am 14.03.2022 12:04
Ja, das ist der „Elefant im Raum“ – also das, was groß und wichtig ist, aber viele Leute nicht sehen.
Viele Profis machen einen großen Teil (z.B. Zweidrittel) ihres Gewinnes durch die Volatilität einzelner Aktien. Mit einem ETF hast Du aber nichts davon.
Man fährt besser so:
Dann hat man Folgendes:
Mit dem vielen Geld, was in ETFs angelegt wird, profitiert jemand anders auf der anderen Seite vom Auf und Ab einzelner Aktien.
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Bleiben Sie wachsam! Churning, Pump & Dump, ETF-Verkäufer
am 16.03.2022 01:04
Mir ist aufgefallen, dass ich den Anfangspost von @InTheLongRun etwas missverstanden habe. Ausgehend von der Zielsetzung, von der Volatilität der Aktien zu profitieren, bin ich gedanklich beim Rebalancing gelandet. Dabei werden allerdings jeweils die überproportional starken Positionen reduziert und die schwächeren Positionen aufgestockt. Mit dem kompletten Verkauf und der zufälligen Auswahl einer neuen Position entspricht das vorgeschlagene Vorgehen jedoch nicht einem Rebalancing.
Da ich heute in meiner Mittagspause etwas Langeweile hatte, habe ich mal ein paar Backtests durchgeführt. Grundlage war der Kursindex S&P 500 für den Zeitraum ab 01.01.2020 mit insgesamt 554 Handelstagen sowie die enthaltenen Einzelwerte. In diesem Zeitraum hat der S&P 500 um 28,09% zugelegt (da Kursindex sind hierbei keine Dividenden enthalten, für die Einzelwerte wurden ebenfalls keine Dividenden berücksichtigt).
Als Vergleich wurden 50 zufällig am 01.01.2020. ausgewählte Aktien mit einer Portfolio-Gewichtung von jeweils 2% herangezogen. In einer ersten Strategie (nennen wir sie hier mal Buy & Hold) wurden diese Aktien bis zum heutigen Tag gehalten. In einer zweiten Strategie ( nennen wir sie hier 50%-Strategie) wurde das von @InTheLongRun vorgeschlagene Vorgehen umgesetzt, dass ausgehend von den Positionen der Buy & Hold Strategie bei 50% Kurszuwachs auf den Einstiegspreis die Position verkauft und (mit zurücklegen der verkauften Aktie) eine zufällige neue Position mit dem Erlös aufgebaut wird. Die dritte Strategie (100%-Strategie) verläuft analog zu der 50%-Strategie, nur dass der Verkauf bei 100% Kurszuwachs erfolgt.
In insgesamt 1000 Durchläufen ergaben sich folgende Ergebnisse:
Buy & Hold
Durchschnittlicher Kurszuwachs: 28,60%
50%-Strategie
Durchschnittlicher Kurszuwachs: 37,58%
100%-Strategie
Durchschnittlicher Kurszuwachs: 33,01%
Die Buy & Hold Strategie liegt erwartungsgemäß im Bereich des Kurszuwachses des S&P 500. Überraschenderweise konnten allerdings beide Varianten der Verkaufsstrategien eine merklich bessere Rendite erzielen. Die 50%-Strategie konnte in 92,3% der Fälle die Buy & Hold Strategie schlagen, die 100%-Strategie immerhin in 87,4% der Fälle.
Das Vorgehen der Verkaufsstrategie entspricht nicht dem üblichen Vorgehen zur Ausnutzung von Volatilität / Rebalancing. Insofern wäre ich vorsichtig, die erreichte Überrendite bereits der Volatilität zuzuschreiben. Als Erklärung würde mir beispielsweise spontan einfallen, dass es sich bei den verkauften Aktien tendenziell eher um überhitzte Aktien gehandelt hat, welche im Anschluss nach dem Verkauf wieder gefallen sind. Rückblickend wurden in den letzten zwei Jahren ja durchaus einige und immer wechselnde Pferde durchs Dorf des Aktienmarktes getrieben 😃. Falls ich demnächst nochmal Zeit habe werde ich es eventuell nochmal mit einem anderen Index in einem anderen Zeitraum probieren. Oder möglicherweise ist jemandem genauso langweilig wie mir und hat Lust sich auch mal daran zu versuchen 😁.
am 16.03.2022 08:01
am 16.03.2022 08:17
Vielen Dank! Du schreibst:
„Als Erklärung würde mir beispielsweise spontan einfallen, dass es sich bei den verkauften Aktien tendenziell eher um überhitzte Aktien gehandelt hat, welche im Anschluss nach dem Verkauf wieder gefallen sind.“
Ja, ich glaube, das meinte ich 😊
Leider habe ich nicht die Möglichkeiten, solche Analysen zu machen. Vielleicht hast Du irgendwann wieder Zeit, oder jemand anders. Wie man solche Tests ausweiten sollte, wisst Ihr sicherlich besser als ich.
Ich denke aber, einen längeren Zeitraum wäre interessant. Wie @GetBetter anmerkte, sehe ich auch den Aspekt, dass man im Laufe der Zeit man das Portfolio mit „schlechten“ Aktien anreichert. Das ist aber auch eine Frage von Zahlenanalyse 😊
Ne, ich meinte die weit verbreiteten aktiv gemanagte Fonds nicht. Nach meinem Verständnis sind ETFs so beliebt geworden, weil u.a. (1) sie angeblich „kostengünstiger“ sind, und (2) die Ergebnisse anhand der zugrunde liegenden Indexe halbwegs transparent und nachvollziehbar sind. Ja, und ich habe auch häufig gelesen, dass die Performance von ETFs besser ist als von aktiv gemanagten Fonds.
Was die Rocket Scientists von Blackrock usw. aber machen könnten, wäre kostengünstige und transparente ETFs aufzulegen, die zusätzliches Wissen von den Profis miteinbaut und ausnutzt (z.B. „Verkaufsstrategien“). Die Masters of the Universe agieren bestimmt nicht nur „nach Gefühl“. Dann müssten wir Privatanleger mehr verdienen (und institutionelle Anleger weniger).
am 16.03.2022 08:17
@Phil
sehr interessanter Beitrag. Ich frag mich jetzt nur wie zufällig die Aktien ausgewählt wurden. Wurden die bei den 1000 Durchläufen auch immer wieder neu ausgewählt? Gab es auch mal eine Konstellation wo zufällig 50 Rohrkrepierer dabei waren, welche ja dann auch nicht ausgetauscht wurden, weil nie 50% erreicht (geschweige denn 100%)? Kannst du evtl. mal aufschlüsseln wann und mit welchen Kursen da Aktien gekauft/verkauft wurden bei dem besten 50% Durchlauf? Würde mich einfach interessieren versteh, aber auch wenn es zu viel Aufwand ist 🙂
Gruß Kabelmann
am 16.03.2022 08:21
Danke für Deine Mühe. Interessant wie manche Leute eine langweilige Mittagspause verbringen 😉
@Phil schrieb:Grundlage war der Kursindex S&P 500 für den Zeitraum ab 01.01.2020 mit insgesamt 554 Handelstagen sowie die enthaltenen Einzelwerte. In diesem Zeitraum hat der S&P 500 um 28,09% zugelegt (da Kursindex sind hierbei keine Dividenden enthalten, für die Einzelwerte wurden ebenfalls keine Dividenden berücksichtigt).
Mich würde mal interessieren wie das Ergebnis für längere Zeiträume aussieht. Zwei Jahre ist, bezogen auf die Zielvorgabe eines 50- oder 100-prozentigen Zuwachses, sehr kurz. Der negative Effekt des Zurücklegens der guten Werte verbunden mit dem hohen Risiko bei der Neuauswahl einen schlechtern zu ziehen dürfte dabei nicht wesentlich zum Tragen kommen.
Gerade diese langfristige Tendenz zur Bildung eines Bodensatzes durch Underperformer halte ich aber für das eigentliche Problem dieser Strategie.
am 16.03.2022 08:33
@GetBetter und @Kabelmann sehen ein ähnliches Thema wie ich: Langfristig zunehmend „schlechte Aktien“ im Portfolio.
Es ist aber zu bedenken, dass man mit einem herkömmlichen ETF alle schlechten Aktien in einem Index kauft. Man kauft auch alle Aktien, die aktuell völlig überhitzt sind. Vom Verkauf von überhitzten Aktien profitiert man aber wiederum gar nicht.
Ist bestimmt letztendlich eine Frage für die Großrechner.
am 16.03.2022 21:18
@Tarquin Steuern und Gebühren wurden jeweils vernachlässigt. Ich denke das liegt näher an den Realitäten institutioneller Anleger. Wir Privatleute müssten natürlich anders rechnen 😥.
@Kabelmann @Die 50 Aktien wurden jeweils zu Beginn jeder Iteration zufällig neu ausgewählt. Die 50/100%-Strategie und die Buy & Hold Strategie bekamen zu jeder Iteration jedoch untereinander den selben Startsatz an Aktien. Zwischen den Iterationen bestehen natürlich aufgrund der Zufallsentscheidungen erhebliche Unterschiede, aber durch die relativ große Anzahl von 50 Positionen resultierte beispielsweise der schlechteste Durchlauf der 50%-Strategie in einer Kurssteigerung von 16,15%, bei der Buy & Hold Strategie hingegen im schlechtesten Fall in 6,91%. Je weniger Positionen man wählt, desto höher ist natürlich die Schwankung der Rendite.
Die Darstellung von so einem Durchlauf ist etwas unübersichtlich, habe spontan jetzt keine Idee wie man das gut hier umsetzen könnte. Von den ursprünglichen 1000 Iterationen hatte ich auch nur die Ergebnisse abgespeichert, jedoch keine Zwischenergebnisse. Bei weiteren 100 Iterationen mit nur 10 Positionen entsprach der beste Durchlauf der 50%-Strategie beispielsweise einer Kurssteigerung von 145,48%, die Buy % Hold Strategie erzielte mit den gleichen Ausgangsaktien lediglich eine Kurssteigerung von 37,31%. Insgesamt wurden vier Positionen ausgetauscht, die vierte Position jedoch sogar viermal. Ich glaube aber nicht, dass es sinnvoll ist, solche Ausreißer zu betrachten. Durch die stochastischen Prozesse wird es bei genügend Iterationen immer irgendwelche verrückten Renditen geben. Repräsentativ sind die allerdings nicht ☹️.
@InTheLongRun @GetBetter Ja, der Zeitraum ist leider relativ kurz. Ich denke ebenfalls, dass sich die schlechten Aktien mit zunehmendem Zeithorizont ansammeln würden. Der 01.01.2020 hat sich lediglich dadurch ergeben, dass der einzige frei zugängliche Datensatz für einen größeren Index, welchen ich auf die Schnelle im Netz finden konnte, der des S&P 500 bis zu eben jenem Datum war 😁. Wenn jemand eine gute Datenquelle für Kursdaten von Einzelwerten in Indizes kennt kann ich den Zeitraum gerne nochmal ausdehnen. Stand jetzt ist mir da als Lösung jedoch nur die Möglichkeit bekannt, die länger zurückreichenden Kursdaten für jeden Einzelwerte des Index einzeln herunter zu laden 😬.
am 17.03.2022 12:26
Ein Hinweis für @phil oder wen sonst rechnen könnte und möchte: Man kann auch andere prozentualen Kursanstiege als Verkaufsschwellen nehmen. Bei mir z.B. nehme ich zurzeit 20%, 40%, 60%, 80% oder 100%, je nach Aktie. Der Grund ist Folgendes:
Mein Hauptziel ist es, ein langfristiges Dividendenportfolio aufzubauen. Aber besonders große „Überhitzungen“ einzelner Aktien nehme ich „opportunistisch“ mit. Damit kann man manchmal die Dividenden der nächsten 10 oder 15 Jahre sofort kassieren (und gleich wieder anlegen).
Die einzelnen Aktien ranke ich, je nachdem, wie nah sie an mein persönliches efficient frontier sind. So z.B. bei einer großen Position in einer „schlechten“ Aktie würde ich einen Teil schon bei +20% verkaufen. Bei einer kleinen Position in einer „guten“ Aktie würde ich erst bei +100% verkaufen.
Das ist natürlich ein Bisschen komplizierter als eingangs beschrieben, kann man aber locker in Excel machen.
Man kann Gewinne nur auf zwei Weisen machen: Mit Dividenden oder Verkaufsgewinnen!
am 17.03.2022 12:50
@InTheLongRun schrieb:[...] prozentualen Kursanstiege als Verkaufsschwellen [...]
[...] nehme ich zurzeit 20%, 40%, 60%, 80% oder 100%, je nach Aktie. [...]
[...] besonders große „Überhitzungen“ [...]
Die einzelnen Aktien ranke ich, je nachdem, wie nah sie an mein persönliches efficient frontier sind. So z.B. bei einer großen Position in einer „schlechten“ Aktie würde ich einen Teil schon bei +20% verkaufen. Bei einer kleinen Position in einer „guten“ Aktie würde ich erst bei +100% verkaufen.
Ich verstehe die grundsätzlichen Überlegungen. Aber 2 Dinge gefallen mir trotzdem nicht:
Erstens beziehst Du die Kurssteigerung scheinbar immer auf Deinen persönlichen Einstiegspreis. Kann man machen, ist aber sicher nicht das geeignete Mittel um "Überhitzungen" zu detektieren.
Zweitens: Wenn Du schon einen größeren Aufwand betreibst als zunächst beschrieben, warum ziehst DU dann zufällig nach Verkauf eine neue Aktie anstatt im Hintergrund noch ein paar weitere Nachrückkandidaten zu pflegen? Das Risiko eines kompletten Fehlgriffs wäre damit deutlich minimiert.
am 17.03.2022 12:57
Jetzt muss ich doch zum Thema auch noch meinen Senf dazu geben
Es ist richtig dass bei Etf’s (hier sind hauptsächlich breit dem Markt folgend gemeint) kein aktiver Ansatz bei Kauf-/Verkaufhandlungen vorhanden ist. Damit soll ja explizit den Auf und Abs der darin enthaltenen Werte entgegengewirkt werden.
Die relativ geringere Schwankung nach unten wird mit weniger Potenzial nach oben „erkauft“
Doch ETF ist nicht gleich ETF! Da ist Vorsicht geboten. Vor allem bei Branchen kommt es durchaus schon mal vor dass für einen Etf extra ein Index aufgelegt wird, oder dass Indizes vorhanden sind denen ein oder ganz wenige Etf’s folgen.
Als Extrem Beispiel könnte man die ARKK Etf’s der Cathie Wood nehmen, diese kommen im Gewand eines Etf’s daher, sind jedoch gemanagten Fonds ähnlicher.
gruss ae