21.10.2022 22:12 - bearbeitet 22.10.2022 12:08
Hey,
ich dachte, Anleihen verstanden zu haben, bin aber der Meinung, dass ich eigentlich nur an der Oberfläche gekratzt habe. Ich kenne die Anleihen, die bei der Comdirect für "Neuemissionen" beworben werden. So was wie die Porsche -Anleihe (https://kunde.comdirect.de/wertpapierhandel/aal-vontobel-porsche.html). Das zugehörige Schaubild sagt was Sache ist. Kaufe heute, bekomme Zinskupon über Laufzeit, am Laufzeitende in Abhängigkeit des Aktienstands gibt es Aktien oder Anlagebetrag zurück.
Jetzt gibt es Alternativ die Vonovia A3MQS7 Anleihe. Der Kurs ist ordentlich gefallen. Es gibt einen Zinskupon von 2,375% p.a.. Es gibt viele "Stücke" bei unterschiedlichen Börsen. Aber es wird nichts über die Auszahlung erwähnt. Es gibt kein Produktblatt. Kann mich jemand aufklären, was das zu bedeuten hat? Gibt es ein Produktblatt nur ist es schwer zu finden?
Gelöst! Gzum hilfreichen Beitrag.
22.10.2022 18:28 - bearbeitet 22.10.2022 18:38
22.10.2022 18:28 - bearbeitet 22.10.2022 18:38
Bei Anleihen muss man unterscheiden zwischen echten Anleihen und strukturierten Produkten. Es gibt klassische Anleihen (sogenannte straight Bonds), wo der Schuldner einen Kredit am Kapitalmarkt in Form einer Anleihe aufnimmt, dafür regelmässig einen Zins zahlt und am Ende der Laufzeit wird das Kapital zurückgezahlt. So wie eine klassische 10-jährige Bundesanleihe, die jedes Jahr die Zinsen zahlt und am Ende getilgt wird.
Die sogenannten "Aktienanleihen" haben damit aber nichts zu tun, da sie weitere Komponenten mit erheblichen Risiken enthalten. Anleger werden mit hohen Zinsen gelockt - der Begriff Anleihe ist jedoch irreführend. Am Beispiel des Vontobel Titels auf Porsche muss man sich fragen, woher der Zins von 8% herkommt, der weit über den Konditionen für klassische Anleihen liegt.
Ganz einfach: Vontobel nimmt einen Kredit in Form einer Anleihe am Kapitalmarkt auf und will einen hohen Zins zahlen. Daher verkauft Vontobel Puts (Verkaufsoptionen) auf Porsche Aktien. Die dafür erhaltene Prämie finanziert den Kupon (Zins) von 8%. Das funktioniert alles gut, wenn der Preis der Aktie nicht unter den Basispreis des Puts sinkt. Dann verfällt der Put wertlos, die Anleihe wird zurückgezahlt und der Anleger freut sich.
Sinkt jedoch der Kurs der Aktie unter den Basispreis des Puts, dann bekommt Vontobel Porsche Aktien angedient, die nach unterschreiten der definierten Schwelle an die Anleger weitergereicht werden und darin steckt das Risiko des Anleihekäufers, dass dann nicht die Anleihe zurückgezahlt wird, sondern Aktien mit geringerem Marktwert ins Depot kommen. Darin steckt auch das Risko erheblicher Verluste oder des Totalverlusts. Daher sollte man bei Investitionen in solche Produkte diese immer verstehen und eine Meinung zu dem Basiswert (hier Porsche) haben. Und ganz wichtig: Schuldner ist nicht Porsche, sondern Vontobel. Also ist dessen Bonität wichtig.
Das Gleiche gilt natürlich auch für alle Arten von Zertifikaten jeglicher Ausprägung. Man sollte nur das kaufen, was man auch versteht.
am 23.10.2022 12:36
@Hackerman2k schrieb:Ich habe als Nutzer die Erwartung, dass ich bei einem Broker wie der Comdirect eine Art "What you see is what you can buy"-Angebote bekomme.
Im Informer gibt es unzählige Wertpapiere, die nicht für Privatanleger gedacht sind oder aus anderen Gründen nicht in Deutschland handelbar sind. Es ist eben nur als Informationsplattform vorgesehen.
Üblicherweise würdest du eine Einschränkung wie bei dieser Vonovia Anleihe A3MQS7 in den Zielmarktdaten sehen, aber anscheinend hat es Vonovia nicht für nötig gehalten diese korrekt zu liefern:
| Kundenkategorie | Kunde mit höchstem Schutzniveau Professioneller Kunde Geeignete Gegenpartei |
"Kunde mit höchstem Schutzniveau" = Privatkunde.
Handel sollte damit trotzdem nicht möglich sein, da Vonovia ja selbst schreibt, dass "eigentlich" ein Basisinformationsblatt nötig wäre wenn man es an Privatanleger verkaufen wollen würde, aber genau deshalb darauf verzichtet wird. Optimalerweise ist zumindest das korrekt in den WM Daten geliefert und dann würde eine Order dadurch fehlschlagen, dass es kein Basisinformationsblatt gibt.
Aber zum Thema:
Wie oben schon erwähnt ist die von dir verlinkte Porsche-"Anleihe" keine Anleihe, sondern eine Aktienanleihe, die mit Anleihen so gar nichts zu tun haben. Warum die trotzdem so genannt werden dürfen war mir schon immer schleierhaft, aber hey Bürokratiestaat Deutschland macht's möglich.
Vereinfacht dargestellt:
Eine Anleihe ist ein Kredit, der anstatt bei einer Bank am Kapitalmarkt aufgenommen wird. Die Kreditsumme wird quasi auf den freien Markt geschmissen und Anleger können sich daran beteiligen diese zu decken. Gestückelt sind diese üblicherweise in 1.000 Euro (der Nominalbetrag) und notiert werden sie in % (auch ein Unterschied zu den "Aktienanleihen", welche in Euro oder einer anderen Währung notiert werden). Im Gegenzug an der Beteiligung am Kredit erhalten Anleger eben Zinsen wie jeder andere Kreditgeber auch.
Und aus dem Zusammenhang mit "Kredit" ergibt sich dann auch die Rückzahlung am Laufzeitende: Wenn das Unternehmen nicht pleite ist, kriegst du eine Rückzahlung zu 100% der Kreditsumme, welche du gedeckt hast (= dein gekaufter Nominalbetrag). Kaufst du also 1000 Nominale einer Anleihe zu 90% bezahlst du beim Kauf 900 Euro (zzgl. Stückzinsen, gleich mehr). Wenn das Unternehmen am Ende der Laufzeit nicht zahlungsunfähig ist, dann erhältst du 1000 Euro zurück und machst damit 100 Euro Gewinn (zzgl. den Zinsen während der Laufzeit).
Zu den erwähnten Stückzinsen: Die fallen immer beim Kauf an und decken die Zinsen, die dem alten Besitzer während seiner Haltezeit zugestanden hätten (auch das gibt es bei Aktienanleihen nicht).
Nehmen wir als vereinfachtes Beispiel eine Anleihe mit 5% Zinskupon, der jährlich anfällt. Wenn du die Anleihe exakt ein halbes Jahr nach der letzten Zinszahlung kaufst, musst du 2.5% Zinsen vorschießen, da diese dem alten Besitzer zustehen. Weil er diese aber zum Zeitpunkt der Zinszahlung dann nicht mehr hält, kriegt er das Geld schonmal von dir. Wenn du die Anleihe dann bis zum Zinstermin durchgehend hältst, kriegst du die Zinsen für das gesamte Jahr, also zum einen die 2.5% die du schon vorgeschossen hast, und zum anderen die 2.5% die dir ohnehin zustehen. Dazu sei angemerkt: Die Stückzinsen gehen in den Verlusttopf sonstiges und wenn du dann die Zinszahlung erhältst versteuerst du damit effektiv nur deine anteiligen 2.5% als Reingewinn.
Daneben gibt es noch einige Besonderheiten, die den Preis den du für die Nominale bezahlst beeinflussen: Poolfaktor und Inflationsindexbezogene Anleihen. Da es in diesem Thema nicht darum geht will ich das nicht allzu weit ausdehnen (es sei denn es besteht Interesse), sollten aber erwähnt sein da diese gern zu Verwirrung bei der Abrechnung führen.
Hoffe damit sind alle Klarheiten beseitigt 😉