25.10.2018 14:13 - bearbeitet 25.10.2018 14:30
Liebe Börsenfreunde,
heute möchte ich mal einige Gedanken mit Euch teilen, die sich eher an professionelle, erfahrene Anleger richten, die Risiko begrenzen können. Ein unsachgemäßer Umgang ist sehr gefährlich und kostet viel Geld. Diese Ideen sind also extrem riskant und daher keinesfalls für Einsteiger geeignet. Ich verwende aus diesem Grund die Fachbegriffe ohne weitere Erläuterung unter der Annahme, dass der Leser sie versteht. Bitte simuliert meine Idee einige Zeit mit einem Musterdepot, um den Umgang damit zu erlernen und ein Gefühl dafür zu bekommen. Aber möglicherweise ist derzeit oder in den nächsten Wochen ein guter Einstiegszeitpunkt. Denn:
Wenn man den Trick richtig anwendet, ist er sehr lukrativ. Ich habe jedenfalls in den letzten Jahren sehr viel Geld damit gewonnen, und möchte Euch einfach einen Denkanstoß geben.
Und zwar geht es um die Anlageklasse der (impliziten) Volatilität. Bei uns kennen sicherlich einige von Euch den VDAX-Index (WKN A0DMX9, früher WKN 846740). Er basiert auf Optionspreisen an der Eurex, gibt die Schwankungsbreite an der Börse an und gilt als "Angstbarometer". Je höher, desto stärker schwanken die Märkte. Typischerweise steigen diese Indizes stark an, wenn die Aktienkurse fallen - so wie jetzt. Ähnliche Indizes sind der VSTOXX (Grundlage: europäische Aktien) und der VIX (Grundlage: amerikanische Aktien; hat nichts mit dem Film von Oliver Kalkofe zu tun).
Die Idee ist, dass Volatilitätsfutures bekanntlich grundsätzlich in Contango notieren: Die längeren Laufzeiten sind in aller Regel teurer als die kürzeren. Und diese fast "garantierten" Rollverluste können Profi-Anleger nutzen, indem sie im VIX short gehen, also langfristig Volatilität verkaufen.
Man kann das ganz plastisch am VIX zeigen. Es gibt seit 2009 eine ETN auf diesen Index (genauer: auf VIX-Futures), die in München und in New York wie eine Aktie gehandelt werden kann (Kosten: 0,89 Prozent pro Jahr). Die WKN lautet A2GARC (ISIN US06746L4225). Das Instrument (Emittent: Barclays) investiert in eine Kombination des nächstfälligen sowie des darauffolgenden VIX-Futures, wobei deren Anteile stets von der jeweiligen Restlaufzeit abhängen. Die Zusammensetzung dieses so genannten "VXX" ändert sich also täglich, indem ein kleiner Teil des Folgemonats verkauft und dafür Kontrakte des übernächsten Monats gekauft werden. Derzeit ist immerhin rund eine Milliarde US-Dollar in die ETN investiert. Und alle diese Investoren verlieren langsam, aber sicher ihr Geld. Davon könnt IHR indirekt profitieren!
Schaut Euch mal im comdirect-Informer ein langfristiges Chart (Börse NYSE Arca, also NICHT München, Zeitraum: zehn Jahre) des Instruments "VXX" mit der WKN A2GARC an: Man erkennt klar, dass es langfristig asymptotisch gegen Null geht. Die Contango-Verluste aufgrund des Drifts der Terminkurve kumulieren sich fortlaufend. Es gab mehrere Reverse-Splits, normalerweise dann, wenn das Instrument unter 15 USD notierte. Dadurch erkennt man vor 2010 astronomisch hohe, aber nie wirklich gehandelte Kurse von über 100.000 USD.
So sieht das Ganze seit 2009 logarithmisch aus:
Geil, oder? Der Haken nach oben ganz zum Schluss ist der aktuelle Börsencrash.
Da also normalerweise der VXX langsam aber stetig an Wert verliert, ist die Idee, diesen Index zu shorten. Leider kann man die ETN nicht ohne weiteres shorten. Aber tatsächlich gibt es einige Derivate, die man dazu nutzen kann. Ein Beispiel ist das VIX-Faktor-1-short-Zertifikat CE282J. Achtung, extrem riskant, nicht für Anfänger geeignet.
Wie man erkennt, gewinnt das Papier CE282J in normalen Börsenphasen (Aktienkurse fallen nicht stark, also im Jahr 2017) langsam an Wert. Das sind die Contango-Verluste aus dem VXX.
Ich poste diesen Artikel bewusst gerade in diesen stürmischen Zeiten, um klar auf das Risiko hinzuweisen: Im Börsencrash (siehe auch Februar 2018) stürzen die Aktienkurse auf breiter Front ab, folglich springt der VIX-Index hoch und das Papier CE282J stürzt ebenfalls ab. Aus diesem Grund muss man bei Anwendung dieser Idee mit striktem Risikomanagement arbeiten. Also entweder nur kleine Beträge investieren und die Verluste aussitzen, oder mit Stop Loss arbeiten und (wichtig!) die Stopkurse in "guten" Börsenzeiten stetig nachziehen.
Außerdem dürft ihr die üblichen Risiken aller Faktor-Zertifikate nicht vergessen, die sich daraus ergeben, dass der Hebel täglich auf "-1" zurückgestellt wird und die ihr ja kennt.
Im langfristigen Chart zur WKN A2GARC erkennt man den langsamen Verfall, zwischendrin aber immer wieder steile Anstiege. Die treten immer dann auf, wenn die Börse crasht, zum Beispiel auch Mitte 2010. In diesen Phasen stürzen Papiere wie das CE282J dann gewaltig ab. Daher ist Vorsicht geboten. Dennoch eigenet sich die Strategie für ein Langfrist-Investment; wie gesagt, ich war bisher sehr erfolgreich damit.
Natürlich kann man umgekehrt auch Volatilität long gehen. Das ist eine Strategie, um von starken Vola-Anstiegen zu profitieren, wie sie bei Crashs am Aktienmarkt auftreten. Allerdings wird diese Art des Hedgings mit der Zeit sehr teuer, weil ausreichen starke Vola-Spitzen (zum Glück) eher selten auftreten und der VXX in der übrigen Zeit langsam, aber beharrlich an Wert verliert.
Ein ähnliches Papier, mit dem man den VSTOXX shorten kann, hat die WKN CE284V. Ich habe für meinen Artikel aber den VXX gewählt, weil der langfristige Chart seit 2009 wirklich beeindruckend aussieht.
Der VIX ist also ein faszinierender Index, dessen Terminkontrakt-Kurve VXX langfristig eindeutig nach unten weist (asymptotisch gegen Null). Trotz dieses offensichtlichen Verlaufs ist es in der Praxis schwierig und riskant, dauerhaft Handelsgewinne zu erzielen. Bei Short-Positionen schwebt ständig das Damoklesschwert eines schnellen, heftigen Vola-Anstiegs (wie zuletzt im Februar und im Oktober 2018) über den ansonsten recht regelmäßigen Zugewinnen. Ohne meine starke Computertechnik (jaaaa, frühe 1970er-Jahre, aber halt: stark!) wäre ich vermutlich weniger glücklich damit gewesen.
Wer weitere Informationen sucht, googelt bitte nach Begriffen wie "VXX" oder "Volatilität short".
Ich bin mir sicher, für die Profis unter Euch ist das mal ein interessanter Denkanstoß. Ich wünsche Euch viel Erfolg bei der Wette gegen die Volatilität!
Viele Grüße aus einem sehr volatilen (stürmischen) München
nmh
Gelöst! Gzum hilfreichen Beitrag.
am 16.02.2019 11:17
ups, ich meine diesen index long
23,733 € | 26,80 $ | -3,35% |
gibt mehr rendite/zeit 😄
am 16.02.2019 11:42
es gibt nur einen nachteil, wenn man diesen vix-fond long geht:
wenn der fond-betreiber das eigene etf auf den vix-index seit je her geshortet hat - und nun der vix dreht und dieser etf pro scheinchen auf 100.000+ usd geht ... dann steigt die wahrscheinlichkeit ebenso, dass der fond-betreiber einfach pleite geht und das geld aus dem fond ist natürlich veruntreut ...
also: ggf. rechtzeitig aussteigen, bevor es die großen dann tun...
mfg
28.01.2020 14:39 - bearbeitet 28.01.2020 14:43
Hi nmh,
wenn auch schon etwas zurrückliegend, ein sehr interessanter Ansatz. Vielen Dank für die nachvollziehbare Ausführung. Nutzt du auch die long Seite bei aufkeimender Panik auf die man in den letzten Tage hätte spekulieren können?
Beim Durchlesehen der nachfolgenden Diskussion bin ich auf den gleichen Umstand wie @Geheimrat gestoßen. Es gibt nur Geldkurse, aber keine Briefkurse. Leider gab es hierauf keine Antwort mehr. Hat das auch etwas mit MiFID II zu tun?
Danke und Grüße
MD
am 28.01.2020 14:58
@MD:
Danke für Dein Feedback. Einige Produkte kann man nicht mehr kaufen, möglicherweise wegen MIFID, vielleicht aber auch aus anderen Gründen. Es sollte aber handelbare Nachfolgeprodukte geben, die man etwa auf der Commerzbank-Website findet (Link).
nmh
06.03.2020 21:34 - bearbeitet 06.03.2020 21:35
06.03.2020 21:34 - bearbeitet 06.03.2020 21:35
Mit den jüngsten Abverkäufen an den Aktienmärkten sind auch die zugehörigen Volatilitätsindizes nach oben geschossen. Damit dürfe sich meiner Ansicht nach demnächst wieder einer der relativ seltenen, günstigen Einstiegspunkte für die oben beschriebene Short-Vola-Strategie ergeben.
Viele Grüße
Weinlese
am 08.03.2020 02:07
Als Nachfolgeprodukt des CE282J habe ich mal den CU0AF6 herausgefunden.
Zum Glück bin ich dort aber schon im Dezember 2019 wieder ausgestiegen (Gewinne begrenzen 🙂
am 12.03.2020 09:30
leider wieder keine Briefkurse.
Würde es sich ein solches Produkt nicht eigenen um auf eine Erholung der Kurse zu setzen?
Ich handle sonst nur mit OS (Put leider schon am Freitag verkauft) und die sind jetzt natürlich alle zu teuer.
am 12.03.2020 23:07
Seit einigen Tagen können bei IG Markets Puts/Calls auf Vix-Futures ge- und verkauft werden. Ich setze ab heute vorsichtig auf sinkende Vola durch Verkauf von Calls. Der Vix steht knapp unter dem Rekordhoch aus dem Jahr 2008 (ca. 80).
am 30.03.2020 10:55
am 31.03.2020 11:59
@theluckyluke schrieb:@Weinlese Welche Produkte (WKN) würden sich deiner Meinung hier nach anbieten?
Leider habe ich auch keine geeigneten Zertifikate finden können. Früher gab es mal Faktorzertifikate mit einem Faktor von 2, 4 oder sogar noch höher. Die wären für so eine Strategie ideal gewesen. Allerdings scheint es die nicht mehr zu geben, vermutlich sind die dem letzten großen Vola-Crash zum Opfer gefallen.
Viele Grüße
Weinlese