die Gegendarstellung ist ohne die Information, von wann bis wann @dg2210 im Vorstand der nmh Holding AG war, unvollständig.
am 26.02.2024 19:05
Guter Hinweis, bei Aktien sieht man ja, im Gegensatz zu Anleihen, oft von Währungssicherung ab.
Die chronische Herzkreislaufschwäche des Yen ist allerdings bemerkenswert.
Zumindest ETF Investoren finden da aber auch auf Euro gehedgte Varianten.
Eventuell mag @digitus auf seiner nächsten Zugfahrt auch mal einen Blick auf die Varianten mit und ohne Hedging werfen.