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DIY - selbstgemachte Discount-Zertifikate

dg2210
Legende
6.234 Beiträge

Der Corona-Lockdown hat jeden von uns auf andere Weise getroffen. Es deutet aber sehr viel darauf hin, daß der Lockdown bei Vielen die Lust am Selbermachen wiedererweckt hat und ich bin mir sicher, daß viele Communauten in den letzten Wochen ihren Beefer (oder Thermomix) an die Grenzen des technisch Machbaren getrieben haben.

Selbermachen ist nicht nur lehrreich und macht Spaß, sondern ermöglicht es auch, beste Zutaten zu verwenden (Dry Aged Beef statt Separatorenfleisch)  und unerwünschte Zusätze (Stabilisatoren, Konservierungs- und Streckmittel) wegzulassen.

Statt dem tausendsten Dry-Aged-Rezept möchte ich euch heute ein simples Rezept für Do-It-Yourself-Discount-Zertifikate vorstellen. Ihr braucht dazu nicht mehr als ein Depot, das für den Optionshandel freigeschaltet ist. Für die Luxusvariante braucht ihr noch ein Tagesgeldkonto mit positiver Verzinsung (je mehr, desto besser).

Los geht es mit der Auswahl von Basiswert, Laufzeit und Cap. Als Beispiel baue ich mir einen Deep-Discounter auf Wirecard mit Laufzeit 18.09.2020 und Cap von 32 EUR. (Dieses Beispiel ist keine Kaufempfehlung, ich nehme es wegen der schönen glatten Zahlen; Orderkosten bleiben unberücksichtigt)

An der Eurex kostete ein Put-Option mit diesen Daten heute Mittag genau 5,00 EUR.
Das Rezept ist nun trivial; ich will 100 Zertifikate, darum
a) überweise ich 2700 EUR auf das Verrechnungskonto
b) verkaufe ich eine Put-Option auf Wirecard mit Strike 32 EUR und Fälligkeit 18.09.2020; dafür erhalte ich 500 EUR ( 100 Stück * 5 EUR/Stück)

Fertig ist der Deep-Discounter aus 1a-Zutaten!

Profis haben gemerkt, daß ich eine übliche Zutat weggelassen habe: das Emittenten-Risiko. Die Industrie setzt das ein, um ein bisschen billiger produzieren zu können; die Älteren unter euch werden sich noch an die Sache mit den Gebrüdern Lehmann erinnern, die zuviel von dieser Zutat verwendeten, was den Käufern der Zertifikate gar nicht gut bekommen ist...

Wie verhalten sich meine selbstgemachten Zertifikate?
Etwas besser als die Industrieware!

 

Steht die Wirecard-Aktie am 18.09.2020 über 32 EUR, dann verfällt die verkaufte Option wertlos und ich kann sofort über die 3200 EUR auf dem Konto verfügen (Industrieprodukte haben oft eine Wartezeit zwischen Bewertungs- und Zahltag).
Schliesst die Aktie unter 32 EUR, bekomme ich 100 Aktien geliefert, für die ich effektiv 2700 bezahlt habe. Bei einem Wirecard-Schlusskurs zwischen 27,01 und 32 EUR mache ich noch einen Gewinn, bei Kursen unter 27 EUR beginnt meine Verlustzone.

Viel Spaß beim Nachmachen!

 

 

ERGÄNZUNG

 

In letzter Zeit liest man viele Aussagen wie "Ein Discount-Zertifikat besteht aus X und Y", wobei X und Y irgendwelche exotischen, englisch-klingenden Begriffe sind. Solche Aussagen sind grundsätzlich falsch. Ein handelsübliches Discount-Zertifikat ist eine Schuldverschreibung und besteht nur "aus sich selbst", d.h. dem Versprechen des Emittenten, an einem bestimmten Tag eine bestimmte Leistung zu erbringen. Mehr steckt nicht drin.

 

Was ich oben beschrieben habe, ist ein Weg, aus guten, ehrlichen Zutaten etwas zu bauen, das sich wie ein ideales Discount-Zertifikat verhält, ohne ein solches zu sein (u.a. fehlt dem Selbstbau eine WKN und damit die Handelbarkeit)

 

Hier noch zwei konkretes Beispiele für einen DIY-Amazon-Discounter, Laufzeit bis 21.10.2022. Alle Werte in USD, ohne Steuern und Orderkosten, Zur Vereinfachung rechne ich mit den Geldkursen.

 

Die Optionskette sieht am 08.04.2022 so aus (Quelle: IB):

anzn.png

 

Beispiel 1 (Basispreis 2900 USD):

Variante A ("Call"): Ich kaufe eine Aktie für 3155,69 (oben rechts im Bild) und verkaufe einen Call mit Basispreis 2900 USD für 412,85 USD. Kosten: 2742,84 USD

 

Variante B ("Put"): Ich  verkaufe einen Put für 202,65 USD und lege den Ertrag zusammen mit 2682,85 USD (meiner Anlagesumme) auf ein Festgeldkonto (ca 1% p.a.).

 

Bei der Fälligkeit gilt:

Fall 1: Amazon steht über 2900 USD

Variante A: Der Call wird ausgeübt, ich erhalte 2900 USD

Variante B: Der Put verfällt, mein Festgeld hat bei Fälligkeit den Wert 2900 USD

 

Fall 2: Amazon steht bei < 2900 USD, z.B. 2800 USD

Variante A: der Call verfällt, ich habe die Aktie, die 2800 USD wert ist

Variante B: der Put wird ausgeübt, mit dem Ertrag meines Festgeldes (2900) kaufe ich eine Aktie, die 2800 USD wert ist.

 

Beispiel 2: Basispreis 3400 USD

Variante A ("Call"): Ich kaufe eine Aktie für 3155,69 (oben rechts im Bild) und verkaufe einen Call mit Basispreis 3400 USD für 177 USD. Kosten: 2978,69 USD

 

Variante B ("Put"): Ich  verkaufe einen Put für 461,15 USD und lege den Ertrag zusammen mit 2921,85 USD (meiner Anlagesumme) auf ein Festgeldkonto (ca 1% p.a.). Kosten: 2921,85 USD

 

Bei der Fälligkeit gilt:

Fall 1: Amazon steht über 3400 USD

Variante A: Der Call wird ausgeübt, ich erhalte 3400 USD

Variante B: Der Put verfällt, mein Festgeld hat bei Fälligkeit den Wert 3400 USD

 

Fall 2: Amazon steht bei < 3400 USD, z.B. 3000 USD

Variante A: der Call verfällt, ich habe die Aktie, die 3000 USD wert ist

Variante B: der Put wird ausgeübt, mit dem Ertrag meines Festgeldes (3400) kaufe ich eine Aktie, die 3000 USD wert ist.

9 ANTWORTEN

Morgenmond
Mentor ★★
1.804 Beiträge

@dg2210 

Vielen Dank erstmal für dein Rezept. Klingt für mich als Anfänger in Sachen Zertifikate sehr interessant. Allerdings schwirren mir schon einige Fragen dazu durch den Kopf. Ich muss das mal nochmal selbst durchdenken und werde garantiert die offenen Fragen dann hier posten. Ich hoffe dann auf klärende Antworten von dir.

Gruß Morgenmond 

dg2210
Legende
6.234 Beiträge

@Morgenmond  schrieb:

@dg2210 

Vielen Dank erstmal für dein Rezept. Klingt für mich als Anfänger in Sachen Zertifikate sehr interessant.


Der Eurex-Handel ist für Börsen-Anfänger nicht unbedingt geeignet. Ein falscher Klick in der Ordermaske kann schnell teuer werden.

ehemaliger Nutzer
ohne Rang
0 Beiträge

Hallo @dg2210,

 

sehr interessanter Beitrag! Ich freue mich auch mehr über Selbstgemachtes. Ich bin zum Beispiel handwerklich total ungeschickt, freute mich jedoch, als ich ganz Do-it-yourself meine Erstattung von Quellensteuer aus Norwegen beantragt habe und die Zahlung dann auch kam.

 

Wie hoch ist denn der Kostenvorteil gegenüber eines vergleichbaren Zertifikats?

 

Grüße aus Dresden

Sonni

dg2210
Legende
6.234 Beiträge

Hallo @ehemaliger Nutzer ,

 

der "Spareffekt" hängt im wesentlichen von den Gebühren ab, die deine Bank verlangt. Der Kurs eines gekauften Zertifikats sollte dem Optionskurs relativ eng folgen, trotzdem sollte man vor dem Selbstbau die Preise vergleichen.

 

Der größte Vorteil der Do-It-Yourself-Method ist die Flexibilität. Du hast eine grosse Auswahl an Basiswerten und eine noch grössere Auswahl an Laufzeiten.

Beispielsweise kannst du dir einen Wirecard-Discounter mit Cap von 44 EUR und Laufzeit Dezember 2024(!) basteln; dieser kostet 25,91 EUR

 

Wenn du glaubst, daß die Allianz im Dezember 2024 über 100 EUR notiert, dann baue dir einen Deep-Discounter mit Cap 100 für aktuell 66,67 EUR.

 

Solche Maßanfertigungen gibt es nicht "von der Stange"

 

ehemaliger Nutzer
ohne Rang
0 Beiträge

@dg2210Interessantes Thema. Ich habe von Optionen keine Ahnung bzw. nutze nur Bonus- und Discount-Zertifikate.

 

Dein Allianz-Beispiel zeigt: Begrenzte, aber dennoch hohe Rendite für begrenztes Risiko und eine lange Laufzeit.

 

Bisher habe ich nur von einer anderen Strategie gehört: Man verkauft eine Option auf eine eigene Aktie mit einem sehr hohen Ausführungspreis und streicht dann die Prämie ein, wenn die Aktie zum Stichtag drunter notiert.

 

Bisher habe ich mich damit nicht befasst und diese Stratgie ist vermutlich genau die "andere Richtung".

 

Grüße aus Dresden

Sonni

dg2210
Legende
6.234 Beiträge

@ehemaliger Nutzer  schrieb:

 

 

Bisher habe ich nur von einer anderen Strategie gehört: Man verkauft eine Option auf eine eigene Aktie mit einem sehr hohen Ausführungspreis und streicht dann die Prämie ein, wenn die Aktie zum Stichtag drunter notiert.

 

Bisher habe ich mich damit nicht befasst und diese Stratgie ist vermutlich genau die "andere Richtung".

 


Ja, das geht auch. Allerdings ist dies oft weniger lukrativ, da Puts (seit mindestens 10 Jahren) zu teuer sind. Niemand weiß, woher diese Marktanomalie kommt...

 

Konkretes Beispiel: ein selbstgemachter Daimler-Discount (Dezember 2020, Cap 40) kostet per Put 30,10 EUR, per Call aber 30,43 EUR. Dazu kommen noch die Kosten für den Kauf der Aktien.

 

Du kannst natürlich auch einen Deep-Discounter auf Aktien bauen, die du schon im Depot hast. Dieser führt fast sicher dazu, daß die Aktien ausgebucht werden und du somit Aktiengewinne reduzierst, aber Optionsgewinne maximierst. Es gibt da viel Spielraum für legale Steueroptimierungen...

Irina Spalko
Autor ★★
24 Beiträge

Danke für die Ausführungen. Sehr interessant.

 

Eine technische Frage hätte ich: wie kann man bei comdirect mit Optionen handeln? (https://www.comdirect.de/wertpapierhandel/options-and-futures-trading-vorteile.html#Leistungen --> nach Klick auf Depot eröffnen kommt man in sein eigenes Depot)

Ist das Ordern immer noch nur telefonisch möglich?

dg2210
Legende
6.234 Beiträge

Hallo @Irina Spalko ,

 

zum Eurex-Handel musst du dich getrennt freischalten lassen. Der Kundenservice hilft dir weiter...

 

ABER: Die comdirect-Gebühren für den EUREX-Handel sind nicht wirklich günstig (19 EUR Mindestgebühr). Das sollte du vor einer Entscheidung bedenken.

Irina Spalko
Autor ★★
24 Beiträge

Danke. Ja, die Gebühren hier sind schon ordentlich. Für sowas wäre wohl ein anderer Broker besser.