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Warum Value-ETF nicht funktionieren können (oder doch?)

GerdR
Autor ★
3 Beiträge

Hallo zusammen,

 

gerade wird Vielerorts darüber diskutiert, ob ein guter Zeitpunkt ist, in Value- und/oder Dividendentitel einzusteigen. Ich habe das zum Anlass genommen, mich näher mit den Möglichkeiten zu befassen, die sich einem ETFler in der Hinsicht bieten. Dabei bin ich an einen Punkt gekommen, wo ich anscheinend einen Logikfehler habe, den ich selber nicht auflösen kann. Ich hoffe sehr, dass ihr da eine Idee habt, bzw. mir weiterhelfen könnt.

 

Es geht um Value-ETF - beispielsweise MSCI World Value oder MSCI World Extended Value. MSCI beschreibt in diesem Paper sehr schön, wie Value-Indizes und somit Value-ETF funktionieren sollen. Die Logik hinter Value-Investing ist danach simpel: "the current stock price is less than it is expected to be under conservative projections of the firm’s future earnings". Es geht also um eine Art Meta-Stock-Picking (Faktorinvesting eben).

 

Der Value Index sucht dazu aus dem MSCI World die Unternehmen heraus, die bestimmte Kriterien erfüllen. Beim Extended Value Index sind es das erwartete KGV, KBV und EV/CFO (quasi die Fähigkeit eines Unternehmens sich selbst nur mittels des erwirtschafteten Cash zu kaufen). Das sind dann die "unterbewerteten" Unternehmen, aus dem MSCI World ein paar hundert Stück.

 

Nun zu meinem Problem: Beim klassischen Value-Investing auf Einzelaktienebene liegt die Hoffnung im Wesentlichen darin, dass eine Korrektur nach oben stattfindet, das Unternehmen also künftig "richtig" bewertet wird und ggf. sogar (wieder) zu einem Growth-Titel wird. Wie kann ein Value-ETF funktionieren, der gerade die Aktien aus dem Fonds wirft, deren Bewertung (und somit der Kurs) nach oben geht? Wie kann es dann sogar sein, dass MSCI World Value über bestimmte Zeiträume sogar den MSCI World outperformed hat? Da die Kurse bei Value-Titeln ja per Definition geringer sind als z. B. bei Growth, war meine einzige Erklärung, dass die höhere Dividendenrendite von Value-Unternehmen den geringen Kurs mehr als ausgleicht.

 

Mein Ergebnis ist somit: Value-Investing auf Ebene von Einzelaktien bzw. der "Value Premium" ist ein sinnvoller Ansatz, der schon seit vielen Jahrzehnten immer wieder bestätigt wird. Bei ETFs erschließt sich mir der Faktorvorteil von Value nicht. In einem Value-ETF sind per Methodik immer nur "hässliche Entlein", die Turnarounds werden sofort rausgeschmissen. Andere Faktoren wie Momentum und Quality erscheinen mir da für ETF-Strategien wesentlichen plausibler.

 

Viele Grüße

GerdR

6 ANTWORTEN

GetBetter
Legende
7.321 Beiträge

Hallo @GerdR  und herzlich willkommen.

 


@GerdR  schrieb:

Wie kann ein Value-ETF funktionieren, der gerade die Aktien aus dem Fonds wirft, deren Bewertung (und somit der Kurs) nach oben geht? Wie kann es dann sogar sein, dass MSCI World Value über bestimmte Zeiträume sogar den MSCI World outperformed hat?


Du denkst zu sehr an den Kurs und zu wenig an die Performance.

 

Die Idee ist, dass für den Zeitraum zwischen dem Erkennen der Unterbewertung und dem Ende dieser Unterbewertung ein Aufholeffekt stattfinden müsste. Während dieses Zeitraums wäre dann die Performance besser als bei anderen Werten.

 

Stelle Dir einen Langstreckenlauf vor bei dem ein Läufer in größerem Abstand am Ende des Feldes hinterhertrabt, der aber grundsätzlich in der Lage sein sollte eine ebenso gute Zeit wie alle anderen zu erzielen.

Falls er einen Zwischensprints ansetzt um diesen Rückstand einzuholen oder zumindest zu verkürzen, liefert er in dieser Phase eine bessere Performance als die anderen Läufer. Das gilt sorgar falls er das Rennen schlußendlich nicht gewinnt.

 

Wenn er den Rückstand aufgeholt hat beginnst Du eine Wette auf den nächsten Läufer der jetzt am Ende des Feldes ist. Der gerade noch unterstützte Nachzügler ist dagegen nicht mehr interessant da die Krierien nicht mehr erfüllt sind.

digitus
Legende
8.360 Beiträge

Hallo @GerdR, herzlich willkommen in der Krabbelgruppe,

 

diesbezüglich verweise ich auf eine Reihe von Blog-Artikel von Gerd Kommer - der hier verlinkte ist der Abschließende:

 

The Pains of Factor Investing (auch wenn die Überschrift Englisch ist, der Artikel ist in deutscher Sprache Smiley (fröhlich))

 

Grüße,

Andreas

 

GerdR
Autor ★
3 Beiträge

Hallo GetBetter und digitus,

 

vielen Dank für eure Antworten! Das Beispiel mit dem Läufer und der verlinkte Blogbeitrag haben mir sehr geholfen - insb. der Hinweis auf die Bedeutung der Performance. Auf logischer Ebene habe ich es verstanden, nur intuitiv habe ich irgendwo noch ein Problem... Ich versuche es mal zu beschreiben bzw. breche es nochmal für mich runter. Eventuell drehe ich mich im Kreis und hoffe insofern auf euer Verständnis, weil ich das wirklich verstehen möchte.

 

Der MSCI Enhanced Value Index hält gemäß seiner Methodik immer eine feste Anzahl an unterbewerteten Aktien aus dem MSCI World. Normalbewertete oder überbewertete Aktien können somit per Definition nie Bestandteil des Index und somit des ETF sein. Sie landen in den entsprechenden Gegenindezes wie Momentum und Quality.

 

These 1:
Die einzige Möglichkeit, wie der Value-ETF dann trotzdem den MSCI World outperformen kann, liegt in den höheren Dividendenzahlungen der enthalteten Unternehmen - denn: Performance = Kursgewinne + Dividenden. Wenn der Kursgewinn aber wie in einem Value-ETF regelbasiert nie zu hoch werden darf, muss es die Dividende sein, die den Gesamtertrag bringt. Im Prinzip ist man Value-ETF-Anleger somit eine Art Dividendenjäger. Das würde auch die Ähnlichkeit bei den Performances von Value- und Dividenden-ETF in den letzten Monaten erklären und auch die höheren Dividendenrenditen von Value-ETF.

 

These 2:
Ein Value-ETF im Portfolio ergibt nur Sinn, wenn man gleichzeitig auch einen der anti-zyklischen Gegenindizes hält. Ansonsten schließt man Unternehmen, deren Performance überwiegend oder ganz aus Kursgewinnen resultiert, aus seinem Depot aus.

 

These 3:
Ein Value-ETF, der Unternehmen hält, die garkeine Dividende zahlen, gehört nicht ins Portfolio. Denn darin fehlt sowohl die Chance auf Kurs- als auch auf Dividendengewinne.

 

Wie seht ihr das?

 

Beste Grüße
Gerd

digitus
Legende
8.360 Beiträge

@GerdR:

Aus meiner Sicht dreimal ein klares NEIN.

 

These 1 & 3 : Value Investing hat nichts mit Dividendenzahlungen zu tun.

 

These 2: Ein Value-ETF ist eine Beimischung, die Deine Rendite etwas verbessern soll. Ein "Gegen-Index" (ich habe keinen Plan, was Du damit meinen könntest) würde dieses Potenzial dann wieder nivellieren.

 

Grüße,

Andreas

 

GetBetter
Legende
7.321 Beiträge

@GerdR 

Du denkst zu kompliziert.

 

Praktisch alle ETFs bilden den jeweiligen Total Return Index ab, d.h. es wird angenommen das ausgezahlte Dividenden wiederangelegt werden.

Eine Unterscheidung in Kurs und Dividende ist daher im Weiteren nicht nötig.

 


@GerdR  schrieb:

These 1:
Im Prinzip ist man Value-ETF-Anleger somit eine Art Dividendenjäger.


Nein, da es keinen mir bekannten Zusammenhang zwischen Valuewerten und Dividendenhöhe gibt.


@GerdR  schrieb:

These 2:
Ein Value-ETF im Portfolio ergibt nur Sinn, wenn man gleichzeitig auch einen der anti-zyklischen Gegenindizes hält. Ansonsten schließt man Unternehmen, deren Performance überwiegend oder ganz aus Kursgewinnen resultiert, aus seinem Depot aus.


Ob das Sinn macht hängt von der persönlichen Strategie ab.

Ein "Gegenindex" sorgt dann einerseits für eine bessere Diversifikation (die grundsätzlich sinnvoll ist), verwässert aber andererseits die Strategie. Im Extremfall kannst Du dann auch einen MSCI World nehmen und die ganzen Faktor-ETFs komplett weglassen weil die scih gegenseitig neutralisieren.

 


@GerdR  schrieb:

These 3:
Ein Value-ETF, der Unternehmen hält, die garkeine Dividende zahlen, gehört nicht ins Portfolio. Denn darin fehlt sowohl die Chance auf Kurs- als auch auf Dividendengewinne.


Das es keine Abhängigkeit gibt (s.o.) ist auch dieser Rückschluss nicht zwingend.

GerdR
Autor ★
3 Beiträge

Ok, ich glaube ich habe es mir wirklich unnötig kompliziert vorgestellt. Besten Dank euch beiden!