am 01.08.2021 11:30
Liebe Börsenfreunde!
Die globalen Aktienmärkte notieren weiter in der Nähe ihrer Rekordhochs. Doch nach dem sehr starken Lauf seit März 2020 und einem fehlenden echten Rückschlag seit neun Monaten würde es mich nicht überraschen, wenn es mit den Kursen auch einmal wieder etwas deutlicher gegen Süden ginge. Möglicherweise war der schwache Handel am Montag letzter Woche (19. Juli) ein Vorbote darauf. Der DAX zeigt bereits seit Anfang Juni gewisse Ermüdungserscheinungen. Schauen wir mal genauer hin:
Aus markttechnischer Sicht mahnt etwa die zuletzt gesunkene Marktbreite zu einer gewissen Vorsicht. Der Prozentsatz der Aktien, die über ihrem gleitenden 200-Tage-Durchschnitt handeln, ist ein guter Indikator für die mittelfristige Marktbreite. Aktuell liegen knapp 74 Prozent aller Aktien weltweit über ihrer 200-Tage-Linie, Anfang Juli waren es aber noch 85 Prozent. Immerhin: Bei 84 Prozent aller Aktien steigt die 200-Tage-Linie.
Da zudem saisonal eher schwierige Börsenwochen vor der Tür stehen, sollten sehr hoch investierte Anleger derzeit eher einmal die Depotrisiken etwas zurückfahren. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Aktienmarkt zunächst eine wieder holprigere Wegstrecke vor sich hat, ist zuletzt gestiegen. Das soll Euch aber nicht verunsichern. Falls im August oder September tatsächlich bei einzelnen Aktien etwas anbrennt, sorgen Eure aktiven Stoppkurse für Schadensbegrenzung -- selbst wenn Ihr im wohlverdienten Urlaub seid:
So können wir den Markt entscheiden lassen, wie sich unsere Aktienquote in den kommenden Wochen entwickeln wird: Bei einer stärkeren Korrektur -- von der ich aber nicht ausgehe -- würden sicherlich etliche Stopps gerissen werden und somit die Aktienquote sinken, während andererseits die Verkäufe überschaubar bleiben, falls die Aktien nur leichte Schwäche zeigen und zügig in den Aufwärtstrend zurückkehren. Mit dieser Strategie lassen wir unser Depot mit dem Markttrend atmen und schützen uns vor dem Risiko, mit höchster Aktienquote in einen eventuell längeren Abwärtstrend zu geraten. Das Risiko ist aber begrenzt, denn:
Auch wenn sich das Börsenumfeld zunächst leicht eingetrübt hat, bleibt der Anlagedruck in einem Nullzinsumfeld und bei einer im Juli wohl auf 3,8 Prozent gestiegenen Inflationsrate weiterhin hoch. Wer sich nicht in Aktien traut, erleidet bei dieser klar über dem Zinsniveau liegenden Preissteigerungsrate einen stetigen Kaufkraftverlust. Dies dürfte dafür sorgen, dass weiterhin beträchtliche Anlagegelder von den Sparern an den Aktienmarkt umgeschichtet werden. Dadurch bleibt das Korrekturpotential begrenzt. Dennoch sind die Risiken zuletzt etwas gestiegen. Also:
Der Aktienmarkt wird launischer. Damit nähert sich die Stimmung dem Level an, der über die Sommermonate eigentlich sowieso üblich ist. Auch unser DAX wird sich wohl vorerst nicht weiter auf Rekordjagd begeben. Die drohende vierte Corona-Welle im Herbst könnte willkommener Anlass für Gewinnmitnahmen auf breiter Front sein. Positive Impulse könnten jedoch von der Berichtssaison kommen. Auf kurze Sicht wird das Geschehen aber wohl eher zäh verlaufen. Das ist aber kein Grund, auszusteigen. Im Gegenteil: Weitere Schwächephasen sind Kaufchancen für langfristige Anleger. Achtet nur darauf, keine Aktien zu kaufen, die bereits unter ihre 200-Tage-Linie gefallen sind. Übrigens:
Dass keine größere Gefahr besteht und dass der Markt eigentlich nach oben will, zeigt sich auch daran, dass sich die Abschläge trotz der enttäuschenden Zahlen von Amazon.com letzte Woche in engen Grenzen halten. Selbst die Amazon-Aktie hat nur gut zehn Prozent verloren und ist natürlich weiterhin ein klarer Kauf (Stoppkurs: 2450 Euro). Eine Alternative für das teure Papier sind Hebelpapiere mit einem sehr niedrigen Hebel (Beispiel: PR9F6C, Hebel 1,3, Stoppkurs 18,40 Euro). Fazit:
Eine allgemeine Konsolidierung oder leichte Korrektur wäre keine Überraschung. Ob und wann es dazu kommt, ist aber schwer vorauszusagen. Und zwar auch deshalb, weil viele bereits mit einem Rückschlag rechnen. So oder so ist der übergeordnete langfristige Aufwärtstrend noch nicht zu Ende.
Und genau deswegen wird es mal wieder höchste Zeit für eine neue Sterneliste: Aktien, die man jetzt kaufen kann. Für alle Langfristanleger hat mein Rechenzentrum mal wieder untersucht, welche Aktien in den letzten Jahren durch eine gleichmäßig hohe Performance überzeugen können. Dabei sollen Kursrückschläge selten sein und nicht zu stark ausfallen, so dass man auch ruhig schlafen kann.
Bei der hybriden Auswertung (zu den Parametern siehe hier) galten diesmal folgende strenge Kriterien:
Bei dieser Filterung sind von vielen tausend Aktien aus aller Welt genau 28 Titel übrig geblieben. Hier ist die aktuelle Liste:
Wie wählt man aus? Konservative Naturen bevorzugen Aktien mit einem niedrigen Prozentsatz negativer Zeiträume. Aktien mit einem RSL-Wert über 140 sind leicht überhitzt; hier sollte man zumindest für die Hälfte der geplanten Position auf einen kleinen Rücksetzer warten. Wie immer gilt: Bitte vor dem Kauf nach der bekannten Money-Management-Formel mit Hilfe der angegebenen Stoppkurse und des maximal erlaubten Verlustes die Stückzahl berechnen, die Ihr höchstens kaufen dürft.
Passende Stoppkurse für langfristige Investoren findet Ihr in der letzten Spalte. Diese Stopps sind so tief gesetzt, dass sie bei einer harmlosen Korrektur größtenteils nicht berührt werden sollten. Die oben erwähnte Amazon-Aktie hat es übrigens nicht in die Liste geschafft, weil sie derzeit nur 3,5 technische Sterne hat. Das liegt vor allem an der stabilen Seitenlage in den letzten 12 Monaten: Nur einer von sechs Sternen für die Performance. Und die Performance der letzten 14 Tage war ebenfalls mies.
Die Liste ist geordnet nach dem Anteil negativer Zeiträume. Dabei hat es der Klimaanlagenhersteller Carrier geschafft, dass alle untersuchten Zeiträume stets positiv abgeschlossen wurden. Das liegt aber freilich daran, dass es nur 45 Zeiträume waren: Das Unternehmen ist erst seit April 2020 am Markt; es wurde damals von United Technologies abgespalten. Dennoch leuchtet ein, dass bei stetig steigenden Temperaturen Klimaanlagen und Kühlgeräte ein gutes Geschäft sind.
Bei der durchschnittlichen Performance gibt es mit der australischen Softwarefirma Atlassian einen Ausreißer. Die Firma hat letzte Woche Ergebnisse für das vierte Quartal und Geschäftsjahr 2020/2021 bekannt gegeben und erneut ein hohes Wachstum gezeigt -- die Aktie ging durch die Decke. Das Plus von 20 Prozent über Nacht umgerechnet auf ein Jahr ergibt einen irrsinnig hohen Wert, der in der Tabelle voll durchschlägt und natürlich nicht fortgeschrieben werden darf. Wer neu einsteigen will, kauft die Hälfte der geplanten Position sofort und die andere Hälfte, falls die Aktie nochmal auf etwa 250 bis 260 Euro zurückkommt. Leserinnen und Leser, die aufgrund meiner früheren Empfehlungen bereits dabei sind, dürfen jetzt den Stoppkurs deutlich nach oben setzen. Vielen Dank für Euer Vertrauen! Ihr seht daran:
Ihr solltet unbedingt Qualität kaufen. Aktien, die seit vielen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten schön stetig im Kurs steigen werden jetzt nicht plötzlich nach unten drehen, nur weil Ihr einsteigt. Indes:
Die Fachpresse empfiehlt gerne Aktien aus China oder aus irgendwelchen Emerging Markets. Sie tun das, um den Lesenden den Eindruck, das Gefühl von Exotik und Exklusivität zu geben -- schließlich will man Hefte, Abos oder Klicks verkaufen. Meine Warnungen vor Aktien aus China waren sehr deutlich. Auch das Papier von Tencent, das ich leider mal empfohlen hatte (Mist!), ist längst durch den Stoppkurs gerauscht und verkauft. In der letzten Woche sind die Kurse nochmals abgestürzt, weil die chinesische Regierung den Bildungssektor stärker reguliert. In einem nichtdemokratischen Land, in einer vom Staat gesteuerten Wirtschaft müsst Ihr kein Geld investieren. Gleiches gilt übrigens auch für Russland, das bei einigen Anlegern gerade in Deutschland und teilweise sogar hier in der Community sehr beliebt ist. Mein Eindruck:
Das sind oft Leute, denen unser "System" hier im Westen generell suspekt ist und die auch sonst allem misstrauen ("die da oben"). Pessimisten, die permanent den nächsten schwarzen Schwan erwarten, verkaufen viel zu früh mit vielleicht 10 oder 20 Prozent Plus. Seit Jahrzehnten gibt es Crash-Propheten und -Bücher. Bitte ignoriert solches Geraune. Wer ohne ein gewisses Grundvertrauen in die Märkte in so einen Glauben verfällt, wird am Aktienmarkt und auch sonst im Leben nicht nachhaltig erfolgreich sein. Passend dazu:
Immer wieder fragen Leserinnen und Leser mich: wiederholt sich jetzt der Dot-com-Crash? Wenn man sich die Nasdaq anschaut, bekommt man schon Angst, so schnell sind die Tech-Titel gelaufen. Aber: in den 15 Jahren bis zum DotcomCrash war der Nasdaq-Index um das 50-fache gestiegen. Jetzt seit 2006 ist der Index nur um das siebenfache gestiegen (mit 13% p.a.). Sehr stark, aber nicht sensationell. Keine Übertreibung. Vor allem aber:
Die Geschäftsmodelle sind aktuell wesentlich tragfähiger: 5G, Big Data, Cloud, künstliche Intelligenz, die fünfte industrielle Revolution: das alles hatten wir damals nicht, sondern nur Punkt com. Alles was Punkt com war, wurde gekauft, egal ob die Unternehmen Gewinne machten oder nicht. Damals lag der Schwerpunkt auf e-commerce, heute werfen Geschäftsmodelle freie Cashflows ab, viele sind sogar disruptiv. Beachtet bitte:
Der freie Cashflow und die zunehmenden Bruttomargen sind viel wichtiger als das KGV oder der Gewinn pro Aktie, weil das Cash dem Eigenkapital zu Gute kommt und weniger manipuliert werden kann als das KGV.
Und selbst eine drohende Zerschlagung der Hightechs würde noch Jahre dauern und muss nicht negativ sein. So vereint beispielsweise Amazon den Online-Handel und das weniger bekannte Cloud-Geschäft AWS in sich. Bei einer Zerschlagung würde man sehen was Amazon wirklich wert ist: die Cloudsparte wird noch stark wachsen. Analysten sehen einen Wert um 1,2 Billion Dollar für AWS; das ist bereits fast der Börsenwert der Amazon-Aktie. Hier schlummern also erhebliche versteckte Werte, die bei einer Aufspaltung zwangsläufig gehoben werden.
Damit wünsche ich Euch einen schönen Sonntag und verabschiede mich für heute
aus einem regnerischen München
herzlichst Euer
nmh
Gelöst! Gzum hilfreichen Beitrag.
am 01.08.2021 19:39
Erstmal vielen herzlichen Dank für die aktuelle Liste @nmh, großartig und wie gemacht für mich.
Beim ersten Überfliegen der Tabelle hab ich sofort fast die Hälfte der Aktien für mich in die Rubrik „Haben wollen“ eingeordnet, teils waren sie schon in meiner erweiterten Watchlist …
Da ich zu der Liste nichts konstruktives beitragen kann, poste ich in alphabetischer Reihenfolge meine 5 Favoriten, welche mit Sicherheit bis Weihnachten mein Depot verstärken sollen:
A1J4U4 ASML Holding N.V.
A2P1UY Carrier Global Corp.
936853 Edwards Lifesciences
A1JS9Q EPAM Systems Inc.
888210 IDEXX Laboratories
Vier davon sind in einem meiner Musterdepots, Carrier ist neu
gruss ae
am 01.08.2021 20:11
Auch meinen Dank sollst du haben!
Zwar konnte ich mich heute inhaltlich nicht mit den Infos befassen da ich aus familiären Gründen nicht die notwendige Zeit hatte - aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben!
Meine Vermutung - da noch nicht geprüft: viele gute Aktien und zu wenig Geld meinerseits zum investieren vorhanden.... alles andere würde mich wundern 😂
Gruß Crazyalex
01.08.2021 20:22 - bearbeitet 01.08.2021 20:23
01.08.2021 20:22 - bearbeitet 01.08.2021 20:23
@Tabous3s: Du bist ja ein treuer Leser und Fan meiner Beiträge. Wenn Du mir alle paar Tage sehr freundlich vier, fünf, sechs Aktien nennst, dann bekommst Du sehr gerne passende Stopkursvorschläge. Und nach einigen Monaten kriegst Du ein Gefühl dafür, wo man Stopkurse setzt, und brauchst mich gar nicht mehr. Stopkurse haben viel mit Ausprobieren und noch mehr mit Erfahrung zu tun. Wichtig ist, dass Du aus Fehlern wie bei Five9 (Stopkurs hoch von 114 auf 121 Euro, also unter der 200-Tage-Linie und unter dem Doppeltief von Ende März und Anfang Juni) oder Hypoport (Stopkurs weiterhin 400 Euro, also unter dem Boden von November bis Juni) lernst.
An alle: Die folgende Grafik (bitte anklicken, um das Bild zu vergrößern) zeigt den durchschnittlichen RSL-Wert für alle Aktien weltweit. Je höher der Wert, desto gesünder ist der Gesamtmarkt. Werte unter 100 Prozent weisen auf eine Baisse-Phase hin. Man erkennt einen klaren Abwärtstrend seit Jahresanfang. Auch das ist ein kleines Alarmzeichen, das wir unbedingt im Auge behalten sollten.
nmh
am 02.08.2021 05:13
Besten Dank für die Infos.
Da ich diesen Monat genötigt werde, Geld beim Zahnarzt zu lassen, muss ich die nächste oder übernächste Sternchenliste abwarten für neu oder zukäufe.
am 02.08.2021 09:08
Lieber @nmh ,
vielen Dank für die neuen Anregungen. Wie immer top Inhalt und top Verpackung! 🙂
Du hast im Thread an einer Stelle auch aktualisierte Stop-Kurs-Empfehlungen gegeben. Auch dafür großen Dank!
Nun bin ich gerade dabei zu lernen, wie man Stopkurse richtig setzt. Dabei kollidiert mein vorhandenes Halbwissen mit deiner Empfehlung den aktuellen Stopkurs von Esker bei 210 EUR zu setzen.
Ich hätte den Stop eher im Bereich 190-195 EUR, also unter dem Tief vom Mai gesetzt. Mit 210 EUR wäre man ja sogar oberhalb des GD200, wobei ich bisher davon ausgegangen bin, dass es eigentlich immer sinnvoll wäre die Stoppkurse unterhalb des GD200 zu setzen. Wahrscheinlich ist dieser Fall genau die Ausnahme?!
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
Viele Grüße,
Speedy 85
am 02.08.2021 10:01
Vielen Dank für die Liste!
Der Zeitpunkt kann nicht besser sein, da ich gerade etwas investieren kann und will.
Mit NIBE und ASML sind tatsächlich 2 Titel von meiner anstehenden Kaufliste vertreten, hinzu kommen LVMH und Old Dominion Freight.
Interessant auch die Kommentare zu Amazon - tatsächlich seit Jahren mit Abstand meine größte Position. Da diese auch unverhältnismäßig zu den Anderen gewachsen ist überlege ich immer wieder hier zu shorten...
am 02.08.2021 10:25
Hallo @ae , bin mal gespannt, was der Meister antworten wird: mein bescheidener, unqualifizierter Kommentar zu ASML: ich würde mir hier gut überlegen, noch neu einzusteigen, meiner Meinung nach ist der Sektor schon recht weit in seinem Zyklus... vielleicht wären die anderen vier Werte die bessere Alternative...?
Liebe Grüße,
MT
am 02.08.2021 10:59
Hallo zusammen und herzlichen Dank an @nmh ,
mein erster Kauf aus der Sterneliste ist knapp 4 Wochen her und ich freue mich,
dass ich mich anstatt für Dell für Exponent entschieden habe. Da dieser Wert jetzt schon toll gestiegen ist, würde ich da gerne den SL anpassen und habe mir da 69,77 "ausgerechnet".
Würden die Profis den SL auch so oder ähnlich setzen?
Da ich jetzt noch ein kleines bissel Kapital über habe, ist die Frage: Sofort investieren oder lieber abwarten, ob alles etwas zurück geht...
Und ich bin mir noch nicht ganz sicher ob lieber Esker+Danaher oder Danaher+Carrier.
Lg m.w.
am 02.08.2021 11:41
am 02.08.2021 12:17
Nur ganz schnell weil der Arbeitsdruck aktuell mal wieder enorm ist:
Vielen vielen Dank für diesen erneuten Round-up und die Liste. Für mich ist insbesondere die umfassende Markteinschätzung und Bewertung immer wieder sehr hilfreich (und beruhigend). Ausserdem ein dickes Daumen hoch für Deine klare Meinung zu China/Russland und gewissen Bevölkerungsgruppen ("Systemskeptiker").