06.05.2020 18:22 - bearbeitet 06.05.2020 18:56
Liebe Börsenfreunde (m/w),
soll man schon wieder oder soll man nicht? Ich bin auch weiterhin skeptisch, ob wir das Gröbste hinter uns haben. Die große Corona-Katastrope in den USA könnte noch bevorstehen. Dennoch verstehe ich, daß viele von Euch in den letzten Wochen bei mir anfragen, welche Aktien man denn schon wieder kaufen könnte. Klar, auch ich selbst habe in den letzten vier Wochen fleißig nachgekauft, aber das flaue Gefühl bleibt. Was soll's. Zuerst die Fakten:
Weltweit liegen immer noch nur 29 Prozent aller Aktien über ihrer 200-Tage-Linie. Die aktuelle Erholung hat also noch nicht die Marktbreite, die ich erwarten würde. Immerhin: bei 34 Prozent aller Aktien steigt die 200-Tage-Linie. Dennoch sind wir nach rein technischen Kriterien in einer Baisse. Die 200-Tage-Linie des DAX verläuft aktuell bei etwa 12200 Punkten, die des S&P 500 bei ungefähr 3010 Punkten und für den Nasdaq 100 bei knapp 8280 Punkten. Erst wenn die Indizes darüber steigen, ist die Baisse offiziell beendet. Das interessante:
Trotzdem gibt es auch in einer solchen Krise Aktien, die völlig unbeeindruckt ständig über dem gleitenden Durchschnitt notieren. An der Spitze liegt nach diesem Kriterium die Aktie des Mikroprozessorbauers AMD: Das Papier hat die 200-Tage-Linie zuletzt am 3.01.2019 von unten gesehen! Das sind echte Steherqualitäten.
(Die Schlussred. sagt, ich darf keine Witze zum Thema "Steherqualitäten" machen. Angeblich hat das irgendwas mit dem "Hays Code" zu tun. Keine Ahnung, was das ist. Und den Gag, dass ein Mikroprozessor ein sehr kleiner Anwalt ist, hat die Schlussred. mir ebenfalls gestrichen. Solche Spaßbremsen.)
Ich habe mal mein Rechenzentrum mehrere tausend Aktien aus aller Welt, die ich beobachte, untersuchen lassen, wie die Steherqualitäten (Jawoll! Nehmt das!) aussehen, seit wann die Aktien also ununterbrochen über ihrer jeweiligen 200-Tage-Linie notieren. Glaubt mir: das ist ein ungeheurer Rechenaufwand, als Privatanleger werdet Ihr normalerweise solche Auswertungen nicht selbst machen können. Aber dafür habt Ihr ja mich. Ich schulde Euch die Auswertung ja noch -- siehe das kleine Gewinnspiel hier. Dort findet Ihr auch Informationen zur 200-Tage-Linie und wie Ihr sie auswerten könnt. Jedenfalls:
Wenn man keinerlei Rücksetzer unter die Linie akzeptiert (Toleranz 0 Prozent), dann ist das die Rangliste:
Toleranz 0%
863186 AMD oberhalb des GD200 seit 04.01.2019
A1KAGC Coloplast oberhalb seit 21.02.2019
720190 First Sensor oberhalb seit 06.03.2019
A112ST JD.com oberhalb seit 18.03.2019
A2E4K4 Delivery Hero oberhalb seit 25.04.2019
Wenn Rücksetzer bis zu 2 Prozent unter die 200-Tage-Linie zulässig sind, dann ist das die Top 5:
Toleranz 2%
863186 AMD oberhalb des GD200 seit 07.01.2019
A1KAGC Coloplast oberhalb seit 28.02.2019
720190 First Sensor oberhalb seit 07.03.2019
A112ST JD.com oberhalb seit 19.03.2019
917099 Tyler Tech. oberhalb seit 10.04.2019
Hier gibt es also keine großen Änderungen. Eine Erklärung, warum das Datum sich ändert (z.B. um drei Tage bei der AMD-Aktie), findet Ihr weiter unten. Ich habe aber auch untersucht, wie die Rangfolge aussieht, wenn Unterschreitungen von maximal 5 Prozent erlaubt sind:
Toleranz 5%
938427 Givaudan oberhalb des GD200 seit 24.05.2017
A2AADD Innogy oberhalb seit 12.03.2018
855167 Roche GS oberhalb seit 25.07.2018
A1W58K RingCentral oberhalb seit 30.11.2018
863186 AMD oberhalb seit 07.01.2019
Und richtig interessant wird es, wenn man beim Abtauchen bis 10 Prozent die Augen zudrückt:
Toleranz 10%
587800 DMG oberhalb des GD200 seit 27.04.2016
871981 Adobe oberhalb seit 25.05.2016
860853 Wal-Mart oberhalb seit 24.06.2016
882807 Vertex oberhalb seit 10.03.2017
890952 CSL oberhalb seit 15.03.2017
Wichtig: Bitte beachtet, dass die Toleranz in beide Richtungen gilt. So war zwar beispielsweise DMG bereits vor dem 27.04.2016 oberhalb der 200-Tage-Linie, aber nicht mehr als 10 Prozent. Das System erkennt ein "Oberhalb" erst, wenn der GD 200 um mehr als 10 Prozent überschritten wird. An der Grundaussage der Übung ändert diese Einschränkung aber nichts. Bei der Auswertung habe ich mich an in Euro umgerechneten Schlusskursen orientiert, weil nur diese Kurse für einen Anleger aus Europa relevant sind. Beispielsweise erkennt man bei Givaudan im März 2019 einen Absturz auf 2496 Euro, was aber haarscharf weniger als 5 Prozent unterhalb des GD 200 bei 2624 Euro ist. Also gerade so eben noch die Kurve gekriegt.
Die Idee hinter dieser Auswertung: Wenn man einen Stopkurs einige Prozent unterhalb der 200-Tage-Linie setzt, dann wäre man bei diesen Aktien in der Coronakrise nicht rausgeflogen! Dabei tauchen auch einige Bekannte auf. Die Aktien von Adobe, Givaudan und Tyler gehören zu den Top 50 weltweit, wenn man die Kursentwicklung der letzten zehn Jahre (!) betrachtet. Das beweist wieder einmal, wie erfolgreich Ihr mit einer einfachen Trendfolgestrategie seid: Aktien, die in der Vergangenheit (über viele Jahre) hinweg stark und ohne ernste Rücksetzer gestiegen sind, werden Euch auch in Zukunft nicht enttäuschen.
Ich hoffe, Euch damit einige Denkanstöße gegeben zu haben, und freue mich über Euer Feedback zu dieser völlig neuartigen Auswertung.
Herzliche Grüße aus einem frühsommerlichen München
nmh
am 24.08.2020 17:55
Danke, wie du schon sagst, für uns Langfristanleger ist es unwichtig. Meine Käufe sind von den Splits unabhängig, weil ich die Aktie sowieso bespare als Sparplan. Ich brauche nur ab und zu einen Schub, bzw. eine "Ausrede" die Rate zeitweise zu erhöhen, damit die sehr guten Aktien schneller aufgebaut werden als die nur guten.
Bezüglich Amazon: habe ich natürlich auch im Sparplan, aber Raten von 1000 Euro würden sich wegen der Gebühren nicht lohnen, würde bei <500 Euro pro Rate bleiben beim Aktiensparplan.
am 24.08.2020 18:09
Einfach Pi mal Daumen gerechnet:
ob einmal 1000 €, zweimal 500 € oder fünfmal 200 € per Sparplan investiert, 1,5 % bleiben einskommafünf Prozent also 15 € in dem Fall als Gebühr 🤷🏻♂️
gruss ae
am 24.08.2020 18:21
Stimmt, war wohl gerade gedanklich bei einem anderen Broker!
07.05.2021 13:21 - bearbeitet 07.05.2021 13:21
07.05.2021 13:21 - bearbeitet 07.05.2021 13:21
@nmh schrieb:@Ngaru :
Herzlich willkommen in dieser Community und vielen Dank für Dein Lob und Feedback. Ich freue mich, dass meine Beiträge hilfreich für Dich sind.
Die Bundesanleihe WKN 113532 steigt im Kurs seit 2007 und hat nur geringe Schwankungen. Der Anstieg im Kurs in den letzten Jahren lag bei etwa 5% pro Jahr, was sehr gut ist. Die Ausschüttung kommt noch oben drauf. Der Grund ist, dass die Renditen von Bundesanleihen immer tiefer sinken, aus den bekannten politischen Gründen. Ich setze darauf, dass der Anstieg auch künftig weitergeht, dass also die Zinsen der öffentlichen Hand nicht steigen. Ich setze also nicht auf die Zins-Rendite (die Ausschüttung beträgt 4,25% jedes Jahr im Juli), sondern auf weitere Kurssteigerungen. Ich erwarte eine Rendite von 5 plus 4,25/1,88 = 7,25% pro Jahr. Attraktiv, oder?
Achtung: Wenn der Kurs der genannten Bundesanleihe unter ca. 172 Prozent fällt, ist meine Spekulation nicht aufgegangen und sollte mit Verlust beendet werden.
nmh
Lieber @nmh,
unhöflicherweise erlaube ich mir mal, dich an einem Freitag Nachmittag noch zu belästigen, um um eine Auskunft zu bitten:
Hast du zu der Bundesanleihe mit der WKN 113532 den genannten Stoppkurs von 172% weiter beibehalten oder bist du inzwischen zu neuen Erkenntnissen gekommen?
Vielen Dank und ein wundervolles Wochenende an alle Mitforisten!
am 07.05.2021 13:26
Vielen Dank für Dein Feedback. Diese Empfehlung von mir war leider mal wieder ein richtiger Griff ins Klo. Seit Jahresbeginn rechnen die Anleihenmärkte mit leicht steigenden Zinsen für lang laufende Renten, dadurch entstehen in solchen Anleihen Kursverluste. Ich würde das Papier sofort verkaufen oder alternativ weiterhin den Stopkurs bei 172 Prozent beachten. Tut mir leid, dass das nichts war. Ich habe mich bereits im Februar mit leichtem Verlust ausstoppen lassen.
nmh
am 07.05.2021 13:32
Danke für die blitzschnelle Antwort!
Ok, dann muss ich leider auch einen kleinen Verlust realisieren. Aber es findet sich bestimmt eine Sterneaktie, die das mit dem freiwerdenden Kapital bald auszugleichen weiß. 🙂