Hilfe
abbrechen
Suchergebnisse werden angezeigt für 
Stattdessen suchen nach 
Meintest du: 

Kauftipp für Spezialisten: Drägerwerke Genussscheine

nmh
Legende
9.962 Beiträge

Liebe Freunde im Home-Office,

 

hier kommt ein ganz besonderer Tipp für Spezialisten, abseits von normalen Aktien, und auch in der aktuellen schwierigen Phase ohne großes Risiko, aber mit sehr schöner Gewinnchance. Es geht um die Genussscheine (ich hasse die Rechtschreibreform) der Drägerwerke AG & Co KGaA. Im Falle einer sehr wahrscheinlichen Kündigung wirken sehr attraktive Gewinne, und das Risiko ist sehr begrenzt.

 

Fangen wir beim Begriff an. Was ist ein Genussschein? Ich habe hier in der Community schon oft den Genussschein von Bertelsmann (WKN 522994) zum Kauf empfohlen. Das Papier kostet aktuell ca. 300 Euro und bezahlt jedes Jahr im Mai 15 Euro Dividende. Die Laufzeit ist endlos. Die Rendite beträgt also gut 5 Prozent pro Jahr (15 geteilt durch 300).

 

Genussscheine sind nicht standardisierte Zwitterwesen zwischen Aktien und Anleihen. Der jeweilige Emittent (Herausgeber) kann die Ausstattung ziemlich frei vorgeben. Manche Genussscheine sind so ähnlich wie Aktien, sie zahlen jedes Jahr eine variable Dividende, andere Genüsse sind so ähnlich wie Anleihen, sie zahlen eine feste Verzinsung. Manche Genüsse haben eine feste Laufzeit, andere laufen unbegrenzt, können aber vom Emittenten gekündigt werden.

 

Und jetzt zum eigentlichen Thema. Die meisten von Euch werden die Firma Drägerwerke kennen. Ein Unternehmen aus Lübeck, die stellen Medizintechnik, Beatmungsgeräte, Atemschutzmarken her. Aha -- also genau das, was im Moment dringend gebraucht wird. Drägerwerke hat fünf "Gattungen" (WKN) an der Börse. Am bekanntesten sind die Vorzugsaktien (WKN 555063), es gibt aber auch die Stammaktien (WKN 555060) und drei verschiedene Genussscheine (Serie A = WKN 555065, Serie K = WKN 555067 und Serie D = WKN 555071). Diese Kapitalstruktur ist sehr komplex und somit teuer für Drägerwerke. Die Börse spekuliert schon seit vielen Jahren darauf, dass Dräger das Kapital vereinfacht und einige der Gattungen vom Markt nimmt. Und genau das passiert aktuell. Aber der Reihe nach:

 

In vielen Börsenbriefen werden die Vorzugsaktien zum Kauf empfohlen. Die sind in den letzten Tagen stark gestiegen, weil die Börse die Hoffnung hat, dass Drägerwerke vom Coronavirus profitieren kann. Die Vorzüge sind halt einfach die bekannteste Gattung. 

 

An der Börse lohnt es sich aber oft, auch mal in etwas exotischere Ecken zu schauen. Dazu muss man wissen, dass die drei Genussscheine dem Inhaber einerseits die zehnfache (!) Dividende der Vorzugsaktien garantieren. Während also die Vorzüge (WKN 555063) letztes Jahr im Mai 2019 brutto genau 19 Cent pro Stück Dividende gezahlt haben, gab es für die drei Genussscheine jeweils 1,90 Euro pro Stück. Daher sind die Genüsse teurer als die Vorzüge.

 

Das ist aber nicht das interessanteste. Drägerwerke kann die Genussscheine nämlich kündigen. Bei einer Kündigung erhalten die Inhaber das zehnfache (!) des Durchschnittskurses der Vorzugsaktien in den drei Monaten vor der Kündigung.

 

Und genau das ist bei dem Genussschein der Serie D (WKN 555071) jetzt passiert. Dräger hat am 24.03.2020 gekündigt. Die Inhaber dieses Genussscheins bekommen an Silvester 2022 jeweils 547 Euro. Ihr seht, wie der Kurs des Scheines auf die Kündigung reagiert hat: er ist von 250 über Nacht auf über 450 Euro gesprungen. Wegen der Restlaufzeit ist der Kurs noch unter dem Einlösungsbetrag. Der Kurs wird jetzt langsam bis Silvester 2022 auf 547 Euro steigen.

 

Empfehlung Nummer 1 (konservativ):

Wer heute den Genussschein der Serie D (WKN 555071) kauft, bezahlt dafür etwa 465 Euro und bekommt am 31.12.2022 den Betrag von 547 Euro zurück. Rendite: 17,6 Prozent, das entspricht knapp 6 Prozent pro Jahr. Dazu kommen noch die Dividenden! Ein sicheres Geschäft, auch für Einsteiger geeignet.

 

Die beiden noch ungekündigten Genussscheine (WKN 555065 und 555067) zogen ebenfalls an. Deren Kündigungsfrist ist kürzer. Es ist wahrscheinlich, dass der Konzern auch sie kündigen wird, um die komplexe, teure Kapitalstruktur zu verbessern. Das schöne dabei: Die Vorzugsaktie steht aktuell irgendwo zwischen 70 und 100 Euro (starke Schwankungen). Das bedeutet, der Durchschnittskurs der letzten drei Monate erhöht sich jeden Tag! Mit anderen Worten: Für Dräger wird die Kündigung jeden Tag teurer. Aktuell müsste Drägerwerke bei einer Kündigung etwa 555 Euro bezahlen. Wenn sich der Kurs der Vorzüge drei Monate lang bei 80 Euro hält und Drägerwerke so lange mit der Kündigung wartet, würde der Durchschnitt auf 800 Euro steigen. Insider, die das Unternehmen gut kennen, rechnen daher mit einer baldigen Kündigung.

 

Empfehlung Nummer 2 (etwas riskanter):

Wer heute beispielsweise den Genussschein der Serie A (WKN 555065) kauft, bezahlt etwa 440 Euro. Wenn Drägerwerk tatsächlich bald kündigt, gibt es mehr als 550 Euro zurück! Und dazu noch die Dividenden.

 

Betrachten wir das Risiko. Der Kurs der Genussscheine ist das zehnfache des Vorzugsaktienkurses wert. Aktuell kostet der A-Genussschein 440 Euro. Das entspricht einem Aktienkurs von 44 Euro. Ein Blick auf den Chart der Vorzugsaktie (WKN 555063) zeigt: tiefer als 39 Euro stand das Papier seit zehn Jahren nicht mehr. Und immerhin: Derzeit werden die Produkte des Unternehmens stark nachgefragt.

 

Man kann die drei Genussscheine leider nicht im Livetrading kaufen, aber Frankfurt und Stuttgart stellen faire Kurse. Kleiner Tipp, falls der Kaufkurs in Frankfurt und Stuttgart identisch sein sollte: Bitte in der Kosteninfo prüfen, an welchem Börsenplatz die Spesen geringer sind. Und zur Sicherheit bitte ein Limit setzen, das dem aktuell angezeigten Kaufkurs entspricht.

 

Viel Erfolg mit diesen etwas anderen Wertpapieren,

ein schönes Wochenende an alle, die das hier lesen müssen

aus einem sonnigen München

 

nmh

 

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.
78 ANTWORTEN

cestmoi
Mentor ★
1.216 Beiträge

@nmh 

Zunächst auch von mir VIELEN DANK

Meine Idee, evtl. andere Firmen zu finden, die Gensussscheine gerade verwenden, bin ich an meine Grenze der Auswahl gestossen.
Denn: wenn man sich den Kurs der Scheinchen Mitte März anschaut - da wäre ein Einstieg wesentlich interessanter gewesen.
Gibt es in Deinem Datenwust  weitere Kandidaten?
Wie finde ich selbst den einen oder anderen?

Grüße und toi toi toi

Ce

Antonia
Mentor ★★★
3.356 Beiträge

@nmh 

Ganz herzlichen Dank für die ausführliche und geduldige Antwort!!!

 

Antonia

Grüße von Antonia
____________________
Alle Männer haben nur zwei Dinge im Sinn: Geld ist das andere. Jeanne Moreau

ready2rumble
Autor ★★
31 Beiträge

Warum hat Dräger es zu der komplexen und teuren Struktur überhaupt kommen lassen?

EU_1
Experte ★★
422 Beiträge

 @nmh   gestern um 18:19

 

1. Frage: Wieviele GS der Serie D sind im Umlauf, ausserhalb der Familienaktionäre Draeger?  Ich vermute, dass dort einiges liegt und man jetzt den Top-Kurs der Aktie nutzte, sich das in die GS D investierte Kapital gut verzinst zurück zu holen.

Der Aktienkurs wird auch wieder fallen, sobald neue Finanzzahlen zum Konzern kommen, das Corona-Geschäft hat wieviele % ? vom Umsatz?

2. Frage: Ist nmh investiert in diese GS?

Dann hätte er ja jetzt eine wunderbare Gelegenheit Gewinne mit zu nehmen? Der Markt ist ja eng bei diesen Papieren.

 

Ich empfehle nmh bei allen seinen Studien und Überlegungen (Ratschläge?) jeweils anzugeben ob er da selbst investiert ist oder nicht, also ob er Interessen hat.

 

 

hat nmh Genussscheine ?

EU-1

nmh
Legende
9.962 Beiträge

@cestmoi : Vielen Dank für Dein Feedback. In den 1980er und 1990er-Jahren gab es hunderte von Genussscheinen an der Börse, vor allem von Banken. Ehrlich gesagt habe ich damals mit Genussscheinen angefangen, bevor ich richtige Aktien gekauft habe. Meine erste Pleite hatte ich auch mit Genussscheinen: Der Genussschein der "Konsumgenossenschaft Dortmund-Kassel (DoKa)", WKN 544950, leider schon lange nicht mehr bedient. Heute gibt es weniger davon. Wie findest Du die? Naja, dazu brauchst Du eine professionelle Datenbank. Aber dafür habt Ihr ja mich.

 

@EU_1 : Gute Frage. Ich habe die Dräger-Genüsse 555065 schon sehr lange, mein erster Kauf war am 31.07.1997. Kaufkurs damals (umgerechnet) 47,81 Euro, und es gab 4,09 Euro Dividende, Rendite damals also 8,5 Prozent. Ein Traum. Vor einigen Tagen habe ich das letzte Mal nachgekauft, und ich versichere Dir, dass ich aktuell nicht über einen Verkauf nachdenke. Die Begründung habe ich oben in meinem Originalbeitrag gegeben. Die Genüsse 555067 und 555071 besitze ich (leider) nicht. Man kann ja nicht alles im Depot haben.

 

Disclaimer: Es ist in der Community allgemein bekannt, dass ich ein hoffnungsloser Spinner bin. Meine diversen Wertpapierdepots umfassen eine hohe dreistellige Zahl an Einzeltiteln. Manche sammeln Bierdeckel, Briefmarken, Autos oder Kronenkorken. Ich sammle WKN. Gibt schlimmeres. Mit sehr guter Computertechnik kein Problem für mich. Aber ich bitte um Nachsicht, dass ich aus diesem Grund normalerweise nicht offenlege, welche Wertpapiere ich besitze. Ich weiß es auch gar nicht auswendig. Ihr dürft aber davon ausgehen, dass ich alle Papiere, die ich hier empfehle, auch selbst halte.

 

Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende aus München

 

nmh

 

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.

GordonLegacy
Experte ★★★
751 Beiträge

@ready2rumble  schrieb:

Warum hat Dräger es zu der komplexen und teuren Struktur überhaupt kommen lassen?


@ready2rumble 

Das hat damit zu tun, dass Drägerwerk die Vor- und Nachteile aus Fremd- und Eigenkapital zusammenführt (Stichwort Mezzanine).

 

Fremdkapital: Bei der der Beschaffung von Fremdkapital beispielsweise über ein Darlehen erhälst Du die Rückzahlung Deines eingesetzten Kapitals zuzüglich Zinsen. Eine Beteilung am Unternehmen erwirbst Du hingegen nicht. Somit hat es den Charakter einer Anleihe.

Eigenkapital: Bei der Beschaffung von Eigenkapital ist die geläufigste Form die Ausgabe von Aktien. Als Eigentümer von Unternehmensanteilen erhältst Du ein Stimmrecht und bist an der Unternehmensentwicklung beteiligt (Dividenden).

 

Nun ist aber ein Genusschein weder das eine noch das andere, sondern vereint je nach Ausgestaltung beide Welten und liegt damit entwerder näher an den Eingeschaften von Fremd- oder denen von Eigenkapital. Bilanziert ist die Serie D als Fremdkapital. Wozu es angerechnet wird, steht z.B. hier.

 

Bei der Serie D sieht die Ausgestaltung grob folgendermaßen aus:

Zitiere: " [...] Das Produkt hat keine feste Laufzeit. Ihnen stehen keine Gesellschafterrechte aus diesem Produkt zu (z.B. kein Stimmrecht), [...] Ausschüttungen: [...] einen Anspruch auf eine jährliche Ausschüttungzum Ausschüttungstermin [...] es erfolgt keine Stückzinsberechnung.

Beteiligung am Verlust: Im Falle eines Jahresfehlbetrages sehen die Genussscheinbedingungen eine nachrangige Verlustbeteiligung der Genussscheininhaber vor "

 

Weitere Details der Serie D siehe PIB Genussschein der Drägerwerk AG & Co. KGaA, Serie D unter Ziele.  Im Vergleich mit der Serie A oder Serie K sind die kleinen Unterschiede zu erkennen.



-- We go to our utmost, to bring you the best --

Tuna98
Autor ★
7 Beiträge

Vielen vielen Dank nmh, für diese superrr Tipps jedes Mal. Du bist einer meiner Vorbilder im Börsengeschäft 🙂

Ich habe auch gleich ein paar Fragen.

Wenn der Genussschein Serie A (WKN 555065) gekündigt wird, hat er dann auch eine Laufzeit bis zum 31.12.2022 oder bekommt man die 550 Euro dann direkt nach der Kündigung?

Nächste Frage wäre, ob es sich auch lohnt, nur zwei Genussscheine für den Anfang zu kaufen?

Und die letzte Frage wäre, ob du auch weiterhin den Genussschein Bertelsmann (WKN 522994) empfehlen kannst?

GordonLegacy
Experte ★★★
751 Beiträge

Wenn der Genussschein Serie A (WKN 555065) gekündigt wird, hat er dann auch eine Laufzeit bis zum 31.12.2022 oder bekommt man die 550 Euro dann direkt nach der Kündigung?

 


         § 6 Beendigung der Genussrechte


1. Die Genussrechte sind durch den Inhaber nicht kündbar.

2. Die Gesellschaft ist jedoch berechtigt, Genussscheine durch einseitige Kündigungserklärung abzulösen. Die Kündigung erfolgt durch eine gemäß § 13 bekanntzumachende Erklärung der Gesellschaftmit einer Frist von 6 Monaten zum Ende des Geschäftsjahres.

 

Anbei für Dich @Tuna98 die Genussscheinbedindungen Serie A.



-- We go to our utmost, to bring you the best --

nmh
Legende
9.962 Beiträge

@GordonLegacy : Herzlichen Dank, dass Du die Frage bereits beantwortet hast - und sogar besser, als ich das könnte. Ich habe den Prospekt irgendwo bei mir gespeichert, aber das hätte ich erst nachlesen müssen.

 

@Tuna98 : Herzlichen Dank für Dein Feedback. Klar, bei Bertelsmann gibt es 5 Prozent Rendite. Wenn Du mal googelst, was Bertelsmann alles macht ... unter anderem sorgen die dafür, dass Du bei comdirect um 2:00 Uhr nachts jemanden erreichst. Pssst ... nicht weiter erzählen, ist ein Geheimnis mit dem Namen Arvato. Bertelsmann wird nicht pleite gehen, aber Du siehst, dass der Genussschein stark schwankt. Das muss man aushalten. Und klar "loht" es sich, zwei Genüsse von Dräger zu kaufen, kostet knapp 1000 Euro. Viele Menschen würden sagen: das ist viel Geld!

 

nmh

 

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.

Bluefire87
Experte ★
150 Beiträge

@nmh:

 

Besten Dank für den Tipp! 

 

Ich werde mir am Montag gleich mal ein paar Scheinchen ins Depot legen.