14.01.2020 18:56 - bearbeitet 14.01.2020 19:11
Ich kann mich noch gut erinnern: Vor ungefähr 20 Jahren, um das Jahr 2000 herum. Ich hatte etwas über fünf Jahre Börsenerfahrung. Ein Hobby-Anleger war ich seinerzeit und übrigens auch heute noch. Stopkurse fand ich doof, damals. "Ach neeee, ich hab die Aktie sorgfältig analysiert, wenn die jetzt fällt, dann sind die anderen schuld. Ich brauche keine Stopkurse, ich weiß genau, dass die sich wieder erholt, denn ich kann hellsehen. Auch wenn alle anderen Anleger in die andere Richtung fahren: die sind die Geisterfahrer, nicht ich." oder"Ach, das ist nur vorübergehend, ist doch so eine tolle Aktie, die verkaufe ich jetzt nicht so billig, die erholt sich schon wieder". Indes:
Damals gab es die Fernsehsendung "3SAT-Börse". Total seriös. Mit Gestalten wie Förtsch, Frick, Prof. Otte (in der aktuellen Ausgabe 1/2020 vom Schmierblatt "Euro" schreibt er auf Seite 84 unter "Notfallpläne für den Crash" allen Ernstes, man soll sich als Stadtbewohner Freunde auf dem Land suchen, wenn die Krise kommt, um zu profitieren), Gerd "Bitcoin" Weger, einer "Moderatorin", die Warren Buffett als "Orakel von Oklahoma" (sic!) bezeichnet hat, und einer anderen "Moderatorin", die schon mal vor laufender Kamera ihre eigene Regie beschimpft hat ("ja, Ihr müsst schon auf mich schneiden, wenn ich rede"). Also wie gesagt: echt toll seriöse Experten. (Immer noch gut im Vergleich zu den heutigen "newscastern" von ntv oder WELT).
Aber eben auch mit Stefan Otto. Der war damals Ressortleiter bei Börse online. Er hat in der Sendung Aktientips gegeben und ein Musterdepot betreut. Ich erinnere mich noch genau: er hatte so eine etwas krächzende, knarzende Stimme, und in jedem zweiten Satz von ihm kam das Wort "Stopkurs" oder "Achtung, Achtung, Stop Loss bei ... beachten!" (krächz) vor.
Wie gesagt: ich fand es total doof, immer nur an Stopkurse zu denken. Meiner Vermutung nach war das irgendwie von den Banken gewollt, damit die Kunden mehr traden.
Die ersten Jahre liefen für mich an der Börse mehr so OK. Aber richtig erfolgreich bin ich, seitdem ich konsequent Stopkurse einhalte (außer bei ETF, anderen breiten Investments - siehe hier - oder in Krisenzeiten, wenn alles abstürzt), meine Verluste begrenze und Gewinne einfach laufen lasse. Mein System habe ich hier beschrieben.
Stopkurse filtern Aktien aus, die schlechter laufen als der Rest. "Relative Schwäche" nennt man das, und das müßt Ihr Euch nicht antun. In Krisenzeiten genügt es meiner Meinung nach, ebenfalls nur die Aktien abzusichern, die wesentlich stärker abstürzen als der Rest. Denn der Großteil der Aktien wird sich wieder erholen, und man will nicht sein ganzes Depot leerräumen. Das ist aber eine äußerst schwierige Frage, weil es nicht ganz konsequent ist.
Aber ganz klar: Wenn es an der Börse allgemein gut läuft, dann dürft Ihr keine Aktien haben, die langsam oder schnell nach unten weggurken.
Stopkurse helfen gegen die eigene Psychologie. Kaum jemand ist in der Lage, sich Fehler einzugestehen. Wenn man bereits vor (!) dem Kauf ein Limit festlegt, bis zu dem man bereit ist, Verluste zu akzeptieren, dann spielt einem später die eigene Psyche keinen Streich. Und wenn man - so wie ich - extrem viele unterschiedliche Wertpapiere hält, helfen Stopkurse auch, Papiere auszusortieren, die einfach monate- oder gar jahrelang einfach nur stetig fallen und Geld vernichten. Depot- und Spaßbremsen sind das!
Klar kommt es oft vor, dass man ungewollt ausgestoppt wird. Bei mir alle zwei Wochen. Aber wenn eine Aktie dann wieder nach oben dreht, verbietet mir niemand, wieder einzusteigen. Dann war eben der Verkauf auch ein Fehler. Man muss eigene Fehler zulassen und richtig reagieren! Denn:
Die Erfahrung zeigt, dass solche "Unfälle" langfristig weniger Performance kosten als das sture Festhalten an Wertpapieren, die nicht nach oben laufen.
Wer hellsehen kann, keine Fehler macht und sicher weiß, dass eine Aktie wieder nach Norden dreht, und zwar schneller als andere Aktien, mit denen man in der Zwischenzeit Geld verdienen könnte, braucht keine Stopkurse. Wer sich eingesteht, dass nicht jede Investmententscheidung im Nachhinein richtig ist, und Verluste berenzen will, kommt ohne Stopkurse nicht aus. Ob man die immer "scharf" an der Börse setzen muss, oder ob es manchmal auch genügt, "im Kopf" mentale Stopkurse zu beobachten, ist eine andere Frage. Die Erfahrung zeigt aber, dass im Zweifel der eigene Starrsinn größer ist als die Vernunft. Und so hält man die Aktie doch noch weiter, obwohl man eigentlich anders geplant hat. Daher besser Stops an der Börse oder im Livetrading setzen.
Heute schreibt Stefan Otto (nachdem Bertelsmann irgendwann die BO-Redaktion leergeräumt hat) als freier Journalist bei dem von mir verehrten Gereon Kruse auf boersengefluester.de. Der war stellvertretender Chefredakteur von Börse online, bevor die vom seriösen Gruner & Jahr-Verlag an den total seriösen Finanzen-Verlag (mit dem dicken Herausgeber, der sich im persönlichen Gespräch sogar als total sympathisch erweist, übrigens erscheint auch der Otte-Artikel mit den Tipps gegen die Krise in diesem Verlag, aber ich schweife ab) notverkauft wurden.
Hach. Die alten Zeiten. Bitte nicht verwechseln: Prof. Otte mit "e" und Stefan Otto mit "o".
Achtung, Achtung: Stopkurse nicht vergessen! (Krächz)
nmh
Gelöst! Gzum hilfreichen Beitrag.
am 15.01.2020 11:33
@SMT_Philipp Der Zusammenhang zwischen Prepperismus und Angst vor Stromausfall durch Extremwetter ist in etwa so groß, wie zwischen Stoppkursen und leeren Geldautomaten.
Ich empfinde diese Verallgemeinerung als unpassend, ggf. sogar als beleidigend. Mit offtopic hast du allerdings Recht.
am 15.01.2020 14:10
Ich hätte eine Implementierung von @nmh 's Portfolio-Hub-Mechanismus in Excel anzubieten. Noch sind damit keine automatischen Orders per REST API umsetzbar, aber das ist mein Plan (als zusätzliches Excel Add In), sobald ich eine Idee habe, wie ich das monetarisieren kann. Die Excel-Datei zur Steuerung gibts umsonst, wer will.
Die Tabelle ist mehr oder weniger selbsterklärend, aber hier ein paar Kurzinfos:
1. In der Tabelle Settings stellt man den minimum- und maximum Hub ein (default 200 und 1000)
2. Tabelle PORTFOLIO: Die Spalten:
Name: Name des Wertpapiers. Das Feld ist als Aktienkurs formatiert. Kennt man die Symbole für den Handelsplatz und die Aktie, dann kann man die einfach hier eingeben und die Spalten Name, Aktueller Kurs, Schlusskurs Vortag aktualisieren sich automatisch. So kann man auch einfach Zeilen kopieren, um neue Wertpapiere hinzuzufügen. Der Name wird gelb formatiert angezeigt, wenn hier etwas unternommen werden muss (Hub verändern durch Stop-Loss, Nachziehkurs oder Mengenänderung oder verkaufen). Bei der Auswahl darauf achten, dass ein europäischer Börsenplatz gewählt wird, sonst sind die Kurse ja nicht in EUR.
Exchange: Börsenplatz, von dem die Kurse stammen
Kurs: eben der
Schlusskurs Vortag: eben der
Nachziehkurs und Stop Loss Kurs: blau formatiert, weil hier etwas manuell eingetragen werden soll
Vorschlag neuer NZK: wenn der Vortagesschlusskurs über dem aktuellen Nachziehkurs liegt, schlägt das System einen neuen Nachziehkurs vor, so dass der aktuelle Kurs in der Mitte zwischen vorgeschlagenem Nachziehkurs und vorgeschlagenem Stop Loss Kurs liegt.
Vorschlag neuer Stop Loss Kurs: siehe Absatz zuvor.
Differenz NZK-SLK: Differenz zwischen Nachzieh- und Stop-Loss-Kurs
Vorschlag Anzahl: Die Tabelle schlägt vor, wieviele Stück man kaufen soll, um innerhalb des Hubs zu bleiben. Hier bitte nichts ändern.
Akt Anzahl: Aktuelle Anzahl, hier tragt ihr ein, wieviele Stück ihr tatsächlich halten wollt.
Hub: Differenz zwischen Nachzieh- und Stop-Loss-Kurs mal Aktuelle Anzahl
HubMin: WAHR wenn der Hub über dem Minimal-Hub liegt
HubMax: WAHR wenn der Hub unter dem Maximal-Hub liegt
Nachziehen?: Übersteigt der Vortages-Schlusskurs den Nachziehkurs? Dann müsst ihr nachziehen.
Verkaufen?: Liegt der Vortages-SChlusskurs unter dem Stop-Loss-Kurs? Dann solltetihr verkaufen.
Wer Interesse hat, melder sich gerne.
Grüße
uburoi
am 15.01.2020 14:16
@uburoi Sieht interessant aus. Ich hätte in jedem Fall Interesse. Danke, dass du das zur Verfügung stellst!
am 15.01.2020 14:33
Gut gemacht, Respekt! Geschäftsmethoden und Rechenregeln sind in Europa nicht patentierbar*, also kannst Du meinen Algorithmus nach Belieben nutzen. Ich freue mich, dass Dir mein Verfahren eine Anregung liefert.
nmh
______________
*) Meine Anwälte melden sich trotzdem mal bei Dir. Sicher ist sicher.
am 15.01.2020 16:36
Gibt es eine Möglichkeit, die hier Forum veröffentlichten Stoppkurse leicht zu finden? Die Suchfunktion taugt dazu nur sehr bedingt. Oder ich bin zu doof.
Hintergrund: ich habe ein paar Stoppkurse, bei denen ich mir sicher bin, dass ich sie hier gelesen habe aber nicht sicher bin, dass ich sie auch korrekt eingetragen habe.
am 15.01.2020 16:41
@A.J. :
Nein, außer der Suchfunktion (ich versuche immer, die WKN anzugeben) gibt es keine Möglichkeit. Wäre auch nicht sinnvoll, weil Stopkurse immer eine Momentaufnahme sind und drei Wochen später möglicherweise längst veraltet.
Aber wenn Du Deine Wunschaktie(n) hier postest, liefere ich Dir - wie bisher - jederzeit gerne passende Stopkurse. Damit Du Dein Risiko im Griff behälst.
nmh
am 15.01.2020 17:25
Die Excel-Tabelle ist jetzt hier zu finden - danke an @nmh für seine Erlaubnis, das kostenfrei zu teilen.
am 15.01.2020 17:27
@uburoi :
Bitly mit Wunschadresse - uiuiui, das ist aber das premium-Angebot!
Ich wünsche Dir viel Erfolg für dieses Projekt und bin auf das Feedback der anderen Anwender gespannt. Vielleicht probiere ich die Tabelle auch mal aus.
Viele Grüße aus München
nmh
am 15.01.2020 17:29
"wer ko, der ko."
So heißt das doch bei Euch im Osten (von uns Schwaben aus gesehen...)
am 15.01.2020 21:54
Wunderbar. Meine Excel ist so ähnlich, aber nicht ganz so ausgefeilt. Der automatische Kursabruf ist wirlich sehr praktisch.