03.10.2020 14:06 - bearbeitet 03.10.2020 14:16
Eine schlüpfrige Headline, ein klebriges Thema, und schon generiert man Klicks. Sex sells, hat die Chefred. gesagt. So soll es sein. Gentlemen*, start your engines!
Liebe Börsenliebhaber (m/w),
es gibt Food Porn, das ist, wenn man sein Essen fotografiert und dann in diesem Internet postet, und es gibt Chart Porn, darum soll es heute gehen. Beide haben gemeinsam, dass sie Glückgefühle auslösen. So wie Schokolade oder Vanilla-Coke. Wir Mediziner sagen dazu Phenylethylalanin (Fenül-Etül-Alanin, so sprecht ihr das beim nächsten Stehempfang aus und macht damit mächtig Eindruck). Bitte nicht googeln, glaubt's mir einfach, ich kenne mich da aus. Mit Schokolade, meine ich. Zurück zum Thema:
Welche Aktiencharts lösen Glücksgefühle aus? Na, ideal ist natürlich, wenn der Aktienkurs schon längere Zeit wie am Schnürchen gezogen steigt. Möglichst linear. Die Steigung in Prozent pro Jahr sollte also über die Jahre hinweg möglichst konstant sein. Ohne größere Ausschläge nach oben oder unten. Warum nicht nach oben? Weil einem Ausschlag nach oben notwendigerweise einer nach unten folgt, damit es eine Linie bleibt. Und ein Aktienkursverlauf ohne Ausschläge ist gut für ruhigen Schlaf. Denn nachts sollte man schlafen oder fernsehen oder besseres tun, als sich Sorgen um seine Aktien zu machen. Womit wir wieder beim Thema Glücksgefühle wären. Ich merke schon, ich rede mich hier um Kopf und Kragen.
Also. Ich habe mich mal auf die Suche gemacht nach Aktien, deren Kursverlauf möglichst wie eine durchgezogene Linie, wie ein Strich aussieht. Also Aktien, die auf dem Strich gehen. Je näher sich die Aktie an die Strichform hält, desto weniger droht ein ungewolltes, äh, Ausstoppen unterwegs. Der Kauf trendstarker Aktien zählt zu den verlässlichsten Wegen, um langfristig eine Überrendite zu erwirtschaften. Diese Aktien verdienen wahrlich das Attribut "bullenstark". Also Taurin und so. Aber das ist nicht alles:
Natürlich sollte der Strich auch eine starke Neigung nach oben aufweisen (hier stand ursprünglich ein schlüpfriges Wort, das hat aber meine Schlussred. gestrichen, diese Spaßbremsen). Denn sonst ist man bei Tagesgeld: Ein waagerechter Strich ist auch gut für gesunden Schlaf, aber man vermehrt sich bzw. sein Geld auf diese Weise nicht. Operation gelungen, Herzstillstand. Piiiiiiiiiiep. Deswegen:
Mein Rechenzentrum hat wie gewohnt mehrere tausend Aktien aus aller Welt auf ihre ... äh ... Standfestigkeit überprüft und dabei untersucht, wie groß die Abweichung in einem logarithmischen Chart von einer glatten, geraden Linie ist. Also der Strich, der entsteht, wenn man den letzten Kurs mit dem ersten Kurs verbindet. Wenn man den Untersuchungszeitraum auf die letzten fünf Jahre begrenzt und nur solche Wertpapiere mit positiver Steigung zulässt, ist das hier die Top 10:
5 Jahre Perform. max.
WKN Bezeichnung p.a. Abw.
-----------------------------------------------------
870747: Microsoft Corp. Shares DL 34,01 14,11
A0M63R: MSCI Inc. Registered Shar 41,91 14,58
A1W58K: RingCentral Inc. Register 72,62 16,35
910249: Casella Waste Systems Inc 56,48 16,78
871981: Adobe Systems Inc. Regist 41,51 17,02
923655: Old Dominion Freight Line 33,17 18,34
893807: Copart Inc. Registered Sh 44,06 18,91
531370: Carl-Zeiss Meditec AG Inh 32,71 19,31
876736: Robertet S.A. Actions Por 32,75 19,32
658080: Mensch u. Maschine Softwa 46,41 19,39
Die Tabelle ist sortiert nach der letzten Spalte. Diese gibt die maximale Abweichung des logarithmischen Aktiencharts von einer Linie an, und zwar in Prozent von der Gesamtamplitude im untersuchten Zeitraum. Die vorletzte Spalte gibt die Steigung der Linie an, also die Rendite p.a. im Untersuchungszeitraum. Ein Lesebeispiel: Bei der Microsoft-Aktie tritt die größte Abweichung von der logarithmischen Linie der letzten fünf Jahre am 27.12.2018 auf. Microsoft hatte damals einen Kurs von etwa 85 Euro, die Linie lag bei etwa 106 Euro. Das ist eine Abweichung von 21 Euro, oder bezogen auf den Höchstkurs von 196 Euro und den Tiefstkurs von 41 Euro (in den letzten fünf Jahren, jeweils logarithmiert) von 14,11 Prozent, wie in der Tabelle angegeben. Die durchschnittliche Rendite von Microsoft lag in den letzten fünf Jahren bei 34 Prozent pro Jahr, ebenfalls in der Tabelle zu sehen. Das entspricht übrigens rein rechnerisch einer Verdopplung alle 28 Monate.
Ich habe auch den Zeitraum der letzten zehn Jahre untersucht und komme auf folgende Top 10:
10 Jahre Perform. max.
WKN Bezeichnung p.a. Abw.
-----------------------------------------------------
A0F602: MasterCard Inc. Registere 32,89 11,97
716563: Sartorius AG Vorzugsaktie 53,40 12,01
865047: Halma PLC Registered Shar 21,73 12,16
871981: Adobe Systems Inc. Regist 35,43 12,71
922134: CoStar Group Inc. Registe 34,92 12,85
A0B897: MarketAxess Holdings Inc. 42,00 13,07
873369: Fair Isaac Corp. Register 35,10 13,11
857209: Thermo Fisher Scientific 26,89 13,32
A1JRLA: American Tower Corp. (new 18,91 13,38
A0JMVJ: Pool Corp. Registered Sha 33,90 13,47
Wenn Ihr die Aktien im Informer bei comdirect anschaut, ist es sehr wichtig, dass Ihr auf logarithmische Darstellung umschaltet. Sonst könnt Ihr die Linie nicht sehen! Indes:
Besonders spannend sind lange Zeiträume. Hier ist die Tabelle, wenn man die letzten 20 Jahre untersucht:
20 Jahre Perform. max.
WKN Bezeichnung p.a. Abw.
-----------------------------------------------------
908668: AMETEK Inc. Registered Sh 17,00 12,63
864371: Church & Dwight Co. Inc. 16,83 13,55
901492: Ansys Inc. Registered Sha 24,71 14,26
923655: Old Dominion Freight Line 29,20 15,47
886413: AptarGroup Inc. Registere 10,34 16,35
870053: Ross Stores Inc. Register 20,26 17,38
883297: Neogen Corp. Registered S 20,51 18,73
928193: Blackrock Inc. Reg. Share 12,65 19,96
857675: Becton Dickinson & Co Reg 9,96 20,03
A0MQWG: Geberit AG - Namensaktien 14,55 20,41
Und wenn man jede Zeitbegrenzung aufhebt, ist die Ansys-Aktie (siehe oben) auf Platz 1. Der Aktienchart sieht bei logarithnischer Betrachtung schon seit Ende der 1990er-Jahre wie eine Linie aus. Und dann:
Umgekehrt sind natürlich auch besonders kurze Zeiträume interessant. Wenn man beispielsweise nur den Chart aus den letzten 12 Monaten betrachtet, dann gibt es eine Aktie, die wie eine Linie aussieht, also praktisch gar nicht unter dem Corona-Crash gelitten hat, nämlich JD.com. Die übrigen Titel der folgenden Liste weisen bereits recht große Abweichungen auf, sehen aber trotzdem attraktiv aus:
1 Jahr Perform. max.
WKN Bezeichnung p.a. Abw.
-----------------------------------------------------
A112ST: JD.com Inc. R.Shs Cl.A(Sp 155,69 16,07
A1CX3T: Tesla Motors Inc. Registe 709,89 26,87
A16140: HelloFresh SE Inhaber-Akt 266,67 27,89
602322: Seattle Genetics Inc. Reg 115,58 29,70
A2AJKS: Sartorius Stedim Biotech 134,76 30,87
A2PGJ2: Zoom Video Communications 499,71 31,31
900439: Swedish Match AB Namn-Akt 87,79 31,68
918422: NVIDIA Corp. Registered S 188,51 32,34
A1JLZG: BKW AG Namens-Aktien SF 2 35,27 32,64
A2JNF4: Adyen N.V. Aandelen op na 176,22 32,72
Die Auswertung hat natürlich auch einige gewaltige Haken (danke an @dg2210, mit dem ich das bereits seit einiger Zeit intensiv diskutiere). Ein großes Problem ist, dass Aktien mit einem Knick in der Kurve nicht berücksichtigt werden. Ein gutes Beispiel ist die Oberbank (WKN 854018). Die Aktie aus den österreichischen Wäldern hat eigentlich hervorragende Rosenheim-Werte, leider ist sie in Deutschland nicht besonders gut handelbar. Aber man erkennt Anfang Januar 2017 einen Knick, und einen weiteren Knick im Sommer 2017. Fisher&Paykel (WKN 881319) ist ein weiteres schönes Beispiel für eine "Knick-Performance". Es gibt eine erste logarithmische Linie bis ungefähr September 2019 und eine zweite logarithmische Linie ab September 2019 bis heute. Mein Algorithmus blendet solche eigentlich hervorragenden Aktien aus.
Außerdem unterscheiden die Korrelationsformeln nicht, ob ein Datenpunkt über oder unter der Korrelationsgeraden liegt. Als Anleger ist mir das wichtig. Und schließlich "bestraft" die Korrelationsformel Stufen im Kursverlauf. Als Anleger nehme ich das gerne mit.
Wie immer gilt deshalb: Natürlich muss man nicht alle diese Aktien sofort kaufen, und sie sind definitiv nicht dafür gedacht, in einem Musterdepot oder Wikifolio gleichgewichtet beobachtet zu werden. Aber die Liste gibt Euch spannende Anregungen für eigene Recherchen in der weiten Welt des Chart Porn.
Damit viele Grüße aus einem herbstlichen München
nmh
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*) Die Ladies sollten sich bitte nicht ausgeschlossen fühlen. Das ist halt ein stehender (haha) Ausdruck.
Gelöst! Gzum hilfreichen Beitrag.
09.10.2020 09:59 - bearbeitet 09.10.2020 10:06
Hallo werte Sternegemeinde,
Befinde mich in der glücklichen Lage, mich auf Einkaufstour begeben zu dürfen.
Nach etwas Recherche habe ich mich gegen Blackrock entschieden, dafür ist die Wahl auf folgende Papiere gefallen
A1W58K: RingCentral Inc. Register - mit SL 222€ Edit : Sorry da ist der Finger verrutscht 212€ sollte es sein
874827: Keyence Co. - hier ist mein SL konservativer bei 317 € und habe schon eine erste Position gekauft. Taucht zwar nicht in der hardcore Chartauswertung auf, ist aber bei mir schon seit der Erwähnung durch @nmh an anderer Stelle unter Beobachtung.
Für eine Einschätzung meiner Stoppkurse wäre ich äußerst dankbar
gruss ae
am 09.10.2020 10:09
Excel schlägt vor:
A1W58K: 178,845€
874827: 303,927€
Gruß Crazyalex
am 09.10.2020 10:23
@Crazyalex schrieb:Excel schlägt vor:
A1W58K: 178,845€
874827: 303,927€
Gruß Crazyalex
Vielen Dank @Crazyalex
Wie immer sehr konservativ Deine Stoppkurse
Keyence werde ich in die Richtung anpassen und an der langen Leine sich austoben lassen
RingCentral würde ich gerne einen aggressiveren Kurs fahren
gruss ae
09.10.2020 10:23 - bearbeitet 09.10.2020 10:25
@ae : Dein Stopkurs für Keyence und auch der Vorschlag von @Crazyalex sind für sehr schmerzfreie Anleger in Ordnung. Ich würde aber eher einen etwas strengeren Stopkurs im Bereich 375 Euro vorschlagen. Für RingCentral setzt Du bitte einen Stopkurs bei 196 Euro, also unter der 200-Tage-Linie und - noch wichtiger - unter der Schiebezone seit April 2020. Viel Erfolg mit den Aktien.
Entschuldigung, Schreibfehler bei Keyence: Der korrekte Stopkurs liegt bei 320 Euro.
nmh
am 09.10.2020 10:29
Wenn das für schmerzfreie konservative Anleger so okay ist dann bin ich ehrlich gesagt zufrieden!
Herzlichen Dank an @nmh !
Gruß Crazyalex
am 09.10.2020 10:29
Vielen Dank @nmh, da muss ich mich nochmal neu sortieren was die beiden Werte betrifft 😉
Ich habe da absolut diametral zu Deinen Einschätzungen gelegen.
Ihr ( nmh und crazyAlex) seid ja wieder ganz flott unterwegs heute ... wie immer
gruss ae
am 09.10.2020 10:33
@nmh schrieb:@ae : Dein Stopkurs für Keyence und auch der Vorschlag von @Crazyalex sind für sehr schmerzfreie Anleger in Ordnung. Ich würde aber eher einen etwas strengeren Stopkurs im Bereich
375 Eurovorschlagen. Für RingCentral setzt Du bitte einen Stopkurs bei 196 Euro, also unter der 200-Tage-Linie und - noch wichtiger - unter der Schiebezone seit April 2020. Viel Erfolg mit den Aktien.
Entschuldigung, Schreibfehler bei Keyence: Der korrekte Stopkurs liegt bei 320 Euro.
nmh
Da ist wohl der Tippfehlerteufel unterwegs heute 😉
320€ liegt nicht weit von meiner Einschätzung und schmerzfrei bin ich auch
gruss ae
am 09.10.2020 10:50
am 09.10.2020 13:50
@huhuhu schrieb:
@ae
ja ja ...wir haben es ja
Trotzdem viel Erfolg
Grüße
P.hu
Das deckt sich zuweilen so gar nicht mit meiner Meinung 😁
Darum muss ich mir die Werte mit Bedacht und noch mehr Sorgfalt aussuchen …
Wir können uns die beiden Titel ja merken, die gibt es demnächst günstiger … hier bei der CoDi … der banale Grund wäre: ich habe gekauft 🤗
Vielleicht kann ich ja auch nochmal nachschiessen, denn mein Asbach-Uralt Wert Amgen nähert sich dem Stoppkurs (freiwillig geb ich den nicht her … 🤔)
gruss ae
am 11.10.2020 14:56
@nmh und alle anderen,
ich bewundere Deine Sternelisten und die dahinter stehende Strategie wirklich sehr. Mein Portfilio besteht praktisch nur aus Titeln aus den
Sternelisten. Mit vielen von diesen liege ich auch schon gut im plus.
Da Börse ja bekanntlich nicht nur in eine Richtung läuft, kam mir nun eine Idee für eine neue Sterneliste. Wie wäre es, wenn man die Rosenheim-Kriterien
einmal um 180° dreht. Das heißt Aktien finden, die in einem starken, kontinuierlichen und langfristigen Abwärtstrend liegen. Über passende Derivate ließe sich dann von diesen Abwärtstrends profitieren. Außerdem wäre eine noch größere Diversifikation möglich.
In Deinem Beitrag Vola short hast du ja schon einmal so etwas ähnliches gezeigt.
Ich bin mal gespannt, was Du und alle anderen davon haltet 😉
LG morty