05.11.2017 16:20 - bearbeitet 05.11.2017 16:25
Liebe Anleger (m/w),
was schreibe ich denn da wieder für einen Unsinn? Der DAX hat doch schon in den letzten Wochen und Monaten ein Allzeithoch nach dem anderen produziert?! Warum also jetzt diese reißerische Meldung?
Jaaaa, der DAX, den Ihr aus der Presse und von der comdirect-Website kennt, der ist freilich schon länger auf Allzeithoch. Wir sprechen vom sogenannten "Performance-DAX". Er hat die WKN 846900.
Kaum jemand weiß aber, daß die Deutsche Börse ihren DAX auch in einer "Kurs"-Variante berechnet. Da hat er die WKN 846744, und dieser DAX hat am Freitag, 3.11.2017 mit 6.399,31 Punkte ein neues Allzeithoch (auf intraday-Basis, also wenn man alle Kurse während des Tages berücksichtigt und nicht nur den abendlichen Schlusskurs) gemacht. Das letzte Allzeithoch stammte vom März 2015.
Interessant: In der Finanzpresse konnte man über dieses historische Ereignis am Wochenende noch nichts lesen.
Was ist der Unterschied zwischen den beide DAXen? Nun, beide enthalten stets dieselben 30 Aktien. Der Performance-DAX, der normalerweise in der Öffentlichkeit beobachtet wird (WKN 846900), tut jedoch so, als ob Ihr alle Dividenden* sofort wieder in den Index investiert. Er analysiert eben die "Performance", also Kursgewinne plus Dividenden. Der andere DAX, der Kursdax (WKN 846744), hingegen beruht rein auf den Kursen der enthaltenen Aktien, also ohne die ausgeschütteten Dividenden.
Man erkennt den enormen Einfluss der Dividenden gut an diesen beiden Indizes, die Ihr unter den beiden oben angegebenen Kenn-Nummern überall im Internet abrufen könnt. Beide starteten am 31.12.1987 zu 1.000 Punkten. Der Performance-DAX stand gestern bei 13.479, der Kursindex hat im selben Zeitraum "nur" auf 6388 Punkte zugelegt (jeweils Schlusskurs vom Freitag). Der Unterschied sind die gezahlten Dividenden! Allein in den letzten 10 Jahren hat sich bei der Performance dieser beiden Indizes eine Differenz von mehr als 3.000 Punkten ergeben.
Und auch der reine Kursdax, der Nachzügler, hat jetzt am Freitag endlich ein neues Allzeithoch erklommen. Warum ist das so wichtig? Nun, es ist ja typisch für den deutschen Privatanleger, dass er ein wenig ängstlich ist. Wie gebannt schaut man auf den DAX, der immer höher und höher kletter. Der typische Deutsche ist ja eher nicht dabei, bei uns investieren vor allem Ausländer (und natürlich alle Leser dieser Community). Viele haben dann Angst vor einem Einstieg und sagen: Der Index ist schon so hoch gestiegen, viel höher als im Jahr 2000, als wir eine Aktienblase hatten und danach einen dreijährigen Crash.
Aber das stimmt eben nicht! Der Performance-DAX ist "aufgebläht" durch seine enthaltenen Dividenden. Auf reinem Kursniveau sind wir jetzt erst auf einem Allzeithoch angekommen. Auf Kursniveau notieren wir erst da, wo wir 2000 und 2015 waren! Die Wirtschaft läuft aber viel besser als in 2000 oder auch in 2015.
Das Fazit ist also: es ist noch nicht zu spät, um mit der Aktienanlage anzufangen. Ihr dürft auch jetzt noch einsteigen, zumal die Zinsen ja immer noch lächerlich niedrig sind und sicher nicht in den nächsten Jahren stark steigen werden.
Der typische Privatanleger hat Angst, am Allzeithoch in eine Aktie oder in den Markt allgemein einzusteigen. Er fängt lieber mit Abstauberlimit Aktien auf, die fallen und dann nach dem Kauf auch noch weiter sinken. Für den Profi gibt es dagegen nichts schöneres, als am Allzeithoch zu kaufen. Warum, steht hier (bitte klicken).
Merke: Angst und Gier sind schlechte Ratgeber an der Börse.
Und noch etwas hilft vielleicht, Eure diffuse Angst vor Aktien zu lindern. In den letzten 50 Jahren mußte man nach dem Kauf von breit gestreuten Aktien (z.B. als DAX-ETF) höchstens 13 Jahre warten, und war dann im Gewinn (hier stehen Details). In aller Regel lief ein Aktienkorb viel schneller als 13 Jahre in die Gewinnzone, aber wer Pech hatte und ausgerechnet an Sylvester 1999 eingestiegen ist, für den dauerte es eben 13 Jahre.**
Also keine Angst vor Aktien und keine Angst davor, auch mal am Allzeithoch zu kaufen. Wer heute jung ist und mit Sicht auf sagen wir mal 20, 30 oder 40 Jahre investiert, der wird mit ziemlicher Sicherheit im Alter schwer reich sein. Das zeigt die Statistik seit dem zweiten Weltkrieg ganz deutlich.
Ich wünsche Euch viel Spaß und gutes Gelingen bei der Aktienanlage!
Herzliche Grüße aus einem regnerischen München
nmh
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*) Und noch einige andere Bonbons finanzieller Art, die Aktionäre so bekommen, z.B. Bezugsrechte bei Kapitalerhöhungen.
**) Bevor wieder irgendwelche Bedenkenträger an der Statistik herumdoktern: die Sache mit den maximal 13 Jahren gilt nur bei breit gestreuten Anlagen, z.B. als ETF (Aktienkorb) auf den DAX. Es gilt nicht für Einzelaktien.
am 13.03.2020 22:10
Ich kapere diesen alten Thread, da der Kurs-Dax (WKN 846744) seit seinem Höchststand Anfang 2018 über ein Drittel an Wert verloren hat.
Im Vergleich stehen die Amerikaner mit nur 20 % Verlust seither noch gut da. Interessant ist dabei auch, das der Dow schon breit diversifiziert. Seine Performance ist sehr nahe am S&P 500.
Um mit ein paar Vorurteilen aufzuräumen:
Amerikanische Aktien sind nicht per se überbewertet, aber allein in Ermangelung eines Rentensystems gibt es eine breite Aktienkultur in den Staaten.
In Deutschland haben wir den trügerischen Sachverhalt, dass uns meist der Performance-Dax unter Wiederanlage der Dividenden präsentiert wird. Das führt dazu, dass wir (zu?) viele deutsche Aktien in unseren Depots halten. Diesen Fakt haben wir auch im Home-Bias-Thread (Danke, @t.w.) gesehen.
Amerikanische Aktien laufen in Wahrheit noch besser, als uns i.A. bewusst ist (Danke, @nmh).
Euer Tod
am 15.03.2020 09:48
Recht hatter, der Gevatter. Legt man in den Chart noch die Nasdaq rein, sind es noch ein paar %-Punkte mehr an Unterschied, d.h. besser auch als Dow und S&P. Vom DAX sollte man nur wenige Aktien nehmen, da ist jeder ETF auf MDAX und SDAX besser als der DAX.
Apropos Home-Bias: was ist das Kriterium? Anders gefragt: was macht ein "deutsches" Unternehmen aus? Immerhin ist eine starke Verschiebung hin zu Unternehmen mit (noch) Sitz in D und überwiegend in chinesischer bzw. amerikanischer Hand.