am 04.12.2021 15:58
Einige Zeilen aus aktuellem Anlass
Die Berichtssaison ist gelaufen, die Geldpolitik bleibt bei hohen Inflationsraten vorhersehbar, so dass die Aktienmärkte im Moment ausschließlich von der berechtigten Angst vor der neuen Variante umgetrieben werden: Auf Delta folgt nicht etwa Epsilon -- das Virus macht im Alphabet gleich den Sprung zu Omikron! Die zunehmenden Sorgen wirken sich belastend auf die Stimmungsindikatoren der Wirtschaft aus, und vor allem bei den Verbrauchern hat sich die Stimmung deutlicher verschlechtert.
Gestern ist der DAX (15 170 Punkte) bei dem Versuch gescheitert, seine 200-Tage-Linie (15 416 Punkte) zurückzuerobern. Das ist ein klares Zeichen dafür, dass es zumindest in den nächsten Tagen weiter nach unten gehen wird.
Noch ungeklärte Fragen darüber, ob die vorhandenen Impfstoffe wirken, wie ansteckend Omikron ist und welche Krankheitsverläufe mit der neuen Virusvariante einhergehen, lassen die Anspannung an der Börse steigen. Die jüngste Korrektur ist bislang absolut gesund und nicht besorgniserregend. Doch die Stimmung an der Börse ist innerhalb weniger Tage von Euphorie in Angst umgeschlagen, abzulesen auch an Volatilitätsindizes wie dem VDAX (WKN A0DMX9). Wohl dem, der sein Depot mit Put-Optionen abgesichert hat.
Weiterhin tut sich die Politik mit harten Eingriffen schwer. Unterdessen veranstaltet man Fußballspiele mit 50 000 schreienden Fans, die Innenstädte sind voll, hier bei uns werden die eigentlich verbotenen Christkindlmärkte als Außengastronomie getarnt, und die Leute reisen weiterhin unbekümmert durch Deutschland und um die halbe Welt, so dass das Virus fröhliche Urständ feiern und neue Mutationen bilden kann. Man kann nur auf die Einsicht des Virus hoffen, dass es für die eigene Ausbreitung wohl vernünftiger ist, wenn der Wirt nicht zu schwer beschädigt oder gar getötet wird.
Ohne einen harten Lockdown wird es nicht gehen, solange die Impfquote nicht wesentlich höher ist. Doch je länger die Politik damit wartet, desto schlimmer wird diese Maßnahme für die Börsen, wenn sie dann doch kommt. Darin liegt aktuell das größte Risiko für die Kurse. Um es klar zu sagen:
Mit einem neuen Absturz um 40 Prozent, so wie in 2020, rechne ich in den nächsten Wochen nicht. Die Anleger haben die anschließende Erholung noch in Erinnerung und werden bei anhaltender Schwäche rechtzeitig wieder einsteigen und einen sehr starken Einbruch hoffentlich verhindern. Aber ein Rückgang im DAX auf 14 000 Punkte wäre völlig im Rahmen, auch wenn es weh täte.
Es gibt allerdings andere Risiken, die momentan noch niemand auf dem Zettel hat. Aus europäischer Perspektive dürfte 2022 die Präsidentschaftswahl in Frankreich und ein denkbarer Sieg Marine Le Pens im Fokus stehen. Ein solches Ergebnis würde den politischen Zusammenhalt in der EU erneut substanziell schwächen und zudem wichtige Projekte der EU existenziell gefährden. Der erste Wahlgang findet am 10. April 2022 statt. Am 24. April ist ein zweiter Wahlgang vorgesehen. Je nach Stand der Umfragen könnte der Markt das Risiko einpreisen, dass mit einem Sieg der Rechtsextremen die EU, so wie wir sie kennen, auseinanderbricht. Im Vergleich dazu würden wir über die Folgen des Brexits oder über das Glühbirnenverbot nur lachen, und der DAX dürfte sich halbieren.
Immerhin: Sollte sich dieses Szenario (hoffentlich nicht!) bewahrheiten, würde auch der Euro weiter abstürzen und in Richtung Parität (1 Euro = 1 USD) laufen. Das wäre gut für die amerikanischen Aktien in Eurem in Euro geführten Depot.
Und es gibt weitere geopolitische Risiken. Die Situation in der Ukraine (Russland), die Taiwan-Frage, oder auch Cyberangriffe in großem Stil, bei denen die Lahmlegung von kritischer Infrastruktur eines ganzen Landes oder einer Region gelingt. Die Folge könnten analog zur Finanzkrise im Jahr 2008/2009 massive Störungen im Welthandel oder im weltweiten Finanzsystem sein.
Aus diesen Gründen ist eine Absicherung, so wie ich sie hier empfohlen und im Detail erläutert habe, auch weiterhin wichtig. Nur Hellseher dürfen ohne Stoppkurse anlegen -- oder wenn Ihr eine Gelddruckmaschine habt. Ich gehe weiterhin davon aus, dass die meisten Stoppkurse, die ich für langfristige Trendaktien empfohlen habe, halten werden.
Beispielsweise ist gestern die Adobe-Aktie um fast zehn Prozent eingebrochen. Blickt man jedoch auf einen logarithmischen Chart, der die letzten zehn Jahre zeigt, fällt der Absturz nicht weiter auf. Der Stoppkurs lag bisher bei 490 Euro. Sicherheitshalber würde ich der Aktie etwas mehr Luft zum Atmen geben und den Stoppkurs ausnahmsweise leicht absenken auf 465 Euro, also unter die 200-Tage-Linie und unter den Tiefpunkt Anfang Oktober. Das Absenken von Stoppkursen ist eigentlich eine Todsünde, aber in diesem Fall durch die erhöhte Volatilität bei der Aktie gerechtfertigt.
Es bleibt holprig. Ich wünsche Euch trotzdem auch weiterhin viel Erfolg, und was noch wichtiger ist: viel Spaß an der Börse.
Einen schönen zweiten Advent
und beste Grüße aus einem schneematschigen München
nmh
Gelöst! Gzum hilfreichen Beitrag.
17.01.2022 18:48 - bearbeitet 17.01.2022 18:50
17.01.2022 18:48 - bearbeitet 17.01.2022 18:50
Ich beschäftige mich jetzt seit 1-2 Jahren mit der Börse.
Das ist sehr kurz. Ich bin sehr unerfahren. Das weiß ich und daher bin ich auch hier um zu lernen.
Was mir allerdings in dieser Zeit schon extrem aufgefallen ist. Es gibt unzählige Börsengurus und Experten, die mir entweder Ihre Produkte und Premiummitgliedschaften verkaufen wollen oder die einfach gar nichts konkretes aussagen. Was habe ich jetzt von der Aussage, dass dunkle Wolken aufziehen und man das Fernglas rausholen soll?
Ich brauche das Geld jetzt nicht --> Deswegen lege ich es ja an.
Ich brauche das Geld auch nicht nächstes Jahr --> Deswegen lege ich es ja an.
Ich brauche das Geld auch in 5 oder 10 Jahren nicht --> Deswegen lege ich es ja an.
Ich brauche das Geld in 25 Jahren.
Und bis dahin werden noch viele dunkle Wolken aufziehen. Für mich, auch wenn ich noch so unerfahren bin, ist es aber logisch, dass die Wirtschaft langfristig wachsen wird (als studierter VWLer kann ich zumindest die Aussage wagen). Und wenn ich jetzt A (25 Jahre) und B (Wirtschaft wird wachsen) zusammenzähle, dann nehme ich jetzt noch C (gute Aktien, die seit 25 Jahren steigen, danke @nmh ) dazu und kann eigentlich gar nicht soooo viel falsch machen. Und wenn ich dieses Jahr (oder der Markt im allgemeinen) nur 0,1% Rendite mache, dann ist mir das doch total egal.
am 17.01.2022 18:58
@Okkulele123 : Natürlich, und das ist bei mir nicht anders. Mein Premium-Angebot kannst (musst!) Du hier buchen. Aber schnell sein, es sind nur noch wenige Plätze frei!
Was ich mich gerade frage: Wie setze ich ein Fernglas auf???? Ich kann mir eine rote Mütze aufsetzen, oder einen braunen Hut, oder meinetwegen meine Gleitsichtbrille, die ich seit neuestem habe. Aber ein Fernglas setzt man nicht auf, man blickt hindurch oder hat es ansonsten um den Hals baumeln. Kutzer ist halt ... äh ... Vollblutjournalist. Würde ich sowas schreiben, mein Chefred. stünde aber sogleich in meiner Türe!
nmh
am 17.01.2022 19:01
Ich packe das einfach mal hier rein, auch wenn es nicht perfekt passt:
Dass man Verluste aushalten muss, wenn der StopLoss gerissen wird, habe ich jetzt schon zur Genüge gelesen. Gehört ja auch zum Money-Management und ist somit in Ordnung.
Vorstellungen, wie man Gewinne mitnimmt, werden im Forum so gut wie gar nicht publiziert. Liegt das daran, dass das ungleich schwieriger ist? 😉
Ich glaube, @haxo (bin mir nicht sicher) hat vor Kurzem mal erwähnt, dass er einen Teil seiner Position verkauft, wenn der Kurs die GD50 von oben nach unten durchschlägt. Nimmt man mal Adobe als Beispiel, hätte man zumindest in den Punkten 1, 2 und 3 richtig gehandelt.
Ist nur so ein Gedanke, den ich hatte... Vielleicht sprechen wir ja - auch wenn die Zeiten schwierig sind - in Zukunft etwas mehr über das Thema: Gewinne mitnehmen?
17.01.2022 19:05 - bearbeitet 17.01.2022 19:05
17.01.2022 19:05 - bearbeitet 17.01.2022 19:05
@ehemaliger Nutzer Gewinne mitnehmen wollte ich bei Aktien, die voller heißer Luft sind und durch Hype nach oben getrieben werden. Dies habe ich bei PlugPower erfolgreich gemacht, bei Tesla weniger erfolgreich (hätte man lieber halten sollen). Adobe war (und wird vielleicht mal wieder) eine Langfristaktie, die ich in 10 Jahren vielleicht verkaufen kann, in Ruhe. Aber gut, immerhin habe ich durch den Stop wenigstens einen Teil der Gewinne mitgenommen, gleiches gilt für Esker, Carl Zeiss Meditech und Evotec.
am 17.01.2022 19:11
@ehemaliger Nutzer
Zum (wichtigen!) Thema "Gewinnmitnahmen" habe ich schon sehr häufig Empfehlungen gegeben, zuletzt erst vor wenigen Tagen hier. Lebenswichtig an der Börse ist Gewinne laufen zu lassen. Aktien können wesentlich länger steigen als viele denken! Ich verwende für (Teil-) Gewinnmitnahmen daher gerne das im verlinkten Text erläuterte Tool.
Das passt auch hierher: Mein Großvater (Gott hab ihn selig) hat immer die Hälfte verkauft, wenn sich seine Aktien verdoppelt hatten. Dann konnte er mit dem Rest nicht mehr in die Verlustzone kommen. Hausaufgabe: Welche zwei typischen Anfängerfehler stecken in diesem Gedanken? Nicht nachmachen!
nmh
am 17.01.2022 19:30
Hallo @ehemaliger Nutzer ,
berechtigter Aspekt, den du da ansprichst, Gewinnmitnahme! Soweit ich in Chart aber auch erkenne, ist der GD50 mehrmals noch von oben nach durchbrochen worden. Wäre da ein Verkauf auch sinnvoll gewesen? Wann wären auch wieder Nachkäufe sinnvoll. Im Rückspiegel betrachtet, sieht das alles so einfach und plausibel aus. Aber wie entscheide ich von Gegenwart in die Zukunft hinein? Die tatsächliche Kursntwicklung liegt leider immer vor mir, wann regiere ich auf den GD50 Durchbruch, jedes Mal, hast du dafür konkrete Parameter oder Signale?
Grüße
am 17.01.2022 20:01
Du kannst die Parameter ganz individuell setzen. Ähnlich wie Du es u. U. beim GD200 und dem setzen der Stopkurse machst. Nur handelst Du in diesem Fall viel aktiver und kurzfristiger, da der Beobachtungszeitraum entsprechend kürzer ist.
Ob das für Dich Sinn macht, kannst nur Du entscheiden. Schau Dir einfach mal ein paar Charts nach nach diesen Kriterien an.
17.01.2022 20:27 - bearbeitet 17.01.2022 20:32
17.01.2022 20:27 - bearbeitet 17.01.2022 20:32
@nmh schrieb:@ehemaliger Nutzer
Zum (wichtigen!) Thema "Gewinnmitnahmen" habe ich schon sehr häufig Empfehlungen gegeben, zuletzt erst vor wenigen Tagen hier.
Stimmt. Dein Link hier in Textform:
@nmh schrieb:@KeepMoving : Zum Thema Gewinnstop gebe ich Dir ebenfalls recht: Gewinne laufen lassen ist das Motto, aber wenn es dreht, darf man zumindest einen Teil verkaufen. Bei Titeln in meinem Depot, die mit mehreren hundert Prozent im Plus stehen, setze ich üblicherweise für beispielsweise ein Viertel einen sehr strengen Stoppkurs mit Trailing-Abstand von z.B. 8 Prozent (je nach Volatilität). Für das zweite Viertel gibt es manchmal einen Trailing-Abstand von beispielsweise 15 Prozent. Dann ist die Hälfte verkauft, und für die andere Hälfte setze ich die Stoppkurse (einen oder mehrere) "manuell" nach Charttechnik.
Die Hausaufgabe ist zu schwer für mich. 😋
am 17.01.2022 21:31
@Klimaaprima schrieb:Hallo @ehemaliger Nutzer ,
Soweit ich in Chart aber auch erkenne, ist der GD50 mehrmals noch von oben nach durchbrochen worden.
Stimmt.
Wäre da ein Verkauf auch sinnvoll gewesen?
Das ist die Frage. U.U.: Nein. (Das mit dem GD50 habe ich nur erwähnt, um das Thema Gewinnmitnahme aufs Tapet zu bringen.) Ist sicher nicht so einfach, sich da eine geeignete Verfahrensweise zurechtzulegen. Ich hatte meinen Beitrag geschrieben, weil es für mich (gefühlt) hier im Forum zu ungefähr 95 % (vom Umfang her) um Langfrist-Anlage geht. Mit der Konsequenz, dass man eben zuschaut, wie der Kurs zuerst die GD200 und dann die Stop-Loss-Marke durchschlägt... Vom Umfang her (ebenfalls gefühlt 😉) geht es in höchstens 5 % um Gewinnmitnahme.
Wann wären auch wieder Nachkäufe sinnvoll.
Ich würde einen eigenen Thread zum Thema Gewinn-Mitnahme gut finden. (Bilde mir aber nicht ein, aus dem Stegreif etwas Substanzielles beitragen zu können [Vor Kurzem war ein Wikifolio-Thread. Teil der Wikifolio-Strategie war auch eine gewisse Mechanik für den Rückkauf gewesen]).
am 17.01.2022 21:56
Sorry, ich teile die negative Meinung von @Shane 1 und @nmh über Kutzer nicht.
Ich habe ihn persönlich nicht als Verkäufer der Finanzbranche kennengelernt , weder vom Outfit noch beim Vortrag. (Finanzdienstleister kann man ja schon bei weitem erkennen. )
Kann sein, dass Kutzer nach 50 Dienstjahren nicht mehr so fit rüberkommt. Vor einigen Jahren ist er schwer erkrankt.
Ich habe früher seine Beiträge zur Marktlage , heute heißen sie Kutzers Zwischenrufe, gerne gelesen.
Ich habe aus dem "Fernglas" herausgelesen, dass man den Blick nicht so sehr auf das Tagesgeschehen richten , sondern in die Zukunft lenken sollte.
Keiner weiß, wie die Märkte und Kurse kurz- und mittelfristig performen.
Value oder Growth? Wer auf beide Richtungen setzt , ist seiner Meinung nach für die Zukunft gut aufgestellt. Hermann Kutzer gibt keine Aktientipps .
Da muss man bei anderen Profis suchen.
z.B. bei den Rosenheimer unter Thomas Müller, bei den Stuttgartern unter Brandmaier oder beim IAC unter J. Wiechmann.
Jeder kann bei diesen , auch bei Jens Ehrhardt , Bert Flossbach , Ch. Röhl - ich nenne nur einige deutsche Börsenexperten, die in der Branche bekannt sind, viel Wissenwertes über Börse und Aktien erfahren.
Alle eint, dass sie Aktien als Investments in Unternehmen auswählen, ob Value oder Growth.
Jeder kann die Dinge anders sehen. Das ist meine Meinung. Und danach handle ich .
So habe ich gestern und heute gehandelt, verkauft und gekauft.
Wie? Das würde den Thread ins offtopic führen.