@haxo schrieb:
Nur ein kleines gallisches Dorf alle deutschen Medien haben krampfhaft an Harris festgehalten und dabei den Nerv der meisten Deutschen getroffen, die vom Leben in den USA vermutlich soviel wissen, wie die Nordkoreaner von der Schweiz.
Exakt – "Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen". Ich war kurzem längere Zeit in den Staaten und es ist aus meiner Sicht ziemlich offensichtlich, wo die Probleme liegen und wie die Mehrheit der Menschen darauf entsprechend reagiert. Harris hätte eine riesige Chance gehabt, diese Wähler abzuholen, aber hat weder inhaltlich noch menschlich gepunktet. Ihre größte Stärke war, dass sie nicht Trump ist; das ist zu wenig. Ihre wirtschaftlichen Pläne waren kaum umsetzbar, dazu hat sie als Vizepräsidentin versäumt, bleibenden Eindruck bei der Bevölkerung zu hinterlassen. Ihre Taktik, sich als Frau der leidenden Mittelschicht zu präsentieren (Vater Stanford-Professor, Mutter Biologin...) hat am Anfang nicht gezündet, danach ist sie in den Medien weitestgehend abgetaucht. Auch auf Trumps Fangfrage "Geht es den Menschen heute besser als vor vier Jahren?" haben die Demokraten den ganzen Wahlkampf über keinen schlagkräftigen Konter gefunden.
Trump dagegen hat eher verstanden, wie es geht: Als McDonalds-Mitarbeiter, als Busfahrer...da sagen die Amis: "Der tut zumindest was!" Viele Amerikaner wünschen sich explizit einen CEO statt eines Politikers an der Spitze. Während in Europa der Typ "Staatsmann" bewundert wird, der durch die Welt reist und in internationalen Konferenzen kernige Handlungsempfehlungen für die Menscheit formuliert, ist in den Staaten alles eher "casual" und das Wichtigste ist: "Get sh*t done", und zwar heute noch.
Wie die letzten neun Jahre auch, wird sich die deutsche Presse jetzt täglich den Mund zerreißen: "Trump kommt in den Knast – nun aber wirklich!", "Die Welt versinkt im Chaos – dieses Mal ist es bestimmt so weit", "Der dritte Weltkrieg beginnt – eventuell schon morgen". Ich dagegen denke eher, Trump wird außenplitisch die Füße stillhalten und innenpolitisch das tun, was er auch in seiner ersten Amtszeit getan hat. Und ich glaube nicht, dass es das Leben der Deutschen in irgendeiner Weise großartig beeinflussen wird. Dazu haben wir ja selbst genug mit unseren eigenen Problemen zu tun, die ironischerweise nahezu die gleichen sind wie in den USA: Gesellschaftliche Spaltung, marode Infrastruktur, Populismus, schlecht qualifiziertes Personal, Moral statt Inhalte. Und trotzdem werden immer wieder diejenigen gewählt, die dafür verantwortlich waren und sind. Insofern bin ich froh, dass man sich die abgehobene deutsche Wahlberichterstattung hoffentlich bald nicht mehr geben muss...
Viele Grüße
Marin
