Leserfrage zur Aktienstrategie: Stopkurse
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25.07.2021 15:31 - bearbeitet 25.07.2021 15:42
Liebe Börsenfreunde,
oft erreichen mich Fragen zur Strategie oder auch zu einzelnen Aktien. Unter anderem aus Zeitgründen kann ich nicht immer ausführlich antworten, aber ich freue mich über jedes Feedback. Je kürzer und freundlicher die Frage ist, desto eher werde ich darauf eingehen. Fragen, die von allgemeinem Interesse sind, beantworte ich gerne öffentlich. So wie die folgende Leserfrage von @RPR, die hier leicht gekürzt wiedergegeben ist:
Servus nmh,
erstmal vielen Danke für deine zahlreichen und informativen Beiträge!
Stop-Loss:
Die Begrenzung eines Verlustes bei frisch erworbenen Aktien sehe ich als absolut sinnvoll an. Ich tue mir aber schwer, einen Stopp-Loss zu setzen auf Aktien, die mittlerweile im 2-3 stelligem Prozentbereich im Plus liegen (Beispiel Alphabet: 2020 erworben und jetzt 80% im Gewinn). Da ich ja sehr langfristig anlege schmerzt es mich nicht, wenn sie kurzzeitig 20-30% einbrechen, da sie sich ja über die nächsten Jahrzehnte bei langfristig guten Aussichten wieder erholen sollte. Hier sehe ich die Strategie "Stop-Loss auf gut performende Aktien" im direktem Gegensatz zu "Buy the dip".
Oder sollte man die Grenze so weit nach Unten ziehen, dass der Stop-Loss nur in Extremfällen aktiviert wird? Und hier ggf. bei Erholung wieder zugreifen (also wieder mehr "Timing" als "Time"?
Beispiel Alibaba: Hier würde aufgrund der aktuellen Kursentwicklung in nächster Zeit mein Stop-Loss greifen. Da ich aber langfristig bzgl. einem Erfolg von Alibaba optimistisch bin könnte man sich auch eher der Börsenweisheit "Buy the Dip" richten.
Hohe Anzahl an Einzelwerten:
Laut deinen Beiträgen hast du eine dreistellige Anzahl an Einzelwerten und empfiehlst Hobby-Anlegern eine Anzahl an 40-60 Einzelwerten.
Ich besitze ca. 25 Einzelwerte, tue mir aber schwer zusätzliche Werte mit aufzunehmen. Mir fehlt die Zeit, bei so vielen Einzelwerten den Überblick über Kursentwicklung, Entwicklung der Firma, Bilanzen usw. zu behalten. Meine Erklärung für deine Strategie ist hier, sich auf die "Schwarmintelligenz des Marktes" zu verlassen und bei schlechter Performance automatisch mit Stop-Loss die Aktie auszusortieren, ohne dass man sich groß mit der Firma an sich auseinander setzen müsste. Liege ich hier mit meiner Einschätzung richtig?
Mir geht es hier nicht um eine Empfehlung, sondern eher um eine Erklärung der von dir gewählten Strategie. Du hast einige Jahrzehnte mehr Erfahrung und scheinst ja mit deiner Strategie recht erfolgreich zu sein.
Wenn du meinst deine Antwort ist für andere Foristen interessant, kannst du Diese gerne auch in einem Thread posten.
Liebe Grüße aus der Maxvorstadt!
RPR
Meine Antwort:
Vielen Dank für die Fragen und für Dein Interesse an meinen Beiträgen.
Ich empfehle, grundsätzlich alle Einzelaktien mit einem Stopkurs abzusichern. Gerade wenn der bisherige Kursanstieg der Grund für den Kauf war (Trendaktien), sollte man sich verabschieden, wenn die Aktie doch mal nach unten dreht und somit der Kaufgrund entfallen ist. Alle zwei, drei, vier Wochen kontrolliert man, ob die Stopkurse noch passen oder nach oben gezogen werden können.
Besser ist es, die Stopkurse tatsächlich als aktive Order an der Börse zu setzen, weil dadurch die psychologische Falle "ach was, die steigt schon wieder" ausgeschaltet wird. Stopkurse dienen im wesentlichen dazu, Aktien auszusortieren, die schlechter laufen als der Rest. In Korrekturphasen wie etwa Februar 2020 können Stops daher kontraproduktiv sein. Andererseits dienen Stopkurse auch dazu, Liquidität aufzubauen, so dass man handlungsfähig ist, wenn die Korrektur vorüber ist. Für breite ETF (Sparplan) benötigt man keine Stopkurse, weil die Gesamtbörse langfristig immer nach oben zieht.
Zu Deiner Frage: Bei Aktien, die mehrere hundert Prozent im Plus notieren, kann man mehrere gestaffelte Stopkurse verwenden. Bei Alphabet bietet sich beispielsweise ein Stopkurs für die halbe Position bei etwa 1800 Euro an, und der konservative Stopkurs bei 1650 für die andere Hälfte. Wer drei oder mehr Alphabet-Aktien hält, kann ein Drittel bei 2000 Euro absichern (meinetwegen mit Trailing-Abstand 12 Prozent), das zweite Drittel bei 1760 Euro und der letzte Drittel bei 1550 Euro (jeweils ohne Trailing). Falls Du nur eine Alphabet-Aktie im Depot hast, gilt der Stopkurs bei 1650 Euro. Generell sollten langfristige Anleger ihre Stopkurse immer so tief setzen, dass sie nicht durch kurzfristige "Atembewegungen" der Aktie ausgelöst werden.
Wo setze ich meinen Stopkurs? Das ist eine sehr schwierige Frage, im wesentlichen eine Frage der Erfahrung. Ich könnte mehrere Bücher drüber schreiben. Als ganz grobe Faustregel kann man sich leicht unter die 200-Tage-Linie setzen, das ist besser als nichts. Für Einsteiger bieten sich die Stopkurse an, die ich hier in der Community empfehle. Mit der Zeit versteht man dann auch, wie diese Stopkurse zustandekommen, so dass man dann mit etwas Übung selbst Stopkurse vorgeben kann. Tipp: Die meisten Privatanleger setzen entweder gar keine Stopkurse, oder zu (str)enge.
Bei Alibaba geht es seit über einem halben Jahr nur noch nach unten. Das sieht wirklich nicht gut aus. Die politischen Probleme mit chinesischen Aktien sind bekannt; ich warne bereits seit längerem vor Investments in solchen Staaten. Mag sein, dass es irgendwann mal wieder nach oben geht. Aber bis dahin ist es totes Kapital, das in anderen Aktien, die einfach weiter steigen, viel besser aufgehoben ist. Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber sie stirbt! Solche Depot- und Spaßbremsen mußt Du Dir nicht antun. Aus diesem Grund beachtest Du bitte bei Alibaba weiterhin den Stopkurs im Bereich 170 Euro. In den nächsten zwei oder drei Wochen soll eine neue Sterneliste erscheinen; vielleicht hast Du dank Stopkurs bei Alibaba dann frisches Kapital, das Du gewinnbringend in eine bessere Aktie investieren kannst.
Die Strategie "Buy the dip" ist gefährlich, weil Aktien, wenn sie bereits in einem tiefen "Dip" stecken, oft noch monate- oder jahrelang weiter nach unten laufen. Als grobe Faustregel gilt: Man sollte keine Aktien kaufen, die bereits unter dem Durchschnitt der letzten 200 Handelstage liegen (200-Tage-Linie) -- und falls doch, dann nur mit strengem Stopkurs.
Zur Frage nach den Einzelwerten: In der Tat dienen Stopkurse dazu, das "Unkraut", das sich mit der Zeit im Depot ansammelt (z.B. Alibaba) auszusortieren. So dass die übrigen Aktien mit schönen Gewinnen blühen können. Und Stopkurse generieren Bargeld, das Du in gute Aktien investieren kannst. So bist Du an der Börse erfolgreich! Bilanzen zu lesen oder ein Unternehmen intensiv zu verfolgen ist Zeitverschwendung, weil all diese Informationen bereits im Aktienkurs verarbeitet sind. Du kannst sicher sein: Wenn sich die Bilanzzahlen verschlechtern, sind wir Privatanleger die letzten, die es erfahren. Längst ist der Kurs gefallen und Dein Stop Loss hat ausgelöst. Dein Begriff "Schwarmintelligenz" trifft die Sache genau.
Für normale Privatanleger genügen 20, 30, 40 oder 50 Einzelaktien im Depot. Je mehr Du hast, desto mehr Zeit kostet die Beobachtung, selbst wenn man sich nur auf den Kursverlauf konzentriert und nicht in die Bilanzen blickt. Dank sehr starker Computerunterstützung kann ich eine hohe dreistellige Zahl an Einzelaktien in meinen Depots (und viele tausend weitere Aktien) beobachten, aber für normale Menschen ist das weder erforderlich noch empfehlenswert. Jeder spinnt halt auf seine Weise; meine Spinnerei ist immerhin harmlos.
Ich wünsche Dir weiterhin viel Spaß mit meinen Beiträgen, und natürlich viel Erfolg für Deine Aktiengeschäfte!
Beste Grüße aus M-Bogenhausen in die Maxvorstadt
und an alle Leserinnen und Leser
nmh
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am 25.07.2021 15:54
Hallo nmh,
super, vielen Dank für die schnelle Antwort!
Gerade in jungen Jahren hat man die Zeit noch auf seiner Seite, umso wichtiger ist es dass man früh die richtige Strategie wählt.
Solche Beiträge helfen hier natürlich sehr!
Einen schönen Sonntag noch!
RPR
P.S.: Freundlich sein geht einfach, Frage kurz halten ist leichter gesagt als getan, hoffentlich war sie kurz genug 🙂
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am 25.07.2021 20:17
@RPR herzlich Willkommen in der Community 🙂
Übrigens zeigen Statistiken, dass nicht mehr als ein paar Aktien notwendig sind. Aber jeder kennt das Bedürfnis: so viel Auswahl, alles will man haben 😄 analysiere Unternehmen doch einfach nur vor Kauf. Danach ändert sich seltener was bei guten Unternehmen, und wenn steht's in den Nachrichten. Das spart Zeit.
Viel Erfolg bei deinen Aktien 🙂
Und bis hoffentlich bald 🙂
@nmh danke für die ausführliche Erklärung 🙂
Research alone won't ensure a profit. Your main goal should be to make money, not to get an A in How to Read a Balance Sheet. - RD
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am 26.07.2021 08:56
Und schon ist Alibaba ausgestoppt....Werde jetzt auf die neue Liste warten und den Wert nachkaufen, der am weitesten oben auf der Liste steht und sich schon in meinem Depot befindet - habe eh schon zuviele Aktien im Depot, die ich nicht alle im Detail nachverfolgen kann...
