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Alle Jahre wieder: steuerliche Optimierung zum Jahresende

FakeAccount
Mentor
760 Beiträge

Aus aktuellem Anlass und in guter Tradition (siehe hier) bittet mein Nachbar nmh, Euch folgendes auszurichten.

 

Alle Jahre wieder!

 

Ihr habt nur noch knapp drei Wochen Zeit, Eure steuerliche Situation bis zum Jahresende zu optimieren. Bitte ruft im Persönlichen Bereich -> Verwaltung -> Steuerübersicht die Zusammenfassung auf. Jetzt bitte auf zwei Dinge achten:

 

1.  Sparerfreibetrag und Quellensteuer voll nutzen!

 

Der Sparer-Freibetrag von 1000 EUR (Ledige)  oder 2000 Euro (Verheiratete) kann nicht ins nächste Jahr übertragen werden.

 

Schaut bitte in die Zeilen "in Anspruch genommener Freibetrag" und "verbleibender Freibetrag". Falls beim "verbleibenden Freibetrag" etwas anderes als eine Null steht, besteht Handlungsbedarf. In der Zeile "in Anspruch genommener Freibetrag" sollte Euer Freibetrag in voller Höhe stehen, also für Ledige 1000 EUR. Falls hier weniger steht, habt Ihr möglicherweise vergessen, einen Freistellungsauftrag zu erteilen, und solltet das schnell nachholen. Ich ignoriere hier, dass manche auch noch Depot bei anderen Banken haben.

 

Falls Ihr Euren Freibetrag nicht bis zum Jahreswechsel durch Gewinne (Dividenden, Zinsen, Kursgewinne) in Anspruch genommen habt, ist er unwiderruflich verloren! In diesem Fall prüft bitte, ob Ihr Wertpapiere im Depot habt, die Ihr mit entsprechend hohem Gewinn verkaufen und sofort wieder zurückkaufen könnt.

 

Ein Beispiel:

Ihr habt von Eurem Freibetrag von 1000 EUR bisher nur 600 EUR verbraucht; bleiben 400 EUR. Gleichzeitig habt Ihr eine Aktie im Depot, die Ihr zu 3000 EUR gekauft habt und die heute 3700 EUR wert ist. Diese Aktie solltet Ihr komplett verkaufen und gleich wieder zurückkaufen.

 

Beim Verkauf entsteht ein Gewinn von 700 EUR. Durch den restlichen Freibetrag müsst Ihr aber nur 300 EUR davon versteuern, der Teilgewinn von 400 EUR ist steuerfrei.

 

Durch diese steuerfreien 400 EUR spart Ihr Steuern in Höhe von 400 x 0,25 x 1,055 = 105,50 EUR (inkl. Soli, ohne Kirchensteuer). Das ist mehr als die Gebühren für den Verkauf und sofortigen Rückkauf. Diese Steuerersparnis wäre für 2023 verloren, wenn Ihr mit dem Verkauf bis nächstes Jahr wartet.

 

Durch den sofortigen Rückkauf bekommt die Aktie neue Anschaffungskosten in Höhe von 3700 EUR. Wenn Ihr jetzt in Zukunft diese Aktie für sagen wir mal 5000 EUR verkauft, beträgt der steuerpflichtige Gewinn nur noch 1300 EUR (5000 - 3700) und nicht 2000 EUR (5000 - 3000).

 

Der Vorteil des Manövers ist, dass Ihr Euren Freibetrag für 2023 ausgeschöpft habt.

 

Analog gilt das übrigens für ausländische Quellensteuer. Falls in der Zeile "anrechenbare (!) ausländische Quellensteuer" ein Wert größer Null steht, solltet Ihr durch den Verkauf von Wertpapieren, die im Buchgewinn liegen, dafür sorgen, dass die Quellensteuer nicht verloren geht.

 

2.  Verluste realisieren

 

Verluste aus Wertpapiergeschäften können nur in die Zukunft vorgetragen werden, nicht in vergangene Jahre zurückgetragen. Das bedeutet: Wenn Ihr dieses Jahr bereits Steuern auf Wertpapiergewinne bezahlt habt und gleichzeitig Aktien oder andere Wertpapiere mit Buchverlusten im Depot liegen habt, solltet Ihr darüber nachdenken, diese Verluste durch einen sofortigen Verkauf zu realisieren. Falls Ihr weiter an die Aktien glaubt, könnt Ihr sie ja sofort wieder zurückkaufen.

 

Ob Ihr Positionen mit Buchverlust habt, seht Ihr in der Depotübersicht -> Steuersimulation.

 

Auch hier ein Beispiel: Angenommen, Ihr habt in 2023 bereits 2000 EUR mit Kursgewinnen realisiert und darauf 2000 x 0,25 x 1,055 = 527,50 EUR Steuern (Kapitalertragsteuer und Soli, ohne Kirchensteuer) bezahlt. Gleichzeitig habt Ihr aber noch ein anderes Papier mit Buchverlusten über 1800 EUR im Depot.

 

Wenn Ihr jetzt nichts tut und mit dem Verkauf der Verlustposition bis 2024 oder später wartet, entsteht der steuerliche Verlust von 1800 EUR erst ab 2024. Er kann dann nicht mehr mit den Gewinnen von 2000 EUR auf 2023 verrechnet werden, sondern wird in die Zukunft vorgetragen. Jetzt ist es aber theoretisch möglich, dass Ihr nie mehr Gewinne mit Aktien macht! In diesem Fall könnt Ihr den Verlust steuerlich nie mehr nutzen.

 

Falls Ihr den Verlust aber noch in 2023 realisiert, bekommt Ihr sofort eine Steuererstattung von 1800 x 0,25 x 1,055 = 474,75 EUR. Lieber den Spatz in der Hand ... Und wie gesagt: niemand verbietet Euch, die Verlustposition sofort wieder zurückzukaufen, falls Ihr weiter davon überzeugt seid.

 

Wichtiger Nachtrag: Diese Optimierung ist vor allem dann wichtig, wenn Ihr nicht gleichzeitig auch Wertpapiere mit Buchgewinnen im Depot habt. Mit anderen Worten: Handlungsbedarf besteht im wesentlichen dann, wenn Ihr

1. bereits Gewinne in 2023 versteuert habt (d.h. Gewinntopf speziell aus Aktien größer Null)

2. Wertpapiere mit Buchverlusten im Depot (also noch nicht verkauft) habt

3. keine oder nur wenige Wertpapiere mit Buchgewinnen im Depot (also noch nicht verkauft) habt

 

Nur falls alle drei Bedingungen zutreffen, solltet Ihr Eure Verlustpositionen verkaufen, bis Ihr die in 2023 gezahlten Steuern möglichst komplett zurückerhalten habt. Falls Ihr jedoch auch Wertpapiere mit Buchgewinnen im Depot habt, könnt Ihr mit dem Verkauf der Verlustpositionen auch warten, bis ihr die Gewinnpositionen (in späteren Jahren) verkauft und den Gewinn versteuert habt. Unabhängig von steuerlichen Aspekten sollte man jedoch Wertpapiere immer mit einem strengen Stopkurs absichern, um die Verluste zu begrenzen.

 

Achtung: Kursverluste aus Aktien dürfen steuerlich nur mit Kursgewinnen aus Aktien verrechnet werden, nicht jedoch mit "sonstigen" Gewinnen (insb. Dividenden). "Sonstige Verluste", also z.B. aus dem Verkauf von Zertifikaten oder Anleihen oder Fonds-Anteilen, dürfen hingegen beliebig mit Gewinnen aus Aktien, Gewinnen aus "Sonstigen" oder auch mit Zinsen und Dividenden und Fonds-Erträgen verrechnet werden.

 

Es gibt noch einige weitere Kleinigkeiten, die man aus steuerlicher Sicht beachten sollte. Ich wollte hier nur das Wesentliche darstellen, das für die meisten von Euch relevant sein dürfte.

 

Rechtsgrundlagen für alle, die es interessiert:

 

- Aktienverluste können nur mit Aktiengewinnen, nicht jedoch mit "sonstigen" Gewinnen, Dividenden usw. verrechnet werden: Par. 20 Abs. 6 Satz 4 EstG; derzeit sind Verfassungsbeschwerden gegen diese Beschränkung anhängig.

- Pauschalsteuer auf 30% vom Verkaufserlös falls Anschaffungsdaten nicht bekannt sind: Par. 43a Abs. 2 Satz 7 EstG (das kann passieren, falls unmittelbar nach einem eingehenden Depotübertrag verkauft wird, wenn die Anschaffungsdaten noch nicht vorliegen; sobald jedoch die tatsächlichen Anschaffungsdaten nach einigen Tagen nachgeliefert sind, wird comdirect den Verkauf automatisch steuerlich neu bewerten und die Steuer auf den tatsächlichen Gewinn oder Verlust belasten oder gutschreiben)

- Freibetrag 1000 bzw. 2000 EUR: Par. 20 Abs. 9 Satz 1 EstG

- Beim unentgeltlichen Depotübertrag (z.B. auf eigenes Depot, also ohne Gläubigerwechsel) werden auch die Anschaffungsdaten übertragen: Par. 43a Abs. 2 Satz 3 EstG (Taxbox-System)

- Ein entgeltlicher Depotübertrag (z.B. an Dritte) wird wie ein Verkauf behandelt: Par. 43a Abs 2 Satz 8 EStG. Jedoch darf der letzte Börsenkurs maximal 30 Tage alt sein, sonst wird eine Pauschalsteuer von 30% angesetzt, Par. 43a Abs 2 Satz 9, 10 EStG (siehe hier).

 

Nur Steuerberater dürfen steuerlich beraten. Deswegen müsste hier eigentlich ein Disclaimer stehen: "Dies ist keine Steuerberatung". Aber was soll der Unsinn. Ihr wisst und ich weiß genau, dass das hier nichts anderes als eine gut gemeinte steuerliche Beratung ist. Falls irgend jemand ein Problem damit hat, freut sich die Rechtsabteilung meines Nachbarn über Post. Die schickt Ihr ausreichend frankiert (nicht so wie neulich!) am besten an nmh, Abt. Kaminfeuer in der Zirbelstube, München. Doch, das kommt an!

 

Hochachtungsvoll

der Nachbar von nmh

 

90 ANTWORTEN

Pramax
Mentor ★★★
3.474 Beiträge

Ich bin leider ein Opfer des "Tiefflieger-verkaufen-Dogmas" von @nmh geworden, d.h. ich

habe dieses Jahr konsequent Depotleichen und Werte, die auf dem Weg zu Depotleichen waren,

aus dem Depot gekehrt.

 

Und was ist das Ergebnis: ich habe so gut wie keine Buchverluste, die ich jetzt noch schnell am Jahresende

realisieren könnte.

 

So ein Pech aber auch!

 

Gruß, Pramax

__________________

Wenn schon Unsinn, dann muss es ein Kaiserschmarrn sein.

CurtisNewton
Mentor ★★★
2.891 Beiträge

 Das Paradoxe ist ja, je mehr Kapitalertragssteuer man an Ende vom Jahr zahlen muss, desto besser ist es!

 

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"Die Zukunft hat viele Namen: Für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance." - Victor Hugo

MaRö
Autor ★★★
62 Beiträge

Hallo zusammen,

vielen Dank für die Erinnerung, die vielen Infos und Erklärungen. Habe mir das jetzt auf Termin gelegt für Anfang Dezember 2024.
Freistellungsauftrag habe ich gestern noch reaktiviert (oder wieder aufgefüllt?) durch Verlust-Realisierung und im anrechenbaren Quellensteuersteuertopf sind auch noch ein paar EUR. Das sollte mit der erwarteten PLUS-Tagesgeldzinszahlung, die heute oder wann auch immer stattfindet, dann fast passen.

 

Oder werden KEst auf Tagesgeldzinsen nicht mit der anrechenbaren Quellensteuer verrechnet? Wäre nicht schlimm, sind nur ein paar Euro.


Für die Juniordepots habe ich leider verpasst die Freistellungsauftrgäge zu erhöhen und entsprechend auszuschöpfen.
Mit Nichtveranlagungsbescheinung und "neuem" Freistellungsauftrag sollte das aber im nächsten Jahr auch kein Problem sein das schadfrei nachzuholen.
Oder übersehe ich da etwas?


Vielen Dank.
Mit besten Grüßen
Mathias

DALiSalvador
Autor ★
6 Beiträge

Moin liebe Aktienfreunde - ich bräuchte mal Euer Wissen:

 

Es geht um die Ausschöpfung des Grundfreibetrags i.H.v. 10900 € mit oder ohne Nichtveranlagungsbescheinigung.

 

Grob übern Daumen gerechnet kommt betroffener Student auf 2000 € Einkünfte aus einem Mini-Job, und rund 7000€ Buchgewinne bei einem sehr erfolgreichen Börsenjahr.

Der Broker (Interactive) führt die Steuer nicht automatisch ab.

Eine Nichtveranlagungsbescheinigung für 2023 ist bisher nicht beantragt.

 

Können die 7k Buchgewinne vollständig realisiert werden und eine Nichtveranlagungsbescheinigung rückwirkend beantragt werden oder zumindest mit einer Steuereklärung drauf verwiesen werden, dass der Grundfreibetrag nicht überschritten wurde?

 

Für eine schnelle & dezidierte Antwort am letzten Börsenhandelstag Danke ich im Voraus!

stgt800
Experte ★
193 Beiträge

@MaRö  schrieb:

Oder werden KEst auf Tagesgeldzinsen nicht mit der anrechenbaren Quellensteuer verrechnet? Wäre nicht schlimm, sind nur ein paar Euro.


Hallo @MaRö 

 

Die Quellensteuer wird auf die KESt angerechnet, unabhängig davon um welche Art von Kapitalertrag es sich handelt. Einzige Voraussetzung ist, dass tatsächlich KESt anfällt, d.h. der entsprechende Verlusttopf muss leer sein (bei Zinsen ist es der Velusttopf "Sonstige") und der erteilte Freistellungsauftrag muss aufgebraucht sein.

VHH
Autor ★
4 Beiträge

Hallo,

ich bin neu hier und traue mich noch nicht soviel. 😉

eine Frage:

Freibetrag mehr als > 1000 € schon am Anfang des Steuerjahres beantragen, wenn man nicht den Steuersatz von 25% hat, wäre das möglich?

falls jemand das auskennt.

Vielen Dank!

VHH
Autor ★
4 Beiträge

PS. ich weiß nicht, wie man eigene Beiträge wieder selber findet? 😁

Crazyalex
Legende
7.680 Beiträge

Der Freibetrag beträgt 1000€ für einzeln veranlagte Personen und zusammen 2000€ für gemeinsam veranlagte Personen.

Wann dieser bei der jeweiligen Bank eingereicht wird und zu welchem Anteil bleibt dem Kunden überlassen.

 

Gruß Crazyalex


An alle Neueinsteiger: Appell an alle Neueinsteiger und Interessenten.
ETF-Anfänger: Bitte intensiv durcharbeiten... ETF-FAQ. .................Danke!

Krügerrand
Experte ★
277 Beiträge

Einen erhöhten Freistellungsauftrag kannst du nicht einrichten. Es bleibt bei 1000 Eur pro Person bei Ledigen und 2000 Eur bei gemeinsam veranlagten verheirateten Menschen.

 

Falls du einen geringeren Grenzsteuersatz als 25% hast, musst du in der Steuererklärung eine Günstigerprüfung beantragen. 

 

Nur falls dein Grenzsteuersatz 0 ist, kannst du dir stattdessen eine Nichtveranlagungs-Bescheinigung ausstellen lassen.

Thorsten_
Legende
3.815 Beiträge

@VHH  schrieb:

PS. ich weiß nicht, wie man eigene Beiträge wieder selber findet? 😁


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