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Timing the Market - Wieso eigentlich nicht?

Fandorin
Autor ★
5 Beiträge

Hallo Zusammen,

 

es wird ja durchweg in Literatur behauptet und immer wieder gewarnt, dass man den Markt gar nicht zeitlich einschätzen kann. Es gibt einen Haufen Argumente dagegen. Warum nicht auch mal welche dafür? Ich behaupte, wir alle (ok, fast alle) versuchen den Markt zeitlich einzuschätzen und gleichzeitig leugnen wir die Gelegenheiten, nur weil es Gegenbeispiele gibt. 

 

Folgend eine (unvollständige) Aufzählung von möglichen Markt-timinig Gelegenheiten:

 

1) Ende des Jahres Phänomen

Zum Ende des Jahres, meist steuerlich bedingt, wird groß verkauft. Gilt nicht für alle Aktien, aber für die, für die es nicht gilt, kann man schön an langjähriger Performance erkennen, dass es für diese nicht gilt. Das heißt nicht, dass das dabei bleibt. Aber es ist tendenziell zutreffend. 

 

2) Montag - Freitag Phänomen

Immer wieder ein interessantes mikro-Phänomen des Ende des Jahres Phänomens. Passiert nicht ganz so zuverlässig, aber immer wieder. Freitag geht es runter und Montag geht es wieder hoch. Nicht viel, nicht immer, aber immer wieder. Tendenz erkennbar, auch wenn nicht sehr zuverlässig, weil zu viele andere Faktoren mitwirken.

 

3) Marktüberreaktionen bei bestimmten Nachrichten

China, Brexit, Hongkong oder was auch immer gerade flavour of the month ist und die Märkte ins Wanken bringt. Oder dann wieder Korrekturen veranlasst. Zugegeben ist es etwas volatil und schwerer zu timen, aber doch gibt es Gelegenheiten und sei es nur mit Options von allgemeiner Volatilität zu profitieren mit spreads, wie straddles, butterfly, condor oder anderen Strategien. Seitwärts geht der Markt eher nicht, wenn weltpolitisch viel los ist. Tendenzen klar erkennbar, wenn auch die Richtung nicht eindeutig ist. 

 

4) Überproportionale Bewegungen an einem Tag ohne ersichtlichen Grund

Bei überproportionalen Bewegungen eines Wertes an einem Tag oder in sehr kurzem Zeitraum, welche eher Marktverhalten, als realen Gründen unterliegt, führt dementsprechend oft (nicht immer) zu einer späteren Korrektur. Vonovia kürzlich mit übertriebener Reaktion auf vermeintlich wenig rosige Nachrichten, beispielsweise. 

 

5) Proportionalität der Bewegung zur bisherigen langjährigen Performance

Das wäre dann eher gedacht in Richtung des comdirect Forumlieblings mit technischem Ansatz. Nur umgedreht. Wenn ein Durchbrechen von bestimmter Performance in Richtung Verlust mit Stoppkursen begrenzt werden kann, so kann eventuell auch in die andere Richtung verkauft werden. Ja, ich höre schon die "Gewinne laufen lassen" - Argumente. Und ich habe ja gar nichts dagegen. Aber wieso nicht auch: Gewinne mitnehmen (bei geringer Gebühr), wenn eine überproportionale Bewegung(auch über mehrere Tage) im Vergleich mit der bisherigen langjährigen Performance geschieht, paar Tage zusehen, wie es sich weiter entwickelt und dann wieder neu einsteigen, wenn es weiter steigt. Korrigiert es herunter und man glaubt weiter an den Wert, steigt man wieder ein. Größter Verlust, wenn man sich irrt, sind die Gebühren fürs wieder einsteigen und eventueller kurzfristiger Zuwachs. Da wir aber alle langfristig denken, sollte dies nicht so sehr schmerzen. Genaugenommen, also das parallel-Argument zu: Verlust begrenzen und wenn es wieder steigt, kann man ja wieder kaufen. -> Gewinn mitnehmen und wenn es wieder/weiter steigt, kann man ja wieder kaufen. 

 

6) Dividendenauszahlungen und andere Kapitalmaßnahmen

Kapitalmaßnahmen führen, nach aktueller Meinung, in der Regel zu Wertverlusten, da für gewöhnlich eine Ausschüttung, welcher Art auch immer, stattfindet und damit der Wert sinken sollte. Das konnte ich so jedoch nicht wesentlich beobachten, auch wenn meine bisherigen Erfahrungen sich auf etwa 10 verschiedene Dividendenauszahlungen und Aktienrückkäufe/Aktienherausgabe beschränken. Bisher also die Meinung: Es lohnt sich nicht vor Ex-Dividend Datum einzukaufen, um die Dividende abzuräumen, und danach zu verkaufen. Ich behaupte jetzt, dass es sich durchaus lohnen könnte, wenn man sich vorher die jeweiligen Werte und ihr Verhalten um vorherige Dividendenzahlungen anschaut. Glaubt man zusätzlich noch an den Wert als solchen, so ergibt sich auch die Möglichkeit des haltens, unabhängig der Kapitalmaßnahmen.

 

Alle diese Elemente bedeuten jetzt nicht, dass ich der Meinung bin den heiligen Gral gefunden zu haben und es wäre einfach und würde immer funktionieren. Es gibt immer wieder Marktirrationalitäten, es gibt Haufen Gegenbeispiele für die oben aufgeführten Phänomene und am Ende kann ich auch komplett daneben liegen, weil ich bestimmte Dinge nicht bedacht habe und dem Fehlschluss verfalle, rückblickend Kausalität zu konstruieren. Eventuell bilde ich mir einige dieser Phänomene auch nur ein. Am Ende gibt es aber keine Gewissheit, egal mit welcher Strategie und es bleibt die Frage, wo man sich eine höhere (nicht absolut zutreffende!) Chance verspricht, dass es zu Gewinnen und nicht zu Verlusten kommt, mittel- bis langfristig. 

 

Timing the Market - Realistisch oder nicht. Am Ende versuchen wir es trotzdem. Eventuell wäre es also angebracht, sich genauer mit den Phänomenen zu beschäftigen, statt einfach zu behaupten, es ginge nicht. 

 

Gerne bin ich für Kritik, Diskussion und weitere Denkanstöße offen. 

 

P.S.: Ich verfolge nicht selbst die obige Strategie als einzige Logik. Vieles, was hier vom Forumsliebling/Oberguru geschrieben wird ist mit meinen Vorstellungen deckungsgleich. Aber ich beobachte diese beschriebenen (und andere) Phänomene und berücksichtige sie teilweise bei Kauf/Verkauf-Entscheidungen. 

5 ANTWORTEN

NR
Experte ★★★
664 Beiträge

Es gibt verschiedene Antworten darauf. Die einfachste ist, dass alle Deine aufgezählten Phänomene kurz- oder mittelfristiger Natur sind. Wenn Dein Anlagehorizont aber 20 Jahre ist, ist es völlig unerheblich, ob Du jetzt für 18,50 den Dip oder für 20,50 das Hoch kaufst, weil sich das bis dahin längst rausgemittelt hat.

 

Und genau das verstehe ich unter "Market Timing" -- den Kauf der Aktie in ein (vermeintliches) relatives-kurzfristiges Tief zu legen.

 

Die zweite Antwort ist, dass ich mir bei einigen Phänomenen die wissenschaftliche Literatur angesehen habe, bei anderen hatte ich keine Lust. Wieso? Naja, es ist halt nicht die Form des Trading (und das ist es, keine Anlage) die mich interessiert. Es gibt sicher Leute, die so agieren. Bin ich zu faul zu. Und einfach nur so loszulegen klappt nicht, da gilt dann wieder genau die Regel.

 

Und die dritte Antwort hat mit Statistik zu tun. Alle diese Phänomene -- unterstellt, dass die existieren, sicher weiß ich das nur vom Halloween-Effekt/Sell-in-May -- passieren mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Die ist aber nicht 100%. Ein Effekt der existiert bedeutet nur, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit >50% ist. Und das hilft halt für die Einzelaktie Null. Nur wenn Du viele Male den gleichen Effekt ausnutzt, kommst Du im Mittel besser weg. Und so viele Aktien bzw. investierbare Zeit muss man erstmal haben.

 

Zusammenfassend: Für den normalen Anleger ist die Regel, würde ich sagen, genau richtig. Sie hilft, nicht verschiedene Zeithorizonte und Strategien zu vermischen, was zu Verlusten führt, und bildet den Wissensstand des Anlegers ab.

 

 

Davon ab: Natürlich habe ich in Trumps Tweet-Dips gegriffen. Hat mir auch schöne Gewinne beschehrt. Aber das ist nur Spielkram und Nebenbei, weil ich weder Lust noch Zeit habe, den ganzen Tag die Börse zu beobachten; da passte es halt zeitlich grad mal, das ist dann schön -- aber ansonsten bin ich Anleger, nicht Trader.

zertifan
Autor ★★
19 Beiträge

Markt(über)reaktionen sind  bis heute meine Black-Box geblieben. Immer wenn etwas aussergewöhnliches (z.B. zwischen Freitagabend und Sonntag) passiert versuche ich mir vorzustellen, wie am Montag die Börse darauf reagiert. Mit meinen vermeintlich logischen Einschätzungen liege ich jedoch meist immer daneben - es passiert genau anders herum.

Montgomery
Experte ★
170 Beiträge

@zertifan  schrieb:

...immer daneben - es passiert genau anders herum.


 

@zertifan na perfekt, wenn du immer falsch vorhersagen kannst, dann bist du ein perfekter Indikator Lachender Smiley

 

dg2210
Legende
6.227 Beiträge

Die Börse hat zwei Seiten. Auf der einen Seite stehen die Profis, deren EDV-Systeme direkt mit den Nachrichtenagenturen verbunden sind und die für ihre Handelsaktivitäten weder Ordergebühren noch Kapitalertragsteuer zahlen, auf der anderen Seite die privaten Anleger, die Nachrichten  zeitverzögert erhalten und hohe Transaktionskosten tragen müssen.

 

Als Privater  hat man in diesem "Trading/Timing-Spiel" von Anfang an die schlechteren Karten.

PodcastFips
Autor ★
6 Beiträge

Unsicher ob das hier gern gesehen ist, aber ich bin hier gerade zufällig drüber gestolpert, und der von @dg2210 beschriebene Sachverhalt ließ sich sehr gut bei Wirecard beobachten.

 

Um 10:42 gab es die Ad Hoc Meldung bzgl. Jahresabschluss und bereits eine lausige Minute später war der Kurs um 70% abgestürzt.

 

Als Privatanleger hat man immer davon auszugehen, dass alle verfügbaren Informationen bereits eingepreist sind, da man so schnell überhaupt nicht reagieren kann. Das ist für mich zumindest der Hauptgrund, warum ich für mich in Markttiming keinen Wert sehe.