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Benford-Analyse, oder: die Eins gewinnt immer!

nmh
Legende
9.960 Beiträge

Liebe Zahlenfreunde, Zahlendreher und Zahlando-Fans* (m/w),

 

mein neuer Großrechner ist seit gut zwei Wochen im Einsatz. Das Monster ist so irre schnell, daß die Auswertungen jetzt immer schon viel früher fertig sind und der Rechner sich dann langweilt. Um ihm die Langeweile zu vertreiben, habe ich mal meine Kursdatenbank statistisch auswerten lassen.

 

Unter anderem habe ich mir angesehen, wie oft die Ziffern "1" bis "9" als erste Ziffer in den gut 60 Millionen historischen Börsenkursen meiner Hauptdatenbank vorkommen. Das Ergebnis dürfte viele überraschen. Die Ziffern sind nicht gleich häufig, sondern die Ziffer "1" kommt viel öfters vor als die Ziffer "2", und die "2" ist viel häufer als die "3". So geht das weiter bis zur Ziffer "9", die am seltensten vorkommt. Das folgende Diagramm zeigt die Auswertung für alle Aktien:

 

Benford-Verteilung der BörsenkurseBenford-Verteilung der Börsenkurse

Von allen 60 Millionen Börsenkursen, die ich ausgewertet habe, fangen also knapp 29% mit der Ziffer "1" an (zum Beispiel 17,36 Euro oder 0,018 Euro), aber nur 4,8% mit der Ziffer "9". Bei Zahlen, die vor dem Komma eine Null haben, zählt die erste Ziffer nach dem Komma, die nicht Null ist.

 

Ist schon erstaunlich, oder? Aber wissenschaftlich zu erklären. Dahinter steckt das sogenannte "Benford-Gesetz". Unter diesem Stichwort findet man in diesem "Internet" ganz viel Informationen darüber.

 

Kurz gesagt geht es dabei um eine Gesetzmäßigkeit in der Verteilung der Ziffernstrukturen von Zahlen in empirischen Datensätzen, zum Beispiel ihrer ersten Ziffern. Das Gesetz lässt sich etwa in Datensätzen über Einwohnerzahlen von Städten, Länge von Flüssen, Hausnummern in einer Stadt, Geldbeträge in der Buchhaltung, Naturkonstanten und so weiter beobachten. Ganz konkret:

 

Stellt Euch eine Stadt mit 1500 Straßen vor. Die erste Straße hat 20 Häuser, von 1 bis 20 nummeriert. Die nächste Straße hat 77 Häuser von 1 bis 77. Straße Nummer 3 hat 143 Häuser mit den Hausnummern 1 bis 143. Was alle Straßen gemeinsam haben: Alle haben eine Hausnummer "1", die meisten auch eine Hausnummer "2" und so weiter. Wenn Ihr jetzt die Hausnummern aller 1500 Straßen untereinander schreibt, stellt Ihr fest, daß es in jeder Straße eine Hausnummer 1 gibt, aber nicht in jeder Straße eine Hausnummer 99. In der Stadt kommt die Hausnummer "1" viel häufiger (nämlich genau 1500 mal) vor als höhere Hausnummern. Eine Straße mit der Hausnummer 254 hat auch ein Haus Nummer 183, aber nicht automatisch auch umgekehrt. Wenn man sich das so verdeutlicht, wird klar, warum die Ziffer 1 an erster Stelle aller Hausnummern der Stadt öfters vorkommen muss als höhere Ziffern.

 

Und das gilt eben auch für Börsenkurse, wie meine kleine Statistik eindrucksvoll beweist.

 

Was bringt das jetzt? Mir bringt es in erster Linie Klickzahlen, weil Ihr meinen dümmlich-wichtigtuerisch-langweiligen Beitrag angeklickt habt. Übrigens dürfte auch eine Auswertung der Klickzahlen der Beiträge in der Community dem Benford-Gesetz entsprechen. Es gibt wesentlich mehr Beiträge mit 12, 19, 1, 178 oder 1857 Klicks (nämlich gut 30 Prozent) als Beiträge mit 9, 95 oder 9284 Klicks (nämlich knapp 5 Prozent).

 

Und eine ganz handfeste Anwendung findet das Benford-Gesetz in der Finanzverwaltung. Unsere Finanzämter verwenden eine Software, die die Zahlen in Steuererklärungen überprüft und dabei auch die erste Stelle statistisch untersucht. Wenn die Verteilung der ersten Ziffer in einer Steuererklärung ungefähr dem Benford-Gesetz entspricht, handelt es sich um empirische Daten. Wenn jedoch die Verteilung völlig anders ist, dann liegt der Verdacht einer Manipulation nahe: Zahlen, die sich jemand ausgedacht hat, sind nicht empirisch und erfüllen nicht das Benford-Gesetz. Der Steuerprüfer schaut sich dann diese Steuererklärung besonders gründlich an.

 

Noch etwas: das obige Diagramm zeigt die Verteilung der ersten Ziffer für alle Aktien. Wenn man die Verteilung über alle Wertpapiere analysiert, tritt die Ziffer "1" an erster Stelle der Börsenkurse sogar mit einer Wahrscheinlichkeit von 34% auf. Außerdem zeigt sich eine erhöhte Wahrscheinlichkeit bei der Ziffer "9", nämlich knapp 7%. Das liegt daran, daß es an der Börse wesentlich mehr Anleihen als Aktien gibt. Und Anleihen haben nun mal gerne Börsenkurse von 101, 109, 117 oder 125 Prozent, oder auch 98, 96 oder 92 Prozent. Das erklärt die besondere Häufung der "1" und der "9" an der ersten Stelle der Börsenkurse von Anleihen.

 

Wer jetzt Lust auf Zahlenspiele bekommen hat und die Hintergründe besser verstehen möchte, googelt nach "Benford". Viel Spaß - das lohnt sich wirklich!

 

Herzliche Grüße aus einem sonnig-warmen,

aber seit heute vom Oktoberfest befallenen München

 

nmh

 

_____________

*)  Bei der letzten Redaktionssitzung war das nmh-Team der Ansicht, dass die nmh-Beiträge in letzter Zeit lustlos und humorlos und blutlos äh blutleer geworden sind. Etwas mehr Humor sollte rein. Das habt Ihr jetzt davon: billigste Sparwitze.

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.
14 ANTWORTEN

nmh
Legende
9.960 Beiträge

@stormbreaker:

Ich danke Dir sehr herzlich für Deinen netten Beitrag. Ehrlich gesagt bin ich überfragt. Ich hatte erst den Verdacht, dass ein Chart in Euro und das andere in Dollar ist, aber das kann nicht die Ursache sein, weil beide in Euro handeln. Nach meinen Daten liegt die 200-Tage-Linie aktuell bei ungefähr 248 Euro, das wäre ja der Wert, der bei Stuttgart angezeigt wird. Leider kann ich Dir nicht sagen, warum die grüne Linie bei L&S offenbar falsch ist.

 

Auch bei der zweiten Frage muss ich Dich leider enttäuschen. Ich arbeite ausschließlich mit selbstgeschriebener Software und kann Dir daher leider keine Programme empfehlen. Aber für Privatanwender reicht der Informer bei comdirect völlig aus. Ich nutze auch finanztreff.de und ariva.de sehr häufig, beide bieten ebenfalls Charts an. Von der unseriösen Website finanzen.net halte ich nichts, das ist ja allgemein bekannt. Die Website und vor allem die Macher von boerse.de halte ich ebenfalls für ein wenig unseriös, auch wenn ihr Börsenbrief ("Aktienbrief") wirklich sehr gut (und sehr teuer) ist. Eine Ausgabe ist kostenlos; wenn Du mehrere E-Mail-Adressen hast, auch mehrere. Vorsicht: die verschicken täglich Spam-Mails.

 

Viele Grüße aus München

 

nmh

 

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.

stormbreaker
Autor ★
7 Beiträge

@nmh 

Vielen Dank für Deine wirklich sehr schnelle Antwort. Dann werde ich Dir und Deinem Rechenzentrum vertrauen 🙂 Ich interpretiere den abweichenden Wert jetzt mal als Fehler im Tool. Die 248€ werden jedenfalls auch durch die von Dir genannten Seiten bestätigt.
Zu welchem Schluss kommt denn Dein Rechenzentrum in Sachen Stopkurs? 🙂

 

Viele Grüße
Stormbreaker

nmh
Legende
9.960 Beiträge

@stormbreaker:

 

Na, immerhin jetzt kann ich Dir helfen, wo doch meine schnelle Antwort vorhin nicht so hilfreich war. Bei Fair Isaac (WKN 873369) liegt mein persönlicher Stopkurs für die halbe Position bei etwa 270 Euro. Allerdings ist diese Position nicht klein. Ein besserer Stopkurs liegt bei etwa 238 Euro. Wenn die Aktie tiefer fällt, würde ich die zweite Hälfte verkaufen. Dir empfehle ich ebenfalls eine Stop in der Gegend um 238 Euro. Bitte mit der bekannten Formel ausrechnen, wieviel Du investieren willst. Angenommen, Du akzeptierst einen maximalen Verlust von 300 Euro, dann darfst Du heute zum Preis von 284 Euro höchstens 6 Stück kaufen. Dein Einsatz dann: 1700 Euro.

 

nmh

 

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.

Chrissel
Mentor
950 Beiträge

@nmh  schrieb:

@stormbreaker:

 

Na, immerhin jetzt kann ich Dir helfen, wo doch meine schnelle Antwort vorhin nicht so hilfreich war. Bei Fair Isaac (WKN 873369) liegt mein persönlicher Stopkurs für die halbe Position bei etwa 270 Euro. Allerdings ist diese Position nicht klein. Ein besserer Stopkurs liegt bei etwa 238 Euro. Wenn die Aktie tiefer fällt, würde ich die zweite Hälfte verkaufen. Dir empfehle ich ebenfalls eine Stop in der Gegend um 238 Euro. Bitte mit der bekannten Formel ausrechnen, wieviel Du investieren willst. Angenommen, Du akzeptierst einen maximalen Verlust von 300 Euro, dann darfst Du heute zum Preis von 284 Euro höchstens 6 Stück kaufen. Dein Einsatz dann: 1700 Euro.

 

nmh

 


Sieht ja nach nem guten Unternehmen aus, alle Werte die wichtig sind (abgesehen von der Dividende, die koninuierlich reduziert wurde und jetzt auf Null ist) steigen. Könnt ein günstiger Moment sein um Einzusteigen. Ich setz es mal auf die Liste, ein leichter Boden scheint sich ja abzuzeichnen. Aber die nächsten Tage gilt es erstmal abzuwarten was politisch so passiert.

Fryberoofler

@stormbreaker  schrieb:

Jetzt ist mir aufgefallen, dass die GD200 bei L+S andere Werte anzeigt als bspw. Stuttgart .... Leider fällt mir keine sinnvolle Erklärung dafür ein. Ist das ein Fehler von dem Tool oder gibt es einen anderen Grund?

Falls spätere Leser über diese Frage aus dem Jahr 2019 stolpern: Soweit ich sehe, ist der Hauptgrund für den deutlichen Unterschied zwischen den GD200-Werten von L+S und Stuttgart, dass L+S im Gegensatz zu Stuttgart häufig auch an Wochenenden Kurse stellt. (Beispiel: Im März 2024 lieferte L+S 28 Tagesschlusskurse zu dieser Aktie, nämlich täglich vom 01. - 28.03., Stuttgart dagegen nur 20, jeweils Mo-Fr.)

 

Die Startzeitpunkte zweier "200-Tage"-Intervalle mit gleichem Enddatum können daher zwischen den beiden Handelsplätzen um bis zu ca. 11 Wochen (280-200=80 Tage) differieren, was den GD200 natürlich erheblich beeinflussen kann. Bei gestiegenen Kursen wird man etwa von L+S einen höheren GD200 als von Stuttgart erwarten. Stellt man zum groben Ausgleich der eingeschlossenen Wochenenden für L+S einen gleitenden Durchschnitt von 280 Tagen ein, liegt dieser wesentlich näher am GD200 der Stuttgarter Kurse.