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Vorabpauschale

Joerg78
Mentor ★★★
2.944 Beiträge

Nachdem in den letzten Jahren der für die Berechnung der Vorabpauschale relevante Basiszinssatz negativ war, schaut das in diesem Jahr anders aus. Da immer wieder Fragen zur Vorabpauschale (Was ist das? Wie wirds berechnet? Was wird wann abgezogen?) auftauchen, möchte ich versuchen, nach bestem Wissen und Gewissen auf ein paar Punkte einzugehen.

Disclaimer: Dies ist keine Steuerberatung o.Ä., ich führe hier mein persönliches Verständnis der Vorabpauschale auf. Bei steuerlichen Fragen sollte immer der Steuerberater kontaktiert werden, in der Community können und dürfen wir keine Beratung zu Steuerthemen vornehmen!

 

Die Vorabpauschale wurde mit der Reform des Investmentsteuergesetz 2018 eingeführt; sie gilt für Investmentfonds und sollte die bis dahin geltende Ungleichheit der Besteuerung unterschiedlicher Fonds-Typen beseitigen, denn gerade bei ausländischen thesaurierenden Fonds gab es einen Steuerstundungseffekt.

Jetzt gilt für alle Fonds: Abhängig von der Wertsteigerung des Fonds, des Basiszinssatzes und ggf. Ausschüttungen wird eine Vorabpauschale ermittelt, die versteuert werden muss. Wie war berechnet wird, wird im schönsten Juristendeutsch in §18 InvStG "erklärt"; dort steht in Absatz 1 u.a. das hier:

 

Die Vorabpauschale ist der Betrag, um den die Ausschüttungen eines Investmentfonds innerhalb eines Kalenderjahres den Basisertrag für dieses Kalenderjahr unterschreiten. Der Basisertrag wird ermittelt durch Multiplikation des Rücknahmepreises des Investmentanteils zu Beginn des Kalenderjahres mit 70 Prozent des Basiszinses nach Absatz 4. Der Basisertrag ist auf den Mehrbetrag begrenzt, der sich zwischen dem ersten und dem letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis zuzüglich der Ausschüttungen innerhalb des Kalenderjahres ergibt.

 

Schön, nicht?

Dröseln wir das mal auseinander, beginnend mit Satz 2, nämlich dem Basisertrag: Der berechnet sich aus dem Fondswert zu Beginn des Jahres (also jetzt 2023), multipliziert mit 70% des Basiszinses; der wurde für 2023 auf 2,55%, für 2024 auf 2,29% festgelegt.

 

Nehmen wir also mal einen nicht-ausschüttenden Fonds XY, der hat fiktiv zum 1.1.2023 einen Wert von 100€ gehabt.

Der Basisertrag pro Fondsanteil liegt dann bei 100 * 70% * 2,55% = 1,785€ (100 * 0,7 * 0,0255).

 

Am Jahresende kommt dann der Jahresendwert ins Spiel - daraus wird die Wertsteigerung berechnet und Satz 3 kommt ins Spiel: Ist die Wertsteigerung höher oder gleich dem Basisertrag (=> Rücknahmepreis eines Fondsanteils >= 101,785€), bleibt der Basisertrag unverändert; ist die Wertsteigerung geringer (Fondsanteil < 101,785), dann entspricht der Basisertrag dieser Wertsteigerung (bei einem Rücknahmepreis von 101€ am 31.12.2023 wäre der Wertzuwachs 1€ => Basisertrag = 1€).

 

Vereinfacht wird angenommen, dass innerhalb des Jahres keine Käufe oder Verkäufe stattgefunden haben - dann wird zum Jahresende der Basisertrag mit der Anzahl der gehaltenen Fondsanteile multipliziert: Das Ergebnis ist dann die persönliche Vorabpauschale, die dann versteuert werden muss (mehr dazu unten).

 

Bei einem ausschüttenden Fonds werden vom Basisertrag noch die Ausschüttungen (pro Anteil) abgezogen - und damit sind wir bei Satz 1 des o.g. Gesetzes: Sind die Ausschüttungen geringer als der Basisertrag, wird dennoch eine Vorabpauschale besteuert!

 

Zu beachten ist auch: Die Vorabpauschale kann nie negativ werden!

 

 

Hier mal 5 Berechnungen für 2023 ("gute Wertentwicklung" bzw. "schlechte Wertentwicklung" dient hier nur der Vergleichbarkeit!).

 

1. thesaurierender Fonds - gute Wertentwicklung

 

Jahresanfangswert je Anteil100€
Jahresendwert je Anteil102€
Wertzuwachs2€
Basisertrag1,785€ (100€ * 0,7 * 0,0255)
Vorabpauschale pro Anteil1,785€

 

 

2. thesaurierender Fonds - schlechte Wertentwicklung

 

Jahresanfangswert je Anteil100€
Jahresendwert je Anteil101€
Wertzuwachs1€
Basisertrag1,785€ (100€ * 0,7 * 0,0255)
Vorabpauschale pro Anteil
1€ (Wertzuwachs geringer als Basisertrag)

 

 

3. ausschüttender Fonds - gute Performance

 

Jahresanfangswert je Anteil100€
Jahresendwert je Anteil101€
Ausschüttung je Anteil2€
Wertzuwachs3€ (1€ aus Kursdifferenz zzgl. 2€ Ausschüttung)
Basisertrag1,785€ (100€ * 0,7 * 0,0255)
Vorabpauschale pro Anteil
0€ (Basisertrag abzgl. Ausschüttungen)

 

 

4. teil-ausschüttender Fonds - gute Performance

 

Jahresanfangswert je Anteil100€
Jahresendwert je Anteil102€
Ausschüttung je Anteil1€
Wertzuwachs3€ (2€ aus Kursdifferenz zzgl. 1€ Ausschüttung)
Basisertrag1,785€ (100€ * 0,7 * 0,0255)
Vorabpauschale pro Anteil
0,785€ (Basisertrag abzgl. Ausschüttungen)

 

5. ausschüttender Fonds - schlechte Performance

 

Jahresanfangswert je Anteil100€
Jahresendwert je Anteil100€
Ausschüttung je Anteil1€
Wertzuwachs

1€ (1€ aus Ausschüttung)

Basisertrag1,785€ (100€ * 0,7 * 0,0255)
Vorabpauschale pro Anteil
0€ (Wertzuwachs geringer als Basisertrag => 1€, abzgl. Ausschüttung = 0€)

 

 

 

Wie wird besteuert?

Es wird die Vorabpauschale (Berechnung s.o.) mit der Anzahl der gehaltenen Fondsanteile multipliziert und dann mit der Kapitalertagssteuer + Soli + ggf. Kirchensteuer besteuert. Je nach Fondsart greifen aber auch hier Teilfreistellungen (z.B. bei Aktienfonds 30%). Auch ein Freistellungsauftrag wird berücksichtigt. Es wird also nicht der Wert der Vorabpauschale an sich als "zu versteuernder Betrag" festgesetzt, sondern die Vorabpauschale selbst wird mit der Steuer belegt!

 

Wann wird besteuert?

Die Besteuerung erfolgt Anfang des folgenden Kalenderjahres, denn: Die Vorabpauschale für 2023 gilt am ersten Werktag des Folgejahres als zugeflossen. Somit greift die Besteuerung im Jahr 2024 (und eine Belastung des Sparerfreibetrages ebenfalls im Jahr 2024).

 

Wird mir die Vorabpauschale gutgeschrieben?

Nein, es handelt sich um eine vorgezogene Besteuerung, daher erfolgt der Zufluss der Vorabpauschale als "fiktiv".

 

Wie wird beim Verkauf besteuert?

Beim Verkauf eines Wertpapieres wird der Veräußerungsgewinn besteuert - abzüglich bereits festgesetzter Vorabpauschalen (ansonsten hätte man eine Doppelbesteuerung), siehe §19 Abs. 1 InvStG .

 

Ich habe einen Fondsanteil im Laufe des Jahres verkauft - wird dennoch eine Vorabpauschale erhoben?

Nein, zum Jahresende nicht mehr gehaltene Fondsanteile unterliegen keiner Vorabpauschale (die Besteuerung erfolgte ja bereits durch den Verkauf).

 

Ich habe im Laufe des Jahres Fondsanteile gekauft - wird wird hier die Vorabpauschale berechnet?

Die Vorabpauschale wird anteilig berechnet, und zwar ab dem Monatsersten, in dessen Monat entsprechende Anteile gekauft wurden (wurden Fondsanteile am 30.11. eingebucht, so werden dennoch volle 2 Monate berücksichtigt!); in die Berechnung fließt nichtsdestotrotz immer der Jahresanfangswert ein! Dies kann zur interessanten Konstellation führen, dass trotz Buchverlust eine Vorabpauschale einbehalten werden kann (Beispiel: Jahresanfangswert 100€, Jahresendwert 104€, Kaufkurs im November 106€).

 

Wie wird die Steuer eingezogen?

Normalerweise wird die Steuer vom Verrechnungskonto der depotführenden Bank eingezogen; reicht das Guthaben nicht aus, wird ein ggf. eingeräumter Dispositionskredit (Vorsicht: Überziehungszinsen!) ausgenutzt. Reicht auch das nicht aus (weil kein Dispo vorhanden oder bereits ausgeschöpft), wird die Steuer nicht einbehalten und das Finanzamt informiert.

 

Gibt es nicht auch einen Rechner, der mir die konkrete Höhe der zu bezahlenden Steuer berechnet?

Den gibt es, beispielsweise wurde bei Finanzfluss ein entsprechender Rechner programmiert (danke an @digitus für den Link!); dieser berücksichtigt (wie alle anderen von mir gefundenen Rechner) allerdings keine unterjährigen Zukäufe.

 

 

Ich hoffe, dass das Thema "Vorabpauschale" und dessen Besteuerung etwas klarer geworden ist.

 

Am Ende nochmals der Hinweis (man muss sich ja rechtlich absichern): Dies war keine Steuerberatung, nur mein persönliches, niedergeschriebenes Verständnis der entsprechenden Themenblocks.

 

 

 

213 ANTWORTEN

GetBetter
Legende
7.867 Beiträge

@LukezZ  schrieb:

Stellen die Banken nach dem Abzug noch ein Dokument bereit, in dem zumindest ansatzweise aufgeschlüsselt wird, wie sich die Vorabpauschale zusammensetzt? Wenigstens die Vorabpauschale pro Position oder so?


Andersrum wird ein Schuh draus: erst kommt die Mitteilung, dann der Abzug.

Und selbstverständlich gibt es für jeden Fonds eine eigene Mitteilung, die allerdings nicht notwendigerweise gleichzeitig kommen müssen.

 

Vielleicht ist die bankseitige Berechnung für Deinen 2%-ETF also noch gar nicht abgeschlossen und folglich auch noch nichts abgezigen worden.

 

Von welcher Bank reden wir eigentlich?

LukezZ
Autor ★★
27 Beiträge

Wir sprechen von der Bank mit dem schlechtesten besten® Kundenservice: Trade Republic

Mein Freistellungsauftrag ist jedenfalls schon genutzt/belastet, von einer Abrechnung allerdings noch keine Spur.

solaman
Autor ★★★
44 Beiträge

Bei mir hat TR am 12.01.  geliefert:

 

Es gibt dort bisher eine Position unter Cash (da kein Freistellungsauftrag) mit der Fondsbezeichnung, und da hängt ein Abrechnungsbeleg dran. Darin steht aber letztlich auch nicht viel drin, im Prinzip nur die Aufteilung des Betrags auf Steuer und Soli.

Mal schaun, ob für die anderen Positionen noch was nachkommt oder eine Leeremeldung oder was auch immer... 

 

LukezZ
Autor ★★
27 Beiträge

Danke für dein Feedback. Ich sehe bis jetzt ausschließlich unter dem Profil und dem Menü „Steuern“, dass mein Freistellungsauftrag teilweise verbraucht ist. Dokumente gibt es unter Cash keine, weil ich ja einen Freistellungsauftrag habe und auch unter „Aktivität“ im Profil sehe ich nichts.

HaBe
Mentor ★
1.151 Beiträge

Bei mir war auch erst der Freibetrag reduziert, die Abrechnung kam dann erst später. Ist dann unter Aktivität sichtbar.

 

Angegeben ist nur der ETF, die Stückzahl (Ende 2023) und die fällige Steuer. Hab es nachgerechnet, passt 😉

 

Was auf der Abrechnung sehr gut ist, FA und die Verlusttöpfe vorher/nachher werden angegeben. Die Info fehlt ja sonst leider...

Storm
Mentor ★★
1.561 Beiträge

Dickes Lob an @Joerg78 .👍

 

Schön das es jemand gibt, der sich so für Steuern interessiert, ich finde das Thema in Deutschland meistens ätzend kompliziert, aber davon lebt natürlich eine ganze Branche.

 

Man stelle sich vor, es gäbe ein ganz übersichtliches System mit wenig Regeln und kaum Ausnahmen?

 

Für Steuerberater ein wahrer Alptraum.🤭

 

 


Die Börse reagiert gerade mal zu zehn Prozent auf Fakten. Alles andere ist Psychologie. — André Kostolany

Joerg78
Mentor ★★★
2.944 Beiträge

@Storm  schrieb:

Dickes Lob an @Joerg78 .👍

 

Schön das es jemand gibt, der sich so für Steuern interessiert, ich finde das Thema in Deutschland meistens ätzend kompliziert, aber davon lebt natürlich eine ganze Branche.

 

 


Danke für das Lob - aber das Thema "Steuern" interessiert mich eigentlich ganz und gar nicht, nur dieses spezielle Thema wollte ich mal näher beleuchten 😄

 

Viele Grüße,

Jörg

Challenger
Experte ★
198 Beiträge

Guten Morgen,

 

Die Fondsanteile lagen ein ganzes Jahr im Depot der Bank "A": vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2023.
Am 1. Januar 2024 übertrage ich alle Fondsanteile von der Bank "A" zur Bank "B" ins Ausland.

Ein Konto/Depot wird bei der Bank "A" geschlossen.

 

Wie wird eine Vorabpauschale erhoben?

 

Viele Grüße,
Challenger

Thorsten_
Legende
4.210 Beiträge

Laienvermutung: Der 1. Januar ist kein Bankarbeitstag, daher werden da keine Überträge gemacht. Folglich hattest du die Anteile am 1. Januar noch im deutschen Depot und die Bank berechnet die Vorabpauschale.

Gibt hier sicher noch Experten, die es genau wissen 😉

 

 

Nachtrag: beim zweiten Lesen kommt bei mir die Frage auf, ob es hier überhaupt um das "ob" geht oder vielmehr um das "wie" ("Wie wird eine Vorabpauschale erhoben?")?

Vermutung Nr. 2: Die Bank A schließt das Verrechnungskonto einfach nicht, solange die Vorabpauschale nicht berechnet wurde.

Splitrunner
Autor ★★
31 Beiträge

 

“d.h. wenn man auf dem Verrechnungskonto 0€ hat und es kein Girokonto ist, dann wird sofort das FA verständigt und die Steuer nicht einbehalten

Denn m.W ist bei einem Verrechnungskonto kein Dispokredit vorgesehen”



Heute morgen gesehen, dass auch das Verrechnungskonto bei der comdirect negativ sein kann.

 

Was mich ärgert: Bis 22 Uhr vor dem Schlafen gehen war noch keine Buchung drauf. Heute morgen (20.1.) Konto gecheckt und Verrechnungskonto ist im Minus mit Buchung und Valuta 19.1..

 

Brief zur Abrechnung wurde auch erst im Nachhinein (20.1.) in meinen Posteingang eingestellt.

 

Ein Schelm wer böses darüber denkt - für mich typisch Comdirect!!!