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Investmentsteuerreform 2018 - negativer Effekt für Anleger bei Veräußerung mit Kursverlust in 2018

MH-Frankfurt
Autor
2 Beiträge

Hallo zusammen,

 

im Zuge der etwas heftigeren Kursverluste der letzten Tage wurden bei mir einige Stop Loss Ordern ausgelöst. Beim Blick auf die Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage musste ich mit Schrecken einen für die Anleger ziemlich negativen Effekt der Investmentsteuerreform entdecken:

 

Zum Jahreswechsel kam es ja zu einem fiktiven Ver- und Wiederankauf von Aktienfonds. Der zum Jahreswechsel festgestellte Kursgewinn geht zu 100% in die Steuerbemessungsgrundlage ein (die Steuerzahlung hierauf ist bis zur Veräußerung gestundet). Die Kursentwicklung seit Jahresbeginn geht aber beim Verkauf aufgrund der Teilfreistellung nur zu 70% ein. Hierdurch ergibt sich für den Anleger ein nicht unerheblicher Nachteil, wenn zum Jahreswechsel ein Kursgewinn zu Buche stand und der Kurs seitdem gefallen ist.

 

Beispiel:

1. Kauf eines Aktien-ETFs (z. B. auf den Dow Jones) Anfang 2017 zum Kurs von 100.

2. Fiktiver Ver-/Wiederankauf zum 31.12.2017 zum Kurs von 120 (->Buchgewinn von 20)

3. Verkauf im Februar zum Kurs von 110 (->Kursverlust in 2018 von 10)

 

Steuerbemessungsgrundlage = 20 - 10 * 0,7 = 13

Tatsächlicher Veräußerungsgewinn = 110 - 100 (Verkaufserlös - Anschaffungskosten)

 

Fazit: Ich muss auf 13 Steuern zahlen, obwohl ich nur 10 Kursgewinn hatte!

 

Haben wir hier in der Community einen Steuerrechtler, der mal sagen kann, ob so ein Effekt auf den Anleger vom Gesetzgeber wirklich gewollt oder zumindest billigend in Kauf genommen worden sein kann? Oder wurde hier etwas übersehen? Das Seltsame ist, dass ich die letzten Tage wirklich viele Artikel zur Investmentsteuerreform recherchiert habe und dieses Phänomen nirgends beschrieben war. Es ist aber real: Das Phänomen habe ich in den letzten Tagen leider auf vielen Wertpapierabrechnungen sehen müssen. Und ich nehme an, vielen, die in den letzten Jahren dicke Kurszuwächse verzeichnet haben und in den letzten Tagen ihre Positionen verkauft haben, geht es genauso.

 

Vielen Dank für eure Zuschriften.

 

VG

MH

12 ANTWORTEN

Necoro
Mentor ★
1.070 Beiträge

Interessanter Gedanke, es klingt aber für mich in sich schlüssig: Die Teilfreistellung kam ja mit dem Hintergrund, dass der Fonds nun Erträge bereits auf Fondsebene versteuern muss.

Dito kann der Fonds nun (wahrscheinlich)¹ Verluste auf Fondsebene ebenfalls zum Abzug bringen.

Insofern klingt das für mich alles schon gewollt, eine Asymmetrie käme mir auch komisch vor.

 

¹ Ich habe das zugegeben nicht recherchiert, es klingt aber logisch. Es ist mir aber auch noch nicht gänzlich klar, wie Verluste auf Fondsebene aussehen, weil negative Dividenden gibt es ja nicht und Kursverluste wird er wohl nicht angeben dürfen...

paba
Mentor
889 Beiträge

Hallo @MH-Frankfurt,

 

an den Effekt hatte ich bisher noch gar nicht gedacht. Danke für den Hinweis. Theoretisch könnte es dadurch ja sogar zu realen Verlusten kommen und trotzdem muss man Steuern zahlen. Das kann vom Gesetzgeber eigentlich so nicht gewollt gewesen sein. Nach meinem Rechtsempfinden wäre das sogar mindestens verfassungsrechtlich bedenklich.

 

Wenn du größere Beträge dieser Art hast, würde ich einfach versuchen diese Beträge per Anlage KAP in der Steuererklärung zurückzuholen (Zeile 7 „Kapitalerträge“ ==> „korrigierte Beträge“ ==> <Grund und korrigierten Wert angeben>). Vielleicht geht das ja einfach so glatt durch. Wenn das nicht anerkannt wird, ist das Finanzamt in jedem Fall gezwungen, die rechtliche Begründung für die Ablehnung zu benennen. Und wenn denen dafür nichts einfällt, kommst du wahrscheinlich sogar durch.

 

Der Einwand von @Necoro, der Fonds könne auch Verluste steuerlich geltend machen, ist meiner Ansicht nach nicht richtig, denn im Gesetz steht ja nur was, 15% Körperschaftssteuer auf reale Erträge. Hier geht’s aber um Kursverluste (bzw. Kursgewinne). Die werden auf Fondsebene gar nicht betrachtet, sie werden nur beim Anleger beim Verkauf berücksichtigt.

 

Gruß paba

Necoro
Mentor ★
1.070 Beiträge

@pabaschrieb:

an den Effekt hatte ich bisher noch gar nicht gedacht. Danke für den Hinweis. Theoretisch könnte es dadurch ja sogar zu realen Verlusten kommen und trotzdem muss man Steuern zahlen. Das kann vom Gesetzgeber eigentlich so nicht gewollt gewesen sein.

Jein, die Steuern die anfallen, schuldest du ja in 2017 (musst sie halt nur nicht zahlen). Neue Gegebenheiten ab 2018 sind dafür erstmal irrelevant.

 

Es sähe ja genauso aus, wenn du von Hand 2017 verkauft und 2018 gekauft hättest. Da du rechtlich genau dies getan hast, kann hier ja keine Unterscheidung gemacht werden.

 

Einzig könnte ich mir vorstellen, die Teilfreistellung bei Verlusten im Ganzen anzuzweifeln...

paba
Mentor
889 Beiträge

Hallo @Necoro,

 

kann sein, dass du Recht hast (ich bin kein Jurist oder Steuerexperte), aber bei positiven Steuern auf reale Verluste ohne eigenes Zutun schrillen bei mir die Alarmglocken. Das widerspricht meinem Rechtsempfinden.

 

Wenn man selber Ende 2017 seine Anteile verkauft hätte, um sie Angang 2018 zurückzukaufen, hättest du sicher recht. Aber hier wurde man ja per Gesetz gezwungen, die Anteile fiktiv zu verkaufen und sie wieder neu zu erwerben. Deshalb würde ich das mit Steuererklärung einfach mal versuchen, kann ja höchstens schiefgehen. Bei einer Ablehnung sollte man vielleicht sogar Widerspruch gegen den Steuerbescheid einlegt und das Ruhen des Verfahrens beantragt. Dann verjährt der Fall nicht und bei einem möglichen späteren Urteil in dieser Sache erhält man gegebenenfalls sein Geld doch noch zurück.

 

Gruß paba

Necoro
Mentor ★
1.070 Beiträge

@pabaschrieb:

Hallo @Necoro,

 

kann sein, dass du Recht hast (ich bin kein Jurist oder Steuerexperte), aber bei positiven Steuern auf reale Verluste ohne eigenes Zutun schrillen bei mir die Alarmglocken. Das widerspricht meinem Rechtsempfinden.


Ich bin auch weder Jurist noch Steuerexperte, daher mutmaße ich immer nur. Aber: Solch Situationen wie du schreibst, gibt es ja häufiger: Beispiel Bausparvertrag: Gebühren > Zinsen, die Zinsen muss ich aber trotzdem versteuern, obwohl netto weniger da ist als vorher. (Zugegeben: Er hinkt etwas, der Vergleich).

MH-Frankfurt

Hallo zusammen,

 

danke euch für eure Antworten.  Ich kann eure Gedanken nachvollziehen.

 

Aber wir reden jetzt ja isoliert von der Besteuerung von Kursgewinnen oder -verlusten (Nicht von der Besteuerung von thessaurierten Erträgen oder ausgeschütteten Dividenden). Insofern ist ein Regimewechsel, der eine fiktive Veräußerung mit sich bringt, die dazu führt, dass im geschilderten Fall Kursgewinne aus 2017 zu 100% besteuert werden, die Verluste in 2018 aber nur zu 70% berücksichtigt werden, schon sehr nachteilig. (Für alle tatsächlichen Käufe ab 2018 ist das ja alles okay, da dann in beide Richtungen die Teilfreistellung greift).

 

Ich kann allerdings den Gedanken, dass evtl. Verluste auf Fondsebene die Körperschaftssteuerbelastung des Fonds senkt nur bedingt teilen. Außerdem muss das ja nicht immer in die gleiche Richtung gehen: Es wäre auch denkbar, dass ein Fonds körperschaftssteuerpflichtige Erträge erwirtschaftet und trotzdem Kursverluste hinnehmen muss. In dem Fall wäre ich ja doppelt gekniffen: Die Besteuerung reduziert z. B. den Thessaurierungsbetrag, was sich negativ auf den Kurs auswirkt. Und die Kursverluste kann ich dann auch nur zu 70% gegen frühere Kursgewinne verrechnen.

 

VG

MH

nmh
Legende
9.960 Beiträge

@paba  schreibt: "ich bin kein ... Steuerexperte"

 

Mit Verlaub, aber das ist der Witz des Jahres. Ich kenne hier in der Community keinen besseren Steuerexperten. Das muß man schon mal so anerkennen.

 

Viele Grüße aus München und ein schönes Wochenende

 

nmh

 

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.

paba
Mentor
889 Beiträge

Hallo @nmh,

 

danke für dein Lob. Aus deinem Mund zählt für mich das doppelt. Aber im Ernst, ich bin wirklich kein Steuerexperte. Das bisschen was ich weiß, haben ich mir nach schlechten Erfahrungen mit Steuerberatern angegooglet. Seitdem mache ich meine Steuererklärung und die meiner Frau (selbständig) selber.

 

Herzliche aus Regensburg und ein schönes Wochenende

paba

nmh
Legende
9.960 Beiträge

@paba:  Glaub' ich Dir nich'. Ich bin überzeugt, daß Dir mindestens ein Finanzamt gehört. Neulich habe ich hier was von Familienangehörigen geschrieben, die Richter beim BFH sind. Wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich wetten, daß Du gemeint warst.   😉

 

Was ich vergessen habe: ein sehr prominentes Mitglied der Community (ausnahmsweise spreche ich nicht von mir selbst) ist im normalen Leben Steuerberater. Er will aber anonym bleiben, daher oute ich ihn nicht. Noch nicht. Har har har. 

 

Danke auch für die Verdaumung meines obigen Beitrags.

 

Freundschaftliche Grüße aus München

 

nmh

 

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.