Hilfe
abbrechen
Suchergebnisse werden angezeigt für 
Stattdessen suchen nach 
Meintest du: 

Warnung vor Tieffliegern!

nmh
Legende
9.960 Beiträge

L.S.
 
Nein, es geht nicht nur um geistige Tiefflieger. Also -- höchstens am Rande.

Executive Summary: Dieser Beitrag beschreibt meine Erfahrungen, daß das limitierte Abstauben gefallener Aktien langfristig weniger erfolgreich ist als ein Kauf von Aktien, die bereits im Kurs steigen.

Die ganz überwältigende Mehrheit meiner hoch höchst verehrten Mitautoren hier in der Community hat mindestens einen Ruf als Hochschul-Professor samt zugehörigem akademischen Titel erhalten, wie ich in den letzten Wochen feststellen durfte. Oder -- im Werte gleichrangig -- sie sind adlig. Das erklärt auch (endlich!) die konstant hohe Qualität der Beiträge jener Co-Schreiber (m/w). Allerhöchste Eisenbahn (wichtig: ferroviale Leser einbinden!) also, auch die Qualität meiner Beiträge endlich zumindest im Rahmen meiner Möglichkeiten leicht zu erhöhen. Und was tun Akademiker so? Sie schreiben Thesen. Meine paßt sogar thematisch in die Community, geht es darin doch um Aktien und um andere Wertschriften.

Denn meine These lautet: Abfischen abgestürzter Aktien mit Abstauberlimits ist "on average" (wichtig: beiläufig Fremdsprachkenntnisse demonstrieren!) weniger erfolgversprechend als ein einfaches Mitlaufen mit im Trend steigenden Aktienkursen. So meine Erfahrung nach ungefähr 25 Jahren als tapferer Aktienanleger.

Mit anderen Worten, ich bevorzuge Stop-Buy-Orders gegenüber limitierten Käufen, und kaufe lieber trendstarke Aktien als abgestürzte Turnaround-Kandidaten.

Oder auch mit ganz deutlichen Worten: Bitte keine abgestürzten Tiefflieger auffangen!

Der (um 15 Grad) geneigte Leser fragt sogleich reflexartig: Warum?

Einigkeit besteht im Leserkreis zunächst darin, daß man Aktien in der Hoffnung kauft, sie mögen anschließend doch bitte im Kurse steigen. Um jene Effekten dann irgendwann mit Gewinn zu verkaufen.

Weiter stellt sich die Frage: Wann steigen Aktien? Wie kommt es zu Kurssteigerungen?

Der Aktienkurs ist wirtschaftlich gesehen ein Preis, der sich aus Angebot und Nachfrage ergibt. Welch innovative Erkenntnis! Aber immerhin unbestritten. Es gibt also im wesentlichen drei Treiber für mehr oder weniger nachhaltige Kurssteigerungen:
1. Privatanleger kaufen die Aktie und sorgen für Nachfrage
2. Profis kaufen die Aktie und sorgen für Nachfrage
3. Aktienrückkäufe durch das Unternehmen, wodurch das Aktienangebot verknappt wird

Dabei sind Aktienrückkäufe ein eher wenig nachhaltiger Mechanismus, siehe auch meinen Beitrag hier.

Bleiben die beiden anderen Punkte.

Beginnen wir mit den Privatanlegern. Privatanleger kaufen -- jedenfalls als Masse -- im wesentlichen die Aktien, die in Börse online & Co empfohlen werden. Anders freilich meine professoralen Leser -- die investieren viel Zeit und Mühe in eigene Recherchen und Analysen, sind aber halt in der Masse des Privatanlegervolks die Ausnahme. Für die Frage, welche Aktien gerade in Mode sind und folglich in Börsenbriefen empfohlen werden, bietet sich eine Analyse der Stopkurse und Kursziele einschlägiger Magazine an. Ich beobachte die Presse aus diesem Grund sehr sorgfältig und werte die Empfehlungen per Datenbank intensiv aus. Meine Meinung dazu habe ich an anderer Stelle schon gepostet. Damit kann ich mich hier kürzer fassen.

 

Für den Erfolg von Aktienempfehlungen an die treuen Leser gibt es aus Börsenbriefsicht zwei Möglichkeiten: empfohlene Aktien steigen oder fallen, sofern sie nicht im Wert genau konstant bleiben. Diesen dritten Fall blenden wir aus. Wenn empfohlene Aktien steigen, tendieren die Redaktionen dazu, sich selbst auf die Schulter zu klopfen und das anschließend zu veröffentlichen ("wir haben es wieder vorher gewußt"). Zudem werden einfach Kursziel und Stopkurs erhöht. Läääuft für die Aktie!

Falls die Empfehlung ausnahmsweise nicht so erfolgreich war, wird das entweder verschwiegen oder es erscheint ein Artikel im Sinne von "haben wir uns leider geirrt". Jedenfalls sobald der Stopkurs unterschritten wird verschwindet die Aktie von der Empfehlungsliste jedenfalls seriöser Börsenbriefe.

Folge: Aktien, die steigen, werden weiterhin besprochen und empfohlen, und Aktien, die mehr oder weniger stark fallen, verschwinden aus der Berichterstattung.

Folge sodann: Privatanleger werden von der Fachpresse eher in steigende Aktien geleitet.

Viel wichtiger als die Privatanleger ist aber die in der Regel wesentlich höhere Nachfrage der sogenannten Profis. Damit meine ich Investmentmanager, Fondsmanager, Vermögensverwalter, Händler bei Banken, solche Leute. Und all diese Damen und Herren haben eines gemeinsam: einen Chef, der auf der Matte steht, wenn eine gekaufte Aktie Verluste bringt. Besonders unangenehm wird das Gespräch zwischen Profi und Chef dann, wenn er (der Profi) im wesentlichen der einzige mit der Aktie im Portfolio ist.

Das wissen natürlich auch die Profis. Aus diesem Grund kann man davon ausgehen, daß die Mehrheit der Portfoliomanager einfach ihre Benchmark abbildet und vielleicht mit einem kleinen Prozentsatz des zu investierenden Betrags an der Börse spielt, in der Hoffnung, doch eine gewisse Überrendite zu erzielen. Das erklärt übrigens auch, warum die Mehrheit der Aktienfonds langfristig und nach Abzug ihrer Gebühren schlechter performt als ein einfaches passives ETF-Investment. Mehr dazu steht hier.

Daraus folgt, daß die Profis zunächst darauf achten, nicht negativ aufzufallen. Sie kaufen im Zweifel das, was auch die anderen Profis kaufen. Wenn es gut geht, hat man alles richtig gemacht. Wenn nicht, dann verteidigt man sich beim Vorgesetzten: "Die anderen haben die Aktie auch alle", und der Chef beruhigt sich wieder. Mit anderen Worten, die Profis folgen einem völlig menschlichen Überlebenstrieb, und der entspricht aus Börsensicht halt einem Herdentrieb: alle kaufen im wesentlichen dieselben Aktien, was zu Kurssteigerungen führt. Folglich ist es auch für die Profis, die richtig viel Geld anlegen, naheliegend, einfach den Trends zu folgen und zu kaufen, was steigt.

Mal von einer anderen Seite betrachtet:

Wenn ich als Fondsmanager eine abgestürzte Aktie kaufe, weil ich von ihrem Wert überzeugt bin, und sie steigt anschließend, wird es mein Boss mir nicht besonders danken. Dann habe ich einfach meine Arbeit gemacht. Wenn ich eine abgestürzte Aktie kaufe und sie fällt weiter, wird mich mein Chef mich verbindlich zum Einzelgespräch bitten und fragen: Warum hast Du in das fallende Messer gegriffen? Also verhalte ich mich lieber unauffällig und spiele die Trends.

Nach all der Theorie ist auch einmal ein Blick auf die Vergangenheit erlaubt. Schaut Euch typische Aktienkursverläufe und dabei vor allem Kursabstürze an. Wie oft sieht man die sogenannte "V-Formation", also einen scharfen Absturz gefolgt von einer schnellen Erholung auf das alte Niveau? In der jüngeren Vergangenheit findet man dieses Muster etwa bei der Brexit-Abstimmung im Sommer 2016, und auch unmittelbar nach der Wahl von Donald Trump im Herbst 2016. Das große "Aber": die Formation trat damals bei fast allen Aktien auf. Derartige politische Einflussfaktoren sind nicht vorherzusagen und betreffen den Markt als Ganzes. In solchen Situationen können Abstauberlimits sinnvoll sein, dann aber bitte breit angelegt. Wenn man es denn vorher weiß.

Bei meiner These geht es aber um einzelne Aktien. Und jetzt nochmal die Frage: Wie oft kommt es vor, daß eine einzelne Aktie unabhängig vom restlichen Markt abstürzt und sich anschließend schnell erholt? Ist es nicht eher der Normalfall, daß ein solcher Tiefflieger zunächst wilde unvorhersehbare Sprünge macht (man nennt das "dead cat bounce"), um danach mehrere Monate oder gar Jahre sanft auf- oder abwärts zu laufen? Totes Kapital! Wollt Ihr dann investiert sein? Die Profis fassen solch ein Papier nicht an -- siehe oben. Ich behaupte ganz frech, daß ich mit einer Trendaktie, die eben auch nach dem Kauf noch weiter steigt, eine bessere Rendite erzielen werde als mit dem Kauf eines Absturzkandidaten, der Monate oder gar Jahre braucht, um sich zu erholen.

Den Versuch, abgestürzte Tiefflieger aufzufangen, konnte man Ende März 2017 am Beispiel von Aurelius hier in der Community -- über mehrere Tage -- live miterleben. Der geneigte Leser darf hier klicken, mag beim Lesen leicht frösteln und hoffen, daß er damals nicht dabei war.

Die Aktie war jahrelang wie am Schnürchen gezogen von 10 Euro auf knapp 70 Euro gestiegen. Eine echte Trendaktie, ganz in meinem Sinne! Dann kam jedoch aus heiterem Himmel eine halbseidene Verkaufsempfehlung eines unbekannten selbsternannten Analysten heraus (fairer Wert: 8,56 Euro), und die Aktie stürzte innerhalb von Minuten auf 55 Euro herab. Minus 20 Prozent! Es kamen die Schnäppchenjäger, und kauften. Weil das Papier ja eigentlich viel mehr wert sein müßte.

Doch die Aktie stürzte weiter auf 45 Euro - also minus 34 Prozent vom alten Hoch. Anschließend sahen wir das bekannte Muster, das als "dead cat bounce" bezeichnet wird: Die Aktie schwankte wild zwischen 45 und 55 Euro. Das sind immerhin gut 25 Prozent Amplitude! Manch ein routinierter Zocker hat da gute Gewinne gemacht. Aber das ist wie Kasino, mit einem Unterschied: In der Spielbank macht es mehr Spaß, die Hostessen sind nett und man bekommt etwas zu trinken.

Nach einigen Stunden und am Folgetag schien die Aktie sich bei 50 Euro einzupendeln. Das Unternehmen hatte die Vorwürfe lauwarm dementiert und ein Rückkaufprogramm beschlossen. Wieder griffen Schnäppchenjäger zu. Dann ging irgend etwas mit dem Stabilisierungsprogramm schief, die Aktie durchbrach die 50, riss reihenweise Stop-Loss-Schwellen und wurde schließlich bis deutlich unter 40 Euro hinab gereicht. Dort steht sie zum Redaktionsschluss immer noch. Der eine oder andere Schnäppchenjäger hat sich eine blutige Nase geholt. Es war aber auch zu verlockend...

All das spricht dagegen, bei abgestürzten Aktien allzu schnell einzusteigen. Es spricht dafür, daß auch private Selbstentscheider als Trendfolger auftreten dürfen. Denn wie dargestellt ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein Trend weiter läuft größer als die Wahrscheinlichkeit, daß eine abgestürzte Aktie sich schnell (oder auch nur überhaupt) erholt.

Leute, die dieser Strategie folgen, kaufen Aktien am liebsten am Allzeithoch. Sie kaufen auch gerne Aktien mit einem unglaublich hohen KGV. Weil sie danach beobachten, daß das "G" in der KGV-Formel von Jahr zu Jahr weiter steigt und das KGV beim Kauf daher angemessen war. Rational (bitte in die Suchmaschine dieser Community eingeben!) oder Beiersdorf sind solche Beispiele, oder die großen amerikanischen Konsumgüterhersteller. Und nicht vergessen: dabei Stopkurs setzen und nachziehen. Denn auch eine Trendaktie kann urplötzlich zum Ladenhüter werden -- siehe Aurelius.

Ein wenig ketzerisch könnte man auch einwenden, daß ja der Markt einer alten Phrase zufolge immer recht hat. Ist es dann nicht ein wenig arrogant zu glauben, man hätte als einziger und anders als die professionellen Marktbeobachter eine Unterbewertung entdeckt? Börsengeschäfte erfordern immer auch Respekt und Demut vor dem Markt; nach dieser Sichtweise ist ein limitiertes Ordern gar etwas respektlos! Wie gesagt, eine übertriebene Betrachtungsweise.

Der nachdenkliche Leser mag spätestens jetzt einwenden, daß nach sorgfältiger Analyse und Bestimmung fundamentaler Parameter wie KGV oder Dividendenrendite Aktien als unterbewertet erkannt werden können. Die kauft man dann und wartet, bis "der Markt" die Unterbewertung erkennt und ebenfalls einsteigt. Ich nenne es das Professor-Otte-Prinzip (herzliche Grüße -- ich weiß, er liest hier immer mit!).

Je nun. Da gibt es aus meiner Sicht gleich mehrere Fallstricke. Zunächst einmal stellt sich die Frage, inwieweit sich Parameter wie KGV oder Dividendenrendite überhaupt zuverlässig ermitteln lassen. Im "KGV" steckt ja leider das "G", und das ist reine Folklore -- Stichwort Bilanzkosmetik. Und die Dividende wird ohnehin jedes Jahr neu festgelegt. So passiert es dann, daß man jahrelang in Firmen wie E.on oder RWE investiert ist, der Gewinn und die Dividende sinken von Jahr zu Jahr, und der böse Markt, dumm wie er nunmal ist, erkennt die Unterbewertung einfach nicht (an) und läßt die Aktienkurse jahrelang sinken. Willkommen in den Fonds nach Prof. Otte. Er war übrigens oben, als ich von den Professoren unter meiner geliebten Leserschaft (Liebeserklärung!) gesprochen habe, nicht gemeint.

Disclaimer: Ich würde niemand RWE oder E.on kritisieren! Wie ich an anderer Stelle schon geschrieben habe, gehe ich davon aus, daß unsere lieben Versorger das Schlimmste hinter sich haben und jetzt wieder einen Versuch wert sind.

Doch selbst wenn ich tatsächlich ein total unterbewertetes Unternehmen gefunden habe, garantiert mir niemand, daß ausreichend Nachfrage entsteht, um den Aktienkurs nach oben zu hieven. Wenn der Markt momentan einfach andere "Moden" spielt und sich für meine Aktie nicht interessiert, kann ich ewig warten, bis die tatsächlich vorhandene Unterbewertung beseitigt wird. Die Aktie läuft derweil seitwärts - wenn es gut läuft. Wenn es schlecht läuft, dann geht es unter großen Schwankungen abwärts.

Gerne entdeckt dann auch ein Aufkäufer die Unterbewertung und drängt mich per Squeeze-out aus dem immer noch unterbewerteten Unternehmen. Der Abfindungskurs wurde natürlich von einem totaaaal neutralen Gutachter nach sorgfältiger Analyse festgestellt, ist aber trotzdem viel niedriger als mein Kaufpreis (und freilich viel niedriger als der eigentliche Wert der Unternehmung, an der ich beteiligt war). Viel Spaß dann im Spruchstellenverfahren!

Meine mutige, vielfach kritisierte These wäre dann: Warum soll ich eine Aktie halten, weil vielleicht irgendwann in einigen Jahren ihre Unterbewertung entdeckt wird und der Kurs steigt, wenn ich mit Aktien, die bereits im Aufwärtstrend liegen, eine vernünftige Rendite erzielen kann?

In diesem Zusammenhang bin ich mir auch nicht sicher, ob fundamentale Analyse für Privatanleger wirklich ein erfolgversprechender Weg ist. Beim Kauf von Trends hingegen hilft ein schneller Blick auf den bisherigen Kurseverlauf. Was steigt, wird gekauft und gehalten, bis es fällt. Stopkurse nachziehen! Wer dem folgt, findet hier eine unschuldige kleine Aufstellung trendstarker Aktien als Vorschlag für Selbstentscheider.

Mein Thesenpapier mag eine bunte Mischung an Denkfehlern und intrinsischen Widersprüchen enthalten. Jedenfalls ist es voller geschwollener, wichtigtuerischer Formulierungen, gleichsam einer akademischen Arbeit. Auf daß der Professor begeistert davon sey. So kann man die Headline über diesem Thread vielleicht doch auch als Warnung vor geistigen Tieffliegern wie mir verstehen. Gerne lese ich also in Kommentarspalten, Leserbriefen oder auf Postkarten (nmh, München, kommt an!) Eure Meinung und alle Gegenpositionen zu meiner These. Lasset uns diskutieren - denn dazu ist ja schließlich die Community da!

Bis dahin erfolgreiche Investments

viele Grüße aus München

nmh

 

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.
25 ANTWORTEN

Mansur1
Experte ★★
307 Beiträge
Hallo @nmh,

vielen Dank für deinen Ausführlichen Beitrag. Es macht wirklich sehr viel Spass deine Beiträge zu lesen. 🙂

Mansur

Schlaumax
Experte ★
165 Beiträge

nmh schrieb:

...
Mein Thesenpapier mag eine bunte Mischung an Denkfehlern und intrinsischen Widersprüchen enthalten. Jedenfalls ist es voller geschwollener, wichtigtuerischer Formulierungen, gleichsam einer akademischen Arbeit. Auf daß der Professor begeistert davon sey. So kann man die Headline über diesem Thread vielleicht doch auch als Warnung vor geistigen Tieffliegern wie mir verstehen. Gerne lese ich also in Kommentarspalten, Leserbriefen oder auf Postkarten (nmh, München, kommt an!) Eure Meinung und alle Gegenpositionen zu meiner These. Lasset uns diskutieren - denn dazu ist ja schließlich die Community da!

Bis dahin erfolgreiche Investments

viele Grüße aus München

nmh

 


Lieber nmh,

 

allein dein selbstkritischer, humoriger Abspann verdient einen ordentlichen Applaus Smiley (fröhlich)  Deine Ausführungen regen zum Nachdenken an.  Vielen Dank dafür! "Denke (nach) bevor du handelst!", das klingt nach einer altbewährten Börsenweisheit Smiley (zwinkernd)

 

Gruß vom Schlaumax

(der immer wieder gerne von dir liest)

Wissen ist Macht. Nichts wissen, macht auch nix.

Glücksdrache
Legende
3.624 Beiträge

@nmh: Ich bin zutiefst beeindruckt. Dieser Artikel ist mit das Beste, was ich seit Jahren lesen konnte. Dafür möchte ich Dir zum Schluß meines Beitrages ein "eigenes Abzeichen" bzw. eine Bewertung auf einer nach oben offenen Skala übermitteln. Smiley (fröhlich)

 


nmh schrieb:

L.S.
 
Nein, es geht nicht nur um geistige Tiefflieger. Also -- höchstens am Rande.

Executive Summary: Dieser Beitrag beschreibt meine Erfahrungen, daß das limitierte Abstauben gefallener Aktien langfristig weniger erfolgreich ist als ein Kauf von Aktien, die bereits im Kurs steigen.

[...]
Denn meine These lautet: Abfischen abgestürzter Aktien mit Abstauberlimits ist "on average" (wichtig: beiläufig Fremdsprachkenntnisse demonstrieren!) weniger erfolgversprechend als ein einfaches Mitlaufen mit im Trend steigenden Aktienkursen. So meine Erfahrung nach ungefähr 25 Jahren als tapferer Aktienanleger.

Mit anderen Worten, ich bevorzuge Stop-Buy-Orders gegenüber limitierten Käufen, und kaufe lieber trendstarke Aktien als abgestürzte Turnaround-Kandidaten.

 

Oder auch mit ganz deutlichen Worten: Bitte keine abgestürzten Tiefflieger auffangen!

 

[...]


Der (um 15 Grad) geneigte Leser fragt sogleich reflexartig: Warum?

Einigkeit besteht im Leserkreis zunächst darin, daß man Aktien in der Hoffnung kauft, sie mögen anschließend doch bitte im Kurse steigen.

 

[...]


Der nachdenkliche Leser mag spätestens jetzt einwenden, daß nach sorgfältiger Analyse und Bestimmung fundamentaler Parameter wie KGV oder Dividendenrendite Aktien als unterbewertet erkannt werden können. Die kauft man dann und wartet, bis "der Markt" die Unterbewertung erkennt und ebenfalls einsteigt. Ich nenne es das Professor-Otte-Prinzip (herzliche Grüße -- ich weiß, er liest hier immer mit!).

[...]

Mein Thesenpapier mag eine bunte Mischung an Denkfehlern und intrinsischen Widersprüchen enthalten. Jedenfalls ist es voller geschwollener, wichtigtuerischer Formulierungen, gleichsam einer akademischen Arbeit. Auf daß der Professor begeistert davon sey. So kann man die Headline über diesem Thread vielleicht doch auch als Warnung vor geistigen Tieffliegern wie mir verstehen. Gerne lese ich also in Kommentarspalten, Leserbriefen oder auf Postkarten (nmh, München, kommt an!) Eure Meinung und alle Gegenpositionen zu meiner These. Lasset uns diskutieren - denn dazu ist ja schließlich die Community da!

Bis dahin erfolgreiche Investments

viele Grüße aus München

nmh

 


Zuallererst hat mir die Beschreibung der verschiedenen Anlegermentalitäten und auch der Begriff der sog. Profis wunderbar gefallen. Gerade in Zeiten eines enormen Informationsangebotes und eines hohen Ausmaßes an Transparenz gilt: Der frühere Informationsvorsprung der sog. Profis ist auf Null gesunken.

 

Stattdessen arbeiten diese mit enormen Zwängen, sei es eine angemessene Rendite auszuweisen, aber auch das "Mutterhaus" des Fonds nicht zu vergessen. Vorsichtig gesprochen: Mal lieber ein Trade mehr, als einer zu wenig.  Smiley (traurig)

 

Vor diesem Hintergrund bin ich fest davon überzeugt, dass der Privatanleger, der in einen kaufmännischen Beruf hineingeschnuppert hat oder dieses Forum intensiv liest, mindestens genauso gut wie die Profi-Investoren sein kann.

 

 

Ich möchte @nmh zustimmen, dass das Auffangen von "Tieffliegern" meist  keine sehr hohe Rendite einbringen wird. Betrachtet als geneigte Leser einmal zusammen mit dem Glücksdrachen seine beiden Lieblingsaktien und das Gegenbeispiel:

 

1.) Glücksdrachen-Lieblingsaktie Nr. 1:

Meine erste "Lieblingsaktie" ist Nestlé  (CH0038863350), die eine sehr starke weltweite Marktposition in Lebensmittel hat und regional und nach Produkten sehr weit diversifiziert ist. Zudem - und das ist meine 2. These - sind Aktien besonders erfolgreich, wenn die Endkunden der Produkte gerne Geld dafür ausgeben.

 

Egal also ob Nestlé oder Daimler: Hinter den Dividenden und den Kurszuwächsen stehen Produkte und Unternehmensstrategien, die privatverbraucherorientiert sind.

 

Wer den 06.03.2000 als Einstiegsdatum (später lest Ihr warum) nimmt, der konnte folgende Performance erzielen: Finanzen.net gibt als Börsenkurs in Frankfurt einen Wert von 17,40 Euro aus. Dieser ist im aktuellen Handel bis auf 71,38 Euro gestiegen.

 

Es ist übrigens kein Daten-Fehler aus der Euro-Umstellung, wie jedermann hier unter Eingabe des historischen Datums vom 25. Dezember 2001 bis 10. Januar 2002 nachprüfen kann:

 

http://www.finanzen.net/historische-kurse/Nestle

Daten-Quelle: Finanzen.net

 

Im Betrachtungszeitraum wurde aus einer Position mit 1.000 Euro Investment und den Kursgewinnen ein Substanzwert von 4.102,30 Euro. Übrigens ganz und gar ohne zusätzliche Fondsgebühren, alleine die "Verwaltung" dieser einen Position hätte dann im Vorjahr 40 Euro Rendite gefressen.

 

Doch das ist noch nicht alles: Dazu kommt eine Dividende, die ja 1:1 und unter Abzug der Quellensteuer vereinnahmt werden kann.

 

@catscratch; @Zargoras

Anders als bei den in diesem Beitragsbaum

 

/t5/Wertpapiere-Anlage/DividendenAdel-Eurozone-Index-Zertifikat/m-p/7866#M3004

 

angesprochenen Zertifikaten hätte die Dividende zusätzlich vereinnahmt werden können.

 

Im langjährigen Vergleich lag die Dividendenrendite irgendwo um die 3 % auf den aktuellen Kurswert, womit das Investment noch attraktiver geworden wäre.

 

 

2.) Abschreckungsbeispiel: Deutsche Telekom AG (DE0005557508 )

 

Langjährige Marktbeobachterinnen und Marktbeobachter werden sich sicher an das Allzeithoch der Deutschen Telekom AG erinnern. Dieses hoch von knapp über 103,00 Euro ist nie wieder erreicht worden. Das charttechnische Argument, dass der Abstand zum Allzeihthoch beinahe 85 % ist,  könnte eine Trading-/Aufholchance signalisieren.

 

Tut sie aber nicht. Wer einen 15- bis 20-Jahres-Chart ansieht, der wird erschrecken: Es gibt zwar immer wieder Phasen (wie 2008), wo die Aktie ähnlich wie der Index nach unten und wieder nach oben schwankt. Abgesehen von dieser "Trading-Volatilität" ist es aber unmöglich, einen Aufwärtskanal zu entdecken und die Depot-Rendite langfristig zu befeuern.

 

Das liegt neben der hohen Wettbewerbsintensität des TK-Marktes natürlich auch daran, dass es die neuen Mitbewerber einfacher haben als ein Riesenkonzern. Dieser ist so vielen "Stakeholdern" verpflichtet und hängt im weitesten auch vom 4-Jahres-Zyklus der Bundestagswahlen ab, dass:

+ Produktentwicklungen in diesem Umfeld nicht oder nur sehr verzögert gedeihen können

+ schmerzhafte Einschnitte zur Sicherung der Substanz oder des Ertragswertes nur sehr langsam und in homöopathischen Dosen durchgeführt werden können.

 

Im Klartext: Wer diesen gefallenen Wert (Dauertiefflieger) kauft, der kann nur sehr leichte Wertzuwächse erzielen. Vielleicht mal ein Trading hier und ein Trading da.

Dank neuer Produkte wie CFDs und Optionen kann der Anleger aber auch genauso gut (oder besser) fast jeden anderen soliden Dax-Wert nehmen.

 

Anders als bei Nestlé konnte hier praktisch nie eine hohe Dividende vereinnahmt werden. Damit fällt ein Kurskauf-Motiv für Privatkunden und sog. Profis weg.

 

An diesen beiden Beispielen großer Unternehmen wollte Glücksdrache verdeutlichen: Ein langfristig stabiler Aufwörtskanal führt zu wesentlich mehr Anlageerfolg als das "Aufheben" von gefallenen Aktien.

 

Wer denkt denn heute noch schon an eine Hegener&Glaser Aktie (hatten immerhin ein funktionierendes Produkt, dessen Technologiezyklus irgendwann beendet war) oder Comroad?

 

Diese beiden Aktien hätte man als Tiefflieger aufgreifen und sich dabei die Flügel verbrennen können.

 

Aus dieser Sicht heraus möchte ich @nmh voll und ganz zustimmen: Das Investieren in einen laufenden Trend/Aufwärtskanal scheint für mich auch die beste Strategie zu sein.

 

Bei mir allerdings mit der persönlichen Maximalbewertung bei einem KGV von >30. Dies sehe ich als Ausstiegssignal an.

 

Ach ja, ich wollte noch ein persönliches Abzeichen für @nmh in besonderer Wertschätzung verleihen:

Dein Beitrag erreicht für mich den Maximalwert auf der nach oben offenen Dennis -Paul de Loof Skala!

 

Mehr geht nicht. Smiley (fröhlich)

 

Liebe Grüße

 

Glücksdrache

 

 

nmh
Legende
9.960 Beiträge

Lieber @Glücksdrache,

 

nachdem ich meine Tränen beiseite gewischt und den belgischen Professor aus Jena gegoogelt habe, möchte ich mich recht herzlich (das sagen wir in Bayern so) für Dein Lob, Dein Feedback, Dein Kompliment und vor allem für das Abzeichen bedanken.

 

Was mich aber umtreibt: Woher kennst Du das KGV einer Aktie, wenn 30 Dein K.O.-Kriterium ist?   😉

 

Viele Grüße aus einem sonnigen München

 

nmh

 

 

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.

Glücksdrache
Legende
3.624 Beiträge

Lieber @nmh,

 

Smiley (fröhlich)

 

leider habe ich keine beeindruckende und nach wissenschaftlichen Kriterien  erstellte riesige Datenbank, sondern nutze eher die gängigen Tools und natürlich auch ein bisschen das Bauchgefühl. 

 

Wann das KGV den Schwellenwert von 30 überschreitet, das sehe ich mir vor dem Kauf im Angebot eines (oder mehrerer) Online-Broker an. Im comdirect-Angebot findet sich das aktuelle KGV ja bereits auf der "Hauptübersicht", bei manchen anderen Anbietern gibt es das KGV(aktuelles Jahr) und das KGV(nächstes Jahr).

Damit kann ich bei gerade gekauften oder zu kaufenden Werten einigermaßen sicher sein, dass ich nicht zu teuer kaufe und gerade am Ende eines künstlichen oder nicht künstlichen Hypes einsteige.

 

Natürlich verpasse ich damit auch Einiges an Aufwärtsbewegung wie bei Amazon (WKN: 906866). Die KGV-Begrenzung auf 30 ist also eine Art individueller Höchstpreis bzw. Orientierungswert. Ähnlich wie insbesondere bei Geschäftsimmobilien ein Kaufpreisvergleich zu den zu erzielenden Mieterlösen vorgenommen wird.

 

Nach dem Kauf steht mir kein organisiertes Warnsystem zur Verfügung: Es schrillen also keine Alarmglocken, wenn das KGV 30,01 erreicht. Stattdessen gibt es eine Watchlist, wo ich "Obere Werte" eingegeben habe, die dann alarmieren. Also die Vorstellung, dass bei einigermaßen gleich gebliebenen Geschäftsverlauf des Kerngeschäftes die Kurssteigerung (als Zähler des KGV) den Ausschlag gibt.

 

Andererseits soll und muss das Depot bei einer Anzahl Werte bleiben, die ich auch noch überblicken kann. Ich lese also die diversen News-Meldungen oder auch ab und zu den einen oder anderen Quartalsbericht. Gibt aber keine Datenbank, die das für mich tun würde. Roboter (Zunge)

 

Es ist also eher eine emotionale Preisgrenze, als eine mathematisch unterlegte. Wie bereits geschrieben hat der @Glücksdrache vor längerer Zeit eine "japanische Erfahrung" gemacht. Und damit auf die harte Tour gelernt, was Überbewertung sein kann.

 

Das möchte ich den Mitdiskutierern wie @nmh, @Schlaumax, @Mansur1 und den weiteren Anlegern gerne ersparen. 

Meiner subjektiven Einschätzung nach springt das KGV bei den meisten diversifizierten Werten auch nicht so stark.

Ich kenne das KGV also nicht, ich entnehme es den Werten und gleiche die Prognosen mit dem Quartalsbericht ab.

 

Liebe Grüße

 

Glücksdrache

nmh
Legende
9.960 Beiträge

Hallo @Glücksdrache,

 

die Frage, woher Du das KGV kennst, war natürlich ironisch gemeint. Ich wollte nur ein bißchen kritisch darauf hinweisen, daß das "G" in dieser Formel nicht so richtig gut zu bestimmen ist, und daß es mit der Zeit auch steigen kann. Aber die Strategie, normalerweise nur 30 zu akzeptieren, ist gar nicht schlecht. Man muß nicht auf jeder Hochzeit tanzen (Amazon), und es gibt auch genug Trendaktien mit KGV unter 30.

 

Wenn ich also die Wahl habe zwischen einem ganz tollen, leider total unterbewerteten Tiefflieger mit KGV 12 (der Markt ist ja so dumm, weil er das nicht erkennt) und einer Trendaktie mit KGV 25 (Aufwärtstrend seit 10 Jahren), dann entscheide ich mich natürlich ganz klar ... für die Ritter Sport Einhorn (siehe hier)!

 

nmh

 

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.

Glücksdrache
Legende
3.624 Beiträge

Hallo @nmh !

 

Ja, die Ironie habe ich tatsöchlich übersehen. Smiley (traurig) Vielleicht auch weil ich kurz vorher einen dieser absurden Börsen-Briefe gelesen habe, die ja

per Gratis-Mail unter die Interessenten gestreut werden.


Da ist von allem Möglichem die Rede, bloß nicht von einem Substanzvergleich.

 

Denen traue ich nicht, weil die Aktienauswahl meist auf sehr marktenge Werte bezogen ist. Alleine das Erscheinen im "Börsen-Brief" und die dadurch ausgelöste Nachfrage liefern dann die selbst erfüllende Prophezeiung.

 

Liebe Grüße

 

Glücksdrache

gebdiv8
Autor ★★
26 Beiträge

Das KGV kann man nur innerhalb der selben Branche vergleichen. Autowerte liegen bei 6 bis 10. Konsumgüter über 25. Bedenklich wird es derzeit bei Ölwerten. Exxon lag historisch bei 10. Heute um 40.

inliner
Legende
4.665 Beiträge

Glücksdrache schrieb:

. . . Vielleicht auch weil ich kurz vorher einen dieser absurden Börsen-Briefe gelesen habe, die ja

per Gratis-Mail unter die Interessenten gestreut werden.

 

 


Ich habe überhaupt keinen Börsenbriefen im Abo, weil ich den Leuten, die versuchen mein Geld auszugeben, nicht traue.