Vielen Dank an Euch alle für Euer leidenschaftliches Feedback, über das ich mich sehr freue!
Gerne beantworte ich die Fragen und Anmerkungen von @Joerg78 und @digitus aus meiner Sicht als Jurist. Und weil hier ein Jurist spricht (ich tendiere dazu, alles was ich geschrieben habe, nochmal mehrfach laut vorzulesen, weil ich so verliebt in meine eigenen Texte bin, also in der Tat: "spricht"), wird es jetzt sehr trocken. Aber Ihr habt es nicht anders gewollt.
In Deutschland regelt das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) völlig überraschenderweise den Wertpapierhandel und damit auch "Empfehlungen" durch so genannte "FinFluencer", wenn man das seltsame Wort mal benutzen möchte. Die Marktmissbrauchsverordnung mit der Marktmissbrauchsrichtlinie der EU wurde vom deutschen Gesetzgeber bereits 2016 in das WpHG eingearbeitet; der Jurist (m/w) spricht von der "Umsetzung höherrangigen EU-Rechts" im Sinne der so genannten "vertikalen Direktwirkung" von EU-Vorschriften für unser nationales Recht. Ohne jeden Zweifel ist das WpHG auch für die Community von comdirect einschlägig.
Grundsätzlich ist es zulässig, dass öffentlich Empfehlungen für Aktien ausgesprochen werden. Wichtig: Nach der Rechtsprechung kommt es hierbei nicht darauf an, ob Empfehlungen als solche gekennzeichnet sind oder nicht! Es ist also rechtlich gleichgültig, ob jemand Aktien mit Stopkurs und Kursziel "empfiehlt", wie es auch Börsenzeitschriften oder so genannte "Börsenbriefe" regelmäßig praktizieren, oder ob jemand die Aktien "vorstellt", oder ob er oder auch sie "freundschaftliche Hinweise gibt, die keine Empfehlung darstellen". Es kommt auch nicht darauf an, ob Wertschriften zum Kauf oder zum Verkauf empfohlen werden. Nach ständiger Rechtsprechung gilt all das regelmäßig als "Empfehlung"!
Die Straf- und Bußgeldvorschriften zu Marktmanipulation sind im WpHG geregelt. Wer vorsätzlich oder leichtfertig eine Marktmanipulation begeht, handelt ordnungswidrig, das wird mit einem Bußgeld sanktioniert. Bei vorsätzlichen Manipulationen, die auf den Börsen- oder Marktpreis eingewirkt haben, greift das scharfe Schwert des Strafrechts; jene können mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet werden. Der Versuch ist strafbar. Bußgelder und Geldstrafen sind abhängig vom verursachten Schaden und vom Gewinn, den der Beschuldigte gemacht hat. Sie können in den Bereich mehrerer Millionen Euro gehen.
Unzulässig sind dabei grundsätzlich
- der In-Sich-Handel in Form von so genannten "Wash Trades",
- der Versuch der Marktmanipulation, wenn also Empfehlungen mit dem Ziel gegeben werden, Kurse zu eigenen Gunsten zu beeinflussen, und
- Insidergeschäfte, also das Ausnutzen von nicht veröffentlichen internen Informationen für eigene oder fremde Zwecke.
Betrachten wir uns die drei Punkte mal ganz nüchtern und unaufgeregt.
- Ein Wash-Trade kommt im vorliegenden Fall schon alleine deswegen nicht in Betracht, weil niemand aus unserer Community Informationen mit dem Ziel verbreitet, Geschäfte mit sich selbst abzuschließen. Insichgeschäfte werden oft aus steuerlichen Motiven abgeschlossen. Freilich ist hier eher die Vorschrift des Par. 42 der Abgabenordnung einschlägig, wonach "durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts ... das Steuergesetz nicht umgangen werden" kann.
- Eine Marktmanipulation kann vorliegen, wenn ein Tippgeber hofft, dass beispielsweise durch eine Kaufempfehlung so viele Anleger die Aktie nachfragen, dass alleine dadurch der Marktpreis erheblich steigt. Die in meiner Liste vom Sonntag vorgestellten Aktien haben jeweils eine Marktkapitalisierung von 50 Millionen (!!) Euro oder mehr. Eigentlich stand das schon im Leitartikel, aber wer ohnehin bereits im Zustand allerhöchster Erregung lange Texte liest, mag derlei Kleinigkeiten übersehen. Dem (um 15 Grad) geneigten Leser, der auch nur über eine minimale Spur von Börsengrundwissen und mathematischem Verständnis verfügt, leuchtet unmittelbar ein, dass Kaufaufträge im Wert einiger tausend Euro, wie sie regelmäßig von so genannten "Privatanlegern" platziert werden, keine messbaren Auswirkungen auf Börsenkurse haben können. Eine Beeinflussung der festgestellten Preise wäre allenfalls vorstellbar, wenn sämtliche (derzeit) 32 912 Mitglieder der Community gleichzeitig unlimitierte Kaufaufträge für die empfohlenen Wertschriften erteilen würden. Wie realistisch dies ist, mag jeder und jede für sich selbst entscheiden. Ich vermute, dass es immer einige wenige Leserinnen und Leser geben wird, die meinen Empfehlungen nicht sofort und ohne jede Reflektion folgen, aber vielleicht irre ich hier.
- Schließlich steht die Frage nach dem Insiderhandelsverbot im Raum. Nun, hier kann ich leider keine Beweise vorlegen. Ich kann nur daran appellieren, dass Ihr mir glaubt: Ich verfüge über keine unveröffentlichten Insiderinformationen auch nur zu einem der 15 vorgestellten Konzerne, und schon gar nicht zu allen 15. Wer, nachdem er oder sie sich dereinst beruhigt hat, meinen Text nochmal gründlich durchliest, wird endlich feststellen, dass die Kriterien der Auswahl rein quantitativer Natur waren. Zur Erinnerung: Basis der Liste vom letzten Sonntag war eine kommerzielle, frei verfügbare (freilich nicht kostenlose) Datenbank mit so genannten "Fundamentaldaten". Auch die Algorithmen, nach denen mein so genannter "Großrechner" die Auswahl vorgenommen hat, sind veröffentlicht. Hier kommt also lediglich jener Großrechner als Bösewicht in Frage. Ich bitte jedoch um Verständnis, dass eine Besichtigung des nmh-Rechenzentrums mit Rundgang auch aus Sicherheitsgründen grundsätzlich nicht möglich ist. Zu erheblich ist das Risiko, auf einem der Sterne, die da überall herumliegen, auszurutschen. Außerdem riecht es dort bisweilen sehr streng, was auch, aber nicht nur dem Alter der Rechenanlage geschuldet ist.
Aus all dem folgt das, was laut @SMT_Chris (danke!!) bereits die Juristen der Bank herausgearbeitet haben: Die Art und Weise, in der hier in der Community von unterschiedlichen Beteiligten Aktien und ETF und Zertifikate und Derivate und Anleihen und Genussscheine und sonstige Wertschriften empfohlen werden, ist jedenfalls nach dem WpHG nicht zu beanstanden.
Verstösse gegen die Netiquette oder gegen das allgemeine Gebot, höflich, freundlich und respektvoll miteinander umzugehen und die teilweise enorme Arbeit der anderen anzuerkennen, die hier regelmäßig völlig kostenlos zur Verfügung gestellt wird, werden in diesem Leben leider nicht sanktioniert. Pönalen sind bisher nicht vorgesehen.
Ich wünsche Euch allen weiterhin viel Spaß mit meinen "Empfehlungen"
sehr herzlich aus München
nmh-Team
Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.
