am 01.03.2025 12:04
Liebe Community,
die innenpolitischen Entwicklungen der USA der letzten Wochen lassen bei mir die Zweifel wachsen, inwieweit es noch vernünftig ist, sich finanziell von diesem Land abhängig zu machen. Damit meine ich nicht so sehr, auf das Investment in US-Werte vollständig zu verzichten (täte man das, würde einem wohl einfach zu viel entgehen). Ich sehe eher folgendes Risiko: Europa wird von der aktuellen US-Administration nicht nur nicht mehr als Verbündeter eingestuft, sondern driftet langsam aber Sicher in die Kategorie Gegner, vielleicht sogar Feind. Und eine ökonomische Supermacht wie die USA hat eine Vielzahl von Möglichkeiten, uns gegenüber die Daumenschrauben anzulegen.
Konkret sieht mein Anlageverhalten aktuell so aus, dass ich einen festen monatlichen Betrag zu unterschiedlichen Teilen in folgende ETFs im Rahmen eines Sparplans laufen lasse:
| A1JJTF | ETF | |
| A2DWBY | ETF | |
| A2PKXG | ETF | |
| A2PLBK | ETF |
Folgende Überlegungen lagen dieser Aufteilung zugrunde:
Mein Problem sind nun nicht so sehr die Titel, die in den ETFs stecken, sondern dass die auflegenden Banken (Vanguard, BlackRock, Statestreet) allesamt US-Häuser sind. Ich frage mich also, welche Möglichkeiten eine den Regeln des Rechtsstaats nicht mehr unterworfene US-Administration hätte, europäische Anleger unter Strom zu setzen. Aus meiner Sicht hängt dies maßgeblich damit zusammen, wo die über den ETF verbrieften Werte überhaupt lokalisiert sind.
Im Verkaufsprospekt des Vanguard FTSE A.W. heißt es hierzu bspw.:
This Prospectus describes the Company, an open-ended investment company with variable capital
incorporated in Ireland as a public limited company. It qualifies and is authorised in Ireland by the
Central Bank as a UCITS for the purposes of the UCITS Regulations. The Company is constituted as
an umbrella fund, with segregated liability between Funds, insofar as the share capital of the Company
is divided into different classes of Shares with one or more classes of Shares representing a portfolio of
assets that makes up a separate Fund. Shares of different classes may be established within a Fund to
accommodate different subscription and/or redemption provisions and/or dividends and/or charges
and/or fee arrangements, including different ongoing charges figures.
Und im Basisinformationsblatt:
Die Verwahrstelle von VF ist Brown Brothers Harriman Trustee Services (Ireland) Limited.
Ich bin mir nun nicht ganz sicher, wie das zu verstehen ist, da die Verwahrkette von Wertpapieren eine ziemlich komplexe Sache ist. Weiß das jemand von euch? Bietet der Umstand, dass die ETF-Fonds in Irland lokalisiert zu sein scheinen eine relative Unabhängigkeit von den USA oder liegen "meine" Werte am Ende doch wieder in den USA und können dort z. B. enteignet werden?
Eine weitere Frage betrifft die Alternativen. Nach dieser Tabelle sind die drei größten europäischen Emittenten für ETFs Amundi, UBS und DWS:
Weiß hier jemand, ob ich das von mir aktuell besparte Portfolio auch mit diesen europäischen Anbietern abbilden kann? Nach dem, was ich bislang gefunden hatte, folgen nur die Vanguard ETFs den FTSE Indizes (insb. dem All World) und alle anderen orientieren sich an MSCI. Habe ich da was übersehen? Und gibt es abgesehen davon etwas, dass ich bei den europäischen Vermögensverwaltern beachten muss? Haben welche von denen deutliche Vor- oder Nachteile?
Vielen Dank im Voraus!
PS: Ich würde mich freuen, wenn dieser Post nicht in eine politische Debatte ausartete. Sollte hier jemand meine Bedenken für übertrieben oder die aktuelle US-Administration für eine gute Sache halten, dann ist das für mich kein Problem. Es interessiert mich aber auch nicht weiter. Ich komme zu meinen politischen Schlüssen aus guten Gründen und habe auch jeden Grund, meinen Urteilen in dieser Sache zu trauen. Unsicher bin ich mir lediglich bei den ökonomischen Implikationen und wie man diese am besten managen kann, weshalb ich diesen Thread hier starte. Danke für euer Verständnis!
am 01.03.2025 15:06
FTSE Indices gibt es nur bei Vanguard und Invesco. Du kannst dir mit europäischen Emittenten also nicht exakt das gleiche Portfolio nachbauen, aber ein sehr ähnliches, unter Umständen sogar eines mit europäischen Index Anbieter ohne MSCI.
Das praktische Risiko sehe ich aber woanders: Zum Handelsdefizit der USA tragen ja auch Dividenden bei die ins Ausland gezahlt werden, z.B. nach Deutschland. Es wäre für die USA wohl eher einfach das DBA zu kündigen und in Zukunft einfach den regulären Quellensteuersatz von 30% zu verlangen.
am 01.03.2025 15:58
@shambhala_wr schrieb:Nach dem, was ich bislang gefunden hatte, folgen nur die Vanguard ETFs den FTSE Indizes (insb. dem All World) und alle anderen orientieren sich an MSCI.
Zumindest für den FTSE All-World könnte man auf die ETFs von Amundi ausweichen (ETF150 als Ausschütter, ETF151 als Thesaurierer).
Die folgen dem Solavtice All World, der aber quasi identisch zum FTSE verläuft.
am 01.03.2025 17:37
@shambhala_wr schrieb:Liebe Community,
die innenpolitischen Entwicklungen der USA der letzten Wochen lassen bei mir die Zweifel wachsen,
Damit bist Du wohl nicht allein
@shambhala_wr schrieb:
…
Unsicher bin ich mir lediglich bei den ökonomischen Implikationen und wie man diese am besten managen kann,
Auch wenn sich gerade die Musks, Bezos‘, Zuckerbergs und Co. vor dem selbsternannten besten Dealmakerkönig in den Staub werfen um dessen Stiefelsohlen von unten zu lecken, sollte man meiner Meinung nach zwischen politischen Claqueuren und wirtschaftlichen Machern im Hintergrund differenzieren.
Klar wird sich weder Larry Fink, Tim Cook, Jamie Dimon oder wie sie alle heißen noch irgendein anderer der Wirtschaftselite öffentlich hinstellen um die Zustände in Washington öffentlich zu kritisieren und im Zweifel dem jeweiligen Unternehmen zu schaden.
Einen Plan B haben mit Sicherheit alle genannten, auch die ersten drei genannten Bücklinge.
Ich vertraue da einfach auf die Resilienz althergebrachter und gewachsener Strukturen
gruss ae
am 01.03.2025 18:23
@CurtisNewton schrieb:FTSE Indices gibt es nur bei Vanguard und Invesco. Du kannst dir mit europäischen Emittenten also nicht exakt das gleiche Portfolio nachbauen, aber ein sehr ähnliches, unter Umständen sogar eines mit europäischen Index Anbieter ohne MSCI.
Das praktische Risiko sehe ich aber woanders: Zum Handelsdefizit der USA tragen ja auch Dividenden bei die ins Ausland gezahlt werden, z.B. nach Deutschland. Es wäre für die USA wohl eher einfach das DBA zu kündigen und in Zukunft einfach den regulären Quellensteuersatz von 30% zu verlangen.
Vielen Dank die Tipps! Und der Hinweis mit dem DBA ist berechtigt, allerdings würde sich eine solche Maßnahme auch negativ auf die Direktinvestitonen Deutscher in den USA auswirken, die ja üblicherweise über Anteile an haftungsbeschränkten Gesellschaften und keine Aktiengesellschaften laufen. Dies hätte mehr schädliche Effekte für die US-Wirtschaft, als wenn nur die europäischen Zivilgesellschaften durch Angriff auf ihre Altersvorsorge eingeschüchtert werden sollten. Nichtsdestotrotz ist es natürlich ein mögliches Szenario.
Und wenn ich mir die Detailbemerkung erlauben darf: Dividenden und andere Vermögenseinkommen fließen nicht in die Handelsbilanz ein und tragen somit auch nicht zum Handelsdefizit bei. Sie sind vielmehr Teil der Primäreinkommen, die wiederum Teil der Leistungsbilanz sind und tragen somit zum US-Leistungsbilanzdefizit bei.
am 01.03.2025 18:24
@GetBetter schrieb:
@shambhala_wr schrieb:Nach dem, was ich bislang gefunden hatte, folgen nur die Vanguard ETFs den FTSE Indizes (insb. dem All World) und alle anderen orientieren sich an MSCI.
Zumindest für den FTSE All-World könnte man auf die ETFs von Amundi ausweichen (ETF150 als Ausschütter, ETF151 als Thesaurierer).
Die folgen dem Solavtice All World, der aber quasi identisch zum FTSE verläuft.
Das sind sehr wichtige Hinweise! Die Amundi ETFs werde ich mir sicherlich mal genauer anschauen. Vielen Dank! 👍
am 01.03.2025 18:33
@ae schrieb:
@shambhala_wr schrieb:Liebe Community,
die innenpolitischen Entwicklungen der USA der letzten Wochen lassen bei mir die Zweifel wachsen,
Damit bist Du wohl nicht allein
@shambhala_wr schrieb:
…
Unsicher bin ich mir lediglich bei den ökonomischen Implikationen und wie man diese am besten managen kann,
Auch wenn sich gerade die Musks, Bezos‘, Zuckerbergs und Co. vor dem selbsternannten besten Dealmakerkönig in den Staub werfen um dessen Stiefelsohlen von unten zu lecken, sollte man meiner Meinung nach zwischen politischen Claqueuren und wirtschaftlichen Machern im Hintergrund differenzieren.
Klar wird sich weder Larry Fink, Tim Cook, Jamie Dimon oder wie sie alle heißen noch irgendein anderer der Wirtschaftselite öffentlich hinstellen um die Zustände in Washington öffentlich zu kritisieren und im Zweifel dem jeweiligen Unternehmen zu schaden.
Einen Plan B haben mit Sicherheit alle genannten, auch die ersten drei genannten Bücklinge.Ich vertraue da einfach auf die Resilienz althergebrachter und gewachsener Strukturen
gruss ae
am 01.03.2025 19:06
Und wenn ich mir die Detailbemerkung erlauben darf: Dividenden und andere Vermögenseinkommen fließen nichtin die Handelsbilanz ein und tragen somit auch nicht zum Handelsdefizit bei. Sie sind vielmehr Teil der Primäreinkommen, die wiederum Teil der Leistungsbilanz sind und tragen somit zum US-Leistungsbilanzdefizitbei.
Danke, die Unterscheidung war mit so nicht bewusst