am 19.11.2022 20:38
Guten Abend liebe Community,
im Forum gibt es immer wieder Fragen und Diskussion zum Thema Dividende. Und bevor ich mir dazu jedes mal einen Wolf schreibe und das gleiche erzähle, mache ich es ganz egoistisch-pragmatisch: Ich stelle euch mein Dividenden-Portfolio vor (...und ihr dürft es gerne roasten).
Eines vorweg: Ich betreibe mehrere Portfolios:
Zum Vermögensaufbau ist dieses Portfolio nur bedingt geeignet. Wer sich einen reinen Kapitalstock ohne ausschüttenden Cashflow aufbauen möchte, ist mit anderen Strategien aus meiner Sicht besser beraten.
Aber zunächst der aktuelle Stand:
(da fällt einem wieder auf, wie hässlich alles im comdirect-Interface aussieht)
Folgende Prinzipien vertrete ich bei Dividendenwerten
Das Depot lässt sich grob in diese Kategorien einteilen:
Die „Cashcows“
Unternehmen mit hoher Dividendenrendite (>5%), aber dafür geringerer Wachtumsdynamik bei Kursverlauf und Dividendensteigerungen. Diese Aktien sollen die durchschnittliche Dividendenrendite des Depot nach oben treiben:
Allianz
Iron Mountain
Die „Grower“
Diese Unternehmen haben eine relativ geringe Dividendenrendite (1,5-3%), aber dafür ein sehr dynamisches Wachstum der Dividenden. Bei Titeln wie American Tower, ASML oder UnitedHealth sogar im Bereich von ca. 20%/Jahr. Dazu bieten alle sehr solide langfristige Kursverläufe:
American Tower
ASML
Home Depot
Linde
NextEra Energy
PespsiCo
UnitedHealth
Die „Allrounder“
Manche Aktien sind so gut, die haben einfach alles: Hohe Dividende, hohes Dividendenwachstum, gute Kursentwicklung:
AbbVie
Broadcom
Die ETFs
Es gibt so viele tolle Dividendenaktien auf der Welt, leider kann und will ich sie nicht alle haben. Zudem kommt in einigen Jahren vielleicht der Punkt, an dem ich das Depot nicht mehr so aktiv managen möchte. Zudem ist die Teilfreistellung interessant. Daher baue ich mir langsam einen Grundstock an Dividenden-ETFs auf. Dort gelten die gleichen Maßstäbe wie oben genannt. Leider gibt es am Markt viel Schrott, der durch diese Kriterien durchrasselt, aber mit diesen dreien bin ich zufrieden. Weitere sind nicht geplant:
SPDR S&P US Dividend Aristocrats (A1JKS0)
Vanguard FTSE All-World High Dividend Yield (A1T8FV)
VanEck Morningstar Developed Markets Dividend Leaders (A2JAHJ)
Performance
Ich pflege meine Kursdaten leider nicht so genau, sondern tracke überwiegend die Dividenden. Das Depot dürfte dieses Jahr Kurstechnisch allerdings im Plus liegen (im mittleren einstelligen Bereich), was im Vergleich „zum Markt“ sehr gut ist. Es war aber auch das Jahr vieler Value-Werte, die ich glücklicherweise im Depot habe: AbbVie, Linde, PepsiCo,UnitedHealth…
Die angepeilten 10% Dividendenwachstum sind eher konservativ kalkuliert und werden in der Regel jedes Jahr übererfüllt. So auch dieses.
Zukunftsaussichten
Folgende „Baustellen“ stehen für 2023 auf der Agenda:
Abschließendes
Da Diskussionen über Investmentansätze hier oft zu moralischen Grundsatzstreitereien werden, bitte ich euch: Hier geht es um meine Dividendenstrategie, die zu meinem Lebensentwurf passt und – wichtig! – die mich gut schlafen lässt.
Mit diesem Disclaimer im Hinterkopf kann gerne über die Strategie selbst oder die enthaltenen Werte diskutiert werden. Ich hoffe, für einige waren einige hilfreiche Ansätze dabei.
Grüße aus einem nasskalten Flensburg
Marin
Gelöst! Gzum hilfreichen Beitrag.
am 21.11.2022 19:28
Hallo @Marin ,
es gefällt mir wie strukturiert Du vorgehst. Ich mache mir schon viele Gedanken zu einzelnen Aktien aber eine echte Strategie für meine Anlage habe ich bislang nicht. Ich bin eher der Typ Sammler und liebäugle mit zu vielen Aktien, statt mich auf strategisch ausgerichtete Titel zu fokussieren. Ein sehr inspirierender Beitrag von Dir, vielen Dank dafür!
Grüße aus dem Allgäu
Himbi
am 21.11.2022 21:28
Hallo @Marin,
ja, Corona hat bei Sixt Vz. ertragstechnisch voll reingehauen. Die sind vielleicht für Dein Vorhaben doch etwas zu zyklisch. Übrigens hast Du die Dividendenwerte der Stammaktie gepostet, die Vorzugsaktie zahlte folgendermaßen:
| 3,72€ | 2021 |
| 0,05€ | 2020 |
| 0,05€ | 2019 |
| 2,17€ | 2018 |
| 4,02€ | 2017 |
| 1,67€ | 2016 |
In der Dividende für 2017 ist ein Sonderertrag aus dem Verkauf von DriveNow enthalten. Ich vermute für 2022 eine höhere Dividende, einfach weil Sixt nach den ersten neun Monaten ein neuen Rekordgewinn vermeldet hat: Das Konzernergebnis stieg von 250,1 Millionen Euro auf 361,6 Millionen Euro. Es könnte jedoch auch sein, dass 2023 aufgrund der schlechten Konjunktur und dem Ende der sehr guten Bedingungen für Mietwagenanbieter Schluss ist mit den Rekordergebnissen.
Mir ist übrigens im Nachhinein noch aufgefallen, dass ich es gut finde, dass Du nicht auf Dividendenfallen reingefallen bist. 👍
Ich höre Christian W. Röhl einfach gerne zu, auch wenn ich manche Geschichten von ihm nicht nur einmal gehört habe. Seine Art zu reden hat etwas sehr bodenständiges, seriöses. Das ist mir jedenfalls viel lieber als Geschichten von Elon Musk oder Cathie Wood zu hören. Es gibt ja Gerüchte in der Community, dass ich mit Herrn Röhl verwandt sei. Diese kann ich weder dementieren noch bestätigen.
Grüße aus Dresden
sonnen w. brille (das "w" steht für wikifolio)
am 21.11.2022 22:40
@ehemaliger Nutzer
Da ich faul war, habe ich die Dividendenhistorie von Sixt schnell bei finanzen.net nachgeschlagen, obwohl ich weiß, dass das ein Saftladen ist. Ich dachte, das werden die ja wohl noch hinbekommen. Falsch gedacht – für beide Aktiengattungen sind dort die gleichen Dividenden eingetragen. Nochmal: Saftladen!
Dass du die Verwandtschaft zu Christian W. Röhl weder dementieren noch bestätigen kannst, lässt für mich nur einen Schluss zu: Du bist Christian W. Röhl. Aber ist tatsächlich immer noch besser, als Cathie Woods oder Elon Musk zu sein.
22.11.2022 21:45 - bearbeitet 23.11.2022 02:17
Hallo,
ein schönes Thema, schön lesbar dargestellt. Super. @Marin : Da habe ich beim Lesen gleich das Gefühl, dass da jemand etwas so richtig schön richtig gemacht hat.
"If anybody's responsible for the disappearing dividend, it's the U.S. government, which taxes corporate profits, then taxes corporate dividends at the full rate, for so-called unearned income. To help their shareholders avoid this double taxation, companies have abaandoned the dividend in favor of the buyback strategy, which boosts the stock price."
So Peter Lynch in "One up on Wall Street".
Auch bei uns ist jenseits der Freibeträge durch die Besteuerung der Dividenden eine Gesamtrendite von 8% längst noch keine Gesamtrendite von 8%.
Bei 4% Dividende plus 4% Kursgewinn = 8% fällt (Freibetrag als marginal ausgeklammert) jährlich ~ 7% Kapitalerhöhung an.
Über 30 Jahre ergibt das bei einer Einmalanlage 761% des eingezahlten Geldes also 661% Zugewinn, wovon netto 500% Zugewinn verbleiben.
Bei 0% Dividende plus 8% Kursgewinn = 8% fällt (Freibetrag als marginal ausgeklammert) jährlich ~ 8% Kapitalerhöhung an.
Über 30 Jahre ergibt das bei einer Einmalanlage 1006% des eingezahlten Geldes also 906% Zugewinn, wovon netto 677% Zugewinn verbleiben.
Der Dividendenanleger hat bei gleicher Gesamtrendite 23% weniger, als der Wachstumsanleger (der 29% mehr hat, als der Dividendenanleger).
Das ist ein spürbarer Unterschied.
Das heißt nicht, dass ich gegen Dividendenaktien argumentieren möchte.
Man sollte bloß die unterschiedliche steuerliche Behandlung kennen.
Mit Glück, wenn's gut genug passt, kann ein thesaurierender Dividenden-ETF die Einzelwerte ersetzen, die Zinseszinsdelle (teilweise) überbrücken und mit der Teilfreistellung (die den fehlenden Teil der Zinseszins-Delle ausgleichen soll) der Erträge zusätzlich locken.
Einen Der Werte aus dem Ausgangsbeitrag habe ich aber auch als Einzelwert im Depot.
Warum? Eine gute Aktie wird durch die relative steuerliche Diskriminierung der Dividenden allein nicht zu einer schlechten Aktie.
Eins würde ich allerdings nicht tun: mich willkürlich auf Dividendentitel versteifen.
Gruß: KWie2
... irgendwo in 'nem Portfolio zwischen Graham und Bogle ...
am 23.11.2022 08:39
@Klimaaprima schrieb:[...]
Hapag- Loyd (zudem interessant wegen einer ordentlichen Kurskorrektur bis Oktober)
[...]
Grüße
Frachtbranche wäre ich eher vorsichtig, das ist auch eher zyklisch Heute war ein Bericht im HB, die Charterraten brechen gerade vollkommen zusammen. Die Pazifik Route von Asien nach Kalifornien sei aktuell günstiger als vor Corona, gleichzeitig sind aber die Kosten gestiegen und man habe im Kaufrausch der Lieferkettenstörung so viele neue Schiffe bestellt das eher mit Überkapazitäten zu rechnen sei.
Gruß
Curtis.
am 23.11.2022 11:24
Deine Rechnung stimmt und ich bin mir dessen vollkommen bewusst. Nichts desto trotz habe ich mich für diesen Dividendenweg für die Zukunft entschieden, da es aus meiner Sicht am besten zu meinem geplanten Lebensentwurf und meinen persönlichen/psychologischen Präferenzen passt. Wie gesagt ist es eine höchst individuelle Entscheidung, die jeder für sich selbst treffen muss und für die es vermutlich kein pauschales "richtig oder falsch" gibt. Wichtig ist wie gesagt nur: Die ganze Sache sehr gut überdenken, ausprobieren, bei Bedarf dabei ein paar Mal auf die Nase fallen, lernen, verbessern, konsequent sein und am Ende hoffentlich ruhig schlafen.
Ich sehe das auch wie du und glaube, dass die diesjährige Monster-Dividende von Hapag-Lloyd in der Form nicht weiter existieren wird. In der Transportbranche würde ich auch lieber abwarten, was von dem Boom übrig bleibt, sobald die Welt wieder einigermaßen normal geworden ist. Zur Veranschaulichung das von dir geschriebene in Form einer Grafik:
Außerdem Neuigkeiten zur generellen Entwicklung des Depots:
Den urprünglichen Plan, in Vonovia zu investieren, habe ich verworfen. TAG Immobilien hat gestern angekündigt, die Dividende komplett(!) zu streichen. Das ist ein ziemlicher Hammer und lässt darauf schließen, dass es Immobilien-Unternehmen doch schlechter geht, als sie durchblicken lassen haben. Mein Bauchgefühl bei Vonovia war sowieso nicht so gut.
Ich habe mich deshalb entschieden, dem Tipp von @ehemaliger Nutzer (vielen Dank!) zu folgen und stattdessen mit halber Positionsgröße in DEFAMA (A13SUL) zu investieren. Ich habe mich über das Unternehmen genauer informiert und Geschäftsmodell, Geschäftsentwicklung und Zukunftsaussichten haben mich überzeugt. Ebenso die Tatsache, dass die Ausschüttungsquote für ein Immobilienunternehmen sehr gering ist und die aktuellen guten Wachstumsraten für die Dividende aus meiner Sicht problemlos aufrecht erhalten werden können. Ich gehe davon aus, dass die Märkte im Q1 2023 nach unten korrigieren werden und halte bis dahin das Pulver für die geplanten Käufe trocken.
23.11.2022 11:33 - bearbeitet 23.11.2022 11:35
23.11.2022 11:33 - bearbeitet 23.11.2022 11:35
Hallo @Marin,
in Deinem Eröffnungsbeitrag zu diesem interessanten Thema hast Du darum gebeten, Dein Depot doch bitte zu roasten. Dieser Bitte kann ich leider nicht nachkommen.
Denn: Es sieht für mich sehr gut und perfekter als das Gluecksdrache-Echtdepot aus und auch die Ländergewichtung ist beeindruckend. Mit der Allianz und der Deutschen Post hast Du die beiden Aktien gefunden, die noch am ehesten "Weltwirtschaft" in Deutschland widerspiegeln und nicht unter dem Beschuß der verschiedenen, allerdings legalen Geldwasch- und Umverteilungsmaschinen des Noch-Bundeskanzlers Scholz stehen. Da dies hier nicht der Themenbereich "Wirtshaus" ist möchte ich es bei dieser Andeutung der Bedrohung für Aktien mit Länderkennung "DE" belassen.
Mit Deinem Depot mit hohen Dividenden kannst Du einen Multiplikator der Erträge anwerfen und somit Dein Vermögen steigern. Anders als beim "Thesaurierer" hast Du auch bei jeder Dividende die Möglichkeit die Investmententscheidung neu zu treffen.
Um allerdings der Glücksdrachen-Tradition bei comdirect gerecht zu werden werfe ich noch kurz die Ping An Aktie in den Raum, die aktuell mit 5,53 Prozent Dividendenrendite im Informer angezeigt wird.
Darf ich noch ganz kurz fragen, wann Du denn AbbVie entdeckt hast? Bei mir war es etwa vor zwei Jahren.
Liebe Grüße
Gluecksdrache
am 23.11.2022 15:43
Hallo,
@Marin schrieb:Deine Rechnung stimmt und ich bin mir dessen vollkommen bewusst. Nichts desto trotz habe ich mich für diesen Dividendenweg für die Zukunft entschieden, ...
Wie schon gesagt, ich bin beeindruckt.
Und Du hast ja Deine 3 Portfolios und deren Rollen allesamt beschrieben.
Dass man in der Entnahmephase ggf. etwas von Performanceoptimierung richtung geringerer Volatilität umschichten könnte, ist ja wieder einmal ein nur durch unser Steuerrecht ausgebremster, sonst recht naheliegender Ansatz.
Und bei geringer Volatilität denken wir an die von P. Lynch als "stalwarts" (engl. die robusten, die unbeugsamen) bezeichneten Werte die früher klassische Kandidaten für Dividendentitel gewesen wären.
Beim zweiten Blick fällt mir auf, dass ich neben der einen Aktie im Depot auch zwei Werte aus dem Dividendenportfolio in Watchlists unter Beobachtung habe, die es aber bisher nicht ins Portfolio geschafft haben.
Gruß: KWie2
... irgendwo in 'nem Portfolio zwischen Graham und Bogle ...
am 23.11.2022 15:51
Ich wusste doch, dass man dich mit deinem Liebling – der Allianz-Aktie – glücklich machen kann! Ohne die derzeitige Regierung allzu sehr in Schutz nehmen zu wollen: Deutsche Aktien waren auch davor meist schon besonders gute Wahl. Aber um es positiv zu sehen: Wenn man nicht viel erwartet, kann man nicht so sehr enttäuscht werden.
Ping An ist mir bekannt, aber China-Aktien sind für mich momentan nicht interessant. Mit Allianz und UnitedHealth habe ich zudem schon zwei Versicherungen im Depot, das genügt mir.
AbbVie habe ich seit ca. Mitte 2021 in Tranchen gekauft, mein durchschnittlicher Kaufkurs liegt bei ~101€. Da war aber auch viel Glück dabei. Dass die Aktie dieses Jahr so rennen wird, hätte ich selbst nicht geglaubt. Ich hatte sie davor immer als klassischen Dividenden-Seitwärtsläufer wahrgenommen.
am 23.11.2022 18:05
@CurtisNewton schrieb:
@Klimaaprima schrieb:[...]
Hapag- Loyd (zudem interessant wegen einer ordentlichen Kurskorrektur bis Oktober)
[...]
Grüße
Frachtbranche wäre ich eher vorsichtig, das ist auch eher zyklisch Heute war ein Bericht im HB, die Charterraten brechen gerade vollkommen zusammen. Die Pazifik Route von Asien nach Kalifornien sei aktuell günstiger als vor Corona, gleichzeitig sind aber die Kosten gestiegen und man habe im Kaufrausch der Lieferkettenstörung so viele neue Schiffe bestellt das eher mit Überkapazitäten zu rechnen sei.
Gruß
Curtis.
Hallo @CurtisNewton, vielen Dank für den Hinweis, sehe ich auch vorsichtig und die Kommentare zur Frachtbranche sind allgemein nicht wirklich zuversichtlich.
Ich hatte die Aktie für 171€ Mitte Okober ins Portfolio holen können und mittlerweile den Stoppkurs auf 163€ nachgezogen. Dann war es halt außer ein paar negative Spesen nix gewesen. Aber vielleicht gibt es ja doch noch ein Weihnachsaufschlag + Dividende. Langfristig sehe ich die Aktie auch noch nicht in meinem Portfolio, aber mal schauen...Grüße