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so geht's: Depot-Absicherung vor der Frankreich-Wahl

nmh
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9.959 Beiträge

Hallo zusammen,

aus aktuellem Anlass möchte ich nochmal einige kurze Hinweise zur Absicherung Eures Aktiendepots gegen fallende Kurse geben.

Am kommenden Sonntag, 23. April 2017 finden Wahlen für die Staatspräsidentschaft in Frankreich statt. In den Umfragen liegen vier Kandidaten ungefähr gleichauf, Kopf an Kopf vorn. Zwei dieser Kandidaten stehen allerdings für sehr extreme politische Positionen (Le Pen und Mélenchon). Bei beiden besteht die realistische Möglichkeit eines "Frexit", also dass nach der Insel auch Frankreich die EU verlässt. Ohne Frankreich müssten wir ernsthaft über eine Auflösung der EU nachdenken. Auch der Euro wäre in Frage gestellt. Das würde uns zurück in die 40er- oder (wenn wir Glück haben) 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts werfen. Die extremen Kursverluste an der Börse kann sich wohl jeder vorstellen.

 

Wir wollen nicht hoffen, dass es dazu kommt, aber leider besteht eine realistische Gefahr -- für einen deftigen Absturz an der Börse. Entweder schon kommenden Montag, wenn die beiden extremen Kandidaten auf Platz 1 und 2 und somit in die Stichwahl (zwei Wochen später, am 7. Mai 2017) kommen, oder am Montag, 8. Mai, wenn ein extremer Kandidat in der Stichwahl antritt und dort gewinnt. Nach Auskunft meiner französischen Kollegen ist beides nicht unwahrscheinlich.

Daher möchte ich etwas übereilt (daher sorry für die schlechte Qualität meines Beitrags) einige ganz knappe Hinweise geben.

Zur Absicherung eines breit gestreuten Aktiendepots gibt es mehrere Möglichkeiten.

1. Zum einen kann man mit Turbo-Bär-Zertifikaten (= Mini-Futures Short, oder Turbo-Short-Zertifikate) auf fallende Kurse setzen. In der Eile führe ich das hier nicht im einzelnen aus, denn es gibt bereits einen Beitrag dazu -- bitte hier klicken. Wichtig: Bitte beachtet, dass das in diesem Beitrag empfohlene Papier HU7STB bereits nicht mehr existiert, weil es aufgrund der Kurssteigerungen Anfang April 2017 bereits ausgeknockt wurde (wertlos verfallen ist).

2. Oder Ihr benutzt ganz klassische Put-Optionsscheine. Puts steigen unbeschränkt, wenn die Aktienkurse sinken, während man im umgekehrten Fall maximal den Einsatz (Kaufpreis des Put) verliert. Die Puts wählt man im comdirect-Informer über den Optionsschein-Selektor. Bitte achtet dabei auf die Restlaufzeit, auf den Basispreis und auf die implizite Volatilität.

Vor allem der Einfluss der Restlaufzeit wird von Einsteigern sehr oft falsch eingeschätzt. Bitte kauft niemals Optionen mit kurzer Restlaufzeit -- es sei denn, Ihr wisst genau, was Ihr tut! Das ist der erste typische Anfängerfehler. Eine Option verliert aus mathematischen Gründen vor allem in den letzten drei Monaten ihrer Laufzeit am stärksten an Zeitwert. Mit anderen Worten, die Option wird weniger wert, obwohl der Basiswert in die von Euch gewünschte Richtung läuft oder gar sich nicht bewegt. Aus diesem Grund ist es wichtig, beim Kauf von Optionen normalerweise darauf zu achten, dass die Laufzeit mindestens ca. 2 bis 3 Monate länger ist als der geplante Anlagehorizont. Falls Ihr Euch also bis Ende Mai wegen der Frankreich-Wahl absichern möchtet, kauft bitte Optionen, die noch bis mindestens Juli oder August 2017 laufen. Man kann in diesem Sonderfall auch einwenden, dass für den Fall eines Kurseinbruchs von zum Beispiel 15 Prozent am Montag nach dem ersten Wahlgang (falls in der Stichwahl nur noch zwischen den beiden Extremkandidaten zu entscheiden ist) möglicherweise auch eine sehr kurze Restlaufzeit genügt. Entsprechendes gilt, wenn Ihr am 8. Mai einen Einbruch befürchtet. Denkbar ist aber auch ein längerer Abwärtstrend über mehrere Monate (Sommermonate -- "sell in may"!), dann hättet Ihr mit zu kurz laufenden Optionsscheinen Pech.

Ihr wählt also im Informer -> Optionsscheinselektor als Optionstyp "Put" (fallende Kurse), und als Basiswert zum Beispiel den DAX oder den französischen CAC 40-Index. Ich würde als Restlaufzeit mindestens 3 Monate wählen. Der Basispreis der Option entscheidet quasi über Eure "Selbstbeteilung" im Falle eines Absturzes: Momentan steht der DAX bei 12.000 Punkten, der CAC 40 bei etwa 5.000. Es ist eine gute Idee, einen Basispreis ungefähr in dieser Höhe zu wählen.

Eine andere Strategie ist, nicht auf dem aktuellen Kursniveau abzusichern, sondern auf einem Niveau rund fünf bis zehn Prozent darunter. Dadurch wird die Put-Option billiger, dafür steigt Eure Selbstbeteiligung. Das ist wie bei einer Versicherung: Wer eine höhere Selbstbeteiligung akzeptiert, zahlt weniger Prämie.

 

Falls Ihr beispielsweise einen Basispreis von 10.000 Punkten wählt, sind erst DAX-Abstürze unter 10.000 Punkte versichert. Falls der DAX bis zum Ende der Laufzeit der Option von 12.000 auf 10.000 Punkte abstürzt, ist der Optionsschein trotzdem wertlos.

 

Auch die falsche Wahl des Basispreises ist ein typischer Anfängerfehler: Optionen werden zu agressiv gewählt. Um diesen Fehler zu vermeiden, wählt Ihr bei Call-Optionen einen Basispreis, der etwas unterhalb des aktuellen Niveaus des Basiswerts liegt, und (in unserem Fall) bei Put-Optionen einen Basispreis, der ungefähr auf dem aktuellen Level liegt. Man spricht dann davon, dass die gewählte Option "am Geld" ist. Wer mit einem schnellen, starken (!) Rückgang der Aktienmärkte rechnet, darf auch einen niedrigeren Basispreis wählen, ist dann aber bitte nicht enttäuscht, falls die Option nicht wie gewünscht reagiert, wenn der Markt nur leicht fällt.

 

Also hier zusammengefasst meine Empfehlung für eine Absicherung:

- Put-Option

- Basiswert DAX

- Laufzeit 3 Monate bis 6 Monate (oder länger)

- Basispreis 11.800 bis 12.200 Punkte

 

Die im Selektor gefundenen Optionen lasst Ihr dann nach der impliziten Volatilität sortieren. Kauft dann den Schein, der unter vergleichbaren Scheinen die kleinste implizite Volatilität hat - der ist nämlich am preiswertesten. Zur Erklärung: die implizite Volatilität ist das Maß der erwarteten Schwankung der Aktienmärkte, das der Verkäufer (Emittent) des Optionsscheines in den Verkaufspreis einbaut. Je höher die implizite Volatilität, desto teurer wird eine Option.

Hier gibt es noch einige weitere wertvolle Hinweise für die Auswahl von Optionen.

 

3. Ihr könnt natürlich auch heute schon alle Aktien verkaufen, oder alles mit Stop-Loss-Orders absichern. Aber dann besteht die Gefahr, dass Ihr nicht mehr dabei seid, wenn es nur einen kurzen Tunker nach unten und anschliessend eine schnelle Erholung gibt, so wie es im Sommer 2016 nach dem Brexit und im November 2016 nach der Trump-Wahl passiert ist... Ihr seht, ich träume noch.


Die Absicherung mit Turbo-Zertifikaten hat gegenüber Put-Optionen den Vorteil, dass es keinen Einfluss der Volatilität gibt. Diese Papiere sind daher leichter zu verstehen: Sie bewegen sich in der Regel einfach spiegelbildlich zum Basiswert (z.B. DAX). Allerdings gibt es bei Turbo-Zertifikaten eine Barriere, die während der gesamten Laufzeit aktiv ist. Wird diese Barriere überschritten, weil die Börse steigt, wird das Turbo-Short-Zertifikat sofort (fast) wertlos. Diese Gefahr besteht bei Put-Optionen nicht.

In beiden Fällen ist also die Idee, dass man quasi eine Versicherung kauft. Für den Fall, dass die Börse nicht einbricht, würden die Optionen wertlos verfallen, damit wäre die Versicherungsprämie verloren. Aber Eure Aktien wären gestiegen oder zumindest nicht gefallen! Man muss bereit sein, eine Versicherungsprämie zu bezahlen, um sich gegen einen größeren Schaden zu schützen. Und natürlich ist man froh, wenn das Haus nicht brennt und die Versicherung nicht in Anspruch genommen werden muss.

 

Aus Kostengründen ist es aber ratsam, nur jene Teile des Portfolios abzusichern, die vom Ereignis besonders betroffen sind — und zwar über die entsprechenden länderspezifischen Aktienindizes. Falls es doch einen Absturz an den Aktienmärkten gibt, hättet Ihr über die Optionen zumindest einen teilweisen Ausgleich für die erlittenen Kursverluste.

Achtung: Unter der Annahme, dass am kommenden Montag die Börsen abstürzen wäre heute die letzte Gelegenheit, eine solche Absicherung zu kaufen. Wer befürchtet, dass eine Katastrophe erst nach der Stichwahl am 7. Mai eintritt, kann sich noch etwas Zeit lassen.

Ich will hier wirklich keine unnötige Panik schüren. Aber ich habe, ehrlich gesagt, Angst, dass uns Europa, die EU und der Euro in einigen Tagen um die Ohren fliegen könnten. Ich hoffe und bete, dass ich unrecht habe. Hoffentlich passiert am Sonntag kein Unglück. Falls z.B. Macron in der Stichwahl gewinnt, wird es eine Erleichterungsrallye an der Börse geben. Eure Absicherungsoptionen würden wertlos verfallen, aber Eure Aktien würden stark steigen. Das ist es, was ich uns wünsche.

Nur ganz kurz am Rande noch ein Tip für ganz abgebrühte Vollprofis: Man kann davon ausgehen, dass spätestens nach der Stichwahl Klarheit über die politische Ausrichtung in Frankreich besteht. Darauf wartet die Börse. Mit anderen Worten, mit ziemlicher Sicherheit wird der DAX in drei Wochen entweder wesentlich tiefer stehen als heute (Frexit-Gefahr) oder ein gutes Stück höher (Erleichterungsrallye). Das ist ein ideales Szenarion für einen Long Straddle, also den gleichzeitigen Kauf eines Call und eines Put mit gleicher Restlaufzeit und gleichem Basispreis. Details dazu findet man im Internet unter dem Stichwort "Long Straddle". Vorsicht: Falls es keinen starken Ausschlag an der Börse gibt (egal in welche Richtung), wäre der Straddle wertlos. Also: Sehr riskante Strategie, nur für echte Profis!

Trotz allem also ein schönes Wochenende

viele Grüsse aus einem sonnigen, eiskalten München

nmh

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.
12 ANTWORTEN

nmh
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9.959 Beiträge

Zustimmung zu @RDF   - außer: ich glaube, wenn die beiden Extremisten in die Stichwahl gekommen wären, hätte es im DAX nicht minus 1.000 gegeben, sondern eher minus 3.000 oder mittelfristig noch mehr. Ohne Frankreich können wir die EU auflösen und uns vom Euro verabschieden. Willkommen in den 50er-Jahren.

 

Warten wir also die Parlamentswahl ab - da droht noch Ungemach. Siehe oben.

 

nmh (hofft, Unrecht zu haben)

 

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.

nmh
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Für alle Anleger, die über eine Depotabsicherung nachdenken:

 

Hier gibt es ganz frisch einen neuen, aktuellen Beitrag zum Thema Absicherung gegen fallende Kurse.

 

nmh

 

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.

EVANA
Autor ★
5 Beiträge
Da noch für sagt man bei uns im Norden,lieber nmh- ich hätte Grad vorher eine Nachricht an Dich geschickt,aber nach Daumen hoch dachte ich, die Nachricht geht an Dich. Ich bin EVANA. Such sonst bitte mal, denn heute hab ich das 1.mal geschrieben-bin 75 & etwas ungeübt. Also: Grosses Lob für Dich! Ich bleib jetzt dran.gruss