06.06.2021 08:22 - bearbeitet 06.06.2021 08:26
Danke für den Link @KWie2
@KWie2 schrieb:
Wenn das Gesetz würde, das wäre der Tag, ab dem Millionäre und Milliardäre zum letzten mal Steuern gezahlt hätten.
Du hast diesen Satz immer noch nicht erklärt. Kann nicht nur ich weder begreifen, noch nachvollziehen. Abgesehen davon, dass gewisse Personen jetzt schon genügend Möglichkeiten der optimalen Steuerausnutzung kennen: was hindert auch dem normalen Bürger daran, seine Aktien langfristig zu halten und somit keine Steuern zu zahlen? Warum ist es nur Millionären/Milliardären möglich, dies zu tun?
@KWie2 schrieb:
kann jemand nachvollziehen, warum die Trennung der Verlusttöpfe gegen Art 3 (1) GG verstoßen sollte? Um beim Beispiel mit den gelben Autos zu bleiben: Ein Verbot gelber Autos trifft, sofern das allgemeine Gesetz keinerlei Diskriminierung enthält, alle Menschen gleich und verstößt damit nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Artikel 3 GG.
Es könnte natürlich einen Verstoß gegen Art 2 (1) GG darstellen, nämlich wegen der Unverhältnismäßigkeit der Mittel die freie Entfaltung des Wesens von "Gelbliebhabern" Grundgesetzeswidrig beeinträchtigen.
Ein Waffenverbot wäre dann ja auch Grundgesetzwidrig, oder? Schließlich ist es doch Unverhältnismäßig gegenüber denjenigen, die Waffen lieben und wie in Amerika zu Verteidigungszwecken von Hab und Gut gebrauchen können.
Ist nicht schon ein Verbot von gelben Autos eine Diskriminierung per se? Der Vergleich mit den Autos hinkt gewaltig, ich erkläre später warum, keine Sorge.
Wenn ich mit Aktien Verluste mache, Aktien den Rücken kehren will, kann ich niemals die Verluste geltend machen. Ich bin gezwungen wieder in Aktien zu investieren, und nur in diese, anstatt in ETFs oder Fonds oder den Verlust mit Dividenden oder Zinsen auszugleichen. Es herrscht somit ein regelrechter Zwang. Das ist eine etwas andere Situation als mit deinen Autos, weil du nicht gezwungen bist anstatt ein gelbes ein rotes Auto zu wählen, sondern auch ein grünes blaues oder weißes wählen kannst. Wo ist da die Gleichbehandlung zu denen, die eben nicht in Aktien investieren sondern in ETFs, Fonds oder sonstiges? Die können alles schön miteinander verrechnen.
Der Vergleich mit dem gelben Auto ist also etwas stark hinkend. Verbessern wir ihn mal:
Es gibt kein Verbot für gelbe Autos, aber wenn du diese reparieren lassen willst, so kannst du das nur in teuren Spezialwerkstätten die NUR gelbe Autos reparieren. Es besteht aber auch NICHT die Möglichkeit, das Auto zu veräußern und ein grünes oder rotes oder weißes zu wählen bevor dieses Auto repariert wurde. Du bist gezwungen diese Werkstatt zu nutzen und die Kosten zu tragen, während alle anderen sich eine günstigere Werkstatt aussuchen können und auch problemlos zu einem weißen, grünen oder roten Auto wechseln können.
Nun erklär mir mal, wo da die Gleichbehandlung ist?
Edit: und @GetBetter hat es auch sehr schön formuliert. In den Randnummern 33 bis 36 steht es ausführlich erklärt. Es besteht ja auch keine Willkür bei der derzeitigen Gesetzgebung, sondern es ist einfach ungleich behandelt.
am 06.06.2021 10:46
am 06.06.2021 11:02
@KWie2 schrieb:Hallo,
@Antonia danke. Das ist aber genau das, worauf sich meine Bestürzung und Frage bezieht.
Ein Gesetz, das bescheuert und willkürlich ist, aber für alle Menschen ohne Ansehen der Person gleich bescheuert und willkürlich, verstößt nicht gegen Gleichbehandlungsgrundsätze.
Es kann aber sicherlich wegen der Willkür der Setzung der allgemeinen Freiheitlichkeit aus Art 2 (1) GG entgegenstehen.
Meine Frage ging eher in die Richtung: Kann jemand den FGH in der Sache verteidigen oder haben wir neben dem Wahlproblem
(wenn ich alle ausschließe, die sich einmal disqualifiziert haben, bleibt für mich als Wähler diesmal nur der horror vacui)
inzwischen langsam auch noch ein Staatsproblem durch die Gerichte?
Gruß: KWie2
@KWie2, ich verstehe dein Problem mit der Argumentation des BFH nicht. Ich halte sie für absolut stichhaltig und nachvollziehbar. Die Verrechnung von Verlusten aus Kapitalerträgen verstößt in der konkreten Ausgestaltung nach Auffassung des BFH gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gleichheitsgrundsatz verbietet es dem Gesetzgeber, vergleichbare Sachverhalte nicht willkürlich ungleich zu behandeln. Eine willkürliche Ungleichbehandlung liegt vor, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für die staatliche Maßnahme nicht finden lässt. Es dürfte offensichtlich sein, dass dein Beispiel mit den gelben Autos hieran scheitert.
Im konkreten Fall sieht der Senat eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung als gegeben an. Nach dem Gesetz ist es grds. zulässig, Verluste aus Kapitalanlagen mit Gewinnen aus Kapitalanlagen zu verrechnen. Hiervon macht der Gesetzgeber jedoch eine Ausnahme für Verluste aus Aktienverkäufen. Diese darf ich nur mit Gewinnen aus Aktienverkäufen verrechnen, nicht mit Gewinnen aus anderen Kapitalanlagen, sogar nicht einmal mit Gewinnen aus Aktienfonds. Für diese Einschränkung der Verlustverrechnung aus Aktienverkäufen gibt es nach Ansicht des BFH keinen sachlichen Grund.
Die ausführliche Begründung für diese Sichtweise folgt ab Rdnr. 41; die Rdnr. 42 bis 48 legen die Ungleichbehandlung dar, ab Rdnr. 49 geht es um den fehlenden sachlichen Grund. Ich habe den Vorlagebeschluss nur quer gelesen, aber ich kann deine Vorwürfe gegen den BFH beim besten Willen nicht nachvollziehen. Es handelt sich, soweit ich sehe, um eine gut begründete und nachvollziehbare rechtliche Einschätzung.
Es geht nicht um ein Gesetz, das "bescheuert und willkürlich" ist. Der Gesetzgeber hat eine aus meiner Sicht weder bescheuerte, noch willkürliche Regelung geschaffen. Er hat nämlich grds. zugelassen, dass Verluste aus Kapitalanlagen mit Gewinnen aus Kapitalanlagen verrechnet werden dürfen. Innerhalb dieses Grundsatzes wird dann aber ein einzelner Tatbestand, nämlich der Verlust aus Aktiengeschäften, gegenüber den Verlusten aus anderen Kapitalanlagegeschäften schlechter gestellt. Das wäre auch grds. rechtlich zulässig, wenn der Gesetzgeber dafür einen sachlichen Grund gehabt hätte. Diesen kann der BFH aber nicht erkennen. (Mir fällt spontan auch keiner ein.)
07.06.2021 23:47 - bearbeitet 09.06.2021 17:27
07.06.2021 23:47 - bearbeitet 09.06.2021 17:27
Hallo,
erst einmal 'tschuldigung für die Verwechslung an @Amelia und @Antonia .
Und, Amelia, vielen Dank für die Mühe, die Du Dir mit den Erläuterungen gemacht hast.
@Amelia schrieb:
@KWie2, ich verstehe dein Problem mit der Argumentation des BFH nicht. Ich halte sie für absolut stichhaltig und nachvollziehbar.
Das ist Dein gutes Recht.
Inzwischen kann ich den FGH selbst verteidigen, denn der an Gesetz und Recht gebundene FGH hatte die Rechtsprechung des Verfassungegerichts zu beachten. Und dies hat seine Rechtsprechung über die Jahrzehnte verändert. Nach meiner Meinung ist also dann das Verfassungsgericht "der Täter". Während früher das Willkürverbot und ein allgemeines Mäßigkeitsgebot aus Art 2 (1) GG abgeleitet wurde (z.B. - 1 BvR 253/56 -, Rn. 1-36 dort insb. Leitsatz 4 und Rdnr. 12), wird heutzutage ohne Bezugnahme auf Art 2 GG allein auf Basis Art 3 (1) GG argumentiert (BVerfGE 55, 72 insb. RdNr. 60-61 und 64).
Das ist nun aber politisch.
P.S.:
@Amelia schrieb:
Es geht nicht um ein Gesetz, das "bescheuert und willkürlich" ist. Der Gesetzgeber hat eine aus meiner Sicht weder bescheuerte, noch willkürliche Regelung geschaffen.
Das "bescheuerte und willkürliche Gesetz" war als allgemeines Beispiel gemeint und hatte keinen Bezug zu irgendeinem konkreten Gesetz.
Zu guter letzt wünsche ich dem Beschwerdeführenden Unternehmerpaar (und damit natürlich uns allen), dass das Verfassungsgericht die Auffassung des FGH bestätigt, dass § 20 Abs. 6 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912)
verfassungswidrig ist.
Gruß: KWie2
... irgendwo in 'nem Portfolio zwischen Graham und Bogle ...
am 09.06.2021 16:47
@KWie2 schrieb:
Wenn das Gesetz würde, das wäre der Tag, ab dem Millionäre und Milliardäre zum letzten mal Steuern gezahlt hätten.
Kann das vielleicht noch jemand erklären? Ich kapiere es immer noch nicht O_o
10.06.2021 00:39 - bearbeitet 10.06.2021 17:05
10.06.2021 00:39 - bearbeitet 10.06.2021 17:05
Hallo,
@Zilch schrieb:Kann das vielleicht noch jemand erklären? Ich kapiere es immer noch nicht O_o
Der Satz war ein bisschen schlampig formuliert ...
Da ist auch ein wenig Absicht dabei, weil ich keine allzu großen Spitzfindigkeiten schätze.
Hamlet: Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode.
... aber darum sind Nachfragen zu erwarten und nur zu legitim.
Wenn der Gewinn aus Kapitalerträgen nach einer gewissen Haltdauer steuerfrei wird -und genau das hat Lindner in dem verlinkten Video vorgeschlagen - dann ist das eine Möglichkeit für entsprechend kapitalstarke Personen, nach dieser Haltefrist den Rest Ihres Lebens von Kapitalerträgen leben zu können, ohne diese versteuern zu müssen.
Das wäre dann vermutlich Thema einer Verfassungsbeschwerde steuerpflichtiger Angestellter unter Berufung auf Art 2(1) GG mit Aussicht auf Erfolg.
Dem Gegenüber lernen wir gerade von Marlene Engelhorn und den Millionaires for Humanity, dass einige Millionäre und Milliardäre sogar eine Kapitalsteuer eingeführt haben möchten. Dies finde ich dann etwa genau so radikal, wie etwa ausgerechnet Kapitalerträge steuerfrei stellen zu wollen.
Auch das ist wieder einmal politisch.
Gruß: Kwie2
... irgendwo in 'nem Portfolio zwischen Graham und Bogle ...
am 10.06.2021 16:32
Sollen denn sämtliche Kapitalerträge steuerfrei gestellt werden, oder nur die Erträge aus der Veräußerung von Aktien und anderen Wertpapieren?
Bei Vermietungseinkünften ist es ja auch so, dass die regelmäßigen Mieteinnahmen steuerpflichtig sind, der Gewinn aus der Veräußerung der Immobilie aber erst nach 10 Jahren.
Und Aktien halte ich für demokratischer als vermietete Immobilien.
Eine Aktie kann sich Karl Kleinanleger schon per Sparplan für wenige Euro im Monat kaufen, für Immobilien braucht es deutlich mehr Kapital.
am 11.06.2021 14:47
Danke für die Antwort @KWie2 denn so hatte ich das auch verstanden, kann dem aber wie zuvor schon nicht zustimmen.
Wirklich JEDER kann dann seine Gewinne steuerfrei geltend machen. Das heißt es ist nicht nur der letzte Tag, an dem Millionäre/Milliardäre Steuern auf ihre Kapitalerträge gezahlt haben (wenn die das überhaupt tun, denn Menschen in diesen Bereichen haben durchaus noch Möglichkeiten mit Steuern zu tricksen), sondern an denen auch du und ich das letzte Mal entsprechende Steuern entrichtet hätten.
Es wäre wie vor der Investmentgesetzesreform, vor der es ja schon eine Spekulationsfrist gab. Die wieder einzuführen halte ich vor allem für langfristige Anleger sinnvoll. Denn wenn du mit vernünftiger Sparquote und langem Zeithorizont selber deine 300k, 500k oder 800k oder sonst was angespart hast, dann kannst du ebenfalls steuerfrei davon leben. Nicht nur die Superreichen.
Aber Danke der Aufklärung.
am 18.12.2021 20:56
Ich habe von dem Urteil jetzt erst gelesen und hoffe, dass das BVerfG der Argumentation des BFH folgt.
Ich selber habe auch noch einen Verlustvortrag aus Aktien beim FA, den ich nicht mehr wegbekomme, weil ich nur noch in ETFs investiere bzw. Dividenden einiger Aktien bekomme. Diese zu verkaufen (und erstmal Steuern zahlen zu müssen und diese dann nächstes Jahr irgendwann wieder erstattet zu bekommen) wäre wirtschaftlicher Unsinn.
Generell hoffe ich, dass mit der FDP im Finanzministerium endlich wieder finanzpolitische Vernunft einzieht und auch andere ungerechte Regelungen geändert werden. Auch wenn ich da ehrlich gesagt mir nicht zu viele Hoffnungen machen möchte.
Was die Höhe der Kapitalertragsteuer angeht @Fix1: Weil das, glaube ich, noch nicht angesprochen wurde: Du musst bedenken, dass quasi jeder Arbeitnehmer in Vollzeit und Steuerklasse 1 (ja auch die mit Mindestlohn) einen Grenzsteuersatz von über 25 % hat. Würde man jetzt für Kapitalerträge den persönlichen Steuersatz anwenden, würde das alle mehr belasten und nicht nur die Superreichen.
am 19.12.2021 13:32
@Tastenhauer schrieb:I
Generell hoffe ich, dass mit der FDP im Finanzministerium endlich wieder finanzpolitische Vernunft einzieht und auch andere ungerechte Regelungen geändert werden
Auch ich hoffe das der schöne Minister
...die Rentner und das ermauerte Kapital mehr entlastet 😇
und das man sich keine Gedanken mehr um das vorhandene zu machen braucht.😎