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wichtiger Hinweis für Inhaber von Verlustpapieren (Pleite-Anleihen)

nmh
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9.960 Beiträge

Liebe Anleihenfreunde (m/w),

 

auch erfahrene Anleger sind vor dummen Fehlern an der Börse nicht geschützt. Der eine oder andere hat möglicherweise damals viel Geld am "neuen Markt" verspielt, so um die Jahrtausendwende. Das ist mir zum Glück erspart geblieben - ich habe damals nur mit wenig Spielgeld mitgemacht.

 

Mein persönliches Börsen-Waterloo habe ich vor einigen Jahren mit den sogenannten "Mittelstandsanleihen" erlebt. Das waren und sind Anleihen von mittel bis gar nicht bekannten Unternehmen; der Zinskupon lag bei 6, 7, 8 oder 9 Prozent. Schon damals gab es viele warnende Stimmen: Das ist viel zu niedrig für das enorme Risiko solcher Anleihen!

 

War mir wurscht; ich habe in den Jahren so ab 2011, als diese ungute Mode aufkam, über 50 unterschiedliche dieser Anleihen gekauft. Meine Überlegung damals war: selbst wenn ein paar wenige davon wirklich pleite gehen, dann haste noch immer eine gute Rendite.

 

Denkste!

 

Die Insolvenzquote in meinem Mittelstandsanleihendepot liegt bei gut 20 bis 25 Prozent. Jede vierte meiner doch so attraktiven Anleihen wird nicht mehr bedient; das Geld ist fast weg. Man merkt es immer daran, dass der Kurs einer Anleihe ausgesetzt wird. Wenn man dann im Informer nachliest, sieht man es: "Die XXX GmbH hat heute Insolvenzantrag gestellt". Wenig später dann Post von comdirect.

 

Ich habe viel Geld damit verloren. Wie gesagt, mein ganz persönliches Waterloo.

 

Warum erzähle ich das? Weil es aus steuerlicher Sicht wichtig ist, einen solchen Verlust durch einen Verkauf zu realisieren! Angenommen, ich habe eine Anleihe zu 100% erworben, und später gibt es zum Beispiel eine Zwangsabfindung, einen Debt-to-Equity-Swap (Zwangsumtausch der Anleihe in Aktien) oder eine Zahlung aus der Insolvenzmasse von sagen wir mal 3%. Dann habe ich 97% meines Geldes verloren, aber steuerlich ist das nicht relevant, weil keine Veräußerung stattgefunden hat!

 

Mittelstandsanleihen sind ja schon länger ein Stressfaktor für ihre Inhaber. Sanierungen auf ihre Kosten und Insolvenzen führen reihenweise zu Kapitalverlusten, ganz oder teilweise. Seit 2015 sind auf diese Weise über 1,5 Milliarden Euro Anlegergelder vernichtet worden!

Darauf reagiert der Bundesfinanzminister am 10. Mai 2017 mit einem Schreiben an die obersten Finanzbehörden der Länder. Kapitalverluste aufgrund von Sanierungsmaßnahmen oder aufgrund der Insolvenz eines Anleiheschuldners sind "einkommensteuerrechtlich ohne Bedeutung".

 

Ihr müsst also, wenn Ihr Mittelstandsanleihen oder sonstige Katastrophenwertpapiere habt, einen Verkauf durchführen, damit die Bank bzw. das Finanzamt den Verlust auch steuerlich berücksichtigt. Ihr erhaltet dann 26,375% (Abgeltungssteuer plus Soli) vom Staat zurück.

 

Wenn Ihr die Hoffnung auf eine höhere Insolvenzquote habt, oder (so wie ich) einfach aus Nostalgie einen Restbestand (1.000 Euro nom.) der Anleihe beobachten wollt, könnt Ihr die Anleihe unmittelbar nach dem Verkauf wieder zurückkaufen. Das lohnt sich auch nach den Gebühren. Dazu ein Rechenbeispiel:

 

Wir nehmen mal den kleinstmöglichen Nominalbetrag an, also 1.000 Euro. Gekauft zu 100%, dann abgestürzt auf sagen wir mal 3%. Das Papier ist also noch 30 Euro wert, macht 970 Euro Verlust.

 

Wenn ich jetzt bis auf die Zwangsabfindung warte, sind die 970 Euro steuerlich verloren!

 

Also verkaufe ich heute zu 3% und kaufe die Anleihe unmittelbar zu 3,5% (unterstellt ein halbes Prozent Spread) wieder zurück. Durch den Spread verliere ich 5 Euro, dazu kommen Bankgebühren für den Kauf und Verkauf von je ca. 15 Euro. Insgesamt kostet die Transaktion also ca. 35 Euro. (Edit: weiter unten steht ein Tip, wie Ihr Euch auch den Spread sparen könnt)

 

Dafür erhalte ich durch den realisierten Verlust von 970 Euro immerhin 255 Euro bereits bezahlte Steuer gutgeschrieben (242,50 AbgSt plus 13,34 Soli) oder als Verlustvortrag für künftige Gewinne! Wie man sieht, ist das ein gutes Geschäft.

 

Wenn man mehr als nur 1.000 EUR nominal hält, ist der Vorteil eines Verkaufs/Rückkaufs noch entsprechend höher.

 

Und es könnte Eile bestehen. Viele notleidende Anleihen werden nämlich nach einiger Zeit von der Börse genommen ("Delisting"), dann ist es für einen Verkauf zu spät!

 

Meine Empfehlung: Nutzt die "Steuersimulation" von comdirect, um zu prüfen, ob Ihr in Eurem Depot Wertpapiere mit hohem Verlust liegen habt. Die solltet Ihr verkaufen und (auf Wunsch) zurückkaufen, um das Finanzamt (also uns alle!) an dem Verlust zu beteiligen!

 

Weitere Hinweise erhält der geschockte Leser, wenn er die WKN A1RE7V im Informer eingibt und dann bei den "News" auf den Eintrag vom 26.06.2017 klickt.

 

Ich hoffe, dieser kleine Hinweis hilft Euch.

 

Weiterhin viel Erfolg für Eure Investments,

 

viele Grüsse aus einem sonnigen München

 

nmh

 

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.
31 ANTWORTEN

nmh
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9.960 Beiträge

@dg2210:  Witzbold!    😉

 

nmh

 

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.

dg2210
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6.217 Beiträge

nmh schrieb:

@dg2210:  Witzbold!    😉

 

nmh

 


Der Chart hat immer Recht:

 

Screenshot_20171002_173234.png

 

ehemaliger Nutzer
ohne Rang
0 Beiträge

nmh schrieb:

 

1.   Bei den notleidenden Anleihen ist das Volumen relativ gering. Wenn Ihr am Wochenende zwei Orders (Verkauf bestens und Rückkauf mit Limit) aufgebt, wird Eure Order am nächsten Handelstag gegen Euch selbst (oft zu dem Limitkurs) ausgeführt, und Ihr spart Euch sogar den Spread.


Hallo @nmh,

 

Eigenhandel ist doch verboten!?

 

Schockiert,

Sonni

nmh
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9.960 Beiträge

@ehemaliger Nutzer:  Jaja, die Selbstkontraktion, Par. 181 BGB, eine eigentlich viel zu selten genutzte Vorschrift. Aber in meinem Fall handle ich ja nicht mit mir selbst, sondern meine linke Tasche handelt mit meiner rechten Tasche.

 

nmh

Rechtsaufsichtsabteilung

 

 

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.

nmh
Legende
9.960 Beiträge

@dg2210:  Witzwitzboldbold!!   😉   ;-(

 

nmh

 

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.

ehemaliger Nutzer
ohne Rang
0 Beiträge

An der Stelle stellt sich mir die Frage wie man so blöd sein kann, diese Anleihen zu kaufen. Es sei denn, man will damit zocken.

 

So gut wie keine Firma aus diesem Segment ist auch nur dazu in der Lage, die Zinszahlungen aus dem operativen Geschäft zu bedienen. Als Investment sind diese Anleihen jedenfalls völlig ungeeignet.

ehemaliger Nutzer
ohne Rang
0 Beiträge

Hallo @nmh,

 

nmh schrieb:

@sonnenbrille:  Jaja, die Selbstkontraktion, Par. 181 BGB, eine eigentlich viel zu selten genutzte Vorschrift. Aber in meinem Fall handle ich ja nicht mit mir selbst, sondern meine linke Tasche handelt mit meiner rechten Tasche.

 

nmh

Rechtsaufsichtsabteilung

 

und das ist erlaubt? Weil ich habe bisher gelernt, dass sowas verboten ist. Interessant, dass du das Gegenteil behauptest.

 

Ich habe jedoch auch noch eine Steuerfrage im Zusammenhang mit Verlusten. Mit meinem glorreichen Monsanto-Deal habe ich bei einer anderen Bank -107,30 EUR Verlust gemacht. Diese stehen jetzt in meinem Verlustsaldo. Bei der Codi habe ich sage und schreibe +3,42 EUR Saldo aus Aktiengewinnen.

 

Lt. meiner Internetrecherche habe ich Zeit bis 15.12.2017 bei der anderen Bank eine Verlustbescheinigung anzufordern. Dann kann der Gewinn mit dem Verlust steuerlich verrechnet werden. Oder ich warte, bis ich bei der anderen Bank mal eine Aktie mit einem solch hohen Gewinn verkaufe, damit ich die Verluste komplett steuerlich geltend machen kann.

 

Mein Steuerberater im Kopf sagt mir, ich soll warten, bis die Verluste komplett mit den Gewinnen ausgeglichen sind, um euch alle an meinem Deal teilhaben zu lassen.

 

Habe ich alles richtig verstanden?

 

Grüße aus Dresden

Sonni - Steuerberater aus LEIDENschaft

 

PS: Ich war bereits auf dem Dresdner Oktoberfest und geh morgen nochmal hin.



 

nmh
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9.960 Beiträge

Hallo @ehemaliger Nutzer,

 

Du hast alles richtig verstanden. Wenn Du die Verlustbescheinigung der anderen Bank beantragst, kann Dein Finanzamt im Rahmen der Einkommensteuererklärung den Verlust mit dem Gewinn verrechnen.

 

Einfacher für Dich ist aber, den Verlust bei der anderen Bank bestehen zu lassen und dort mit künftigen Gewinnen zu verrechnen.

 

Alternativ kannst Du auch das komplette Depot bei der anderen Bank zum comdirect übertragen; (nur) in diesem Fall wird der Verlustvortrag mitübertragen.

 

nmh

 

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.

Pramax
Mentor ★★★
3.470 Beiträge

Anleihekäufer haben's derzeit schwer.

 

Höhere Rediten sind nur über Anleihen mit erheblichen Risiko zu erzielen.

 

Seit einiger Zeit sind daher sogenannte Nachranganleihen en vogue bei Anlegern,

die bereit sind, ein höheres Risiko einzugehen.

 

Besonders die IKB Deutsche Kreditbank AG ist auf diesem Gebiet

derzeit mit Anleihen-Neuemissionen aktiv, die auch sehr lebhaft an der Börse gehandelt werden, wie z.B. dieses Papier mit der WKN A2E4QG:  A2E4QG

 

Anleger in diesen Nachranganleihen sollten berücksichtigen, dass sie

bei einer Pleite der Bank als nachrangige Gläubiger vor allen anderen Gläubigern mit ihrem Geld dafür einstehen – sie sind, wie der Name schon sagt, nicht von gleichem Rang.

 

Das Pikante an der IKB Deutsche Kreditbank AG ist, dass sie während der

Finanzkrise vor 10 Jahren nur durch massive Hilfen der Staatsbank KfW und

durch einen Verkauf an den US-Finanz-Investor Lone Star gerettet werden konnte.

 

Also, Augen auf vor dem Kauf (reimt sich sogar)!

 

Ich empfehle bei solchen Anleiehen auch immer einen Blick auf die Anleihen-Seite der Börse Stuttgart (www.boerse-stuttgart.de), wo Ihr nach der Eingabe der ISIN/WKN wesentlich mehr und wichtigere Infos erhält als im Comdirect Informer,

wie z.B. die kleinste handelbare Einheit.

 

Gruß, Pramax

__________________

Wenn schon Unsinn, dann muss es ein Kaiserschmarrn sein.

nmh
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9.960 Beiträge

Ja, da hat @Pramax  recht. Die Seite der Börse Stuttgart ist die Referenz für Anleihen. Wenn man die ISIN in Google eingibt, ist die Börse Stuttgart in der Regel auch schon der erste Treffer.

 

Dort findet man übrigens nicht nur die Stückelung, sondern auch die Kündigungsmodalitäten. So manch einer hat schon eine Anleihe gekauft und das Geld dann nach drei Wochen wegen Schuldnerkündigung wieder zurückbekommen. Abzüglich Spesen meist ein schlechtes Geschäft.

 

Tip: In der WM-Gattungsbezeichnung* der Anleihen (nicht unbedingt auch in der Billigversion, die comdirect uns seit neuestem im Informer zumutet) stehen bei Anleihen zwei oder drei Jahreszahlen drin:

 

EMITTENT A GMBH MTN-ANLEIHE VON 12/21

EMITTENT B GMBH MTN-ANLEIHE VON 12/19/21

 

oder auch

 

EMITTENT A AG MTN-ANLEIHE VON 12(21)

EMITTENT B AG MTN-ANLEIHE VON 12(19/21)

 

Beispiel: WKN A1MLSJ

Ekosem-Agrar GmbH Inh.-Schv. v.2012(2019/2021)

 

Beide Anleihen (MTN = medium term note, IHS = Inh.-Schv. = Inhaberschuldverschreibung) wurden 2012 ausgegeben und sind 2021 endfällig. Die untere (Emittent B) allerdings ist ab 2019 kündbar. Also immer genau informieren!

 

nmh

 

_____________

*)  Wird z.B. angezeigt, wenn Ihr in die Inlandsordermaske geht

 

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.