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Alle Jahre wieder: steuerliche Optimierung zum Jahresende

FakeAccount
Mentor
934 Beiträge

Aus aktuellem Anlass und in guter Tradition (siehe hier) bittet mein Nachbar nmh, Euch folgendes auszurichten.

 

Alle Jahre wieder!

 

Ihr habt nur noch knapp drei Wochen Zeit, Eure steuerliche Situation bis zum Jahresende zu optimieren. Bitte ruft im Persönlichen Bereich -> Verwaltung -> Steuerübersicht die Zusammenfassung auf. Jetzt bitte auf zwei Dinge achten:

 

1.  Sparerfreibetrag und Quellensteuer voll nutzen!

 

Der Sparer-Freibetrag von 1000 EUR (Ledige)  oder 2000 Euro (Verheiratete) kann nicht ins nächste Jahr übertragen werden.

 

Schaut bitte in die Zeilen "in Anspruch genommener Freibetrag" und "verbleibender Freibetrag". Falls beim "verbleibenden Freibetrag" etwas anderes als eine Null steht, besteht Handlungsbedarf. In der Zeile "in Anspruch genommener Freibetrag" sollte Euer Freibetrag in voller Höhe stehen, also für Ledige 1000 EUR. Falls hier weniger steht, habt Ihr möglicherweise vergessen, einen Freistellungsauftrag zu erteilen, und solltet das schnell nachholen. Ich ignoriere hier, dass manche auch noch Depot bei anderen Banken haben.

 

Falls Ihr Euren Freibetrag nicht bis zum Jahreswechsel durch Gewinne (Dividenden, Zinsen, Kursgewinne) in Anspruch genommen habt, ist er unwiderruflich verloren! In diesem Fall prüft bitte, ob Ihr Wertpapiere im Depot habt, die Ihr mit entsprechend hohem Gewinn verkaufen und sofort wieder zurückkaufen könnt.

 

Ein Beispiel:

Ihr habt von Eurem Freibetrag von 1000 EUR bisher nur 600 EUR verbraucht; bleiben 400 EUR. Gleichzeitig habt Ihr eine Aktie im Depot, die Ihr zu 3000 EUR gekauft habt und die heute 3700 EUR wert ist. Diese Aktie solltet Ihr komplett verkaufen und gleich wieder zurückkaufen.

 

Beim Verkauf entsteht ein Gewinn von 700 EUR. Durch den restlichen Freibetrag müsst Ihr aber nur 300 EUR davon versteuern, der Teilgewinn von 400 EUR ist steuerfrei.

 

Durch diese steuerfreien 400 EUR spart Ihr Steuern in Höhe von 400 x 0,25 x 1,055 = 105,50 EUR (inkl. Soli, ohne Kirchensteuer). Das ist mehr als die Gebühren für den Verkauf und sofortigen Rückkauf. Diese Steuerersparnis wäre für 2023 verloren, wenn Ihr mit dem Verkauf bis nächstes Jahr wartet.

 

Durch den sofortigen Rückkauf bekommt die Aktie neue Anschaffungskosten in Höhe von 3700 EUR. Wenn Ihr jetzt in Zukunft diese Aktie für sagen wir mal 5000 EUR verkauft, beträgt der steuerpflichtige Gewinn nur noch 1300 EUR (5000 - 3700) und nicht 2000 EUR (5000 - 3000).

 

Der Vorteil des Manövers ist, dass Ihr Euren Freibetrag für 2023 ausgeschöpft habt.

 

Analog gilt das übrigens für ausländische Quellensteuer. Falls in der Zeile "anrechenbare (!) ausländische Quellensteuer" ein Wert größer Null steht, solltet Ihr durch den Verkauf von Wertpapieren, die im Buchgewinn liegen, dafür sorgen, dass die Quellensteuer nicht verloren geht.

 

2.  Verluste realisieren

 

Verluste aus Wertpapiergeschäften können nur in die Zukunft vorgetragen werden, nicht in vergangene Jahre zurückgetragen. Das bedeutet: Wenn Ihr dieses Jahr bereits Steuern auf Wertpapiergewinne bezahlt habt und gleichzeitig Aktien oder andere Wertpapiere mit Buchverlusten im Depot liegen habt, solltet Ihr darüber nachdenken, diese Verluste durch einen sofortigen Verkauf zu realisieren. Falls Ihr weiter an die Aktien glaubt, könnt Ihr sie ja sofort wieder zurückkaufen.

 

Ob Ihr Positionen mit Buchverlust habt, seht Ihr in der Depotübersicht -> Steuersimulation.

 

Auch hier ein Beispiel: Angenommen, Ihr habt in 2023 bereits 2000 EUR mit Kursgewinnen realisiert und darauf 2000 x 0,25 x 1,055 = 527,50 EUR Steuern (Kapitalertragsteuer und Soli, ohne Kirchensteuer) bezahlt. Gleichzeitig habt Ihr aber noch ein anderes Papier mit Buchverlusten über 1800 EUR im Depot.

 

Wenn Ihr jetzt nichts tut und mit dem Verkauf der Verlustposition bis 2024 oder später wartet, entsteht der steuerliche Verlust von 1800 EUR erst ab 2024. Er kann dann nicht mehr mit den Gewinnen von 2000 EUR auf 2023 verrechnet werden, sondern wird in die Zukunft vorgetragen. Jetzt ist es aber theoretisch möglich, dass Ihr nie mehr Gewinne mit Aktien macht! In diesem Fall könnt Ihr den Verlust steuerlich nie mehr nutzen.

 

Falls Ihr den Verlust aber noch in 2023 realisiert, bekommt Ihr sofort eine Steuererstattung von 1800 x 0,25 x 1,055 = 474,75 EUR. Lieber den Spatz in der Hand ... Und wie gesagt: niemand verbietet Euch, die Verlustposition sofort wieder zurückzukaufen, falls Ihr weiter davon überzeugt seid.

 

Wichtiger Nachtrag: Diese Optimierung ist vor allem dann wichtig, wenn Ihr nicht gleichzeitig auch Wertpapiere mit Buchgewinnen im Depot habt. Mit anderen Worten: Handlungsbedarf besteht im wesentlichen dann, wenn Ihr

1. bereits Gewinne in 2023 versteuert habt (d.h. Gewinntopf speziell aus Aktien größer Null)

2. Wertpapiere mit Buchverlusten im Depot (also noch nicht verkauft) habt

3. keine oder nur wenige Wertpapiere mit Buchgewinnen im Depot (also noch nicht verkauft) habt

 

Nur falls alle drei Bedingungen zutreffen, solltet Ihr Eure Verlustpositionen verkaufen, bis Ihr die in 2023 gezahlten Steuern möglichst komplett zurückerhalten habt. Falls Ihr jedoch auch Wertpapiere mit Buchgewinnen im Depot habt, könnt Ihr mit dem Verkauf der Verlustpositionen auch warten, bis ihr die Gewinnpositionen (in späteren Jahren) verkauft und den Gewinn versteuert habt. Unabhängig von steuerlichen Aspekten sollte man jedoch Wertpapiere immer mit einem strengen Stopkurs absichern, um die Verluste zu begrenzen.

 

Achtung: Kursverluste aus Aktien dürfen steuerlich nur mit Kursgewinnen aus Aktien verrechnet werden, nicht jedoch mit "sonstigen" Gewinnen (insb. Dividenden). "Sonstige Verluste", also z.B. aus dem Verkauf von Zertifikaten oder Anleihen oder Fonds-Anteilen, dürfen hingegen beliebig mit Gewinnen aus Aktien, Gewinnen aus "Sonstigen" oder auch mit Zinsen und Dividenden und Fonds-Erträgen verrechnet werden.

 

Es gibt noch einige weitere Kleinigkeiten, die man aus steuerlicher Sicht beachten sollte. Ich wollte hier nur das Wesentliche darstellen, das für die meisten von Euch relevant sein dürfte.

 

Rechtsgrundlagen für alle, die es interessiert:

 

- Aktienverluste können nur mit Aktiengewinnen, nicht jedoch mit "sonstigen" Gewinnen, Dividenden usw. verrechnet werden: Par. 20 Abs. 6 Satz 4 EstG; derzeit sind Verfassungsbeschwerden gegen diese Beschränkung anhängig.

- Pauschalsteuer auf 30% vom Verkaufserlös falls Anschaffungsdaten nicht bekannt sind: Par. 43a Abs. 2 Satz 7 EstG (das kann passieren, falls unmittelbar nach einem eingehenden Depotübertrag verkauft wird, wenn die Anschaffungsdaten noch nicht vorliegen; sobald jedoch die tatsächlichen Anschaffungsdaten nach einigen Tagen nachgeliefert sind, wird comdirect den Verkauf automatisch steuerlich neu bewerten und die Steuer auf den tatsächlichen Gewinn oder Verlust belasten oder gutschreiben)

- Freibetrag 1000 bzw. 2000 EUR: Par. 20 Abs. 9 Satz 1 EstG

- Beim unentgeltlichen Depotübertrag (z.B. auf eigenes Depot, also ohne Gläubigerwechsel) werden auch die Anschaffungsdaten übertragen: Par. 43a Abs. 2 Satz 3 EstG (Taxbox-System)

- Ein entgeltlicher Depotübertrag (z.B. an Dritte) wird wie ein Verkauf behandelt: Par. 43a Abs 2 Satz 8 EStG. Jedoch darf der letzte Börsenkurs maximal 30 Tage alt sein, sonst wird eine Pauschalsteuer von 30% angesetzt, Par. 43a Abs 2 Satz 9, 10 EStG (siehe hier).

 

Nur Steuerberater dürfen steuerlich beraten. Deswegen müsste hier eigentlich ein Disclaimer stehen: "Dies ist keine Steuerberatung". Aber was soll der Unsinn. Ihr wisst und ich weiß genau, dass das hier nichts anderes als eine gut gemeinte steuerliche Beratung ist. Falls irgend jemand ein Problem damit hat, freut sich die Rechtsabteilung meines Nachbarn über Post. Die schickt Ihr ausreichend frankiert (nicht so wie neulich!) am besten an nmh, Abt. Kaminfeuer in der Zirbelstube, München. Doch, das kommt an!

 

Hochachtungsvoll

der Nachbar von nmh

 

99 ANTWORTEN

Silver_Wolf
Legende
5.271 Beiträge

@Piscadu  schrieb:

 

In der heutigen Zeit hätte ich aber auch gedacht, dass solche Änderungen zeitnah angepasst werden.

Wenn dies nicht geht wäre vielleicht ein Hinweis hilfreich, dass es mehrere Tage/Wochen dauern kann, bis die Änderung korrekt eingepflegt ist.

 

Nach der Erhöhung des Freibetrages (Freitagmittag, 15.12.) wurde ja umgehend der neue Freibetrag angezeigt.

 

 


Ich hatte die Abläufe beschrieben.

Nur weil Online schon eine Änderung sichtbar ist heißt das noch lange nicht daß diese auch bearbeitet und wirksam ist.

 

digitus
Legende
9.094 Beiträge

Danke nochmal, Fakey ... diese Tipps sind Gold wert 😍.

 

Und bei dieser Steueroptimierung spielt die comdirect ihre Qualitäten aus: Mit der Steuersimulation kann man sich schrittweise an die richtige zu veräußernde Stückzahl herantasten. Das bietet AFAIK keiner der Marktbegleiter. Deswegen mache ich es tatsächlich so, dass die FSAs bei den Marktbegleitern auf Kante genäht sind, bei der comdirect aber noch etwas Spiel ist. Dann kann ich mit der Steuersimulation so lange tüfteln bis es passt.

 

Grüße,

Andreas

Torquemada
Experte ★
146 Beiträge

Meine Steuerliche "Optimierung" ist ziemlich in die Hose gegangen.

 

Runde 60 Euro verluste wollte ich erzielen

 

60 Euro geteilt durch   (Durchschnittlicher Kaufkurs minus aktueller Kurs)  ergab 62 Stück

 

62 Stück hab ich verkauft und am ende einen Verlust von 193 Euro realisiert.  In der Detailabrechnung erfahre ich, dass die Aktien die ich über einen längeren Zeitraum in kleine Teile gekauft habe, jeweils immer nur die teuersten oder älteste verkauft wurden, die eher weit weg sind vom durchschnittlichen Kaufkurs.

 

Hurra...

Silver_Wolf
Legende
5.271 Beiträge

@Torquemada  schrieb:

Meine Steuerliche "Optimierung" ist ziemlich in die Hose gegangen.

 

Runde 60 Euro verluste wollte ich erzielen, um den Steuerfreibetrag auf 1000 zu drücken.

 

60 Euro geteilt durch   (Durchschnittlicher Kaufkurs minus aktueller Kurs)  ergab 62 Stück

 

62 Stück hab ich verkauft und am ende einen Verlust von 193 Euro realisiert.  In der Detailabrechnung erfahre ich, dass die Aktien die ich über einen längeren Zeitraum in kleine Teile gekauft habe, jeweils immer nur die teuersten oder älteste verkauft wurden, die eher weit weg sind vom durchschnittlichen Kaufkurs.

 

Hurra...


Nun, dann hoffen wir daß du daraus etwas gelernt hast.

Das Thema FIFO ist nun uralt und sollte zum Grundwissen gehören.

Natürlich darf man nicht einfach mit dem Durchschnittskurs rechnen.

 

Warum hast du nicht die Steuersimulation benutzt um das vorher zu prüfen?

Dazu ist die doch da.

 

Nun ja, noch hast du ja ein paar Tage Zeit um einen passenden Gewinn zu realisieren.

 

Es gibt ja immer Möglichkeiten etwas falsch zu machen.

Sicher werden sich wieder einige Leute die gerade stolz auf 1001 Euro Gewinn sitzen die Augen reiben wenn ihnen am 29.12. ein Stop Loss mit über 1000 Euro Verlust um die Ohren fliegt.  🙂

ehemaliger Nutzer
ohne Rang
0 Beiträge

     

Krügerrand
Mentor
897 Beiträge

Sieht so aus, als hätte @Torquemada Fondsanteile an die Fondsgesellschaft zurückgegeben. Da das im Normalfall gebührenfrei ist, kann man das auch bei vergleichbar kleinen Beträgen machen.

 

FIFO (= First In First Out) hatte ich im Thread bisher noch gar nicht vermisst, aber ist natürlich essentiell.

 

Glück im Unglück: Der Verlust wird dir im Verlusttopf auch im nächsten Jahr noch zur Verfügung stehen. Was du unbedingt vermeiden willst, ist ein ungenutzter Freistellungsauftrag.

 

NEUER Punkt:

 

Bisher vermisse ich noch das Thema Stückzinsen in der Diskussion. Diese fallen nicht nur bei Anleihen an, sondern auch bei Aktienanleihen, und werden als sonstiger Verlust (also dem universal einsetzbaren) verbucht. 

 

Plane ich also jetzt am Jahresende eine Aktie zu kaufen, suche ich eine Aktienanleihe, die mit großer Wahrscheinlichkeit im Januar in Aktien bedient wird, und kann so meine Steuer aufs nächste Jahr verschieben.

 

Beispiel: Ich möchte Mercedes Benz AG kaufen:

 

Ich ordere stattdessen: Aktienanleihe https://www.comdirect.de/inf/zertifikate/DE000PE0VXV0?ID_NOTATION=414581155  (Natürlich vom Derivatepartner BNP) BIB https://kid.bnpparibas.com/DE000PE0VXV0_DE.pdf 

Aktueller Kurs Basiswert: 63,00

Brief AA 88,11 EUR

Bezugsverhältnis: 13,333

Stückzinsen: 13,70

Bezugspreis 75,00 EUR

Kupon: 18% p.a.

Kaufbetrag: 881,10 + 137,00  Stückzinsen =1018,10

Rückzahlung am 21.03.24 839,98 + 180,00 EUR Zinskupon (mit heutigem Aktienwert) = 1019,98 Davon werden mir aber den heutigen Gegenwert von 819,00 als 13 Aktien eingebucht.

 

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würde ich 1018,10 für 13,33 Aktien zahlen, anstelle von 839,98. Allerdings bekomme ich ja am Fälligkeitstag nochmal 180,00 EUR Zinsen. Ich zahle also 178,12 heute für 180 in einem guten Vierteljahr. Diese Rendite ist mit rd. 4% p.a.  deshalb so hoch, weil ich auch das Ertrag verkaufe, sollte die Aktie doch über 75,00 EUR steigen, was durchaus möglich ist.

 

Auf jeden Fall werden mir noch dieses Jahr 137,00 EUR Verlust eingebucht, die ich steuerlich mit allen Kapitalerträgen verrechnen darf.

 

PS: Dividendentermin der MB AG ist erst nach Fälligkeit.

Silver_Wolf
Legende
5.271 Beiträge

Das ist nun das Gegenteil von dem was gewünscht war.  😞

Der Verlusttopf ist leer und der Freibetrag nicht voll genutzt.

Da braucht es nicht noch mehr Verluste.

Krügerrand
Mentor
897 Beiträge

@alle außer @Silver_Wolf I fixed it for you

Silver_Wolf
Legende
5.271 Beiträge

@Krügerrand  schrieb:

@Silver_Wolf I fixed it for you...


Ich brauche das nicht.

Aber du verwirrst nur den Fragesteller damit.

Torquemada
Experte ★
146 Beiträge

54,11 Euro hab ich erstattet bekommen. In der PDF steht wahnsinnig viel Zeug mit irgendwelchen Töpfen aus der Quelle und Verlusttopf und FSA-Bratpfannen sowie Verrechnungen mit VVT-Kochlöffel und REIT-Würstchen und was weiß ich.

 

Irgendwelche Aktiengewinne werde ich dieses Jahr wohl nicht mehr machen, um da nochmal gegenzurechnen und vielleicht alles nochmal schlimmer zu machen. Nächstes Jahr lass ich von solchen Zaubertricks die Finger, zumal der Großteil der Kapitalerträge nur Dividenden sind. Das war das erste mal das ich einen Teilverkauf machte, totalverkaufe sind bei mir auch selten, darum ist mir das nicht groß aufgefallen bzw. nicht vorher bedacht.

 

Wenn ich mal nicht so wahnsinnig müde bin und zu viel Freizeit habe, lese ich mich in das Thema vielleicht mal ein, oder auch nicht.