am 13.02.2021 10:09
Liebe Community,
ich glaube, ich habe ein paar grundsätzliche Dinge zum Thema Aktien noch nicht verstanden, speziell meine ich den Zusammenhang zwischen einem Unternehmen und seinen Aktien.
Nach meinem Verständnis sammelt ein Unternehmen beim Börsengang (IPO) durch die Emmission von Aktien Geld ein. Auf jeder Aktie steht gedanklich „dir gehört ein Millionstel des Unternehmens“, und für diesen Schnipsel geben die Aktienkäufer (-zeichner) einen bestimmten Geldbetrag aus, den das Unternehmen dann bekommt und nutzen kann. An dieser Stelle ergibt die Formulierung „der Aktienkäufer investiert in das Unternehmen“ noch Sinn, weil er sein Geld dem Unternehmen gibt.
Nach dem Börsengang sind meinem Verständnis nach Aktien und Unternehmen voneinander entkoppelt. Die Aktien werden gehandelt, der eine kauft, der andere verkauft sie, im Prinzip wie beim Schachern mit Sammelkärtchen, nur dass hier noch Geld als universelles Tauschmittel benutzt wird. Aber diese Aktivitäten haben doch mit dem Unternehmen nichts mehr zu tun, denn dieses bekommt ja nun kein Geld mehr.
Deshalb verstehe ich auch solche Ansichten nicht mehr wie: „in dieses Unternehmen investiere ich nicht, denn seine Geschäftspraktiken oder Produkte gefallen mir nicht“. Wenn ich mir jetzt z.B. Aktien eines Zigarettenherstellers kaufe, dann investiere ich doch nicht in ihn. Und die Sache mit den Stimmrechten ist mir doch auch egal, so wie den allermeisten Aktienkäufern, unter denen ja auch Fondsgesellschaften usw. sind, die die Stimmrechte auch nicht nutzen.
Man kann zwar sagen: „ich investiere in eine Aktie“, aber nicht: „ich investiere in das Unternehmen“, das von meinem Geld, das ich für die Aktie ausgebe, nichts abbekommt. Höchstens könnte man argumentieren, dass ich mit meinem Kauf zur Erhöhung der Marktkapitalisierung/des Börsenwerts beitrage, und auf diese Weise das Unternehmen indirekt profitiert, aber ein direktes Investment ist das ja nicht.
In dem Zusammenhang ist mir auch nicht ganz klar, warum viele Unternehmen an die Shareholder denken und diese bei Laune halten wollen. Es könnte mir als Unternehmen doch egal sein, wer meine Aktien hat, zumal diese Leute ja auch immer wieder wechseln, abgesehen von denen, die Aktien eines Unternehmens halten und mit diesem durch dick und dünn gehen, warum auch immer sie das tun. Vielleicht weil sie sich als kleiner Miteigentümer des Unternehmens sehen.
Wie gesagt stelle ich mir Aktien, einmal an der Börse, wie Sammelkärtchen vor, die ständig verkauft- und gekauft werden, und deren Wert bei diesem Hin- und Her entsteht, je nach dem, wie beliebt diese Kärtchen im Moment sind. Aber mit dem Unternehmen, das diese Kärtchen mal auf den Markt gebracht und nur in diesem Moment daran verdient hat, hat das doch alles nichts mehr zu tun.
Aber ich ahne, dass ich das so nicht richtig sehe. Warum nicht?
Viele Grüße,
Bobo
Gelöst! Gzum hilfreichen Beitrag.
am 13.02.2021 10:33
Ein Punkt der mir direkt einfällt ist, dass mit dem Aktienkurs ein gewisses Prestige (und damit kompetitive Stellung auf dem Weltmarkt) verbunden ist. Der Kurs der Aktien eines Unternehmens ergibt ja die Marktkapitalisierung. Eine hohe Marktkap. spricht natürlich für das Unternehmen. Der Markt denkt dass das Unternehmen x-Summe wert ist. Aktienkurse steigen - bedeutet runtergebrochen, dass der Markt von dem Unternehmen noch mehr erwartet und ihm zutraut.
Andersrum wird es vielleicht deutlicher - wenn Du als Unternehmen einen riesigen Auftrag zu vergeben hast und die möglichen Kooperationspartner suchst: wählst Du dann das Unternehmen mit seit Jahren steigendem Kurs und hoher Beurteilung am Weltmarkt? Oder das Unternehmen dass aufgrund seiner Führung seit Jahren im Kurs fällt und immer wieder von den Aktionären abgestraft wird?
Das sind so meine naiven Gedanken dazu.
13.02.2021 10:38 - bearbeitet 13.02.2021 10:42
@Bobo schrieb:
Nach meinem Verständnis sammelt ein Unternehmen beim Börsengang (IPO) durch die Emmission von Aktien Geld ein. Auf jeder Aktie steht gedanklich „dir gehört ein Millionstel des Unternehmens“, und für diesen Schnipsel geben die Aktienkäufer (-zeichner) einen bestimmten Geldbetrag aus, den das Unternehmen dann bekommt und nutzen kann. An dieser Stelle ergibt die Formulierung „der Aktienkäufer investiert in das Unternehmen“ noch Sinn, weil er sein Geld dem Unternehmen gibt.
Deshalb verstehe ich auch solche Ansichten nicht mehr wie: „in dieses Unternehmen investiere ich nicht, denn seine Geschäftspraktiken oder Produkte gefallen mir nicht“. Wenn ich mir jetzt z.B. Aktien eines Zigarettenherstellers kaufe, dann investiere ich doch nicht in ihn.
Das ist richtig.
In dem Zusammenhang ist mir auch nicht ganz klar, warum viele Unternehmen an die Shareholder denken und diese bei Laune halten wollen.
Das Unternehmen (als rechtliche Hülle) denkt an niemanden. Der Vorstand, durch den das Unternehmen handelt, denkt primär an sich. Das bedeutet: ein Vorstand, der im Amt bleiben will, handelt nach den Interessen der Eigentümer und hält diese "bei Laune".
am 13.02.2021 10:48
am 13.02.2021 10:48
Das Erklärungs-Beispiel: Aktie = 1 Millionstel des Unternehmens finde ich gut.
Kauft man eine Aktie, geht auch dieses 1 Millionstel Eigentums-Recht auf einen über. Man investiert also in das Unternehmen und nicht nur in die Aktie. Als Eigentümer, finde ich, ist man auch mit verantwortlich dafür, was die Firma macht. Es gibt zahlreiche Ausreden: Meine Aktie hat ja gar kein Stimmrecht. Mein Aktien-Anteil ist so gering - ich habe doch gar keinen Einfluß. Kaufe ich die Aktie nicht, macht es ein anderer... Alles scheinheilige Ausreden, meiner Meinung nach.
13.02.2021 10:51 - bearbeitet 13.02.2021 11:05
13.02.2021 10:51 - bearbeitet 13.02.2021 11:05
@dg2210 schrieb:
@Bobo schrieb:Deshalb verstehe ich auch solche Ansichten nicht mehr wie: „in dieses Unternehmen investiere ich nicht, denn seine Geschäftspraktiken oder Produkte gefallen mir nicht“. Wenn ich mir jetzt z.B. Aktien eines Zigarettenherstellers kaufe, dann investiere ich doch nicht in ihn.
Das ist richtig.
Das verstehe ich nicht. Natürlich investiert man in den Zigaretten-Hersteller.
edit: Ob ich die Aktie durch ein IPO initial erwerbe, oder später am Markt dann kaufe edit2: und mir damit einen Anteil am Unternehmen sichere - ich investiere in das Unternehmen.
13.02.2021 11:53 - bearbeitet 13.02.2021 11:54
13.02.2021 11:53 - bearbeitet 13.02.2021 11:54
@ehemaliger Nutzer schrieb:Das verstehe ich nicht. Natürlich investiert man in den Zigaretten-Hersteller.
edit: Ob ich die Aktie durch ein IPO initial erwerbe, oder später am Markt dann kaufe edit2: und mir damit einen Anteil am Unternehmen sichere - ich investiere in das Unternehmen.
Wenn ich es richtig verstehe, geht das Geld nach einem "Nach-IPO"-Verkauf aber nicht das Unternehmen, sondern die andere Person/Institution.
Heißt am ehesten: "Ich investiere in die Investition eines Unternehmens."
Und so gesehen ergibt das - auf meinen ersten Blick - nur aus drei Gründen Sinn:
Bei 2. kann mir egal sein, was mit der Firma ist, geht es eher darum Leute zu finden, die aus welchen Gründen auch immer, dass es sich lohnt mein Blatt Papier abzukaufen.
Bei 3. habe ich ein Interesse daran, dass sich das Unternehmen gut entwickelt, weil mein (finanzieller) Mehrwert sich aus der Dividendenausschüttung generiert, welche wiederum von der (finanziellen) Gesundheit des Unternehmens abhängt.
In gewisser Hinsicht ist die Entkopplung von "Aktie" und "Unternehmen" insofern pervers, als dass am Ende des Tages Menschen in ebenjenen Unternehmen betroffen sind. (Was nicht per se schlecht sein muss. Aber wenn Personalkosten eingespart werden, um kurzfristig den Gewinn zu steigern, was mittelfristig die Überlebensfähigkeit des Unternehmens gefährdet, ist das auf so vielen Ebenen falsch.)
am 13.02.2021 12:17
Eigentum verpflichtet. Steht so (auch) im Grundgesetz. wikipedia: Sozialpflichtigkeit des Eigentums
Warum ich eine Aktie kaufe, ist bei einer moral-ethischen Diskussion eigentlich nebensächlich. Wichtig ist, dass ich Eigentum erwerbe. Und Eigentum verpflichtet. Siehe oben. Und aus einer Verpflichtung leitet sich auch Verantwortung ab.
Mal ein Beispiel zum Thema Verantwortung. (Dass durch Aktien-Besitz Verantwortung entsteht, leugnen ja viele). Manchmal ist es der Verständlichkeit dienlich, wenn man Sachverhalte drastisch übersteigert... Also ein Beispiel:
Eine Firma setzt es sich zum Ziel, möglichst viele Menschen auf der Welt zu töten. Sie kommuniziert dies auch ganz eindeutig. Der Kurs entwickelt sich prächtig. Er steigt und steigt und steigt... Jetzt kauft jemand diese Aktie und sagt: "Ich will ja nur Gewinn erzielen. Damit, was diese Firma macht, habe ich nichts zu tun..."
13.02.2021 13:04 - bearbeitet 13.02.2021 13:08
Hallo,
@Bobo schrieb:Auf jeder Aktie steht gedanklich „dir gehört ein Millionstel des Unternehmens“...
sehr schönes Bild. Genau so ist es auch: Als Aktionär bist Du Miteigentümer, (Mit-)Unternehmer.
Aber diese Aktivitäten haben doch mit dem Unternehmen nichts mehr zu tun, denn dieses bekommt ja nun kein Geld mehr.
Deshalb verstehe ich auch solche Ansichten nicht mehr wie: „in dieses Unternehmen investiere ich nicht, denn seine Geschäftspraktiken oder Produkte gefallen mir nicht“. Wenn ich mir jetzt z.B. Aktien eines Zigarettenherstellers kaufe, dann investiere ich doch nicht in ihn. Und die Sache mit den Stimmrechten ist mir doch auch egal, so wie den allermeisten Aktienkäufern, unter denen ja auch Fondsgesellschaften usw. sind, die die Stimmrechte auch nicht nutzen.
Hier wird es nun ein wenig diffus für mich. Durch die Nicht-Nutzung eines Stimmrechts wirst Du doch die Verantwortung des (Mit-)Eigentümers nich los.
Selbst mit einer Vorzugsaktie ohne Stimmrecht bist Du Miteigentümer und ganz selbstverständlich auch mitverantwortlich für das anteilig Dir gehörende Unternehmen.
Man kann zwar sagen: „ich investiere in eine Aktie“, aber nicht: „ich investiere in das Unternehmen“, das von meinem Geld, das ich für die Aktie ausgebe, nichts abbekommt.
Das halte ich sogar für regelrecht falsch.
Man kann nicht ernsthaft in eine Aktie investieren (einen Papierschnipsel, wie Du so schön geschrieben hast) sondern nur in ein Unternehmen. Die Aktie ist ein Zertifikat, das Dich je nach Art der Aktie als Miteigetümer mit den entsprechenden Rechten und Pflichten ausweist. Das alles übernimmst Du auch an der Börse, wenn Du die Aktie mit allen Rechten und Pflichten von jemand anderem übernimmst.
Genau wie in der Demokratie:
Das Volk ist vollumfänglich verantwortlich.
Aus der Verantwortung kann man mit dem (in gewissen Kreisen?) wohlfeilen "Argument": "Meine Stimme zählt ja eh nichts" nicht entkommen, denn das Volk ist verantwortlich und niemand im Volk hat mehr Stimmen als Du mit Deiner einen. Niemand hat mehr Verantwortung als Du (im Volk) und Deine Aktie macht Dich genau so (Mit-)verantwortlich wie jeden anderen Aktieninhaber und damit alle und damit die Besitzer des Unternehmens.
Ich sehe keine Möglichkeit, sich als Mitbesitzer aus der Verantwortung herauszustehlen.
Gruß: KWie2
... irgendwo in 'nem Portfolio zwischen Graham und Bogle ...
13.02.2021 14:32 - bearbeitet 13.02.2021 14:33
Aktie ist nur ein anderes Wort für Unternehmensanteil und das wiederum ist nach IPO nichts anderes als eine Handelsware. Durch Erwerb dieser Handelsware wirst du automatisch Miteigentümer des Unternehmens. Das kannst du als Grund des Kaufes sehen oder nur als Nebeneffekt, aber am Ende bleibt eine Aktie ein Anteil am Unternehmen und du durch Erwerb somit Eigentümer. Auch wenn das Unternehmen nicht durch deinen Kauf Geld bekommt, genauso wenig wie es Geld abgeben muss wenn der Kurs sinkt, so investierst du in Unternehmen. Das ist Fakt und lässt sich nicht dementieren, denn du kannst eine Aktie eines Tabbakkonzern nicht einfach selber umschreiben und zum Anteil eines Solarunternehmen machen.
Alles Weitere deiner Ausführungen ist lediglich deine persönlichen Betrachtung wie du mit dem Umstand umgehst und wie wichtig dir dieser Fakt ist. Und darüber zu diskutieren ist am Ende eine Diskussion über Meinungen - erfolglos.
am 13.02.2021 20:00
@Versuchender schrieb:
@ehemaliger Nutzer schrieb:Das verstehe ich nicht. Natürlich investiert man in den Zigaretten-Hersteller.
edit: Ob ich die Aktie durch ein IPO initial erwerbe, oder später am Markt dann kaufe edit2: und mir damit einen Anteil am Unternehmen sichere - ich investiere in das Unternehmen.Wenn ich es richtig verstehe, geht das Geld nach einem "Nach-IPO"-Verkauf aber nicht das Unternehmen, sondern die andere Person/Institution.
Hm, nimm wir doch etwas weniger abstrakteres und stell dir vor du kaufst eine Wohnung, also einen Teil eines Hauses, um sie zu vermieten. Du würdest doch dann sicher sagen, dass du "in diese Wohnung investiert" hast, obwohl du den Kaufpreis dafür dem Vorbesitzer bezahlt hast, oder?
Entscheidend ist doch, dass du für dein Geld etwas gekauft hast, das dir Geld bringen soll. Von wem du es gekauft hast, ist bei dieser Sichtweise zweitrangig.