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Thesaurierer (acc) oder Ausschütter (dis)?

KWie2
Mentor ★★
1.625 Beiträge

Hallo,

 

ich habe ein paar Sparplansimultionen mit konstanter Sparrate über 45 Jahre durchgeführt. Die Ergebnisse sind nicht "akademisch exakt" und können das auch gar nicht sein (1. Spoiler), denn bei monatlicher Berechnung gibt es 12 Möglichkeiten der Lage des Sparplananfangs zur ersten Dividendenausschüttung und es gibt 12 Lagen der ersten Sparrate bezogen auf das Steuerjahr. Das ergäbe 144 Varianten. Ja welche denn nun? Aber überschlägig genau und genau genug, damit ich die verbleibenden Sonderlichkeiten überblicken kann. Es ist die Qualität, die mir als privatem Kleinanleger genügt, meine persönlichen Entscheidungen für mich zu begründen.

Spoiler
Achtung: Jeder glaubt jeder Simulation - bis auf den, der sie durchgeführt hat!
Hier die Details:
Anlagedauer: 45 Jahre
Rechenintervall: Monatlich
Dividendenausschüttung, Reinvestition: Jährlich
Gesamtnennrendite: 8%
Die Rendite kann nicht für exakt für allgemeine Sparrpläne angegeben werden, daher habe ich die monatliche Rendite wie üblich als 12te Wurzel aus dem jährlichen Kurszuwachs, die Nennrenditen als "Dividende + jährl. Kurssteigerung = 8%" und die Dividende als "Nennrendite - jährl. Kurssteigerung zum Ausschüttungszeitpunkt" bestimmt.
Ob man nun im Monat der Dividendenausschüttung beginnt und im ersten Jahr die Dividende auf 100,00 € ausgezahlt bekommt, oder ob man einen Monat nach der Dividendenausschüttung beginnt und im ersten Jahr die Dividende auf z.B. 1.232,65 € ausgezahlt wird (12 Raten plus die bis dahin unterjährig erwirtschaftete Kurswertsteigerung), das macht einen deutlichen Unterschied aus.
Dieses einfache unkorrigierte Berechnungstableau sorgt auch dafür, dass z.B. bei 2% Dividende die tatsächliche Rendite im 1. Jahr mit 9,11 % erheblich über der Nennrendite liegt. Das ist aber auch der mit Abstand krasseste Zahlenwert. Ich habe in meinen Berechnungen die Ausschütter so günstig wegkommen lassen, wie möglich.
Also Vorsicht! Im Allgemeinen werden die Ausschütterr weniger glücklich abschneiden und jedenfalls nicht besser, als die thesaurierenden Pendants.
Weitere Details:
Die steuerliche Belastung der Fonds, die durch die Teilfreistellung von 30% ausgeglichen werden soll, habe ich nicht berücksichtigt. Sie ist im "Tracking error" der Fonds/ETFs enthalten und günstige passive Fonds kommen mit der Teilfreistellung sehr gut weg. Nur nicht ganz so gut, wie in dieser Simulation.

Aber aus besonderem Anlass möchte ich sie hier teilen, und gern auch zu einer Diskussion der steuerlichen Aspekte von Anlagestrategien einladen.

Und der besondere Anlass? -> Neues Flaggschiff von Vanguard (2. Spoiler)

 

Spoiler

Die beiden am 23. März 2021 aufgelegten ETFs Vangard ESG Global All Caps, 2QL8U (Acc) :|: A2QL8V (Dis) sollen ab morgen hier auch Sparplanfähig sein.

Wer hat hier in der Community nicht schon vom A1JX52 gehört? Und wer hat nicht schon den Steuerspartipp gehört: "Ausschütter, bis die Dividenden den Steuerfreibetrag auschöpfen. Dann den Thesaurier wählen."

Bisher galt vielen der Vanguard FTSE All-World UCITS ETFA2PKXG (Acc) :|: A1JX52 (Dis)

als der "Bogle'sche Heuhaufen" auf Globaler Ebene. Bogle's Slogan: "Versuchen Sie nicht, die Nadel im Heuhaufen zu finden. Kaufen Sie den Heuhaufen!" Für den A1JX52 sollen einige Sparer den Broker gewechselt haben, als der in Deutschland erst bei einem Broker Sparplanfähig war.

John C. Bogle's Ansatz des Anlegens in einen Indexfonds ist heute genau so aktuell, wie bei der Auflage des ersten genossenschaftlichen Indexfonds auf den S&P 500 in 1976, den Vanguard 500.

Bogle hat meines Erachtens mehr für die kleinen Leute getan, als Karl Marx und der Kommunismus zusammengenommen. Zur Erläuterung seinen Ansatzes schrieb er ein: "Kleines Handbuch des vernünftigen Investierens".

Warren Buffet schrieb einmal: „Sollte jemals eine Statue für denjenigen errichtet werden, der das meiste für amerikanische Investoren erreicht hat, dann sollte die Wahl auf Jack Bogle fallen“.

Hier erst einmal zwei Diagramme:

Gesamtansicht.pngAbb. 1 Der beste, der Dis->Acc Steuerspartipp, eine Dividendenaktie und die Eingezahlte Geldsumme.

Die "Zwickel" am Ende zwischen 540 und 600 Monaten sind die grafische Verdeutlichung der Besteuerung bei Auflösung der Sparpläne nach 45 Jahren.

Die "Dividendenaktie" kommt am schlechtesten weg. Da fehlt nicht nur die Teilfreistellung. Auch werden viele Dividenden früh im Sparplan versteuert und fehlen daher teilweise bei der Erwirtschaftung weiterer Renditen.

Dies ist ganz eindeutig:

Da das Finanzamt die Steuerschuld nicht aufzinst bleibt 1 € Steuerschuld 1 € Steuerschuld. Habe ich ihn aber im Sparplan, dann kann mir der spät versteuerte Euro bis dahin noch fleißig Zinsen und Zinseszinsen erwirtschaften - und davon behalte ich das Netto von rund 73%!

Hier eine Detaiansicht vom Ende der zwei fast deckungsgleichen Kurven.

Zoom-Detail.png

 Abb. 2: Detaliansicht

Der Ausschütter mit etwas über 1% Dividende - der Gewinner dieser Simulation - und der Community-bekannte Spartipp (Ausschütter, bis Dividende = Freibetrag, dann Thesaurierer) laufen zwar unterschiedlich, kommen aber nach Steuern netto fast genau auf's gleiche heraus.

Weitere Ergebnisse - bezogen auf das beste (Realtive Performance) - zeigt folgende Tabelle:

 

Freibetrag 801,-€Basiszins 0% 
FallWertverhältnisRelative Performance
Aktienfonds 1,32% Ausschüttung7,723100,00%
Aktienfonds 1% Ausschüttung7,71599,90%
Aktienfonds 2% Ausschüttung7,69799,67%
Dis / Acc 2%7,61198,55%
Dis / Acc 1%7,57698,10%
Aktienfonds 0% Ausschüttung7,58898,26%
Dis / Acc 1%7,57698,10%
Dis / Acc 5%7,50797,21%
Aktienfonds 5% Ausschüttung7,22493,54%
Aktie 1% Dividende7,00090,64%
Aktie 0% Dividende6,93889,84%
Aktie 2% Dividende6,88389,13%
Aktie 5% Dividende6,18380,06%

Tab. 1: Simulation mit Freibetrag.

Das Wertverhältnis ist übrigens der Nettoerlös nach Steuern am Sparplanende geteilt durch das eingezahlte Geld.

 

Mit Freibetrag tut sich das alles nicht viel, wenn man konsequent die Steuerspartipps beachtet.

Theoretisch (bei wirklich theoretisch akkurat 8% Gesamtperformance für alle Fälle) hätte der Aktienfonds mit 0% und dem Steuerspartipp zum Jahresende am besten abschneiden müssen, aber wie sollte ich die Gebühren für monatliche Dividenden-Reinvestitionen berücksichtigen, die dafür erforderlich gewesen wären? Das wäre unrealistisch und dies ist auch der eigentliche Grund für meine hemdsärmelige Simulation.

So weit so gut. Aber ohne Freibetrag ändert sich das Bild ganz eindeutig:

Freibetrag 0,- €Basiszins 0% 
FallWertverhältnisRelative Performance
Aktienfonds (acc) Thesaurierend7,429100,00%
Aktienfonds (dis) 1%7,29398,17%
Aktienfonds (dis) 2%7,12895,95%
Aktie 0% Dividende6,77491,18%
Aktie 1% Dividende6,53687,98%
Aktienfonds (dis) 5%6,48687,31%
Aktie 2% Dividende6,28484,59%
Aktie 5% Dividende5,47773,72%

Tab. 2: Simulation ohne Freibetrag.

 

 

Und nun die Frage: Welcher Fall für Wen?

Ihr müsst Euch möglichst von Anfang an hinsichtlich folgender Frage im klaren sein:

 

Bin ich ein rein passiver "Basisanleger" (Buy&hold till You're old)?

 

Wenn nicht die Gefahr besteht, dass Ihr den Freibetrag einmal für andere Zwecke brauchen könntet, dann greift Tab. 1 und es ist alles nicht so wichtig. Und für welche Einzelaktie möchte man über 45 Jahre im Voraus behaupten, dass sie immer gut über Markt performen wird? Tabelle 1 ist für lupenreine 100% Bogle-Anhänger mit 100% Indexfonds im Eigenkapital.

Das trifft auch mich jedoch nicht zu. In meinem ersten Börsenjahr habe ich mich so in Einzelwerte verknallt, dass ich immer mit Aktionen in meinem Portfolio rechnen muss. Das gleiche gilt schon, wenn ein spürbarer Anteil an Branchen- oder Regionenwetten im Portfolio enthalten ist. Werden die in 45 Jahren bzw. Deinem Anlagehorizont garantiert nicht ausbrennen? Dann heißt es schnell:

"Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister
werd ich nun nicht los."

Ich habe nur 801 € Steuerfreibetrag pro Jahr, um ungeliebt gewordene Posten abverkaufen zu können, ohne in steuerliche Nachteile zu geraten.

Von daher ist meine Präferenz auch so klar:

Für mich speziell im Basisinvestment nur Accumulierer.

Tatsächlich habe ich in meinem ersten Zeitjahr 2020/2021 mit einer bescheidenen Investitionssumme bereits zweimal den Freibetrag ausgeschöpft und zwar mit insgesamt unter 10 € Dividenden. Offenbar benötige ich als gelegentlich aktiver Anleger (der auf den Corona Crash und auch auf die Öko-Blase aktiv reagiert hat) meinen Freibetrag voll für die Portfoliopflege. Für Ausschütter ist da einfach kein Platz.

Das muss aber letztlich jeder für sich selbst entscheiden.

 

Gruß: KWie2

... irgendwo in 'nem Portfolio zwischen Graham und Bogle ...

10 ANTWORTEN

dg2210
Legende
7.781 Beiträge

@GetBetter  schrieb:

@KWie2  schrieb:

Ich wollte hier vor allem die stereotype Selbstverständlichkeit des Dis/Acc Steuertipps aufbrechen.


Dieser Tipp wird üblicherweise in einer ganz bestimmten Konstellation gegeben:

  1. Neueinsteiger
  2. ETF-Sparplan
  3. Altersvorsorge

(...)

Wenn der Tipp von mir kommt, dann also immer mit dem Hintergedanken, dass er momentan, als Gesamtpaket und im Regelfall das Optimum darstellt.

 


So ist es!

Es ist zwar rechnerisch möglich, die heutige Steuersituation auf die nächsten 45 Jahre zu projizieren, aber leider komplett sinnlos. Aktuell ändern sich die Besteuerungsregeln für Kapitalerträge ca alle 4-5 Jahre, womit bei gleichbleibender Änderungsrate in den nächsten 45 Jahren 9 Steueränderungen zu erwarten sind.

 

Wahrscheinlich werden nicht alle Änderungen die ETFs betreffen, aber eine sinnvolle Simulation sollte zumindest 5 oder 6 mögliche Steueränderungen (jeweils in mehreren Varianten) berücksichtigen.

Bettina Orlopp : „Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem.“ (Focus online 24.06.2025)