19.06.2023 14:36 - bearbeitet 19.06.2023 14:37
Hallo,
ich habe eine steuerliche Frage zu Gewinnen aus ETFs:
ich habe einen Freibetrag von insgesamt 1.850€ bei meinem Comdirect Depot hinterlegt und möchte diesen nun bestmöglich ausnützen.
Investiert habe ich 70.000€ in den ausschüttenden ETF A1JX52. Eine Ausschüttung (von insgesamt 4 im Jahr) habe ich bereits erhalten.
In Anspruch genommener Freibetrag | EUR | 188,61 |
Verbleibender Freibetrag | EUR | 1.661,39 |
Soweit so gut. Wenn ich das nun auf 4x im Jahr hochrechne komme ich auf grob 750€.
Heißt ich hätte einen Freibetrag von 1.100€ übrig.
Nun befindet sich der ETF ca. 5% im Plus. Mein Gedanke war nun das ich die restlichen 1.100€ mit dem Verkauf des momentanen Gewinns realisiere.
Heißt wenn ich richtig gerechnet habe könnte ich ca. 1.570€ verkaufen (Teilfreistellung 70% = 1.100€ die zu versteuern wären bzw. ja dann durch den Freibetrag abgedeckt sind).
Ist das soweit korrekt?
Gebe ich das nun allerdings in den Steuerrechner ein kommt ein ganz anderes Ergebnis heraus (siehe Anhang).
Kann mir das jemand erklären? Heißt es ich kann doch mehr verkaufen ohne den Freibetrag zu überschreiten?
Es liegt soweit ich sehe daran das die Anschaffungskosten mit einberechnet werden, kann das sein? Warum ist das so?
Vielen Dank für eure Hilfe und Erklärung!
19.06.2023 14:58 - bearbeitet 19.06.2023 14:59
@PatBlueStar schrieb:Kann mir das jemand erklären? Heißt es ich kann doch mehr verkaufen ohne den Freibetrag zu überschreiten?
Es liegt soweit ich sehe daran das die Anschaffungskosten mit einberechnet werden, kann das sein? Warum ist das so?
Der Freibetrag bezieht sich auf erzielte Gewinne und nicht auf Veräußerungen an sich. Deshalb werden auch die Anschaffungsdaten gegengerechnet. Aktueller Wert - Kaufwert = Gewinn (oder Verlust). Der wird (abzgl. Teilfreistellung) versteuert und auf den FSA angerechnet.
am 19.06.2023 14:58
Hallo und herzlich willkommen!
Es geht um den entstandenen Gewinn- folglich ist der Verkaufswert höher da Du den ja noch gegen die Anschaffung rechnen musst.
Gruß Crazyalex
am 19.06.2023 16:01
Noch ein Hinweis: Die 4 Ausschüttungen fallen unterschiedlich hoch aus. Im Juni kommt der höchste Anteil.
am 19.06.2023 16:07
Hallo @PatBlueStar und herzlich willkommen in der Community.
Den Grund für die Abweichung zwischen Deiner Annahme und der Steuerberechnung haben die meine beiden Vorredner ja schon mitgeteilt.
ich möchte in Ergänzung dessen noch auf einen anderen Punkt hinweisen:
@PatBlueStar schrieb:Eine Ausschüttung (von insgesamt 4 im Jahr) habe ich bereits erhalten.
In Anspruch genommener Freibetrag EUR 188,61 Verbleibender Freibetrag EUR 1.661,39
Soweit so gut. Wenn ich das nun auf 4x im Jahr hochrechne komme ich auf grob 750€.
Heißt ich hätte einen Freibetrag von 1.100€ übrig.
Die Rechnung kannst Du in dieser Form leider nicht machen, da ETFs im Gegensatz zu den meisten Aktien innerhalb eines (Geschäfts-)Jahres üblicherweise deutlich schwankende Ausschüttungsbeträge haben.
Beispielsweise hat der A1JX52 im März noch 0,409169 USD pro Anteil ausgeschüttet, im Juni werden es dagegen schon 0,7273 USD sein.
Ein weiterer nicht-linearer "Störfaktor" ist in diesem Zusammenhang der Wechselkurs.
Die Lösung wäre aus meiner Sicht ganz einfach: Warte bis zum Jahresende.
Ob Du den vermeintlich ungenutzten Freibetrag jetzt ausschöpfst oder 2 Tage vor Jahreswechsel macht steuerlich überhaupt keinen Unterschied. Je später im Jahr Du es machst, umso mehr Informationen hast Du allerdings und umso besser kannst Du folglich steuern.
Die Höhe der letzten Ausschüttung des A1JX52 wird am 07.12.2023 bekanntgegeben. Danach kennst Du alle Zahlen.
am 19.06.2023 19:19
@GetBetter schrieb:
Ob Du den vermeintlich ungenutzten Freibetrag jetzt ausschöpfst oder 2 Tage vor Jahreswechsel macht steuerlich überhaupt keinen Unterschied.
Von meiner Seite noch der Hinweis dass die deutschen Handelsplätze dieses Jahr schon am 29.12. um 1400 schließen da der 30. auf einen Samstag fällt.
am 20.06.2023 11:41
Vielen Dank für deine ausführliche Antwort und den Hinweis.
Das die Ausschüttung schwankt war mir bewusst, allerdings nicht in dieser Höhe. Von dem her wieder etwas gelernt für mich.
Mein Gedanke mit dem Verkauf war eben das ich die kürzliche Rally nach oben zum Teil mitnehme.
Wenn ich nun bis Jahresende warte habe ich zwar die Informationen wieviel Freibetrag mir übrig bleibt, es kann dann aber natürlich gut sein das der ETF nicht mehr 4-5% im Plus ist wie aktuell sondern im Minus.
Oder denke ich hier falsch?
am 20.06.2023 12:53
@PatBlueStar schrieb:Das die Ausschüttung schwankt war mir bewusst, allerdings nicht in dieser Höhe. Von dem her wieder etwas gelernt für mich.
Bei justetf.com findest Du eine Darstellung aller Ausschüttungen der letzten Jahre. Damit kannst Du zumindest in groben Zügen prognostizieren, wie hoch die Zahlungen im September und Dezember ausfallen könnten: klick.
@PatBlueStar schrieb:Mein Gedanke mit dem Verkauf war eben das ich die kürzliche Rally nach oben zum Teil mitnehme.
Wenn ich nun bis Jahresende warte habe ich zwar die Informationen wieviel Freibetrag mir übrig bleibt, es kann dann aber natürlich gut sein das der ETF nicht mehr 4-5% im Plus ist wie aktuell sondern im Minus.
Oder denke ich hier falsch?
Prinzipiell ist der Gedanke schon richtig, persönlich bin ich allerdings kein Fan von aktiven Prognosen im Zusammenhang mit passiven Investments.
Wenn Du eine übersichtliche und vorausplanbare Situation hast (es wird keine Einnahmen aus jetzt noch nicht vorhersehbaren Verkäufen des A1JX52 oder anderer Wertpapiere geben; es werden im weiteren Jahresverlauf keine Papiere gekauft, die irhrerseits noch Ausschüttungen vornehmen; für eventuell angelegte Tagesgelder sind die Zinsen, also auch die Zinssätze, planbar etc.), dann kannst Du das durchaus so machen.
Schlimmstenfalls stellst Du am Jahresende fest, dass der Verkauf nicht nötig gewesen wäre,das wäre aber natürlich auch kein Beinbruch.
Du solltest nur der Versuchung widerstehen den Gedanken weiterzuspinnen. Mit der Überezugung, dass der ETF zum Jahresende fällt, könnte man ja dazu verleiten sein, nach dem Verkauf nicht wieder einzusteigen sondern erst die günstigeren Kurse abzuwarten. Das kann nach hinten losgehen und problemlos Deinen realisierten Steuervorteil ins Gegenteil drehen.
am 20.06.2023 13:13
Ok ja das ist natürlich richtig, der Sinn eines ETFs (und so habe ich das auch vor) ist ihn ja mindestens 15-20 Jahre liegen zu lassen ohne auf die kurzfristigen Schwankungen zu achten.
Ganz nach dem Stichwort: time in the market beats market timing
Eine Frage habe ich nun allerdings noch, da es mir noch immer nicht ganz klar ist. Nur mal theoretisch ich würde nun einen Teilverkauf tätigen.
In meiner Depotübersicht wird mir der ETF mit 3.090€ im Plus angezeigt, was ja auch Sinn macht --> Kaufkurs 97,61 - Akt. Kurs 101,92 = 4,31x717 = 3.090 Gewinn
In
Ich verstehe es so das ich wenn ich nun 30 Anteile verkaufe, mir ein Gewinn von ungefähr 3.057€ abzüglich Teilfreistellung 30% --> 2.140€ entsteht und mein Freibetrag weit überschritten wird.
Ist das richtig gerechnet?
Warum zeigt es mir dann aber in der Steuersimulation nur einen Gewinn vor Steuern von 125€ an und einen verbleibenden Freibetrag von 1.573€?
Das verwirrt mich bzw. passt doch überhaupt nicht?
20.06.2023 13:26 - bearbeitet 20.06.2023 13:51
20.06.2023 13:26 - bearbeitet 20.06.2023 13:51
Du kannst den Gewinn in der Depotübersicht nicht einfach 1:1 auf die einzelnen Stücke runterbrechen, das funktioniert steuerlich nicht. Mal abgesehen davon verstehe ich auch deine Rechnung nicht ganz. Wenn 717 Stücke rund 3090 Euro Gewinn haben, wie sollen dann 30 davon schon 3057 Euro abwerfen? Dann würden in den 30 Stücken (rund 4% der Position) rund 99% deines Gesamtgewinns stecken. Das ist sagen wir mal... naja... "unwahrscheinlich".
edit: Ah ich sehe, du bist immer noch bei der Annahme dass der Freibetrag auf den verkauften Kurswert angerechnet wird. 30 * 101,92 = 3057,60.
Nochmal: Das ist nicht richtig. Der Freibetrag wird auf den Gewinn (grün) angerechnet, nicht auf den Kurswert.
Nach deiner Annahme wäre bei einem Kauf einer Position von 3000 Euro und einem sofortigen Verkauf zu 3000 Euro der Freibetrag schon aufgebraucht, obwohl noch gar kein Gewinn erzielt wurde. Dann wäre der Freibetrag völlig sinnfrei. Wenn wir bei dem Beispiel bleiben müsstest du bei 4000 Euro verkaufen um die 1000 Euro Freibetrag zu beanspruchen (Teilfreistellung mal ignoriert).
Davon ab:
Steuerlich hat jede Anschaffung (ich gehe mal von einem Sparplan aus?) ihre eigenen Anschaffungsdaten und die werden auch herangezogen.
Beim Verkauf gilt das FIFO Prinzip, die ältesten Stücke werden also zuerst verwertet. Ich hab mir jetzt den Kursverlauf des ETF nicht genau angesehen aber da der natürlich Schwankungen unterliegt kann es sein dass deine zuerst gekauften Stücke bisher kaum Gewinn abgeworfen haben, der Großteil deines Gewinns also irgendwo in der Mitte oder gegen Ende der Anschaffungen entstanden ist.
Demnach müsstest du eine größere Stückzahl bis eben der (steuerliche) Gewinn rund deinen Erwartungen entspricht. Da muss man bei vielen Anschaffungen ein wenig mit der Steuersimulation rumspielen.
Mal weitergesponnen: Theoretisch ist es auch möglich, dass du einen Gesamtgewinn in einer Position hast, bei einem Teilverkauf aber einen Verlust angerechnet bekommst. Das kommt dann einfach daher dass du mal zu höheren als dem aktuellen Kurs gekauft hast aber spätere Anschaffungen zu deutlich niedrigeren Kursen die eben jetzt Gewinn abwerfen.