11.12.2023 15:29 - bearbeitet 12.12.2023 13:31
Aus aktuellem Anlass und in guter Tradition (siehe hier) bittet mein Nachbar nmh, Euch folgendes auszurichten.
Alle Jahre wieder!
Ihr habt nur noch knapp drei Wochen Zeit, Eure steuerliche Situation bis zum Jahresende zu optimieren. Bitte ruft im Persönlichen Bereich -> Verwaltung -> Steuerübersicht die Zusammenfassung auf. Jetzt bitte auf zwei Dinge achten:
1. Sparerfreibetrag und Quellensteuer voll nutzen!
Der Sparer-Freibetrag von 1000 EUR (Ledige) oder 2000 Euro (Verheiratete) kann nicht ins nächste Jahr übertragen werden.
Schaut bitte in die Zeilen "in Anspruch genommener Freibetrag" und "verbleibender Freibetrag". Falls beim "verbleibenden Freibetrag" etwas anderes als eine Null steht, besteht Handlungsbedarf. In der Zeile "in Anspruch genommener Freibetrag" sollte Euer Freibetrag in voller Höhe stehen, also für Ledige 1000 EUR. Falls hier weniger steht, habt Ihr möglicherweise vergessen, einen Freistellungsauftrag zu erteilen, und solltet das schnell nachholen. Ich ignoriere hier, dass manche auch noch Depot bei anderen Banken haben.
Falls Ihr Euren Freibetrag nicht bis zum Jahreswechsel durch Gewinne (Dividenden, Zinsen, Kursgewinne) in Anspruch genommen habt, ist er unwiderruflich verloren! In diesem Fall prüft bitte, ob Ihr Wertpapiere im Depot habt, die Ihr mit entsprechend hohem Gewinn verkaufen und sofort wieder zurückkaufen könnt.
Ein Beispiel:
Ihr habt von Eurem Freibetrag von 1000 EUR bisher nur 600 EUR verbraucht; bleiben 400 EUR. Gleichzeitig habt Ihr eine Aktie im Depot, die Ihr zu 3000 EUR gekauft habt und die heute 3700 EUR wert ist. Diese Aktie solltet Ihr komplett verkaufen und gleich wieder zurückkaufen.
Beim Verkauf entsteht ein Gewinn von 700 EUR. Durch den restlichen Freibetrag müsst Ihr aber nur 300 EUR davon versteuern, der Teilgewinn von 400 EUR ist steuerfrei.
Durch diese steuerfreien 400 EUR spart Ihr Steuern in Höhe von 400 x 0,25 x 1,055 = 105,50 EUR (inkl. Soli, ohne Kirchensteuer). Das ist mehr als die Gebühren für den Verkauf und sofortigen Rückkauf. Diese Steuerersparnis wäre für 2023 verloren, wenn Ihr mit dem Verkauf bis nächstes Jahr wartet.
Durch den sofortigen Rückkauf bekommt die Aktie neue Anschaffungskosten in Höhe von 3700 EUR. Wenn Ihr jetzt in Zukunft diese Aktie für sagen wir mal 5000 EUR verkauft, beträgt der steuerpflichtige Gewinn nur noch 1300 EUR (5000 - 3700) und nicht 2000 EUR (5000 - 3000).
Der Vorteil des Manövers ist, dass Ihr Euren Freibetrag für 2023 ausgeschöpft habt.
Analog gilt das übrigens für ausländische Quellensteuer. Falls in der Zeile "anrechenbare (!) ausländische Quellensteuer" ein Wert größer Null steht, solltet Ihr durch den Verkauf von Wertpapieren, die im Buchgewinn liegen, dafür sorgen, dass die Quellensteuer nicht verloren geht.
2. Verluste realisieren
Verluste aus Wertpapiergeschäften können nur in die Zukunft vorgetragen werden, nicht in vergangene Jahre zurückgetragen. Das bedeutet: Wenn Ihr dieses Jahr bereits Steuern auf Wertpapiergewinne bezahlt habt und gleichzeitig Aktien oder andere Wertpapiere mit Buchverlusten im Depot liegen habt, solltet Ihr darüber nachdenken, diese Verluste durch einen sofortigen Verkauf zu realisieren. Falls Ihr weiter an die Aktien glaubt, könnt Ihr sie ja sofort wieder zurückkaufen.
Ob Ihr Positionen mit Buchverlust habt, seht Ihr in der Depotübersicht -> Steuersimulation.
Auch hier ein Beispiel: Angenommen, Ihr habt in 2023 bereits 2000 EUR mit Kursgewinnen realisiert und darauf 2000 x 0,25 x 1,055 = 527,50 EUR Steuern (Kapitalertragsteuer und Soli, ohne Kirchensteuer) bezahlt. Gleichzeitig habt Ihr aber noch ein anderes Papier mit Buchverlusten über 1800 EUR im Depot.
Wenn Ihr jetzt nichts tut und mit dem Verkauf der Verlustposition bis 2024 oder später wartet, entsteht der steuerliche Verlust von 1800 EUR erst ab 2024. Er kann dann nicht mehr mit den Gewinnen von 2000 EUR auf 2023 verrechnet werden, sondern wird in die Zukunft vorgetragen. Jetzt ist es aber theoretisch möglich, dass Ihr nie mehr Gewinne mit Aktien macht! In diesem Fall könnt Ihr den Verlust steuerlich nie mehr nutzen.
Falls Ihr den Verlust aber noch in 2023 realisiert, bekommt Ihr sofort eine Steuererstattung von 1800 x 0,25 x 1,055 = 474,75 EUR. Lieber den Spatz in der Hand ... Und wie gesagt: niemand verbietet Euch, die Verlustposition sofort wieder zurückzukaufen, falls Ihr weiter davon überzeugt seid.
Wichtiger Nachtrag: Diese Optimierung ist vor allem dann wichtig, wenn Ihr nicht gleichzeitig auch Wertpapiere mit Buchgewinnen im Depot habt. Mit anderen Worten: Handlungsbedarf besteht im wesentlichen dann, wenn Ihr
1. bereits Gewinne in 2023 versteuert habt (d.h. Gewinntopf speziell aus Aktien größer Null)
2. Wertpapiere mit Buchverlusten im Depot (also noch nicht verkauft) habt
3. keine oder nur wenige Wertpapiere mit Buchgewinnen im Depot (also noch nicht verkauft) habt
Nur falls alle drei Bedingungen zutreffen, solltet Ihr Eure Verlustpositionen verkaufen, bis Ihr die in 2023 gezahlten Steuern möglichst komplett zurückerhalten habt. Falls Ihr jedoch auch Wertpapiere mit Buchgewinnen im Depot habt, könnt Ihr mit dem Verkauf der Verlustpositionen auch warten, bis ihr die Gewinnpositionen (in späteren Jahren) verkauft und den Gewinn versteuert habt. Unabhängig von steuerlichen Aspekten sollte man jedoch Wertpapiere immer mit einem strengen Stopkurs absichern, um die Verluste zu begrenzen.
Achtung: Kursverluste aus Aktien dürfen steuerlich nur mit Kursgewinnen aus Aktien verrechnet werden, nicht jedoch mit "sonstigen" Gewinnen (insb. Dividenden). "Sonstige Verluste", also z.B. aus dem Verkauf von Zertifikaten oder Anleihen oder Fonds-Anteilen, dürfen hingegen beliebig mit Gewinnen aus Aktien, Gewinnen aus "Sonstigen" oder auch mit Zinsen und Dividenden und Fonds-Erträgen verrechnet werden.
Es gibt noch einige weitere Kleinigkeiten, die man aus steuerlicher Sicht beachten sollte. Ich wollte hier nur das Wesentliche darstellen, das für die meisten von Euch relevant sein dürfte.
Rechtsgrundlagen für alle, die es interessiert:
- Aktienverluste können nur mit Aktiengewinnen, nicht jedoch mit "sonstigen" Gewinnen, Dividenden usw. verrechnet werden: Par. 20 Abs. 6 Satz 4 EstG; derzeit sind Verfassungsbeschwerden gegen diese Beschränkung anhängig.
- Pauschalsteuer auf 30% vom Verkaufserlös falls Anschaffungsdaten nicht bekannt sind: Par. 43a Abs. 2 Satz 7 EstG (das kann passieren, falls unmittelbar nach einem eingehenden Depotübertrag verkauft wird, wenn die Anschaffungsdaten noch nicht vorliegen; sobald jedoch die tatsächlichen Anschaffungsdaten nach einigen Tagen nachgeliefert sind, wird comdirect den Verkauf automatisch steuerlich neu bewerten und die Steuer auf den tatsächlichen Gewinn oder Verlust belasten oder gutschreiben)
- Freibetrag 1000 bzw. 2000 EUR: Par. 20 Abs. 9 Satz 1 EstG
- Beim unentgeltlichen Depotübertrag (z.B. auf eigenes Depot, also ohne Gläubigerwechsel) werden auch die Anschaffungsdaten übertragen: Par. 43a Abs. 2 Satz 3 EstG (Taxbox-System)
- Ein entgeltlicher Depotübertrag (z.B. an Dritte) wird wie ein Verkauf behandelt: Par. 43a Abs 2 Satz 8 EStG. Jedoch darf der letzte Börsenkurs maximal 30 Tage alt sein, sonst wird eine Pauschalsteuer von 30% angesetzt, Par. 43a Abs 2 Satz 9, 10 EStG (siehe hier).
Nur Steuerberater dürfen steuerlich beraten. Deswegen müsste hier eigentlich ein Disclaimer stehen: "Dies ist keine Steuerberatung". Aber was soll der Unsinn. Ihr wisst und ich weiß genau, dass das hier nichts anderes als eine gut gemeinte steuerliche Beratung ist. Falls irgend jemand ein Problem damit hat, freut sich die Rechtsabteilung meines Nachbarn über Post. Die schickt Ihr ausreichend frankiert (nicht so wie neulich!) am besten an nmh, Abt. Kaminfeuer in der Zirbelstube, München. Doch, das kommt an!
Hochachtungsvoll
der Nachbar von nmh
am 18.12.2023 15:13
@2Xtream schrieb:
Wie kann bei einem Gewinn von 900 Euro ein Freibetrag von 1.600 in Anspruch genommen sein? Das verstehe ich nicht.
Wie gesagt, im Finanz Report Nov23 waren es rund 900 Gewinn sonstiges und auch exakt der gleiche Betrag an in Anspruch genommener Freibetrag, da hat es gepasst!
Nach der Anpassung des Freibetrags im November (Erhöhung) läuft es auseinander.
Dann hat wohl deine Frau auch noch Erträge erhalten. 🙂
am 18.12.2023 15:21
Ja habe explizit den Button "Steuerliche Detailansicht" benutzt.
Hierin sind alle Dividenden und Zinszahlungen nochmals am Tag der Umstellung Freistellungsauftrag aufgeführt und verschaffen mir leider keinen Hinweis wie man auf den in Anspruch genommener Freibetrag kommt.
Seit 1.12 bis heute kamen zwar Dividendenzahlungen dazu (kleiner 40 Euro) aber diese können die Differenz nicht erklären.
am 18.12.2023 15:34
Kann ich auch ausschließen. Ich melde mich mal bei der Comdirect hotline...
am 18.12.2023 16:10
@Krügerrand schrieb:Auch das steuerrechtlich muss man beachten, dass gleichtägige Verkäufe und Käufe in gleicher Stückzahl und Kurs nicht aufgerechnet werden dürfen. Da das technisch vom Broker nicht vorgenommen werden kann, muss man hier selbst aktiv werden (=Steuererklärung).
Besser also zwischen Verkauf und Kauf einen Tag warten und dann auch noch die Stückzahl leicht anpassen.
Ebenfalls Haufe, ist Kauf und Verkaufskurs unterschiedlich gibt es auch am gleichen Tag keine Probleme
@Krügerrand schrieb:Kurzum: Macht keinen Trade, der Steuervermeidung als einziges Ziel hat, auch wenn es technisch möglich ist.
Diese Schlussfolgerung leuchtet mir nicht ein, es sei denn man hat Geld zu verschenken.
Die korrekte Schlussfolgerung wäre doch eher bei Ausschöpfung des Freibetrages auf die rechtlichen Rahmenbedingungen zu achten.
am 18.12.2023 16:31
Ebenfalls Haufe, ist Kauf und Verkaufskurs unterschiedlich gibt es auch am gleichen Tag keine Probleme
Das mag sein, aber wie weißt du vor Ausübung, zu welchem Kurs er abgewickelt wird? Ich weiß, die Wahrscheinlichkeit, den exakt gleichen Kurs zu bekommen, ist gering. Du willst ja auch nicht, dass der Kurs steigt, solange du nicht investiert bist, weshalb du den Zeitraum möglichst kurz halten willst. Selbst, wenn du mit Limit handelst, heißt das beim Kauf immer [Limit] oder billiger.
(...)
@Krügerrand schrieb:Kurzum: Macht keinen Trade, der Steuervermeidung als einziges Ziel hat, auch wenn es technisch möglich ist.
Diese Schlussfolgerung leuchtet mir nicht ein, es sei denn man hat Geld zu verschenken.
Die korrekte Schlussfolgerung wäre doch eher bei Ausschöpfung des Freibetrages auf die rechtlichen Rahmenbedingungen zu achten.
Mit dem Freibetrag (sowohl aus dem FSA als auch mit dem steuerlichen Freibetrag) hat das nichts zu tun. Und ja, die rechtlichen Rahmenbedingungen sollten bekannt sein. Unwissenheit schützt bekanntlich nicht vor Strafe.
am 18.12.2023 16:37
@Krügerrand schrieb:(...) wie weißt du vor Ausübung, zu welchem Kurs er abgewickelt wird? Ich weiß, die Wahrscheinlichkeit, den exakt gleichen Kurs zu bekommen, ist gering. Du willst ja auch nicht, dass der Kurs steigt, solange du nicht investiert bist, weshalb du den Zeitraum möglichst kurz halten willst.
Jein. Für einen langfristig orientierten Anleger (w/m/d) dürften kleinere Kursschwankungen verschmerzbar sein. Und durch den erzielbaren Steuervorteil holst du ja auch einiges wieder rein.
Aber zwingt dich ja keiner es so zu handhaben 🙂
18.12.2023 16:57 - bearbeitet 18.12.2023 17:04
Die Diskussion gab es hier schon öfter, m. E. besteht hier für den Privatanlager kein Gefahr, wenn die Kauforder nach Ausführung der Verkaufsorder aufgegeben wird.
Auch nicht mit gleicher Stückzahl am gleichen Handelsplatz.
IANAL
am 18.12.2023 17:35
Alle Jahre wieder: steuerliche Optimierung zum Jahresende
Alle Jahre wieder: Probleme Freistellungsauftrag???
Hallo,
für meine Eltern wollte ich zum Jahresende den verbleibenden Freibetrag ausnutzen und einen ETF verkaufen. Da der Freibetrag zu niedrig war,
wurde der Freibetrag erhöht und anschließend auch korrekt angezeigt. Eben verkaufte ich den ETF (Login über Bankvollmacht) und schaute anschließend in die Steuerübersicht.
Es wurde angezeigt, dass angeblich für 2023 kein Freistellungsauftrag erteilt worden ist. Natürlich wurde ein Freistellungsauftrag erteilt und schon in Anspruch genommen. Wo liegt hier das Problem? Zu diesem Thema gab es schon einige Beiträge, z.B. 2022.
Wird der Fehler kurzfristig korrigiert oder gibt es nun ein Steuerchaos?
Comdirect wurde das Problem über das Kontaktformular gemeldet.
Gruß
am 18.12.2023 17:48
@Piscadu schrieb:Alle Jahre wieder: steuerliche Optimierung zum Jahresende
Alle Jahre wieder: Probleme Freistellungsauftrag???
Es wurde angezeigt, dass angeblich für 2023 kein Freistellungsauftrag erteilt worden ist. Natürlich wurde ein Freistellungsauftrag erteilt und schon in Anspruch genommen. Wo liegt hier das Problem? Zu diesem Thema gab es schon einige Beiträge, z.B. 2022.
Wird der Fehler kurzfristig korrigiert oder gibt es nun ein Steuerchaos?
Comdirect wurde das Problem über das Kontaktformular gemeldet.
Gruß
War es eine zu große Mühe diesen Thread oder zumindest die letzten drei Seiten zu lesen?
Wenn du so etwas machst musst du auch mit den Folgen leben. 🙂
Das regelt sich ja irgendwann wieder.
am 18.12.2023 20:27
Vielen Dank für die schnelle und freundliche Antwort.
Die ersten Seiten von dem Thread hatte ich gelesen, wie bereits in den Jahren zuvor.
Als das Problem auftrat, hatte ich im Forum gesucht und kam auf ältere Beiträge (Freibetrag gelöscht).
In der heutigen Zeit hätte ich aber auch gedacht, dass solche Änderungen zeitnah angepasst werden.
Wenn dies nicht geht wäre vielleicht ein Hinweis hilfreich, dass es mehrere Tage/Wochen dauern kann, bis die Änderung korrekt eingepflegt ist.
Nach der Erhöhung des Freibetrages (Freitagmittag, 15.12.) wurde ja umgehend der neue Freibetrag angezeigt.
Gruß
Piscadu