25.04.2022 15:39 - bearbeitet 25.04.2022 15:41
Aus gegebenen Anlass. Russland will die ADR´s aufkündigen. Was sagt die Comdirect dazu? Welche Möglichkeiten hat der Anleger?
https://www.adrbnymellon.com/files/al996040.pdf
Gelöst! Gzum hilfreichen Beitrag.
am 01.07.2022 23:04
"Sittenwidrig oder gar strafbar ist ein solch niedriges Kaufangebot allerdings nicht.
Dazu fehlen wesentliche Elemente.
Seitens der Empfänger des Angebots besteht kein Entscheidungdruck oder gar Zwang."
Entscheidungsdruck oder Zwang sind eine von mehreren nebeneinander stehenden Alternativen des Wuchertatbestandes. Sie sind keine zwingende Voraussetzung für die Sittenwidrigkeit i.S. des § 138 BGB oder des Leistungswucher-Straftatbestandes nach § 291 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB. Ich habe oben ausdrücklich von der Alternative der "Ausnutzung der Unerfahrenheit" gesprochen (siehe § 138 Abs. 2 Alt. 2 BGB und § 291 Satz 1, Halbsatz 1, Alt. 2 StGB).
"Unerfahrenheit dürfte auch kein Grund sein, da Aktienbesitzer zwangsläufig regelmässig vor der Entscheidung stehen, zu bestimmten Kursen entweder zu kaufen oder zu halten oder zu verkaufen.
Es ist halt nur ein Angebot zum Kauf."
Kleinaktionäre, denen aktuell solche Angebote unterbreitet werden, haben Erfahrung im Handel an der Börse zu Preisen, die sich aktuell jew. am Markt bilden. Nicht jedoch Erfahrung mit OTC-Angeboten zu Titeln, die aktuell vom Börsenhandel (angeblich wegen Sanktionen) ausgeschlossen sind und zu denen jedenfalls bei uns nicht-institutionellen (Klein-)Anlegern erhebliche Informationsdefizite bestehen (was z.B. dieser Thread beweist, keiner von uns weiß, wie es weitergeht). Ein Informationsmangel und eine Unerfahrenheit auf einem bestimmten Gebiet genügen aber für dieses Tatbestandsmerkmal. Ich zitiere die Bibel der Strafjuristen, den Fischer StGB-Kommentar zu § 291 (dort jeweils mit weiteren Nachweisen):
"Unerfahrenheit ist ein Mangel an Geschäftskenntnis und Lebenserfahrung allgemein oder auf einzelnen Gebieten, welche die Fähigkeit beschränkt, bestimmte Lebensverhältnisse zutreffend zu beurteilen. [...] Hingegen kann ein weitreichender Mangel an Informationen über wirtschaftliche Fragen zu Unerfahrenheit führen. Bei kaufmännisch schwierigen Geschäften ist weniger auf eine "durchschnittliche" Erfahrenheit als vielmehr auf einen der Geschäftsart typischen Informationsmangel auf Opferseite abzustellen."
"Im Übrigen ist der Hinweis auf die Aktienkurse in Russland und deren „Wert“ / Preis unbeachtlich und unzutreffend
Das Kaufangebot bezieht sich auf die DRs; und die sind aktuell nicht börslich handelbar und haben eben kein "Preisschild"
Ein krasses Missverhältnis i.S. des § 291 StGB wird in Lit. und Rspr. ab einer Überschreitung des üblichen Preises um mind. 50% angenommen. Um das bestimmen zu können, muss der Verkehrswert ermittelt werden. Ein festes "Preisschild" ist oft nicht präzise vorhanden. Das stößt regelmäßig auf Schwierigkeiten (z.B. bei Liebhaberobjekten, oder exotischen Themen wie Prostitutionsverträgen), wird aber dennoch gelöst.
Hier ist es nicht einmal so schwer, weil man nicht abstrakt schätzen muss, sondern konkrete Anhaltspunkte hat. Denn ein ADR hat keinen Eigenwert. Sein Wert besteht darin, dass er das Recht auf 2 Aktien verbrieft (im Fall von Gazprom). Für den Wert der Aktien muss man auch nicht auf März 2022 zurückgreifen. Gazpram-Aktien werden nämlich aktuell an der MOEX gehandelt. Daher ist es zumindest ein guter Annäherungswert, den Marktwert der Aktien an der MOEX abzüglich der Umwandlungskosten von ADR zu Aktien heranzuziehen. Diesem Ansatz steht nur entgegen, dass die ADR temporär nicht in Aktien umgewandelt können und nicht an einen Broker mit Zugang zur MOEX transferiert werden können. Das ist nur temporär, weil es durch die Sanktionen bedingt ist und Sanktionen als Verhaltenslenkungsmaßnahmen von Natur aus nicht permanent sind (sonst müsste man bereits jetzt alles abschreiben dürfen). Hierfür würde man aber einen Abschlag machen müssen. Selbst bei erheblichen Abschlägen für Umwandlungsstörungen kommen wir bei den Angeboten wie 10 oder 50 Cent aber weit über 50% Differenz und damit zu einem "krassen Missverhältnis".
Für mich als Otto Durchschnittsbürger wäre der Verdachtsgrad für eine Strafanzeige ausreichend, die weitere Beurteilung bliebe dann den fachkundigen Staatsanwälten aus der Wirtschaftsstrafrechtsabteilung überlassen.
Und hier noch ein Zitat aus der Bibel für Ziviljuristen (Palandt) zu dem Sittenwidrigkeitstatbestand aus § 138 Abs. 1 BGB:
"Bei einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht nach der Rechtsprechung eine tatsächliche Vermutung für ein Handeln aus verwerflicher Gesinnung, die i.d.R. eine weitere Prüfung subjektiver Voraussetzungen entbehrlich macht und die Sittenwidrigkeit des Vertrags begründet. Ein auffälliges Missverhältnis liegt vor, wenn der Wert der Leistung den der Gegenleistung um rund 100 % übersteigt."
am 01.07.2022 23:30
Russland wird das Thema DR Conversion wohl bald selbst in die hand nehmen. An allen Sanktionen vorbei...
...ganz ohne Broker, Clearstream.
http://www.cbr.ru/eng/press/event/?id=13975#highlight=depositary%7Creceipts
am 01.07.2022 23:36
Ist zwar alles ganz nett aber Börse ist Zahlen.
Wieviele ADR´s gibts auf dem Markt?
schätzt mal....
| Ausgegebene Aktien | 23.674.000.000 |
dann rechnet gegen wie viele Käufer es gibt...
Einwohner Russlands 140mio (Mehrzahl recht arm) + ????*
=
dann überlegt was dabei rauskommt....
*welche Länder Aktien in Russland handeln können entzieht sich meiner Kenntnis.
am 02.07.2022 10:14
Die mögliche Sittenwidrigkeit nach dem "Wucherparagrafen" ist hier im Forum ein Randthema, das vermutlich nur sehr wenige Leser interessiert.
Ich fasse mich deshalb möglichst kurz und schliesse für mich das Thema dann auch ab.
Zwischenzeitlich hat wohl auch der letzte Anleger verstanden, dass solche Transaktionsangebote mit der gebotenen Vorsicht beurteilt werden sollten.
Dabei ist es unwesentlich, ob es direkte „Kaufangebote“ sind oder ein „Angebot zur Abgabe eines verbindlichen Verkaufsangebotes“
Ich habe bisher kein Angebot persönlich erhalten / gesehen / gelesen.
Ungeachtet davon steht hinter der Realisierungsmöglichkeit einer solchen Transaktion selbst sowieso ein grosses Fragezeichen.
„Würde ich solch ein Angebot erhalten, würde ich umgehend Strafanzeige wegen des Verdachts einer Straftat nach § 291 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB stellen.“
Es ist grundsätzlich zwischen dem Angebot und dem evtl. resultierenden Vertrag zu unterscheiden. Dies wurde in den bisherigen Ausführungen nicht berücksichtigt.
Das Angebot ist keine strafbare sittenwidrige Handlung i.S.d.G.
Allenfalls wäre der resultierende Vertrag im Nachgang , also nach Vertragsabschluss, diesbezüglich zu bewerten.
(Ansonsten könnte man beispielsweise die Ansicht vertreten, dass ein grosser Teil aller Ebay-Anzeigen sittenwidrig sei, da die angebotenen Produkte in China weniger als die Hälfte kosten und die potentiellen Käufer garantiert „ahnungslos“ sind.)
In Deutschland ist ein Kaufangebot in dieser Grössenordnung ausserhalb regulierter Börsenplätze für (noch) gültige Wertpapiere im Bundesanzeiger zu veröffentlichen und über die Depotbanken den Haltern zur Kenntnis zu bringen.
Die Bafin erhält somit Kenntnis von allen Angeboten.
Hier wird u.a. geprüft, ob das Angebot regelkonform erfolgt und ob es sich dabei evtl. um ein Angebot mit Charakter einer Marktmanipulation handelt. Eine Prüfung, ob der angebotene Preis für den Gegenpart angemessen ist erfolgt nicht.
Dies ist eindeutig Aufgabe des Empfängers.
Auch unter erschwerten Bedingungen.
am 02.07.2022 10:59
"Würde ich solch ein Angebot erhalten, würde ich umgehend Strafanzeige wegen des Verdachts einer Straftat nach § 291 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB stellen.“
Es ist grundsätzlich zwischen dem Angebot und dem evtl. resultierenden Vertrag zu unterscheiden. Dies wurde in den bisherigen Ausführungen nicht berücksichtigt."
Ich habe versucht, das im Klammerzusatz nach dem zitierten Satz zu berücksichtigt, § 23 StGB ist mir nicht unbekannt. Angebote, ADRs für Centbeträge zu verkaufen, wurden von einigen Brokern an eine Vielzahl ihrer Kunden weitergeleitet, sodass es nahe liegt, dass es in einigen Fällen zur Vollendung gekommen sein könnte (gerade bei unerfahrenen Aktionären, die in der Presse und den sozialen Medien vor Wochen gelesen hatten, dass z.B. die Sberbank und andere russische Unternehmen demnächst pleitegehen, wegen Putin alles verloren sei und sie nie wieder an ihre Aktien herankommen usw.). Insofern ist comdirekt zumindest anzurechnen, solche krass unverhältnismäßigen, außerbörslichen Angebote nicht an ihre Kunden weitergeleitet zu haben. Ich stimme aber zu, dass das ein Randthema ist, darüber sprechen möchte ich auch nicht mehr, sondern werde entsprechend handeln, sofern ich das selbst beobachte. Es ärgert mich einfach nur, dass es immer welche geben muss, die Chaos und Krisen ausnutzen, um auf Kosten anderer übermäßig und unverhältnismäßig zu profitieren.
am 02.07.2022 12:01
.....“ Insofern ist comdirekt zumindest anzurechnen, solche krass unverhältnismäßigen, außerbörslichen Angebote nicht an ihre Kunden weitergeleitet zu haben...“
Diese Aussage ist in dieser Form irreführend bzw. falsch.
Wenn ein Kaufangebot den oben von mir oben geschilderten Richtlinien entspricht, ist jede Depotbank verpflichtet, das Angebot an die Wertpapierhalter weiter zu leiten.
Darüber hat nicht die Depotbank zu entscheiden oder die Angebote zu filtern.
Im Umkehrschluss bedeutet das, dass entweder alle Halter oder kein Halter von Wertpapieren in den Depots bei Banken - die dem deutschen Recht unterliegen - dieses Angebot erhalten haben.
Ich tippe auf letzteres und sehe im Übrigen auch keine Möglichkeit, wie eine solche Kauf-/Verkauf-Transaktion derzeit überhaupt realisiert werden könnte.
...“Es ärgert mich einfach nur, dass es immer welche geben muss, die Chaos und Krisen ausnutzen, um auf Kosten anderer übermäßig und unverhältnismäßig zu profitieren...“
Ärgern kann man sich natürlich....muss man das aber nicht...
am 02.07.2022 12:40
Ok, dass es eine PFLICHT auf Seiten der Broker gibt, solche Angebote ungeprüft an Kunden weiterleiten zu müssen, war mir nicht bekannt. Wieder was dazugelernt, danke für deinen Beitrag.
am 02.07.2022 12:41
Fond ist gut, nur hat man bzgl. Investieren in RU-Förderation aktuell auch keinen mehr in den man investieren kann.
Was bleibt ist noch die RBI (Raiffeisenbank International). Die ist noch in Russland aktiv mit ihrer Tochter.
am 02.07.2022 12:51
Bei Gazprom dürfte die Sache sich eigentlich sehr schnell erledigen, da Mitte 2023 die Aktien verkauft werden müssen/können durch den Emittenten.
Sofern die Börse in Moskau auch wieder den Verkauf von Ausländern (Investmentbanken) zuläßt.
Wenn nicht, dann muß der Emittend sich mit Gazprom einigen oder auch warten bis "Lage" sich wieder bessert.
Entscheidend ist doch auch wie sich die Verhältnisse in der Russ. Föerderation entwickeln.
Stand jetzt ist man doch auch mit den bezogenen Aktien eigentlich schlechter dran als wie wenn man die Aktien beim Emittenten liegen läßt.
Das ist jetzt meine persönliche Sicht!
am 02.07.2022 14:18
@Walgor schrieb:Ok, dass es eine PFLICHT auf Seiten der Broker gibt, solche Angebote ungeprüft an Kunden weiterleiten zu müssen, war mir nicht bekannt. Wieder was dazugelernt, danke für deinen Beitrag.
Gerne !
Die einschlägigen Vorschriften finden sich im WpÜG.
(Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz)
Eine recht gute BaFin-Publikation aus 2018 gibt eine kurze Zusammenfassung und einen groben laienverständlichen Überblick
https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/2018/fa_bj_1803_Wertpapiere.html