Hallo @Mansur1,
das ist in der Tat ein echter Nachteil Deiner neuen Bank. Der wird auch hier in der Community immer wieder kritisiert. Leider wird (und kann) sich nichts ändern. Denn:
Bei den EDV-Systemen im Bankbereich unterscheidet man zwischen "Batch-Systemen" und "Echtzeit-Systemen". Batchsysteme wurden früher (ab 1960er-Jahre) eingesetzt. Batch bedeutet, daß tagsüber alle Buchungen gesammelt werden und dann in einem sogenannten "Lauf" (Batch) nachts in den Kontostand (Konto-Datei) eingearbeitet werden. Technisch wird das z.B. von altmodischen IBM-Großrechnern abgewickelt. Im Gegensatz dazu fügt ein Echtzeitsystem neue Buchungen sofort in die Datei ein, die das Konto führt, und passt den Kontostand entsprechend an. Bei solchen Banken kannst Du z.B. eine Geldautomatenabhebung sofort auf dem Kontoauszug sehen.
Moderne Banksysteme wie z.B. Targobank, Consors, Flatulenz oder auch viele Spaßkassen nutzen heute Echtzeitsysteme. Das liegt daran, daß diese Banken (oder genauer gesagt deren Abrechnungssysteme) neuer sind. Die Deutsche Bank und die Commerzbank setzen schon länger IT ein, daher sind bei beiden noch die altmodischen Batch-Systeme im Einsatz. Und wie Du ja vermutlich weißt, ist unsere comdirect-Bank aus technischer Sicht einfach eine (oder genauer gesagt fünf) Filialen der Commerzbank.
Das hat übrigens auch echte Vorteile, denn die Wertpapierabwicklung bei comdirect hat nur deswegen so eine hohe Qualität, weil technisch die Commerzbank dahinter steckt. Bei Consors & Co kannst Du nicht sicher sein, daß z.B. eine komplexe Kapitalmaßnahme korrekt abgewickelt wird - ich spreche aus Erfahrung. Gut, die Targobank bedient sich der european transaction bank, und das ist nichts anderes als die Deutsche Bank. Daher ist die Abwicklung auch bei der Targobank sehr stark.
Und warum ersetzt die Commerzialbank ihr altmodisches Batchsystem nicht durch ein modernes Echtzeitsystem? Weil wir hier über das "Herz" der Bank sprechen, auch "Rechtssystem" genannt, weil hier rechtsverbindlich die Kontostände erzeugt werden. Als Bank bin ich sozusagen mit diesem System "verheiratet". Eine Scheidung wäre extrem aufwendig, teuer und riskant. Alle IT-Prozesse (viele tausend) sind um dieses eine Buchungssystem herum aufgebaut. Wenn ich das Herz ändere, muß ich viele tausend darum auch ändern. Außerdem genügt es im Zweifel nicht, die Software zu ändern, sondern ich brauche auch einen neuen Großrechner. Mit anderen Worten: wenn ich umstellen will, muß ich praktisch meine gesamte IT "from scratch" neu aufsetzen. Und wenn bei der Umstellung etwas schiefgeht, kann es passieren, daß die Bank tagelang oder wochenlang arbeitsunfähig ist. Meine Kunden und im Zweifel meine Banklizenz bin ich dann los. Allein: testen kann man diese Umstellung vorher nicht ohne weiteres, weil einfach zu viele Daten anzupassen sind. Aus diesem Grund kann man leider davon ausgehen, daß sich bei comdirect an den sogenannten "Nachtläufen" nichts ändern wird.
Hin und wieder, so alle paar Monate, kann es auch vorkommen, daß wir auch am Folgetag die Börsenbuchungen noch nicht sehen. Hintergrund sind sogenannte Verzögerungen bei der "Nachtverarbeitung", wie sie zum Beispiel hier beschrieben werden.
Immerhin zeigt comdirect seit einigen Jahren "offene" Buchungen auch untertägig an. Das ist aus technischer Sicht ein "Workaround": Wenn z.B. eine Geldautomatenbelastung eingeht, wird die ganz altmodisch in das Batchsystem geschoben und nachts dem Konto hinzugefügt. Als Serviceleistung zeigt comdirect bereits unter Tag die Modifikation auf dem Konto an - das ist übrigens noch gar nicht so lange so! Aber rechtsverbindlich ("Rechtssystem") wird die Buchung erst in der Nacht eingearbeitet.
Ich hoffe, Dir die Problematik ein wenig erläutert zu haben. Leider müssen wir damit leben.
Viele Grüße aus einem sonnigen München
nmh
Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.
