05.03.2021 23:33 - bearbeitet 05.03.2021 23:47
Hallo,
unter: Aussteigen, und später wieder günstiger einsteigen? Ganz große Falle wegen Abgeltungssteuer! hat @ehemaliger Nutzer schon einmal ein recht extremes aber nachvollziehbares Beispiel genannt (das ich auch noch einmal nachgerechtet habe):
@ehemaliger Nutzer schrieb:Gegeben sei folgender Kursverlauf:
Man sollte meinen, dass wenn man ein Trading-Genie ist, und es schafft, den 20%-Rücksetzer exakt zu timen (also Verkauf bei 10 Euro und Wiedereinstieg bei 8 Euro), dass man dann am Ende des Investments (Verkauf bei 100 Euro) besser da steht, als jemand, der den Rücksetzer nicht getradet hat, sondern von 1 Euro bis 100 Euro durchgehend gehalten hat. Is aber nicht so. Ist genau anders rum.
Eine Nachrechnung ergibt:
1) Von 1 auf 100 in einem Anlegerleben ist schon recht extrem, aber bei einem Anlagehorizont von 50 Jahren ist das mit 50ter Wurzel aus 100 = 1,0965 bzw. 9,65% Rendite noch gerade so im Bereich langfristiger Börsendaten (eher um USD Raum, als hier in Europa).
2) Der Buy & Hold Anleger hat am Ende wegen der Kapitalertragsteuer von 25% 1 + 3/4 x 99 = 75,25 € in der Tasche.
3) Der glückliche Trader hat nach dem Verkauf beim Kurswert 10 € und nach Steuern 1 + 3/4 x 9 = 7,75 € und kann damit 31/32 Stück je 8,00 € kaufen, die sich dann prächtig auf 31/32 x 100 € = 96,875 € entwickeln. Nach Abzug der Kapitalertragsteuer (100 x 31/32 - 7,75) x 3/4 verbleibt dem glücklichen aktiven Anleger 74,90625 € in der Tasche. Das sind 34,375 €-Cent weniger, als beim passiven Anleger.
Der glückliche Trade hat also tatsächlich den Gewinn des Anlegers verringert und mehr noch:
Auch dem Staat entgeht Steuer, denn der kassiert nicht 1/4 von 99 € = 24,75 €, sondern lediglich 1/4 von 95,875 € = 23,96875 €.
Das ist nicht das Win-Win Modell, das wir gern anstreben. Es ist im Gegenteil eine lose-lose Situation.
Die Kapitalertragsteuer beraubt den aktiven Anleger um den Zinseszins von 1/4 der Erträge und das schlägt bei längerfristigen Anlagen (die zu einem immer höher werdenen Anteil aus eben diesen Zinseszinsen bestehen) voll auf den Erfolg.
Unter Vernachlässigung von Ordergbühren und dem Steuerfreibatrag habe ich den Effekt einmal exemplarisch ermittelt.
Bei einer Einmalanlage über 45 Jahre bei 7% Marktzins muss ein aktiver Anleger, der wenigstens jedes Jahr das Portfolio einmal umkrempelt (das ist der Extremfall - das Gegenteil von buy&hold) 8,4738% Rendite erzielen, um das gleiche Ergebnis zu erhalten.
Bei einem Sparplan mit konstanten Raten über 45 Jahre sind für den aktiven Anleger 8,2859% erforderlich, um auf das Ergebnis des passiven Investments in den Markt zu kommen.
Die Abhängigkeiten von Anlagedauer und Marktzins habe ich für den Sparplan in der folgenden Tabelle zusammengefasst.
Tabelle:
Anlagedauer\Marktrendite | 6% | 7% | 8% | 10% |
| 20 Jahre | 7,67% | |||
30 Jahre |
| 7,96% |
|
|
40 Jahre |
| 8,19% |
|
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45 Jahre | 7,00% | 8,29% | 9,59% | 12,22% |
50 Jahre |
| 8,37% |
|
|
Über 1,6% (45 Jahre, 8% Marktzins) mehr als den Marktzins erwirtschaften zu müssen, um auf den gleichen Ertrag zu kommen, wie ein passiver Index-ETF Anleger, das ist schon sportlich.
Beachten wir zusätzlich auch noch die Ordergebühren eines aktiven Anlegers kommen aus den Tradinggebühren (Hallo, liebe Comdirect...) schnell grob ein bis zwei weitere Prozent hinzu und dann wird die Frage, wer es schafft, den Markt regelmäßig um rund ca. 3% und mehr zu schlagen schon recht spannend.
Sollte sich ein Volk eine Kapitalertragsteuer geben, die aktives Investieren abstraft?
Der deutsche Michel ist (Wir leben in einer Demokratie. Es ist unser Kapitalertragssteuergesetz) mal wieder der dumme. Ein Volk sollte eine Kapitalertragsteuer haben, die jede Aktivität zur Steigerung des Ertrags neutral bis förderlich für den Anleger geraten lässt.
Gruß: KWie2
... irgendwo in 'nem Portfolio zwischen Graham und Bogle ...
am 06.03.2021 17:33
@Zilch schrieb:Gewinne aus Kapitalerträge SIND Einkommen.
Achja? Ist das so?
Und wieso kann ich dann keine Werbungskosten geltend machen?
am 06.03.2021 17:36
@Zilch schrieb:@ehemaliger Nutzer du darfst die Partei ruhig nennen. Du meinst die FDP oder?
Ja genau die. Habe mir gestern Abend den Podcast von Christian Lindner angehört. Er hat sich Markus Koch eingeladen. Passt ganz gut zum Thema.
Grüße aus Dresden
Sonni
am 06.03.2021 18:08
@GetBetter schrieb:
@Zilch schrieb:Gewinne aus Kapitalerträge SIND Einkommen.
Achja? Ist das so?
Und wieso kann ich dann keine Werbungskosten geltend machen?
Gewinne aus Kapitalerträgen sind keine Einahmen sondern werden steuerrechtlich korrekt Einkünfte aus Kapitalerträgen genannt und zählen zu den sog. Überschusseinkünften.
06.03.2021 18:50 - bearbeitet 06.03.2021 18:51
Nun kommen Begrifflichkeiten ins Spiel, aber das alles ist nun Korinthenkackerei. Oh mann....
Einkünfte sind Einnahmen abzüglich Werbungskosten.
Einkommen ist die Summe aller Einkünfte abzüglich Sonderausgaben etc pp.
Eine andere Definition von Einkommen:
"Als Einkommen werden Einnahmen einer natürlichen oder juristischen Person bezeichnet, welche dieser regelmäßig oder in einem bestimmten Zeitraum zufließen. Diese Einnahmen fließen der Person in aller Regel in Form von Geld zu, allerdings sind auch Sachgüter vom Begriff des Einkommens erfasst."
Einnahmen = Einkünfte, als Oberbegriff in Summe Einkommen.
Gewinne aus Wertpapiergeschäfte sind somit Einkommen, genauer definiert Einkünfte was nur ein anderer Begriff für Einnahmen sind. Also stimmt es nicht zu sagen es seien keine Einnahmen sondern Einkünfte, denn es ist im Prinzip dasselbe...
So, und nun bin ich raus, ich weiß schon was folgt...
am 07.03.2021 03:56
Mich würde interessieren, wie Du Dir so eine Ausgestaltung der Steuer vorstellst, die aktive Anlagen mit passiven steuerlich gleichstellt, ohne dabei aber Ungerechtigkeiten bei der Erwirtschaftung von Erträgen zu schaffen.
Du siehst im aktiven Traden anscheinend eine gewisse Mehrleistung gegenüber dem passiven Anlegen, die dann steuerlich entlohnt werden sollte. Dem ursprünglichen Zweck von Aktieninvestments läuft das meiner Ansicht nach aber zuwider. Für ein Aktienunternehmen ist es kontraproduktiv, wenn zur Verfügung gestelltes Kapital nach einem Jahr wieder abgezogen wird, weil der Anleger sein Depot umstrukturieren will. Nun passiert das so nicht, weil Aktien über die Börse gehandelt werden und das ursprünglich investierte Kapital weiter beim Unternehmen bleibt. Ich sehe in kurzfristigen Anlagen jedoch eindeutig den höheren spekulativen Charakter.
Daher würde ich sogar so weit gehen zu sagen, je kürzer die Haltezeit bei der Anlage, desto höher sollte die Steuer sein. Wer seine Aktien, als Beispiel, länger als zehn Jahre hält, sollte komplett steuerfrei ausgehen, wer sie kürzer als zehn Minuten hält, darf ruhig die Hälfte seines Gewinns abgeben. Dazwischen könnte man die Steuer entsprechend staffeln. Anleger, die direkt an der Zeichnung von neuen Aktien teilnehmen, sollten zusätzliche Vorteile erhalten, da der volkswirtschaftliche Nutzen dabei am größten ist.
Man kann sich jetzt über die Begrifflichkeiten Zockerei, Spekulation, Investition und so weiter streiten, und welche Art der Anlage nützlicher als die andere ist. Aus rein praktischer Perspektive wäre eine Depotumschichtung nach einem Jahr im Zuge einer sehr langfristig ausgerichteten Anlage aber nicht von einer kurzfristigen Spekulation auf steigende Kurse zu unterscheiden. Wer seine Aktien über mehrere Jahre hält, verleiht zumindest seinem Willen Ausdruck, sich nicht am Zocken beteiligen zu wollen.
Die einzig mögliche Gleichstellung zwischen kurz- und langfristigen Anlagen scheint mir eine komplette Steuerfreiheit zu sein. Wie oben bereits diskutiert, wäre das jedoch eine Ungerechtigkeit gegenüber anderen Einkommensarten.
Viele Grüße
Weinlese
07.03.2021 14:34 - bearbeitet 07.03.2021 15:00
07.03.2021 14:34 - bearbeitet 07.03.2021 15:00
Ich verstehe die Problematik nicht ganz. Wo ich stehe, ist die Lösung sehr einfach: Den Freibetrag so hoch setzen, dass ein durchschnittlicher Kleinanleger eine vernünftige Summe steuerfrei bekommt, und dem kurzfristige Zocken mit einer Transaktionssteuer begegnen, die mal nicht völlig am Ziel vorbeiführt, zur Abwechslung.
801€ ist albern, da kann man dann auch ganz drauf verzichten. Aber wenn der Pauschbetrag, sagen wir, 10k oder 20k im Jahr wäre, wäre das eine sinnvolle Förderung für eine aktienbasierte Altersvorsorge: Die Auszahlung im Alter wäre (zu einem Großteil) steuerfrei, und wenn das Depot in der Anlagephase umgeschichtet werden muss, gibt es auch einen gewissen Spielraum.
Es ist ja auch nicht so, dass wir nicht schon mal da waren. 93-96 waren es 6.000 Mark. Rechne die Inflation drauf, und die Größenordnung ist ähnlich.
Und die ausfallenden Einnahmen werden mit einer Transaktionssteuer auf alle Finanzinstrumente (insbesondere Derivate) aufgefangen. Ergebnis: Trading wird besteuert, Vorsorge (fast) nicht.
Letztendlich ist alles kompliziert, ja, und man muss sich Gedanken über Sekundäreffekte machen. Aber der momentane Stand ist so unsinnig bzw. einseitig in eine Richtung verschoben, dass es einigermaßen einfach ist, etwas zu tun, dass mehr oder weniger in die gewünschte Richtung führten würde.
Aber es ist halt nicht gewollt. Das ist das einzige Hindernis. Aus einem Gutachten von 2008, hier zusammengefasst:
Für die eigenverantwortliche Absicherung für das Alter gebe es eine Reihe staatlich geförderter privater und betrieblicher Altersvorsorge. Es sei davon auszugehen, dass diese Vorsorgeformen für einen Großteil der Sparer vorteilhafter seien als die herkömmliche Geldanlage.
Ich denke, damit ist alles gesagt. Ich geh dann mal Riestern ...
am 07.03.2021 15:53
Hallo,
@NR schrieb:
Ich verstehe die Problematik nicht ganz. Wo ich stehe, ist die Lösung sehr einfach: Den Freibetrag so hoch setzen, dass ein durchschnittlicher Kleinanleger eine vernünftige Summe steuerfrei bekommt, und dem kurzfristige Zocken mit einer Transaktionssteuer begegnen, die mal nicht völlig am Ziel vorbeiführt, zur Abwechslung.
Das sehe ich ganz ähnlich (geringe! Transaktionssteuer statt Fristunterscheidung bei der Ertragsbesteuerung). Auch sonst möge jeder meinen Like unter Deinem Beitrag finden. Darum kam in meinem ganz neutralen, einfachen und wirksamen Vorschlag oben auch keine Fristunterscheidung vor.:
@KWie2 schrieb:Eine ganz einfache Alternative wäre z.B. ein Depot einschließlich Verrechnungskonto als Black Box, und eine Einnahmenüberschussbesteuerung der Geldflüsse aus dieser Black Box heraus minus der Geldflüsse in diese Black Box hinein.
Das würde das Steuersystem nicht nur erheblich vereinfachen (kein FIFO mehr erforderlich) sondern auch jede wie auch immer geartete Anlage hinsichtlich des Ertrages gleich behandeln.
Gruß: KWie2
... irgendwo in 'nem Portfolio zwischen Graham und Bogle ...
am 08.03.2021 09:43
@ehemaliger Nutzer schrieb:Wichtig ist vor allem, dass Kryptowährungen weiterhin mit 0% besteuert werden. So schmecken die Tendies doch am besten!
Kommt drauf an....
https://wendl-koehler.de/rechtliches/kryptowaehrung-steuererklaerung/
oder kürzer
am 08.03.2021 11:01
Gründe doch eine Vermögensverwaltende GmbH. Dann sind realisierte Gewinne nahezu steuerfrei und Du zahlst nur Steuern, wenn Du das Kapital wieder in Privatvermögen überführst.
Das kommt dem geschilderten Blackbox Prinzip schon sehr nah.
am 08.03.2021 11:13
ja, es gibt immer wieder Tricks und/oder Workarounds
Was soll der Schei$$? Das ist kein gangbarer Weg für all die, die sich eine kleine Zusatzrente durch Sparen erwitschaften wollen... Die Leute müssen gefi... äh geschröpft werden. Das macht einen Riesenposten (?) der Steuereinnahmen aus... und ist quasi ohne Gegenwehr und Gerichtsprozesse easy zu erlangen