20.08.2023 12:34 - bearbeitet 21.08.2023 17:50
Liebe Börsenfreunde,
da müssen wir jetzt durch! Im Hochsommer herrscht traditionell schlechte Stimmung an der Börse. Also, im Grunde genommen gibt es im Sommer überhaupt keine Stimmung, weder gute noch schlechte, weil die meisten Anleger schlicht im Urlaub sind* und sich nicht um ihre Aktien kümmern. Dann gurken die Kurse im August und im September so vor sich hin. Diese beiden sind in den meisten Jahren die schlechtesten Börsenmonate, und auch diesmal sieht es so aus, als ob die Regel gilt. Die Aktienmärkte stecken in der Korrektur, die ich Euch seit April angekündigt habe. Angesichts der eher durchwachsenen Inflationsdaten aus den USA sind die Anleger einfach etwas vorsichtiger geworden.
Auch wenn in der Presse manchmal schlechte Laune verbreitet wird:** Die meisten Unternehmen stehen gut da, die Zahlen der letzten Berichtssaison waren im großen Ganzen robust. Fast alle haben beim Gewinn positiv überrascht, etwas mehr als die Hälfte erfreulicherweise auch beim Umsatz.*** Bis auf die bekannten Tech-Titel sind viele Aktien inzwischen auch moderat bewertet. Andererseits geht der Entzug der Liquidität an den Märkten weiter: Neben der bekannten Geldmengenkontraktion durch das Quantitative Tightening in Amerika kommt aus einer anderen Ecke Gegenwind: Die Amerikaner planen bis Ende des Jahres die Emission von Staatsanleihen bis zu 1 Bio. Dollar. Da geht ordentlich Geld verloren, das sonst in Aktien investiert worden wäre oder das sogar aus Aktien abgezogen wird. Am Geldmarkt (kurz laufende Anleihen) sind bereits wieder Renditen um 5 Prozent drin, und sogar Deep-Discount-Zertifikate wie PD7296 (Rendite: 5,2% p.a.) oder PD729U (Rendite: 4,8% p.a.; beide sind im August bei comdirect gebührenfrei handelbar) eignen sich wunderbar als Geldparkplatz über den Sommer!****
Anleihen werden attraktiver
Die Realrendite auf zehnjährige US-Staatsanleihen erreicht knapp 2 Prozent, der höchste Stand seit 2009. Das treibt die Investoren jetzt in den Dollar. Die Zinsstrukturkurve ist also invers, lang laufende Anleihen bringen weniger Rendite als Anleihen mit kurzer Restlaufzeit; das ist typisch für rezessive Wirtschaftsphasen. Auch Warren Buffett kauft im Moment nur Kurzläufer am Geldmarkt: Er befürchtet steigende Zinsen am langen Ende, die hohe Kursverluste für lang laufende Anleihen bringen würden. Hedgefondsmanager wie Bill Ackman gehen noch weiter und shorten den Future für 30-jährige Anleihen. Meine Leserinnen und Leser können dafür Zertifikate wie beispielsweise das schon öfters empfohlene SF575U nutzen, das auf fallende Kurse bei den US-Staatsanleihen***** setzt und ein klarer Kauf ist (Stopkurs für das Zertifikat: 31 Euro). Das entsprechende Produkt für deutsche Staatanleihen (der FGBL****** mit der WKN 965264) kennt Ihr ebenfalls schon: Die WKN SF5USV bewegt sich allerdings seit November seitwärts, weil der Bund-Future nur ganz sanft von 140 auf 130 Prozent gefallen ist und der Gewinn von den Finanzierungskosten des Zertifikates aufgefressen wurde (Stopkurs 61 Euro). Kein zwingender Kauf also.
Spannend an der aktuellen Korrektur ist die Entwicklung der Nasdaq. Bei den Tech-Aktien sind die Kurse zwei Wochen in Folge gefallen, das gab es zuletzt im Februar. Möglicherweise läuft die Euphorie rund um das Thema KI aus: Microsoft, Super Micro Computer, Splunk, Broadcom, Palantir schwächeln deutlich. Nur Nvidia und Adobe steigen einstweilen noch weiter. Wie lange noch? Wer hier investiert ist, hat definitiv alles richtig gemacht und zieht jetzt bitte seine Stopkurse nach.
Blutbad bei Nebenwerten
Noch sind die Korrekturansätze bei den ganz großen Blue Chips zaghaft. Doch viele Nebenwerte erleben ein wahres Blutbad. Schaut Euch mal Krones, Sixt, Deutz oder die Baywa an! Im Gegensatz zu den großen global agierenden Konzernen ist der Mittelstand auf Gedeih und Verderb den Standortbedingungen im Heimatland ausgesetzt. Oft sind die Absatzmärkte auch weniger international. Investoren meiden diese illiquiden Sektoren. Der MDAX bewegt sich auf dem Niveau von Ende 2019 und bis zum Top fehlen noch 31 Prozent. Dem SDAX fehlt sogar ein Drittel. Das geht seit Jahren so, und Besserung ist nicht absehbar. Wer sich im Bereich der Nebenwerte bewegt, hat somit aktuell nur zwei Optionen: Kauf in speziellen Sondersituationen (potenzielle Übernahme, operative Beschleunigung etc.), oder Kauf nach starken Kurseinbrüchen, die fundamental völlig überzogen sind. Beides sind meiner Meinung nach keine Strategien, die aktuell nachhaltig Erfolg versprechen. Es ist eher ein Glückspiel. Indes:
Hier zeigt sich wieder etwas, was mir schon seit längerem große Sorgen bereitet: Die Rally seit September 2022 wurde zuletzt nur noch von sehr wenigen, großen Titeln getragen. Im Grund genommen haben wir den Anstieg des S&P 500 nur den üblichen Verdächtigen zu verdanken: Apple, Alphabet, Adobe, Amazon, Meta, Microsoft und Nvidia haben den Index getrieben. Alle anderen Aktien haben sich im Durchschnitt nicht bewegt. Das erkennt man, wenn man sich die Kurse ansieht, man erkennt es aber auch ganz deutlich an den Indikatoren für die schwache Marktbreite: Die Advance-Decline-Linie fällt -- unter Schwankungen -- bereits seit dem Jahreswechsel 2021/22, und die Anzahl der Aktien weltweit, die noch über ihrer 200-Tage-Linie notieren, ist am Freitag auf 41 Prozent gefallen -- so tief wie seit Januar nicht mehr. Passend dazu ist auch das Weltmomentum abgestürzt auf 97 Prozent, ebenfalls so tief wie Anfang Januar. All das sind klare Signale, dass die Aktienmärkte innerlich nicht mehr "gesund" sind. Diese Signale gibt es seit Monaten; meine Vorhersage einer Korrektur war jetzt wirklich nicht besonders schwierig.
Wie geht es weiter?
Der Abwärtsdruck dürfte sich bis in den Herbst hinein verstärken. Eine solide Cashquote von vielleicht 30 Prozent hat oberste Priorität; nur so seid Ihr handlungsfähig auf der Kaufseite, wenn sich neue Aufwärtstrends herausbilden. Ende September/Anfang Oktober darf man dann wieder voll investiert sein. Ich habe Euch in den letzten Monaten diverse Produkte an die Hand gegeben, mit denen Ihr von fallenden oder zumindest nicht stark steigenden Kursen profitieren könnt. Mit allen meinen Empfehlungen liegen meine Leserinnen und Leser dick im Plus. Sogar die beiden Produkte mit der 16500-Schwelle (WKN PD2K3C und PE5YF5), die Ende Juli intraday gerissen wurde*******, werden voraussichtlich zum Höchstkurs eingelöst werden, weil der DAX unter dem Floor von 16000 Punkten liegt. So geht professionelles Portfoliomanagement; man kann auch Geld verdienen, wenn die Kurse fallen oder rumgurken. Das Fachbegriff lautet "Seitwärtsrendite". Kürzlich habe ich weitere Empfehlungen dazu gegeben. Auch die bekannten, aber extrem riskanten Inline-Optionen auf den DAX können in dieser Situation für Anleger interessant sein, die genau wissen, was sie tun.
So eine Korrektur hat natürlich immer auch positive Seiten. Für langfristige Anleger ergeben sich Chancen, gute Aktien zu tieferen Kursen einzusammeln. Wichtig dabei ist, dass Ihr keine Tiefflieger aufsammelt (klicki-di-klick), sondern fundamental gesunde Aktien in einem schönen Aufwärtstrend. Denn Aktien mit sehr niedrigen Kursen sind nur deswegen so billig, weil niemand Interesse am Kauf hat. Aktienkurse bilden sich ja immer nur nach Angebot und Nachfrage und niemals wegen einer vermeintlichen Über- oder Unterbewertung. Wenn aber außer Euch niemand Interesse daran hat, die Aktie zu kaufen, warum sollte sie dann nach Eurem Kauf steigen? Natürlich mag es im Einzelfall einen Katalysator für steigende Kurse geben, aber wenn Ihr die einzigen seid, die ihn sehen, dann sind die Chancen auf Kursgewinne schlecht. Solche Titel sind in der Regel totes Kapital, das in anderen Aktien viel besser aufgehoben ist. Aus diesem sehr einfachen Grund funktionieren Trendfolgestrategien so gut, und sie sind nicht mit großem Rechercheaufwand verbunden. Technisch orientierte Anleger achten darauf, Aktien zu kaufen, die oberhalb ihrer 200-Tage-Linie notieren.
Krisenfeste Aktien für Euer Depot
Ich habe für Euch heute Aktien herausgesucht, die in fast allen Krisen und auch jetzt im Kurs steigen. Die Idee dabei ist folgende: Eure Performance entscheidet sich vor allem in Krisenzeiten. Schönwetterbörse kann jeder, doch intelligente Anleger begrenzen ihre Verluste, wenn es mal nicht in die richtige Richtung geht! Am besten ist es natürlich, wenn man Aktien hat, die auch in schlechten Börsenphasen weiter steigen oder zumindest nicht stark fallen. Daher habe ich meine umfassende Datenbank nach Aktien durchsucht, die auch in Krisenphasen eine gute Figur gemacht haben. Konkret habe ich die folgenden sieben Zeiträume als "Krisen" definiert -- für Euch gleichzeitig ein Rückblick auf über 20 bewegte Jahre an der Börse:
Basis meiner Auswertung waren rund 20.000 Titel aus aller Welt, in einer gigantischen Datenbank mit 120 Millionen Einzelkursen. Zunächst habe ich alle Instrumente gestrichen, die keine ausreichend lange Kurshistorie haben. Übrig geblieben sind 5900 Titel mit Kursen von mindestens 2007 bis 2023, für die ich die Entwicklung während der genannten sieben Krisen untersucht habe. Bedingung war, dass die Aktien nur in maximal einer der sieben Krisen, die sie miterlebt haben, eine negative Performance hatten. Dieser Filter beschränkt die Liste auf nur noch etwa 100 Aktien. Dummerweise sind aber noch Titel dabei, die nur in den Krisen eine gute Performance hatten, sonst aber im wesentlichen im Kurs gefallen sind. Aus diesem Grund war das nächste Kriterium, dass die Kursperformance pro Jahr insgesamt mindestens 5 Prozent p.a. beträgt (zuzüglich Dividende) -- denn sonst kann man sein Geld gleich in Geldmarktfonds parken, siehe oben! Noch etwa 40 Titel erfüllen auch diese Bedingung. Als letzter Schritt wollen wir ja nur Aktien im Aufwärtstrend kaufen, also habe ich solche Aktien herausgesucht, die über ihrer 200-Tage-Linie liegen (also RSL = relative Stärke nach Levy = aktueller Kurs geteilt durch Wert der 200-Tage-Linie = über 100 Prozent). Jetzt gibt es nur noch 16 Treffer. Die findet Ihr in der folgenden Tabelle, und zwar sortiert nach der durchschnittlichen Performance in den sieben Problemphasen. Diese 16 Aktien sind nicht unbedingt meine langfristigen Favoriten, aber zumindest ein guter Kauf und ideal für die aktuelle Lage.
Wie gewohnt versorge ich Euch gleich mit den passenden Stopkursen. Denn ich kann mich irren (tatsächlich passiert das sogar sehr häufig), und dann sichern die Stopkurse Euch ab, falls meine Empfehlungen Mist sind.
Siehe da: ganz an der Spitze taucht ein Name auf, den vielleicht noch nicht jeder von Euch kennt. Capcom aus Japan ist ein Videospiel-Hersteller. Neben Flippern und Arcade-Automaten stammt beispielsweise Resident Evil von Capcom. Die Abkürzung steht übrigens für Capsule Computers.
Antworten auf Eure Fragen
Ich möchte abschließend noch paar Leserfragen beantworten, die von allgemeinem Interesse sind. Einige von Euch haben mich um eine Einschätzung von K+S, BAT, Verizon und Telefonica Deutschland gebeten und gefragt, wie man Stopkurse vorgibt. Die vier Aktien haben die Leser wegen der hohen Dividendenrendite gekauft, die bei Telefonica Deutschland ja scheinbar sogar steuerfrei gezahlt wird; sollte man hier nachkaufen und "verbilligen"? Hier ist meine klare Antwort dazu:
British American Tobacco (WKN 916018): Wirklich schade. Bis 2016 ein Wert wie aus dem Bilderbuch, seitdem geht es nur noch abwärts. Unterhalb von ungefähr 26 Euro brennt der Baum. Die Leute rauchen immer weniger. Gibt es einen Katalysator, warum die Aktie bald wieder steigen sollte? Bin ich der einzige, der diesen Katalysator kennt (denn sonst würden Profis die Aktie kaufen und der Kurs würde steigen)? Man bedenke auch: Bei einer Dividendenkürzung würde der Titel abstürzen. Da sollte man jetzt die Notbremse ziehen und verkaufen. Ihr könnt der Aktie eine letzte Chance geben und bei etwa 28 Euro einen Stop Loss installieren: Wenn die Aktie unter 28 Euro fällt, wird sie vollautomatisch verkauft.
Ähnliches gilt für Verizon (WKN 868402). Seit über einem Jahr geht es abwärts. Einzige Hoffnung ist die Dividende. Das Problem ist, dass solche Aktien als Anleihe-Ersatz gekauft werden, solange die Zinsen niedrig waren. In Zeiten steigender Zinsen kaufen die Leute lieber wieder echte Anleihen, und dann leiden Aktien mit hoher Dividende (Telekommunikation, Versorger). Bitte verkaufen oder -- als letzte Chance -- einen Stop Loss bei ca. 27 Euro vormerken. Ich will nicht verschweigen, dass ich im Juli in Verizon eingestiegen bin, das würde ich Euch aber nicht empfehlen. Es ist eher eine Kamikaze-Aktion von mir.
Telefonica Deutschland (WKN A1J5RX): Bloß die Finger weg! Verluste zu reduzieren, indem man nachkauft und "verbilligt", ist einer der größten Fehler, den man an der Börse machen kann. Ihr werft gutes Geld schlechtem Geld hinterher. Die Aktie fällt seit zehn Jahren (!!!) -- mit extrem großen Schwankungen, bei denen nur kurzfristige Trader Geld verdient haben. Warum sollte sie jetzt auf einmal langfristig steigen? Wenn Ihr einen Grund für Kurssteigerungen kennt, seid Ihr offenbar die einzigen, denn die Profis kaufen die Aktie im Moment (und schon seit zehn Jahren) nicht -- sonst würde der Kurs steigen. Die Aktie ist bitte ein sofortiger Verkauf ohne Stopkurs. Übrigens ist die Dividende bei Telefonica Deutschland nicht steuerfrei. Das ist eine optische Täuschung. Die Auszahlung reduziert die steuerlichen Anschaffungskosten, so dass man die Dividende beim Verkauf der Aktie nachversteuert.
K+S (WKN KSAG88) ist seit 2008 (!!!!) ebenfalls ein Trauerspiel. Im Zuge des Ukraine-Kriegs ging es in 2022 mal nach oben, aber das war nur eine Zwischenerholung im Abwärtstrend. Die Aktie sieht nicht gut aus. Bitte Stopkurs bei ungefähr 14,20 Euro (unter dem Tief im Mai/Juni 2023). Wer mehr als ca. 200 K+S-Aktien hat, darf für die Hälfte einen trailing-Stop-Loss bei 16,50 Euro (unter dem Tief im August 2023) installieren mit trailing-Abstand 10 Prozent. Auf diese Weise wird der Stopkurs automatisch nachgezogen, wenn die Aktie über den Hochpunkt im August 2023 steigt.
Konservative Anleger sollten alle vier Aktien verkaufen oder zumindest mit einem Stopkurs absichern. Faustregel: von Aktien, die ein Neun-Monats-Tief erreichen, sollte man sich verabschieden. Geld, das in solchen Aktien steckt, ist totes Kapital. Nehmt die Kohle und kauft davon lieber Aktien, die im Kurs steigen. Denn schließlich wollt Ihr an der Börse ja Geld verdienen! Das führt natürlich zu der berechtigten Frage:
Wie setzt man Stopkurse?
Welche Schwankungen erlauben wir der Aktie? Ich habe ja schon öfters gesagt, dass ich mehrere Bücher darüber schreiben könnte. Stopkurse sind im Wesentlichen eine Frage der Erfahrung. Man erkennt die Unterstützungen, Trends und auch die typischen "Atembewegungen" einer Aktie in einem 2-Jahre-Diagramm ganz gut. Viele Anleger machen den Fehler und achten zu sehr auf kurzfristige Tagesschwankungen. Ihr seid aber keine Daytrader! Das predige ich immer und immer wieder, und doch lese ich regelmäßig in der Community Fragen wie "warum ist der Kurs heute um 5 Prozent abgestürzt", freilich nachdem er sich vorher innerhalb einiger Jahre verdreifacht hat.
Ein Profi schaut sich zum Beispiel einen logarithmischen Zwei-Jahres-Chart der Aktie an und sieht auf Anhieb, wo man sinnvolle Stopkurse setzen kann. Für Anfänger ist es etwas schwieriger. Wichtig ist aber: Stopkurse sind eine Heuristik und keine Wissenschaft! Es ist besser, einen etwas ungünstigen Stopkurs zu setzen als Aktien völlig ohne Absicherung zu halten. Kleine "Unfälle" passieren auch mir immer wieder. Ganz oft werde ich ungewollt ausgestoppt, aber dann verbietet mir ja niemand, wieder einzusteigen, wenn die Aktie nach oben dreht.
Aber ich investiere doch in Konzerne und Firmen und will nicht kurzfristig an der Börse spekulieren! So wie Warren Buffett! Brauche ich da trotzdem Stopkurse? Auch so eine Frage, die regelmäßig kommt. Die Aussage "ich investiere in Firmen" belegt ein großes Missverständnis: Was uns alle eint, ist dass wir an der Börse Geld verdienen wollen. Vermessen ist allerdings der Vergleich: Natürlich braucht Warren Buffett keine Stopkurse, denn wenn in einem Laden, den er übernommen hat, die Zahlen nicht passen, dann wird er irgendwann das Management austauschen, bis die Ergebnisse wieder stimmen. Im übrigen hat er durch die direkten Kontakte in die Unternehmen auch einen großen Informationsvorsprung gegenüber dem normalen Anleger. Ein Amateur mit ein paar tausend Euro hat nicht diese Möglichkeiten! Das Management spricht im Zweifel ja noch nicht mal mit mir. Wenn sich mein Investment nicht gut entwickelt und ich entschuldige das damit, dass ich ja "in Konzerne investiere", dann ist das nichts anderes als eine Entschuldigung für einen Fehler, den ich gemacht habe und mir aber nicht eingestehen will. Denn im Zweifel liege ich freilich richtig und alle anderen haben unrecht. Fehlende Demut vor dem Markt, der immer recht hat, ist aber eine der Grundschwierigkeiten vieler Hobbyanleger und führt dazu, dass sie langfristig schlechter abschneiden als die Profis. Die konsequente Begrenzung von Verlusten ist eine Grundvoraussetzung, damit man dauerhaft erfolgreich ist. Ob man das automatisiert mit Stopkursen macht oder ob man ein Investment, das gegen einen läuft, irgendwann aktiv verkauft, ist dabei Geschmacksache. Ein gutes Beispiel, warum Stopkurse besser sind als abzuwarten, habe ich allerdings gerade letzte Woche wieder schmerzhaft selbst erlebt:
Ich mache die gleichen Fehler wie alle anderen
Nur damit niemand denkt, dass ich mich immer selbst an meine eigenen Regeln halte: Die Aktie von Adyen (WKN A2JNF4) hatte dummerweise keinen aktiven Stop Loss an der Börse, nur einen "vorgemerkten" ICO-Stopkurs im Computer. Das Papier hatte seit September 2022 einen recht stabilen Verlauf; da hat mein Computer keine Notwendigkeit gesehen, die Aktie wirklich abzusichern. Und dann kam mit den grottenschlechten Zahlen am Donnerstag letzter Woche der Absturz um über 40 Prozent. Ein Clusterfuck! Bei 880 Euro habe ich das Papier dann am Freitag manuell verkauft. Wenn die Aktie jetzt wieder steigt, kennt Ihr den Grund. Übrigens auch den Grund für meinen heutigen Beitrag, denn zur Strafe musste der Großrechner die oben erwähnten 120 Millionen Einzelkurse durcharbeiten. Das soll ihm eine Lehre sein, meinem Computer. Tatsächlich ist es in der Theorie ganz einfach:
Verluste zu begrenzen und ansonsten Gewinne laufen zu lassen ist wirklich das (gar nicht so geheime) Geheimrezept für Erfolg an der Börse. Und zwar, das ist ganz wichtig zu verstehen, völlig unabhängig von Eurer Strategie (fundamental, Trend, Trading, Dividenden, Turnaround, News-Trading, Dartpfeile, Spielcasino, was auch immer). Die Strategie entscheidet vor allem über den Einstieg in Aktien. Die Verlustbegrenzung dagegen hat mit dem Ausstieg zu tun. Beides wird, auch in unserer Community, sehr oft verwechselt! Übrigens:
Gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wachsen nicht auf Bäumen. comdirect leidet genauso unter dem Fachkräftemangel wie fast alle anderen Unternehmen. Mitunter zeigt sich das, wenn man als Kunde am Telefon warten muss und sich verständlicherweise darüber ärgert. Aus diesem Grund geht heute ein ganz besonders herzlicher Gruß nach Leipzig und nach Halle. Dort sitzen Leute, die hervorragende professionelle Arbeit leisten und die Kundenbetreuung in Quickborn entlasten, damit die Wartezeiten am Telefon für uns Kunden wenigstens ein bisschen reduziert werden können. Wie ich höre, liest man auch dort meine Beiträge; das freut mich sehr.
Damit wünsche ich Euch allen einen schönen Sonntag und viel Spaß an der Börse
herzliche Grüße aus einem hochsommerlichen München
an alle, die hier noch lesen und nicht bereits eingeschlafen sind
nmh-Team
___________________________________
*) Einige berichten ja sogar hier in der Community gerne von ihrem Urlaub
**) Das liegt auch daran, dass Verlage unter steigenden Kosten, vor allem für Papier, leiden und sparen. Mit künstlicher Intelligenz generierte Billigtexte brauchen keinen sauberen Journalismus, so richtig mit Recherche und so. Das bekommen die Redakteure und Autoren zu spüren, und dann ist natürlich immer die Bundesregierung schuld. Außerdem lesen die Leute sowas gern.
***) Fundamentaldaten-Fans achten eher auf die Umsätze als auf die Gewinne. Denn durch Sparmaßnahmen bis zum Gehtnichtmehr kann man den Gewinn schönrechnen. Die Umsätze sind weniger leicht zu manipulieren.
****) Der DAX darf bei Fälligkeit nicht unter 10.000 bzw. 8.000 Punkten stehen; der einzige "Haken" bei dieser Konstruktion ist, dass man mit einer entsprechenden Anleihe von BNP mit dem gleichen Emittentenriskio vermutlich noch mehr Rendite erhalten würde
*****) zur Erinnerung: steigende Zinsen bedeuten fallende Anleihenkurse, und umgekehrt
******) die Bedeutung der Abkürzung ist umstritten: "future german bunds long", oder auch "federal government bond liability"
*******) Wenn Euch mal jemand fragt, was an der Börse ein Fehlsignal ist, könnt Ihr auf jenen 28. Juli 2023 verweisen!
Hinweis auf Interessenkonflikte: Selbstverständlich halte ich alle genannten Wertpapiere und noch zahlreiche weitere in meinen Depots. Von einigen viel, von anderen weniger. Eine Kursbeeinflussung durch den vorliegenden Text ist aufgrund der hohen Marktkapitalisierung nahezu ausgeschlossen. Ich halte es nur für fair, Titel vorzustellen, von denen ich auch selbst überzeugt bin, so dass ich mit den Lesern im selben Boot sitze.
Gelöst! Gzum hilfreichen Beitrag.
am 29.08.2023 22:43
Auch ich muss mich jetzt noch unbedingt bei @nmh @für die neue Liste bedanken. Church & Dwight wurde von mir aufgestockt und Cintas wurde auf der Watchlist nochmal ganz dick markiert.
Zudem möchte ich auch @FakeAccount für sein Durchhaltevermögen beim Stalken seines nervigen Nachbars danken. Leute mit einem schmutzigen Auto in der Einfahrt sind wirklich ein schwer ertragbares Ärgernis.
Eine inhaltliche Frage möchte ich allerdings auch noch loswerden:
Die häufig schon erwähnte Sterneaktie Novo Nordis läuft schon lange erfreulich nach oben, nun kommt der Hype um das Abnehmmittel hinzu, doch das ist vielleicht nicht alles, was für die Aktie spricht. Am 13. September gibt es einen 2 zu 1 Aktiensplit. Das ist natürlich ein vergleichsweise harmloser Split, trotzdem könnte es der Aktie zusätzliches Feuer verschaffen. Langfristig ist der Kauf von Novo Nordis sicherlich kein Fehler.
Aber zur generellen Frage: Lohnt sich der Kauf einer Aktie vor einem Split eigentlich? Zwei Faktoren leuchten mir ein: Aktien die gesplittet werden laufen seit längerer Zeit sicherlich besser als der Durchschnitt und der Preis sieht nach dem Split für Privatpersonen „kaufbarer“ aus. Gibt es noch weitere Faktoren, die für einen Kauf sprechen?
am 30.08.2023 09:17
@Mr. Dachs : Es ist ja nicht nur, weil das Auto so schmutzig ist. Sondern es ist auch schon uuuuralt. Fast 20 Jahre alt. Wundert mich, dass er noch durch den TÜV kommt damit (solche Prüfer sind bestechlich, weiss man ja). Naja, nmh hat halt mit Autos nix am Hut und daher keine Ahnung, was er sich neu kaufen soll. Und er hat ganz offenbar auch keine Lust, sich mit dieser Frage zu beschäftigen. Neulich hat er mir gesagt, bei den deutschen Herstellern müsse man ja schon froh sein, wenn sie einem überhaupt ein Auto verkaufen. Naja, hoffnungsloser Fall.
Bei dem Aktiensplit von Novo-Nordisk werden alle offenen Orders (auch Stop Loss) automatisch gestrichen ("Börsenusance") und müssen neu eingegeben werden. Dann natürlich mit entsprechend halbiertem Stopkurs.
Ein Grund, die Aktie zu kaufen, ist der Split nicht. Die Erfahrung zeigt zwar, dass Aktien meistens ab der Ankündigung des Splits steigen, aber wenn der Split dann durchgeführt ist, endet dieser Effekt meistens. Wer noch gar keine Novo-Nordisk im Depot hat, darf vorsichtig eine kleine Position unlimitiert kaufen und dann nachlegen, wenn der Kurs vielleicht nochmal auf 150 bis 160 Euro korrigiert.
Wer grosse Bestände von Novo-Nordisk im Depot hat, sollte einen Teil (!) der Aktien weiterhin mit dem trailing-Stop-Loss absichern, den nmh weiter oben (am 21.08.2023 um 17:03 Uhr) gepostet hat. Nach dem Split halbiert sich der Stopkurs in Euro, aber der Prozentsatz für die Trailing-Funktion halbiert sich natürlich nicht.
Hochachtungsvoll
der Nachbar von nmh
am 30.08.2023 14:25
Hallo @nmh
danke für deine Tipps zum Thema „Stoppkurs“
Leider habe ich hier immer das Gefühl den Stoppkurs zu nah am aktuellen Kurs zu legen und leide somit immer unter Tagesschwankungen. Ich weiß, ich bin/will kein daytrader sein, aber die Tagesschwankungen sind immer so stark, dass ich leider häufig Aktien verkaufe, die ich eigentlich noch halten wollte. Gerade wieder bei TESLA passiert. Gestartet am Tag bei 235€. Gesetzt auf 233, verkauft bei 232,80€. Das war aber nur das Tagestief, nun steht sie wieder bei 235,35€ Hm…wie weit weg setzt die den Stoppkurs vom aktuellen Kurs bzw. hast du hier einen Tipp parat?
oder macht es Sinn des Stoppkurs so zu setze , dass Aktien nur am Tagesschluss verkauft werden und nicht während eines Börsentages?
Danke vorab, dass du mich an deiner Erfahrung teilhaben lässt.
beste Grüße
am 30.08.2023 15:06
Herzlich willkommen in dieser Community und vielen Dank für Dein Interesse an den Beiträgen von nmh!
Da mein Nachbar nmh offenbar tatsächlich sein Auto in die Waschanlage bringt (gibt's ja gar nicht), erlaube bitte, dass ausnahmsweise ich Deine Frage beantworte.
nmh erwähnt ja immer wieder, dass er ganze Bücher über Stopkurse schreiben könnte. Genauer gesagt sind es zwei Bände: Band 1 = so setzt man Stopkurse richtig (850 Seiten), und dann Band 2 = meine Erfahrungen, wenn ich ungewollt ausgestoppt werde und dann einfach wieder einsteige, denn solche kleinen Unfälle kosten langfristig wesentlich weniger Performance als das sture Festhalten über Jahre an Verlustbringern (966 Seiten).
Keine Ahnung, ob die beiden Bücher irgendwann erscheinen werden.
Stopkurse setzen ist im Wesentlichen eine Frage der Erfahrung. nmh arbeitet grundsätzlich mit logarithmischen Zwei-Jahres-Charts. Wenn Du Dir die Tesla-Aktie in einer solchen Darstellung anschaust, siehst Du sofort, dass die Tagesschwankungen in den letzten Monaten typischerweise um 20 Euro lagen, während die mittelfristigen "Atembewegungen" (z.B. Kursrückgang März/April 2023, oder im Juli/August 2023) typischerweise im Bereich 20 bis 30 Prozent lagen. Tesla hat einen Psychopathen als Chef, daher schwankt die Aktie extrem stark.
Aus diesen Werten erkennt man unmittelbar, dass ein Stopkurs von 233 Euro für die Tesla-Aktie für mittel- und langfristige Anleger viiiiiiiiiel zu eng ist!
Mein Nachbar nmh empfiehlt seit April 2023 für Tesla einen Stopkurs bei 130 Euro. Ich plädiere dafür, diesen Stopkurs jetzt auf 170 Euro hochzusetzen; das passt gut zur 200-Tage-Linie und auch gut zum Tiefpunkt im August 2023.
Ich hoffe, das hilft Dir etwas. Am besten investierst Du das Geld aus Tesla-Aktien jetzt in eine andere Aktie, die einen ruhigeren Kursverlauf hat und seit Jahren, besser seit Jahrzehnten ohne grössere Rückschläge steigt. Beispiele findest Du in den Sternelisten von nmh.
So gesehen war Dein viel zu knapper Stopkurs und Dein voreiliger Verkauf vielleicht sogar gut für Dein Depot.
Hochachtungsvoll
der Nachbar von nmh
am 30.08.2023 15:53
@SchwabeBER schrieb:Hallo @nmh
danke für deine Tipps zum Thema „Stoppkurs“
Leider habe ich hier immer das Gefühl den Stoppkurs zu nah am aktuellen Kurs zu legen und leide somit immer unter Tagesschwankungen. Ich weiß, ich bin/will kein daytrader sein, aber die Tagesschwankungen sind immer so stark, dass ich leider häufig Aktien verkaufe, die ich eigentlich noch halten wollte. Gerade wieder bei TESLA passiert. Gestartet am Tag bei 235€. Gesetzt auf 233, verkauft bei 232,80€. Das war aber nur das Tagestief, nun steht sie wieder bei 235,35€ Hm…wie weit weg setzt die den Stoppkurs vom aktuellen Kurs bzw. hast du hier einen Tipp parat?
oder macht es Sinn des Stoppkurs so zu setze , dass Aktien nur am Tagesschluss verkauft werden und nicht während eines Börsentages?
Wie kommt man denn als Nicht-Daytrader auf den Gedanken, den Stoppkurs 0,85% vom aktuellen Kurs entfernt zu setzen? Und wieso willst du eine Aktie nicht während des Börsentages verkaufen, am Ende des Börsentages aber schon? Entweder bist du doch Daytrader ohne es zu wissen, oder die Strategie ist sehr ungewöhnlich.
am 30.08.2023 16:19
@Marin Danke für dein Feedback! Mein Status "Einsteiger" entspricht sicherlich meines Aktienmarkt-Know-hows. Bin dabei Erfahrungen zu sammeln und Wissen aufzubauen. So einfach wie du das auf den Punkt gebracht hast, zeigt es mir auch, dass ich hier Verbesserungsbedarf habe. Hatte zu 204€ gekauft und wollte den gemacht Gewinn auf jeden Fall mitnehmen, wäre aber gerne noch weiter auf der Welle gesurft. Next time
am 30.08.2023 16:23
@FakeAccount Danke dir für dein Feedback. Ja da hast du recht, das recht. Das war sicherlich sehr eng getaktet. Hatte nur zu 204€ gekauft und wollte den Gewinn mitnehmen, einen Stoppkurs bei 130/170€ erschien mir dann doch zu niedrig, da ich ja schon in der Gewinnzone war. Aber ja, vielleicht muss ich hier mutiger werden, wenn ich noch weiter nach oben auf der Welle surfen will. Sagt ja keiner dass Erfahrungen sammeln immer leicht ist. Aber jut. Danke für die Teilhabe an deinem Knowhow! 🙂
am 30.08.2023 16:59
Hallo @FakeAccount eine Frage noch: du sprachst von einer Entwicklung der Tageshochs/-Tiefs. Damit hätte ich mich mal besser vorher beschäftigt. Kannst du mir ein Portal/Account empfehlen, dass du verwendest, um an diese Daten zu gelangen? Ich bin häufig bei FinanzNachrichten.de unterwegs, aber gerade diese Info zeigen sie dort nicht an. Bei Finanzen.net gibt es die Info aber nur am Laptop und nicht über die Handy-App.
Vorab besten Dank für einen Tipp!
30.08.2023 17:13 - bearbeitet 30.08.2023 17:16
Vielen Dank für Dein Feedback. Die Tageshochs und -tiefs sind für Dich als langfristigen Anleger völlig irrelevant. Die typischen Schwankungen innerhalb eines Tages siehst Du in einem logarithmischen 2-Jahre-Chart.
Offenbar hast Du auch das Konzept des Money-Management noch nicht ganz vollständig verstanden. Es ist wichtig, den Stopkurs bereits vor dem Kauf zu definieren. Ich empfehle Dir dringend, Dir diesen Beitrag hier nochmal sehr sorgfältig durchzulesen. Denn:
Du schreibst, dass Du bereits in der Gewinnzone warst. Das belegt genau das Misverständnis: Ob Du im Gewinn oder im Verlust bist ist für die Wahl eines Stopkurses völlig egal. Der Stopkurs steht bereits fest, bevor Du eine Aktie kaufst, und er ergibt sich ausschließlich aus dem Kursverlauf der Aktie, nicht aus Deinem persönlichen Gewinn oder Verlust.
Viel Erfolg!
Der Nachbar von nmh
am 30.08.2023 17:36
Hallo @FakeAccount , den Artikel kenne ich und habe auch versucht danach vorzugehen. Den Stoppkurs hatte ich beim Kauf für mich definiert und gesetzt, damit ich nach unten hin abgesichert war. Nur hatte ich das auch so verstanden, den Stoppkurs nicht starr zu lassen sondern dann immer anhand der Entwicklung weiter zu ziehen und anzupassen, in meinem Fall sicher zu knapp bemessen. Sicherlich muss ich da nochmal einsteigen, wenn du hier auf den Punkt er ergibt sich ausschließlich aus dem Kursverlauf der Aktie eingehst. Möglicherweise war da mein Fehler im System.