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Blick über den Tellerrand: NFTs - (kritische) Informationssammlung

Versuchender
Experte ★
228 Beiträge

Hallo in die Runde,

 

im Vorjahresthread schrieb ich, mich unter anderem mehr mit Kryptowährungen und insbesondere NFTs in Hinblick auf finanzielle Investments auseinanderzusetzen. Sharing is caring, daher werfe ich meine bisherigen Erkenntnisse in den Raum.

 

Einordnung des Eingangspostings

Ich halte wenig von "betreutem Arbeiten" und gehe davon aus, dass lesende Personen gewillt (und bestenfalls in der Lage) sind, Informationen zu sichten, zu sortieren, zu hinterfragen und eigene Verbindungen zu ziehen. Ich sehe den Beitrag daher als kleinen Wegweiser für ebenfalls Interessierte und offeriere an der ein oder anderen Stelle auch meine Schlüsse. Inwieweit die übernehmens- oder teilenswert sind, entscheidet der oder die geneigte Leser:in selbst.

 

Einordnung meines Bezugs

"Wem nützt es?" finde ich eine wichtige und berechtigte Frage. Ich bin it-technisch interessierter Laie, habe 600€ Spielgeld auf verschiedene Kryptowährungen verteilt und halte keine NFTs. Die Auseinandersetzung mit der Thematik soll für mich die Frage klären, inwieweit NFTs ein verfolgenswürdiges Investment (für mich) darstellen.

 

Spoiler:

Spoiler
Tun sie nicht.

Was sind NFTs?

In meiner eigenen Sprache: Eine Besitzkarte, die auf einer Blockchain gespeichert ist. Dadurch soll sie besonders sicher vor Verlust oder ähnlichem sein, da die Blockchain quasi unmanipulierbar ist. (Spoiler: Ist sie nicht.) Hier ist die Wikipedia-Erklärung.

 

Die Einsatzzwecke sind vielfältig und werden unter anderem in diesem 165-seitigen Bericht beschrieben, den ich noch nicht gelesen habe.

 

Die größte Relevanz, die in den sozialen Medien betont wird, ist das Metaverse. Das Metaverse ist eine vermeintliche Weiterentwicklung des Internets. Quasi der zweite Versuch von Second Life. (Kennt niemand mehr, oder?) Beziehungsweise die Verknüpfung von "realer Person" und "virtuellem Avatar". (Die Freude eines jeden Datenschützers.)

 

Oft wird von NFT-Vertreter:innen auch die großartige Community betont. Der Unterschied zu unserer illustren Gruppe ist halt, dass man sich nicht einfach so anmelden und mitmachen kann, sondern ein - häufig immens hässliches - Bild für ein Schweinegeld kaufen muss, um dann mit anderen Schweinegeld-NFT-Besitzern abhängen zu dürfen. Jeder, der schonmal MMORPGs oder Minecraft mit anderen gespielt hat, wird sich fragen: Wozu?

 

Die Antwort(en) auf alle Fragen

Die simple Antwort darauf lautet: Geld verdienen. "Dummes Geld sucht noch dümmeres Geld."

 

Der Artikel (Lesezeit vermutlich >30 Minuten) hinterfragt die technischen Grundlagen und Illusion der "Nichtmanipulierbarkeit". Ich habe mit einem befreundeten Informatiker gesprochen, der meinte, dass der Aspekt vernachlässigbar sei: Übernommene Kryptowährungen verlieren User, dadurch verlieren Coins ihren Wert, dadurch verpufft das Investment des Übernehmenden.

 

Das Metaverse löst zwischenmenschliche Probleme und verbessert menschliche Eigenschaften nicht.

 

Das Zwei-Stunden-Video ist zu der Thematik/für eine kritische Betrachtung absolut empfehlenswert. Spoiler:

Spoiler
NFTs haben keinen (Mehr-)Wert.

Mein persönliches Highlight aus dem Video war und ist, dass das NFT nicht mehr als ein "festzementierter Hyperlink" ist. Es ist ein f***ing hyperlink (!), der im schlimmsten Fall von heute auf morgen nur einen 404-Fehler ausspuckt (siehe hier).

 

Meine Konklusio

NFTs sind im Kern wertlose Hyperlinks, die höchstens als extrem risikoreiche Spekulation geeignet sind, um von dummen FOMO-Käufer:innen in der Zukunft zu profitieren. Was dafür spricht, ist die Tatsache, dass viele Menschen keine Ahnung haben und/oder sich dämlich verhalten. Mein persönliches Wertesystem hält mich davon ab.

 

Wenn, dann schaue ich mal, ob ich eine eigene NFT-Serie auf den Markt bringe. Mit dem Hinweis, dass es nur wertlose Hyperlinks sind. Ich vermute befürchte, dass aber selbst das gekauft werden würde.

14 ANTWORTEN

Major Tom
Mentor
811 Beiträge

Ein toller gesellschaftskritischer Kommentar - danke @haxo 

 

Gruss,

MT

Weinlese
Mentor ★
1.459 Beiträge

@Versuchender 

Das in meinen Augen Lächerliche daran ist, dass der "digitale Wert" eben nicht auf der Blockchain liegt, sondern nur ein Verweis auf den (digitalen) Ort. Das ist so, als wenn ich dir einen Zettel in die Hand drücke, auf dem steht "Buchbesitz".

Das hängt davon ab, wie diese Verweise ausgestaltet sind. Du kannst auch einen Verweis auf einen (digitalen) Wert haben, der nicht auf einer Blockchain abgelegt ist, bei dem eine Veränderung durch einen falschen Hash-Wert aber trotzdem auffallen würde. Um beim Bild zu bleiben, ob das digitale Buch dann noch immer im entsprechenden Regal steht ist unerheblich. Du kannst Dir bei digitalen Waren eine Sicherungskopie anlegen und über den Token nachweisen, dass das Buch Dir gehört.

 

Im realen Leben ist das übrigens nicht anders. Ein Grundbucheintrag ist erst einmal auch nur ein ein Verweis auf irgendein Stück Land. Der Eintrag selbst garantiert Dir nicht, dass das Grundstück doch noch immer bebaubar ist, ob das Haus auf diesem Grundstück noch steht und so weiter. Trotzdem kann es sinnvoll sein, solche Besitzrechte digital verfügbar und vor allem individuell übertragbar zu machen.

 


Soweit ich es überblicke, ermöglichen/vereinfachen NFTs nichts, was nicht heute (anderweitig) schon geht.


Viele Technologien liefern nichts essenziell Neues, sie machen bestehende Verfahren aber schneller, einfacher oder günstiger. Braucht man beispielsweise ein Flugzeug, wenn man jeden Ort der Erde auch mit Zug und Schiff erreichen kann?

 

Der aus meiner Sicht größte Vorteil von NFTs ist der Wegfall von Intermediären beim Austauch von Gütern, was den ganzen Ablaufprozess einfacher und oft auch günstiger macht (je nach Art der Dezentralisierung muss das nicht zwangsläufig der Fall sein, da spielt der Sicherheitsaspekt wieder eine größere Rolle). Willst Du Dein Grundstück verkaufen, musst Du dazu nicht zum Amt, wo die Abwicklung im günstigeren Fall wenige Wochen dauert, sondern Du kannst den NFT in Minuten an jemand anderen übertragen.

 

Damit ergeben sich natürlich auch wieder ganz andere Probleme. Was passiert beispielsweise, wenn Du Deinen NFT-Zugang für Dein Grundstück verlierst? Was, wenn sich jemand unberechtigt Zugang zu Deinem System verschafft? Für viele dieser Schwachstellen gibt es aktuell noch keine befriedigende Lösung. Ich gehe aber davon aus, die werden sich in Zukunft finden. Mit staatlicher Regulierung dieser Systeme wäre zum Beispiel eine Art Sicherungskopie der privaten Schlüssel unter amtlicher Aufsicht denkbar.

 

Zum Punkt virtuelle und erweiterte Realität: die werfe ich in der Diskussion beide in einen Topf. Die Grenzen dort sind ohnehin unschaft beziehungsweise werden in Zukunft mehr und mehr verschwimmen. In einigen Jahrzehnten werden virtuelle und reale Welt rein optisch vielleicht gar nicht mehr zu unterscheiden sein, wie es mit computergenerieren Bildern heute bereits der Fall ist.

 

Die gesellschaftliche oder philosophische Betrachung auf diese Technologien ist natürlich interessant. Wie immer gibt es nicht nur Schwarz und Weiß, sondern jede Menge Grautöne dazwischen. Bei der Entwicklung des Internets war und ist es nicht anders. Ich gehe davon aus, diese Technolgien werden in Zukunft mehr Vor- als Nachteile bringen, weshalb die Menschheit im Kern daran festhalten wird, bei der konkreten Ausgestaltung aber eben Einschränkungen durch die Politik vorgenommen werden.

 

Noch ein Gedanke, der aus heutiger Sicht noch komplett nach Science-Fiction klingt: Was wäre, wenn es uns irgendwann einmal technologisch gelänge, den gesamten Geist des Menschen auf die digitale Ebene zu übertragen? Sämtliche Erinnerungen, Gedanken und Gefühle könnten nach dem Tod in einer Art digitalem Paradies weiterleben, ohne dass sich auf der Erde jemand um die physischen Überreste kümmern müsste, die zur Aufrechterhaltung des Geistes nach dem körperlichen Tod vielleicht noch in einer Art Zombiezustand erhalten werden müssten.

 

Körperliche Arbeiten könnten durch künstliche Ersatzmenschen und Maschinen vorgenommen werden. Wir könnten in Raumschiffen das All erobern, da diese rein virtuellen Geister Jahrtausende währende Reisen überstehen würden. Der ewige Traum von Unsterblichkeit wäre real. Schade eigentlich, dass wir höchstwahrscheinlich alle noch zu den Generationen gehören, die nie erfahren werden, ob daraus jemals Realität werden wird. 😛

 

Viele Grüße

Weinlese

digitus
Legende
9.096 Beiträge

Wow, @Weinlese, danke für diesen ausführlichen Kommentar ... macht es für mich als diesbezüglicher Dummie wieder ein bisschen transparenter! 

 

@Versuchenderund @Weinlese: gerade wegen der Komplexität und der unterschiedlichen Standpunkte einer der interessantesten Threads der letzten Zeit! Danke!

 

Grüße,

Andreas

Reicop
Experte
92 Beiträge

@Weinlese  schrieb:

Noch ein Gedanke, der aus heutiger Sicht noch komplett nach Science-Fiction klingt: Was wäre, wenn es uns irgendwann einmal technologisch gelänge, den gesamten Geist des Menschen auf die digitale Ebene zu übertragen? Sämtliche Erinnerungen, Gedanken und Gefühle könnten nach dem Tod in einer Art digitalem Paradies weiterleben, ohne dass sich auf der Erde jemand um die physischen Überreste kümmern müsste, die zur Aufrechterhaltung des Geistes nach dem körperlichen Tod vielleicht noch in einer Art Zombiezustand erhalten werden müssten.

 


Als Buch Tipp sei an dieser Stelle Otherland von Tad Willams erwähnt.

 

Und ja, das ist auch meine Überlegung zu dem Thema. Was ist "das Ziel" der Menschheit, also in ferner Zukunft? Wir kamen vom Affen, wir lernten "denken" und bekamen (bekommen) damit die Möglichkeit unsere Zukunft maßgeblich mitzugestalten. Gentechnik für den biologischen Körper und wie von Weinlese angedeutet vielleicht irgendwann die Option diese biologische Barriere zu überwinden.

Aber Gentechnik ist verpönt (besonders in Deutschland), selbst für eher harmlose Sachen wie Nahrungsmittel. Ganz besonders aber bei der "Optimierung" des Homo Sapiens hin zu einer neuen "Evolutionsstufe".

Stattdessen degeneriert die Menschheit derzeit da eine natürliche Auslese nicht mehr stattfindet und dank neuen Medien die Schwarmdummheit erschreckende Ausmaße annimmt. Idiocracy ist in 16 Jahren leider von einer Science-Fiction Komödie zu einer tragischen Dokumentation geworden. 

 

Um den Kreis zu schließen, Cypher wollte auch zurück in die Matrix weil die reale Welt im Vergleich (für ihn) unerträglich war. Wenn die virtuelle Realität so gut ist dass sie von der realen nicht zu unterscheiden ist (nicht nur optisch sondern komplett), was spricht dann dagegen dass sie auch "besser" sein kann? 

Vor "wenigen" Jahren war die Welt noch eine Scheibe, jetzt ist sie eine Kugel und wir lachen über die "Idioten" von damals. Wer weiß wann über uns gelacht wird wegen unserer "naiven" Vorstellung...