09.02.2021 16:08 - bearbeitet 09.02.2021 16:31
Liebe Community,
manche von euch werden sicherlich Mark Cuban kennen: 62 Jahre alt, $4,2 Milliarden reich (alles selfmade), Eigentümer des Basketball-Teams Dallas Mavericks (= ehemaliger Boss von unserem Dirk) und einer der ersten Tech-Milliardäre der Welt, nachdem er 1999 seine Firma Broadcast.com für $5,9 Milliarden an Yahoo verkauft hatte.
Der Mann ist recht jung geblieben und hat sich letztens einer Fragerunde auf Reddit gestellt, da er Sympathien für die User von Wallstreetbets hegt und sie gegen falsche Außendarstellungen in den Medien verteidigt. Nachdem er also erst zwei Stunden lang die Fragen der Reddit-Nutzer beantwortet hat, hat er direkt danach bei CNBC angerufen und die Moderatoren zurechtgestutzt, da sie einige seiner Aussagen aus dem Kontext gerissen hatten. Was für ein Typ!
In diesem 30-minütigen Telefoninterview hat er einige interessante Thesen über Aktieninvests aufgestellt, die ich gerne mich euch diskutieren möchte.
Mark Cuban sagt, dass es drei Möglichkeiten gibt, mit Aktien Geld zu verdienen: Durch Teilhabe am Unternehmen, durch Dividenden und durch Kurssteigerungen. Dementsprechend lassen sich Aktien grob in drei Typen einteilen:
Aktien, um sich aktiv am Unternehmen zu beteiligen:
Günstige Bewertungen von Aktien und Kennzahlen wie z.B. das KGV sind aus seiner Sicht ein Relikt der Vergangenheit. Und zwar aus einer Zeit, als Aktien noch als aktive Beteiligung an einem Unternehmen verstanden wurden. Für diesen Ansatz war es natürlich essenziell wichtig, dass ein Unternehmen möglichst günstig bewertet ist, damit man im Gegenzug einen möglichst großen Anteil am Unternehmen als aktiver Investor erwerben kann. So macht es ja z.B. ein Warren Buffett.
Cuban behauptet, dass dieser Ansatz aus folgenden Gründen heute kaum noch beachtenswert ist.
1.) Aktien werden heutzutage überwiegend nicht mehr als aktive Unternehmensbeteiligung, sondern als „digitales Asset“ zum Handel verstanden.
2.) Die Marktkapitalisierung der meisten Firmen ist mittlerweile viel zu hoch, als dass man sich im signifikanten Maße beteiligen könnte.
3.) Durch die schnelle Medienwelt ist es kaum noch möglich, den Wert eines Unternehmens so lange niedrig zu halten, bis der gewünschte Beteiligungsrahmen erreicht ist.
4.) Für private Investoren spielt dieses Prinzip sowieso keine Rolle. Cuban behauptet, Fundamentalzahlen wie das KGV dienen nur als Verkaufsargumente für Analysten, um Privatanleger zu locken. Für Privatinvestoren ist der „Wert“ und die Beteiligungsgröße am Unternehmen egal, da sich dadurch keine Relation zur Rendite ergibt.
Aktien, die Dividende zahlen:
Erklärt sich von selbst. Man bekommt für seine Aktie direkt einen finanziellen Gegenwert. Auch wenn es für Mr. Cuban als Multimilliardär sicherlich relevanter ist, als für uns…
Aktien, die keine Dividende zahlen:
Hier sagt Cuban ganz klar: Einzig und alleine der Kurs ist entscheidend! Kennzahlen und Fundamentaldaten – sprich, der „wirkliche Wert“ eines Unternehmens – sind nicht wichtig! Es geht einzig und allein darum, etwas für mehr Geld zu verkaufen, als man es eingekauft hat. Und zwar am besten möglichst schnell. Das klassische Prinzip von Angebot und Nachfrage. Cuban vergleicht es beispielsweise mit Sport-Sammelkarten oder Gemälden, die auch keinen wirklichen materiellen Wert besitzen, aber trotzdem für Millionen gehandelt werden, weil es jemanden gibt, der bereit ist, einen bestimmten Kaufpreis zu zahlen. Er verweist auch darauf, dass es mal eine Zeit gab, in der Salz gegen Gold getauscht wurde.
Aktien sind nach dieser Sichtweise einfach nur ein Tauschinstrument. Ein „digitales Asset“, das gegen Gebote hin- und hergeschoben wird und deren Wert sich einzig und alleine nach dem Interesse der Marktteilnehmer richtet. Dadurch entsteht aus seiner Sicht auch der Konflikt zwischen der neuen Generation von Investoren, die nach eben jenen Prinzip handeln, und den Alteingesessenen, die nach den ersten beiden Prinzipien investieren.
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Ich finde die Aussagen sehr interessant, da sie auf viele Grundsatzdiskussionen einzahlt, die wir hier ständig im Forum führen: Value vs. Dividenden vs. Momentum. Ein abschließendes Urteil ist sicherlich kaum möglich, da es unter die Kategorie "Ansichtssache" fällt. Aber man sollte auf jeden Fall einmal über die Aussagen nachdenken und vielleicht ist es ja ein hilfreicher Input für das eigene Investitionsverhalten. Was meint ihr?
Viele Grüße
Marin
am 10.02.2021 21:31
@ehemaliger Nutzer schrieb:
Ich weiß nicht, warum die Leute in Tesla anlegen. Ich kann mir aber vorstellen, dass es tatsächlich Anleger gibt, die glauben, dass Tesla mit den Elektroautos so unfassbar viel Erfolg haben wird, dass es die aktuelle Bewertung rechtfertigt.
Hallo @ehemaliger Nutzer, vielleicht sollte ich mich mal selber vor ca. 20 Jahren zitieren:
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass man mit dem Verkauf von Büchern ein Riesengeschäft machen kann, also warum sollte ich in Amazon investieren, die keinen Gewinn machen."
Auch wenn da Amazon nicht als Blaupause taugt, so sind doch einige Parallelen zu erkennen.
Vor 20 Jahren konnte niemand auch nur erahnen womit Amazon Geld (und das richtig viel) heute scheffelt.
Es ist die Umtriebigkeit des Managements und allen voran der Gallionsfiguren - Bezos, Musk - die sich immer neue Geschäftsfelder eröffnen und dies ohne Rücksicht auf Marktbegleiter auf aggressive, disruptive Art und Weise.
So ist Tesla's Gewinn auf den Handel mit CO2 Zertifikaten zurückzuführen.
Und der Musk hat ja noch einige Asse im Ärmel.
gruss ae
am 10.02.2021 22:45
Auch wenn da Amazon nicht als Blaupause taugt, so sind doch einige Parallelen zu erkennen.
Vor 20 Jahren konnte niemand auch nur erahnen womit Amazon Geld (und das richtig viel) heute scheffelt.Es ist die Umtriebigkeit des Managements und allen voran der Gallionsfiguren - Bezos, Musk - die sich immer neue Geschäftsfelder eröffnen und dies ohne Rücksicht auf Marktbegleiter auf aggressive, disruptive Art und Weise.
So ist Tesla's Gewinn auf den Handel mit CO2 Zertifikaten zurückzuführen.
Und der Musk hat ja noch einige Asse im Ärmel.gruss ae
Wie du sagst, taugt es nicht als Vergleich, weil die Entwicklung und auch die Aktie die Entwicklung viel kontinuierlicher und gesünder gemacht hat. Bei Tesla ist diese angebliche Entwicklung, sollte sie denn auf irgendeine Art stattfinden ("neue Geschäftsfelder" etc.) eingepreist. Bezos hat eine Weile gebraucht, um zum reichsten Mensch der Welt zu werden, Musk deutlich kürzer. Die Asse von Musk sind Twitter, Bitcoin und die genannten Zertifikate.
am 10.02.2021 23:01
wer 1929 nicht dabei war, erinnert sich auch nicht an diverse Währungsreformen 1924, 1938, 1948, 1957. Oder doch an 1990? Im letzteren Fall war es nicht möglich in Aktien investiert gewesen zu sein.
am 11.02.2021 08:17
@ae schrieb:
So ist Tesla's Gewinn auf den Handel mit CO2 Zertifikaten zurückzuführen.
Und der Musk hat ja noch einige Asse im Ärmel.gruss ae
Moin,
die Phantasie hinter dem Tesla-Boom sehe ich halt in der weltweiten Vermarktung. Wirklich Autos baut der ja nur in USA und seit kurzem irgendwie in China... Europa (bei Berlin) und Indien sind die nächsten Startlöcher angegangen - aber ich verstehe partout nicht, warum das ein Tesla sein muss... kennt jemand einen, der einen max. 1 Jahr alten fährt? Wie hat sich da das Look&Feel entwickelt? Können die nun auch Kurven fahren? ... wie gesagt: vor 3 Jahren war das nur grottig...
am 15.02.2021 18:37
hmm... irgendwie lässt mich das Thema nicht los...
Wert von Tesla... bei einem noch zu rechtfertigenden KGV von 40 und 10% Marge müsste Tesla im Jahr 2,7 Mio Autos verkaufen (Toyota 9,5 Mio)... somit über das 4-fache des derzeitigen Absatzes... (weniger als 750.000)
Noch viel komplizierter: was ist denn nun ein BitCoin wert? Alle Grafikkarten laufen derweil heiß, weil das Schürfen sich wieder lohnt. Gold ist ebenso "unendlich-endlich" (es wird immer aufwendiger und teurer, welches zu erhalten, aber wirklich versiegen tut beides nicht). Nur wo ist die Grenze? Warum meint jeder, das haben zu wollen ... zu müssen?
schwierig, schwierig
am 15.02.2021 19:32
Hier sind wir wieder beim dem Thema: Warum sind eine Baseball-Sammelkarte oder ein Gemälde Millionen wert, obwohl der materielle Wert nur wenige Cent beträgt? Antwort: Weil es Leute gibt, die bereit sind, diesen Preis zu zahlen. Sei es aus emotionaler Bindung, aus Zugehörigkeitsgefühl oder aus psychologisch-wirtschaftlichen Gründen: Jemand kauft die Aktie, weil er der Meinung ist, dass sie ihm jemand anderes teurer wieder abkaufen wird. Eben jener Käufer glaubt wiederum auch, dass sie ihm jemand noch teurer abkaufen wird. Und so geht es immer weiter...mal mehr mal weniger lange. Das "Value" einer Aktie ist in dem Fall einfach das Verhältnis aus Angebot und Nachfrage und hat nichts mehr mit einer klassischen Unternehmensbeteiligung zu tun. Als Resultat erfolgt die Loslösung von betriebswirtschaftlichen Kennzahlen.
Das trifft nicht auf alle Aktien zu und man muss es auch nicht gut finden. Wichtig ist aus meiner Sicht nur, dass man als Investor einzuschätzen weiß, bei welchen Werten genau diese Dynamik zutrifft und wie man sie sich am besten zunutze machen kann.
15.02.2021 19:53 - bearbeitet 15.02.2021 19:58
15.02.2021 19:53 - bearbeitet 15.02.2021 19:58
Zumindest muss man zugestehen, dass das Börsengeschehen seit Jahrzehnten und länger eine hohe globale, mediale (TV, Zeitungen) und wirtschaftliche Bedeutung (Banken, Versicherungen) hat, d.h. es gibt wie z.B. bei Gold/Diamanten, Immobilien und Land einen stabilen Konsens, dass Aktien als Handelsmedium, Renditeobjekt und Wertspeicher tauglich sind.
am 28.02.2021 20:13
@Marin – ein schöner, sachlicher Thread! Hoffentlich bleibt es auch so!
Ich könnte viel schreiben, aber stattdessen, hier zwei „Gedankenexperimente“:
Gedankenexperiment Nr. 1
Stellen wir uns vor, alle zukünftigen Dividenden wären in ihrer Höhe und ihrem Zeitpunkt 100% sicher bekannt.
Dann wäre der Wert einer Aktie ganz einfach zu ermitteln: die Summe der künftigen Dividenden-Cashflows, abgezinst mit dem risikofreien Zinssatz. Und alle Aktien hätten die gleiche Rendite.
Also, das Wesentliche sind die künftigen Dividenden.
Gedankenexperiment Nr. 2
Stellen wir uns vor, die Wirtschaft, einschließlich des Aktienmarkts, wäre in einem stabilen, gleichbleibenden Zustand („steady state“).
Man vergleiche die Bilanzen eines Unternehmens am Jahresende T und Jahresende T+1. Die einzige Veränderung in der Bilanz wäre dann, dass der Kassenbestand sich erhöht hat (und dementsprechend auch das Eigenkapital), und zwar in Höhe des Jahresgewinns, abzüglich der ausgezahlten Dividenden.
Also, unter sonst gleichen Bedingungen („ceteris paribus“) ergibt sich der Formel:
Jährliche Steigerung eines Aktienkurses = EPS - Dividende.
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Bleiben Sie wachsam! Churning, Pump & Dump, ETF-Verkäufer
am 06.03.2021 10:17
Zum Wert einer Aktie finde ich die Aussagen in diesem Forbes-Artikel interessant.
TLDR: 10% Value-Investoren, 90% andere. Demzufolge kommt es zu Diskrepanzen zwischen "innerem" und Börsenwert.
am 09.03.2021 10:43
@ Versuchender: Interessanter Artikel!
Zwei Gedanken:
(1) Das kurzfristige Handeln kann man als ein Nullsummenspiel sehen, und man kann sich fragen, ob ein Privatanleger (in Konkurrenz mit den institutionellen Investoren) hiermit einen vernünftigen Erfolg erzielen kann. Dagegen kann man Value/Dividenden-Investing anhand der Fundamentals eher als Kapitalallokation sehen, die mehr echten Mehrwert für die Wirtschaft schafft (und hoffentlich auch für mich).
(2) Als Value/Dividenden-Investor freue ich mich, dass anscheinend 90% aller Trades aus anderen Gründen getätigt werden – dann gibt es mehr Möglichkeiten für mich, regelmäßig gute Schnäppchen zu finden.
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Bleiben Sie wachsam! Churning, Pump & Dump, ETF-Verkäufer