13.12.2020 15:11 - bearbeitet 13.12.2020 15:23
Ein Leser hat mir per Flaschenpost eine sehr wichtige Frage gestellt. Aufgrund des allgemeinen Interesses erlaube ich mir, die Frage und meine Antwort hier für Euch alle zu posten. Mit einer Optimierung der steuerlichen Situation könnt Ihr zum Jahresende bares Geld sparen. Der Tipp ist für Euch relevant, falls in Eurer Steuerübersicht bei comdirect im persönlichen Bereich -> Verwaltung -> Steuerübersicht in den Zeilen "Verbleibender Freibetrag" oder "Anrechenbare ausländische Quellensteuer" etwas anderes als eine Null steht, und falls Ihr gleichzeitig Wertpapiere mit Gewinn im Depot habt. In diesem Fall habt Ihr Verluste aus Aktien, oder Verluste aus sonstigen Wertpapieren, oder beides. Diese Verluste stehen in den ersten beiden Zeilen in der "Steuerübersicht", sie sollten durch einen Verkauf von Wertpapieren mit Gewinn eliminiert werden, so dass in beiden Zeilen ein Gewinn steht.
Ob Ihr auch Wertpapiere mit (ausreichend) Gewinn habt, erfahrt Ihr in der Depotübersicht -> Steuersimulation -> alle simulieren.
Frage:
Mein erstes Jahr an der Börse neigt sich dem Ende zu und es wurden gute Entscheidungen getroffen und Fehler gemacht. Nun bin ich in der glücklichen Lage, dass wenige meiner Werte ausgestoppt wurden, ich aber trotzdem einige Verluste generiert habe (auch durch Zockereien). Jetzt ist es ja am Ende des Jahres so, dass man um den Steuerfreibetrag auszureizen, seine Verluste durch realisierte Kursgewinne ausgleichen soll und soweit zu verkaufen, dass der Freibetrag ausgenutzt wird. Und danach natürlich gleich wieder zurück zu kaufen. Das heißt ja, um möglichst nicht zu viele Transaktionskosten zu generieren, würde ich meine besten Werte ver- und dann wieder zurückkaufen. Würdest du hier ein Rebalancing betreiben? Oder gilt weiter: Gewinne laufen lassen?
Meine Antwort:
Du hast es genau richtig erklärt! Aus steuerlicher Sicht ist es sehr sinnvoll, möglichst wenige* Werte mit Gewinn zu verkaufen und sofort wieder zu kaufen, bis der "verbleibende Freibetrag" und auch die "anrechenbare, noch nicht angerechnete Quellensteuer" auf Null stehen. Denn beides geht sonst am Jahresende verloren. Wenn Du Titel mit Gewinn hast, empfehle ich Dir das. 801 Euro Freibetrag (für Ledige) entspricht über 200 Euro an Steuern, das entspricht ungefähr 20 Trades, also Verkauf und Rückkauf von zehn Titeln.
Bitte beachte, dass Aktiengewinne mit allen Verlusten (Aktien und sonstige) verrechnet werden, während Aktienverlust nur mit Gewinnen aus Aktien (aber nicht mit Gewinnen aus Zertifikaten) verrechnet werden. Also vor dem Verkauf prüfen, ob Verluste aus Aktien oder Verluste aus sonstigen Wertpapieren oder beides bestehen. Mit einem Verkauf von Aktien kann man beide Arten von Verlusten ausgleichen.
Durch den sofortigen Rückkauf der verkauften Wertpapiere gilt weiter: Gewinne laufen lassen.
Ein Rebalancing würde ich nicht empfehlen. Also einfach die gleiche Stückzahl wieder zurückkaufen. Bei Titeln, die sehr stark im Gewinn lagen, ist die Position sehr groß, dadurch kann man für einen Teilbestand strenge "trailing" Stopkurse setzen.
Ich erlaube mir, Deine Frage und die Antwort anonym zu posten, weil beides von allgemeinem Interesse ist.
nmh
___________
*) um Gebühren zu sparen
Gelöst! Gzum hilfreichen Beitrag.
16.12.2020 18:50 - bearbeitet 16.12.2020 18:59
Wenn ich mehrere Depots bei verschiedenen Anbietern habe, muss ich den Freibetrag entsprechend aufteilen. Ist es zulässig, dennoch bei jedem einzelnen 801€ als Freibetrag anzugeben, um damit die Freiheit zu haben, selbst zu entscheiden, wie ich das am Jahresende ausbalanciere? Aktuell habe ich die Grenzen spekulativ auf drei Anbieter verteilt, so dass sie nur in der Gesamtsumme 801€ ergeben und muss das jetzt abändern. Wenn faktisch nur die genutzte Summe an das Finanzamt übermittelt wird, aber nicht die Höhe der festgelegten Freibetragsgrenzen, dürfte das doch egal sein, wenn ich 3x 801€ angebe?! Oder irre ich mich? Und was passiert im schlimmsten Fall, dass ich mich verrechnet habe und das FA merkt, dass ich mehr angegeben habe und theoretisch darüber bin?
Und noch zum Verständnis:
Wenn ich einen Wirecard-Verlusttopf habe (nur Aktien mit Aktien verrechenbar) und zusätzlich einen Freibetrag, ist das "nur" schlecht, da ich Verluste realisiert habe, aber aus steuerlicher Sicht bietet es mir sogar mehr Freiheit als ohne Verlusttopf, da ich den Freibetrag falls vorhanden mit ETF/ sonstige (Physical Silver ETC bspw?) nutzen, und die Aktien mit dem Verlusttopf theoretisch bis ins nächste Jahr verrechnen kann?
Danke für die vielen Tipps 🙂
am 16.12.2020 19:05
@somerset schrieb:Ist es zulässig, dennoch bei jedem einzelnen 801€ als Freibetrag anzugeben, um damit die Freiheit zu haben, selbst zu entscheiden, wie ich das am Jahresende ausbalanciere? Aktuell habe ich die Grenzen spekulativ auf drei Anbieter verteilt, so dass sie nur in der Gesamtsumme 801€ ergeben und muss das jetzt abändern. Wenn faktisch nur die genutzte Summe an das Finanzamt übermittelt wird, aber nicht die Höhe der festgelegten Freibetragsgrenzen, dürfte das doch egal sein, wenn ich 3x 801€ angebe?! Oder irre ich mich? Und was passiert im schlimmsten Fall, dass ich mich verrechnet habe und das FA merkt, dass ich mehr angegeben habe und theoretisch darüber bin?
Du darfst in Summe 801 € angeben.
Falls Du trotzdem mehr angibst aber in Summe trotzdem nur max. 801 € freigestellt bekommst, dann wird das FA von Deinen zu hohen Aufträgen aber in der Regel nichts mitkriegen. Und wo kein Kläger da kein Richter.
Grundsätzlich gilt aber der erste Satz.
@somerset schrieb:Wenn ich einen Wirecard-Verlusttopf habe (nur Aktien mit Aktien verrechenbar) und zusätzlich einen Freibetrag, ist das "nur" schlecht, da ich Verluste realisiert habe, aber aus steuerlicher Sicht bietet es mir sogar mehr Freiheit als ohne Verlusttopf, da ich den Freibetrag falls vorhanden mit ETF/ sonstige (Physical Silver ETC bspw?) nutzen, und die Aktien mit dem Verlusttopf theoretisch bis ins nächste Jahr verrechnen kann?
Korrekt.
am 16.12.2020 19:18
Man hat auch keinen Vorteil wenn man mehr als die 801€ angibt. Im Zweifelsfall wird erst mal etwas Steuer hinterzogen wenn in Sume mehr als die 801€ genutzt werden....
Ein anderer Weg: vorläufig keinen Freibetrag einreichen, die Steuern abziehen lassen und hinterher den Teil des Freibetrags beim jeweiligen Institut einreichen den man dort haben möchte. Dadurch hab ich zwar unterjährig weniger Geld, bin aber rechtlich auf der sicheren Seite.
Gruß Crazyalex
am 16.12.2020 20:04
Du kannst auch während des Jahres die FSA-Verteilung noch ändern, falls das sinnvoll ist.
Ich habe das dieses Jahr gemacht, als bei zwei Instituten keine weiteren Erträge für dieses Jahr mehr zu erwarten waren. FSA dort minimiert und parallel hier erhöht, so konnte ich weitere Gewinne aus dem Depot steuerfrei stellen.
Nächstes Jahr wird es durch einen Depotumzug etwas einfacher, da kommen nurnoch zwei statische Beträge zum Einsatz, von denen der eine in jedem Fall voll ausgenutzt wird und der andere nach Bedarf mit Gewinnen gefüttert werden kann.
am 16.12.2020 21:23
Auf jeden Fall darfst du nicht mehr als 801€ freigestellte Kapitalerträge einnehmen.
Solltest du, weil du bei mehreren Banken einen FSA einreichst, am Ende mehr als 801€ freigestellt haben, musst du mit deiner Steuererklärung eine Anlage KAP mit sämtlichen Kapitalerträgen einreichen, damit das korrigiert wird.
Du könntest auch bei nur einer Bank die vollen 801€ einreichen und dafür sorgen, dass du den Freibetrag dort ausschöpfst. Dafür reicht ja unter Umständen ein Aktienverkauf.
am 23.12.2020 22:14
@somerset schrieb:nmh empfiehlt, die gleiche Stückzahl zu verkaufen und sofort wieder zurück zu kaufen. Aber was mache ich mit dem realisierten Gewinn?
Hallo,
Get Better hat ja auch schon 'was dazu geschrieben.
Bei mir war es so, dass ich - aus steuerlichen Gründen quasi genötigt - getradet habe, wo ich es eigentlich gar nicht wollte. NAtürlich habe ich versucht, mit einem rattenscharfen Trailing stop Loss möglichst auf einem Höchststand zu verkaufen und dann auf einem niedrigeren Stand wieder zu kaufen.
Damit könnten - so die Hoffnungen und Träume - neben den Tradingkosten auch noch das eine oder andere zusätzliche Stück ins Depot wandern.
Aber bei welchem Kurs ich dann für meine 100 verkauften Stück auch 101 bekommen, dann 102, 103 ...
Das artet in Rechnerei aus und dafür hängst Du die ganze Zeit mit einer flugs am Taschenrechner erzeugten Tabele am Bildschirm, editierst ggf. in unregelmäßiger Folge Deine Kauforder. Wie hoch ist dabei der Stundenlohn?
Vielleicht meinte @nmh ganz einfach diesen praktischen Aspekt der Faulheit bzw. Effizienz. Realisiere Gewinne (falls Du das schaffst) mit geringstem Aufwand und zähle nachher die Taler. Du wirst schon etwas damit anfangen können.
Gruß: KWie2
... irgendwo in 'nem Portfolio zwischen Graham und Bogle ...
am 23.12.2020 22:26
Ich glaube es geht eher darum, dass man mal abgesehen von Kosten den psychologischen Aspekt nicht außer Acht lassen soll.
Man verkauft nicht, Gewinne laufen lassen. Wenn man also gezwungen ist zu verkaufen, und aus steuerlichen Gründen sehe ich gewissermaßen einen inneren Zwang, so lässt man Gewinne ja nicht laufen. Bis auf Ordergebühren und Spread hat man dann keine weiteren Kosten, die muss man einplanen, dafür aber Gewinne steuerfrei realisiert und später weniger Steuern zu zahlen.
Es ist also so, als wäre nie was passiert - außer, dass man für eine Gebühr gewisse Gewinne steuerfrei bekommt.
Es geht nicht darum, später mehr Stücke zu kaufen. Du hast nicht Geld auf dem Konto, mit dem du zusehen musst, was du machst. Keine Taler, mit denen du was anfangen musst. Du verkaufst zum Kurs A und kaufst zu Kurs B zurück, die Kosten der Steuerfreiheit sind Ordergebühren und Spread.
Du kannst auch verkaufen und eine Trailing Stop Buy Order aufgeben, dann bekommst du die eventuell die selbe Anzahl und hast ein paar Taler auf dem Konto und somit die Gebühr verringert.
am 24.12.2020 10:38
Etwas ähnliches habe ich schon ein paar Monaten gemacht, eine Aktie, die immer mal ein bisschen schwankt, mit Gewinn verkauft, um Verlusttöpfe auszugleichen. Dann wollte ich auf einen Kursrücksetzer warten, um die Aktie wieder zurückzukaufen.
Hat natürlich nicht geklappt, die zog wie an einer Schnur gezogen nach oben, der Kursrücksetzer kam erst nach meinem erneuten Kauf.
Ist aber inzwischen wieder im Plus. Ein paar Prozent Rendite sind mir dadurch entgangen, aber dass man Aktien immer am tiefsten Punkt kauft und zum Höchststand verkauft, dürfte eine Illusion sein.
am 28.12.2020 12:56
Hallo zusammen,
ich habe ebenfalls eine steuerrechtliche/taktische Frage und würde mich über einen kleinen Rat freuen.
Ausgangspunkt ist der Umstand, dass ich bei den sonstigen Gewinnen aus Wertpapieren (also alles außer Aktien) einen hübschen kleinen Gewinn stehen habe. Gleichzeitig stehe beim BNP Discount Put Plus Zertifikat WKN PX6QRD knietief im Minus. Das Zertifikat läuft noch bis Ende Februar. Dass es bis dahin noch zu massiven Verlusten im DAX kommt, glaube ich eher nicht. Soll ich also das Zertifikat jetzt noch verkaufen, um die Verluste mit den vorhandenen Gewinnen verrechnen lassen? Oder schleppe ich die Gurke mit ins neue Jahr? Die Gewinne aus 2020 stehen dann aber ja nicht mehr zur Verfügung. Ich müsste also erst wieder neue generieren oder den Verlust ohne Verrechnung realisieren.
Liebe Grüße!
roadracer23
am 28.12.2020 13:15
Deine Frage richtet sich nicht auf die steuerliche Betrachtung, die hast Du bereits verstanden, sondern darauf, wie sich der DAX die nächsten zwei Monate verhalten könnte.
Das ist eigentlich nicht das Kernthema dieses Threads und wird Dir mit Sicherheit auch niemand sagen können.