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Money Management: Die geheime Gewinnformel

nmh
Legende
9.960 Beiträge

Liebe geneigte Anleger (m/w),

ja, klaaar, wieder so eine reißerische Headline, und Ihr habt sie angeklickt. Und doch muss ich sagen, dass es diesmal wirklich um eine Strategie geht, mit der Ihr jedenfalls langfristig an der Börse erfolgreich sein werdet. Tatsächlich also eine Art von "Gewinnformel". Erfunden habe ich diese Strategie nicht; es ist ein ganz alter Hut und bei professionellen Anlegern üblich. Nur die meisten Privatanleger, die arbeiten irgendwie eher nach Bauchgefühl, statt bei ihren Anlagen eine klare Strategie zu verfolgen. Ich schließe mich da selbst gar nicht immer aus. "Geheim" im Sinne der Headline ist das, worüber ich hier schreiben will, also höchstens beim Hobby-Anleger zuhause.

Damit folge ich auch Eurem Wunsch, den Ihr hier geäußert habt. Also aufgemerkt:

 

Um was es hier gehen soll, ist das wichtige Thema "Money Management". Ich habe es schon sehr häufig in unserer Community erwähnt, aber noch nie so ausführlich beschrieben gesehen. Ob wohl Eure Aufmerksamkeitsspanne lang genug ist? Wir werden es leider nie erfahren ...

 

Das Schöne ist: Es ist wieder eine Strategie, die zu ganz unterschiedlichen Anlagestilen passt! Egal, ob Ihr gerne irgendwelchen komischen Sterne-Listen von mir folgt, oder ob Ihr lieber einen Wert tagelang analysiert und dann kauft. Mit den folgenden Tricks steigert Ihr Euren Erfolg an der Börse. Die Hinweise gelten für Aktien, aber auch wenn Ihr in Rohstoffe (Gold, Zucker, Orangensaft, Schweinehälften, was auch immer) oder in Indizes (süd-taiwanesischer Xing-Taong-Index) investiert.


Money Management hängt sehr stark mit dem Spruch zusammen, den ich ebenfalls häufig predige. Und das ist wirklich das Erfolgsrezept für langfristigen Börsenerfolg: Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen. Verluste begrenzt man, indem man Stopkurse setzt und konsequent einhält.

Typische Fehler von Privatanlegern

Die meisten Privaten machen es genau umgekehrt. "Ui, super, da gibt es eine Aktie, die ist in den letzten Tagen und Wochen abgestürzt. Die ist jetzt schön billig, die sammle ich jetzt mit Limit ein." Und dann schauen sie zu, wie die Aktie auch nach dem Kauf noch jahrelang weiter fällt. Unser Privatanleger war in diesem Fall einfach gescheiter als der Markt, und hat einen Tiefflieger aufgesammelt. Nennen wir es Fehler Nr. 1. Sollte man niemals tun. Warum, habe ich hier schon ausführlich erklärt; bitte nachlesen.

Auch beliebt beim Privatanleger ist Fehler Nummer 2: die vorzeitige Gewinnmitnahme, wie wir Mediziner dazu sagen. Und das geht so: "Die Aktie, die ich vor einiger Zeit gekauft habe, ist jetzt wirklich stark gestiegen. Inzwischen ist die zu teuer. Von Gewinnmitnahmen ist noch niemand arm geworden, also verkaufe ich die jetzt, obwohl sie ja eigentlich in einem gesunden Aufwärtstrend liegt. Aber die ist inzwischen überbewertet." Und wieder ist unser Privater klüger als "der Markt", der die Aktie weiter steigen lässt.

Ganz besonders schlimm und langfristig absolut tödlich ist der dritte Fehler der Hobby-Anleger: "Die Aktie habe ich vor einiger Zeit gekauft, aber sie fällt und fällt und fällt. So billig gebe ich sie aber nicht mehr her, die ist total unterbewertet. Alle anderen außer mir sind total doof und sehen die Unterbewertung nicht, also halte ich die Aktie und lasse den Verlust immer größer werden." Unser Privater handelt hier nach dem Motto: "Ein Geisterfahrer? Tausend!" Ist ja auch schwierig, sich selbst den Fehler einzugestehen, die Aktie gekauft zu haben. Das hat viel mit Psychologie zu tun. Die große Masse der Profis verkauft, warum auch immer, und dadurch sinkt der Kurs immer weiter, aber er hält tapfer durch. So ein Wert kann jahrelang fallen.

Manchmal wird der Abwärtstrend erst nach einigen Jahren enden, und die Aktie beginnt tatsächlich, wieder zu steigen. Unser Privatanleger - zeitweise dick im Verlust - freut sich, die Verluste werden kleiner. Und er sagt sich: "Hey, da komme ich sogar mit einem blauen Auge raus". Das geht dann nach dem Motto "es gibt für den Aktionär nichts schöneres als wenn er seinen Einstandskurs wiedersieht". Sobald die Aktie endlich nach Jahren in die Gewinnzone dreht, wird verkauft. Plusminus Null, gut gemacht. Ich würde eher sagen: Fehler Nummer 2 gemacht.

 

Also:

Fehler Nr. 1 = Tiefflieger auffangen

Fehler Nr. 2 = Gewinne zu früh mitnehmen

Fehler Nr. 3 = Verluste nicht eingrenzen


Erkennt sich jemand wieder?

Fast alle Privatanleger machen zu Beginn diese Fehler. Besonders auch ich. Ich bin seit über 20 Jahren sehr intensiv an der Aktienbörse tätig, und was haaaaabe ich anfangs Geld verloren, weil ich mein Risiko nicht begrenzt habe. Es hat mich einige Jahre an harter, teurer Erfahrung gekostet, bis ich irgendwann verstanden habe, wie es eigentlich geht. Seitdem bin ich überaus erfolgreich. Mögen meine wichtigtuerischen Belehrungen Euch dabei helfen, das Lehrgeld zu sparen, das man als Neueinsteiger bezahlt.

Neulich hat @haxo  geschrieben (siehe hier😞 Ich verkaufe nur Aktien, die ich heute nicht mehr kaufen würde. Auch das stimmt und deckt sich mit meiner Strategie: Aktien, die in den Verlust laufen (also abwärts), würde (sollte) man nicht mehr kaufen. Siehe unten.

Profis setzen noch vor dem Kauf einen Stopkurs

Jetzt schauen wir mal, wie der Profi an die Sache rangeht. Und da beginne ich gleich mit etwas, das vielleicht seltsam klingt. Wenn der Profi eine Aktie kauft, dann überlegt er noch vor dem Kauf, wo er wieder rausgeht. Und zwar nicht wenn die Aktie steigt, sondern wenn sich nach dem Kauf herausstellt, dass der Kauf ein Fehler war und die Aktie fällt.

Sicher überrascht das jetzt einige. Aber erfolgreich an der Börse ist langfristig nicht, wer besonders sorgfältig bei der Auswahl von Aktien vorgeht. Das solltet Ihr natürlich trotzdem tun, siehe unten. Doch im Grunde genommen geht es nur darum, Verluste klein zu halten.

Warum ist das so? Erstmal eine Binsenweißheit: Über die Jahrzehnte ist Euer gesamter Börsengewinn (z.B. in Millionen Euro) die Summe aller einzelnen Gewinne abzüglich aller einzelnen Verluste. Logo.

Manche sagen, dass deswegen die Trefferquote möglichst hoch sein muss, also dass ich öfters Gewinne als Verluste machen muss. Aber das stimmt nicht. Die Trefferquote ist ziemlich wurscht. Wichtig ist nur, dass unter dem Strich die Summe möglichst hoch ist. Das erreiche ich sogar, wenn ich dummerweise nur selten Gewinne mache und die meisten Investments im Verlust enden.

Der Trick ist, dass dieser seltene Gewinn gemessen in Euro sehr hoch ist, während ich die einzelnen Verluste gering halte. Denn wenn Ihr viermal Verluste über je 1.000 Euro macht und achtmal Gewinne über je 120 Euro, habt Ihr trotz hervorragender Erfolgsquote (2:1) dennoch einen Gesamtverlust von 3.040 Euro. Wenn ich aber nur fünfmal einen hohen Gewinn von je 1.500 Euro habe und zwanzigmal einen kleinen Verlust von je 120 Euro, dann ist zwar meine Trefferquote miserabel, nämlich nur 1:4, aber trotzdem gehe ich mit einem Gesamtgewinn von 5.100 Euro aus der Nummer raus!

Also Verluste begrenzen.

Ihr müßt wissen, dass "die Börse" Euch vieles vorgibt, worauf Ihr keinen Einfluss habt. Ob eine Aktie nach dem Kauf steigt oder fällt, habt Ihr nicht in der Hand. Wieviel Ihr damit verdient, könnt Ihr nicht beeinflussen. Das einzige, was Ihr selbst bestimmen könnt, ist der maximale Verlust, den Ihr mit einer Aktie in Kauf nehmen wollt. Und diesen einzigen Regler, den Ihr einstellen könnt, solltet Ihr nicht aus der Hand geben.

Profis gehen beim Kauf einer Aktie nach drei Schritten vor:
1. Angenommen, die Aktie fällt nach dem Kauf: bis zu welcher Marke akzeptiere ich das, bevor ich verkaufe? Diese Marke wird "Stopkurs" genannt.
2. Welchen Verlust in Euro akzeptiere ich mit der Aktie höchstens?
3. Die Stückzahl für den Kauf ergibt sich dann nach der Formel:

        STK =  (maximaler Verlust in Euro) geteilt durch (aktueller Kurs minus Stopkurs)

 

Diese drei Schritte sind der Kern des "Money Managements".


Beispiel: Die Aktie steht momentan bei 38 Euro. Die Marke von 34 bietet sich als Stopkurs an. Ich will auf keinen Fall mehr als 200 Euro verlieren. Also kaufe ich 50 Stück, das kostet 1.900 Euro plus Spesen.

Erst dann wird die Kauforder erteilt.

Das ist für den Hobby-Anleger völlig ungewohnt: Wieviel man investiert (z.B. 1.900 Euro) ergibt sich erst nach der Wahl des Stopkurses! Die meisten Privaten investieren einfach immer z.B. 5.000 Euro in eine Aktie.* Und das ist falsch! Bei Aktien, die stark schwanken, sollte man weniger kaufen als bei eher ruhigen Aktien. Denn bei ruhigen Aktien darf der Stopkurs näher am Kaufkurs liegen, wodurch sich eine größere Stückzahl und ein größeres Investitionsvolumen ergibt.

Über die richtige Auswahl der Stopkurse kann man ebenfalls ganze Bücher schreiben. Die richtig Platzierung des Stopkurses hängt auch von Eurem Anlagehorizont ab. Ich schaue mir normalerweise das Chartbild der letzten zwei Jahre an, und wenn ich einen Aufwärtstrend erkenne, dann setze ich den Stopkurs unter das letzte markante Tief. Besonders schön ist, wenn eine Aktie in den letzten Monaten zwischen zwei Marken seitwärts gelaufen und dann kürzlich aus diesem Seitwärtstrend nach oben ausgebrochen ist. Dann darf der Stopkurs in der Bandbreite oder leicht darunter liegen. Denn wenn sich der Ausreißer nach oben als Fehlsignal entpuppt ("Bullenfalle") und der Kurs wieder in das Schwankungsintervall zurückfällt oder sogar darunter, dann habe ich einen Fehler gemacht und muß raus aus der Aktie.

Trotzdem: Optimieren der Trefferquote hilft

Wir haben also gesehen, dass das Geheimrezept ist, möglichst kleine einzelne Verluste zu machen und die Gewinne möglichst groß werden zu lassen. Die Trefferquote ist dafür gar nicht so wichtig. Trotzdem hilft es natürlich, wenn man auch die Trefferquote optimiert.

Das könnt Ihr durch unterschiedliche Strategien beim Einstieg in eine Aktie tun. Der eine analysiert wochenlang fundamentale Kennzahlen und kauft dann eine Aktie, die er für unterbewertet hält. Andere schauen gerne auf Trends und kaufen am liebsten am Allzeithoch, wenn ein gesunder Aufwärtstrend vorliegt. Wieder andere folgen einfach irgend welchen Empfehlungen in der Fachpresse oder hier in der Community, zum Beispiel in meinen unseriösen Sterne-Listen. All das sind zulässige Methoden, um die Trefferquote zu erhöhen. Aber all das bringt nichts, wenn Ihr nach dem Kauf Verluste aussitzt und Gewinne zu früh mitnehmt. Siehe oben, Thema Trefferquote.

Das Setzen eines Stopkurses begrenzt also Verluste. Die sollen ja klein gehalten werden. Natürlich kommt es aber auch vor, dass eine Aktie nach dem Kauf weiter steigt. In diesen Fällen zieht Ihr den Stopkurs regelmäßig nach. Irgendwann kommt der schöne Moment, wo der Stopkurs über Euren Kaufpreis steigt. Dann könnt Ihr mit dieser Position theoretisch keinen Verlust mehr machen.

Damit habe ich Euch das Prinzip Money Management erklärt. Es bedeutet einfach, dafür zu sorgen, dass der Verlust in einer einzelnen Aktie nicht lebensbedrohlich wird; für jede Aktie wird ein Höchstverlust vorgegeben. Durch strikte Stopkurse verhindert man dann, dass der Verlust größer wird als das erlaubt Limit pro WKN.

Also: Gewinne laufen lassen (und Stopkurse nachziehen), Verluste begrenzen (durch strikte Stopkurse).

Stopkurse wirklich immer notwendig?

Ich will nicht verschweigen, dass es in meiner Strategie zwei Situationen gibt, wo ich auch mal auf Stopkurse verzichte.

Das eine sind meine "Kerninvestments". Die meisten von uns halten breit gestreute ETFs oder Indexzertifikate im Depot, und die wollen sie jahrzehntelang halten. Eine Untersuchung hat ergeben, dass man in den letzten 40 Jahren nach einem Kauf eines DAX-ETF höchstens 13 Jahre warten mußte, um damit in die Gewinnzone zu kommen (siehe hier). Um Mißverständnisse zu vermeiden: Das gilt nur für breit gestreute Investments, nicht für Einzelaktien!

Aus diesem Grund wäre ich damit einverstanden, dass Ihr solch breite Positionen, also ETF oder Fonds oder Indexzertifikate nicht mit Stopkurs absichert.

Zum anderen habe ich die Erfahrung gemacht, dass Stopkurse in Krisenzeiten an der Börse eher schädlich sind. Wenn die Börse allgemein nach unten geht, so wie von 2001 bis 2003 oder in der Finanzkrise nach 2007, dann sichere ich nur die Positionen per Stopkurs an der Börse ab, die relative Schwäche zeigen, die also noch stärker fallen als andere Positionen.

Meine Strategie sieht so aus, dass ich für jede einzelne Position (auch ETF oder Indexzertifikate) in meinem Computersystemen einen Stopkurs führe. Aber eine Stop-Order an der Börse platziere ich in der Regel nur für die Aktien, die relative Schwäche zeigen, also beispielsweise in einer guten Börsenphase trotzdem fallen. Relative Schwäche hasse ich. So sind bei mir - je nach Situation - manchmal nur ein Drittel oder die Hälfte meiner Positionen tatsächlich per Stopkurs an der Börse abgesichert. Das ist nicht konsequent, aber ich habe ganz gute Erfahrungen damit gemacht.

In heißen Phasen, also konkret in 2016 vor der Brexit-Abstimmung und vor der US-Präsidentenwahl sowie in 2017 vor den Wahlen in Frankreich, habe ich fast alle Stopkurse ausgesetzt, um zu vermeiden, dass durch einen Schock mein Depot leergefegt wird. Einen solchen Schock gab es ja nach den beiden Wahlen in 2016, und drei Tage später hatten die meisten Aktien sich erholt. Meine selbst entwickelte Technik erlaubt es, zentral alle Stop-Orders vorübergehend zu suspendieren.

Beide Ausnahmen sind aber höchst umstritten; einen klaren Rat kann ich Euch dazu nicht geben.

Außerdem ist es eine sehr schwierige Frage, ob man die Stopkurse wirklich an der Börse platziert und damit riskiert, von Schwankungen innerhalb eines Tages nach unten ausgestoppt zu werden. Alternativ könnt Ihr Eure Positionen täglich manuell überwachen und aktiv verkaufen, wenn z.B. ein Schlusskurs Euren "mentalen" Stopkurs unterschreitet. Nachteil: dann ist es vielleicht zu spät, wenn eine Aktie wirklich böse abstürzt. Dasselbe gilt, wenn Ihr Stop-Limit-Verkäufe wählt, also ein limitierter Verkauf, sobald ein Stopkurs unterschritten wurde. Also: verkaufe für mindestens 30,50 Euro, wenn die Aktie unter 31,00 Euro gefallen ist.

Gewinne dank oder trotz Streuung

Vor einiger Zeit wurde hier in der Community die Frage gestellt, wie ich trotz meiner sehr breiten Streuung eine Überrendite erziele. Die Antwort ist: durch striktes Risikomanagement. Wenn Aktien fallen, dann fliegen sie bei mir gnadenlos aus dem Portfolio. Das passiert beispielsweise bei einem Index nicht: Wenn ich einfach nur indexorientiert anlege, dann halte ich Rohrkrepierer jahrelang, bis der Indexanbieter sie irgendwann aus dem Index rausnimmt.

Meine Depots umfassen insgesamt mehrere hundert unterschiedliche Wertpapiere. Mit welcher Technik ich trotzdem überall die Stopkurse überwache und regelmäßig nachziehe, habe ich hier bereits erklärt. Dort steht auch, wie man den maximal akzeptablen Verlust einstellt. Bitte nachlesen.

Meine Hoffnung ist, daß die meisten von Euch, vor allem die Leser mit etwas Erfahrung, bereits so vorgehen, wie ich es beschrieben habe. Wer bisher ausschließlich auf sein Gefühl hört und kein Risikomanagement betreibt, läßt meine wirren Zeilen einfach mal in Ruhe auf sich wirken. Es würde mich freuen, wenn ich Euch mit meiner Beschreibung dieser uralten Profi-Technik dabei unterstützen kann, strikt auf das Risiko zu achten, und Gewinne laufen zu lassen und Verluste zu begrenzen. Damit auch Ihr langfristig an der Börse erfolgreich seid.

Also merke: noch vor dem Kauf einen Stopkurs einplanen, und dann die Anlagesumme auf den maximal erlaubten Verlust ausrichten. Mehr ist es nicht!

Viel Erfolg auf dem glatten Börsenparkett (bitte mal fünf Euro in die Phrasenkasse)

herzliche Grüße aus München

nmh

 

________________

*) Oder so wie mein Schwiegervater, der einfach immer 100 Stück kauft, egal, wie teuer die Aktie ist.

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.
179 ANTWORTEN

Gloktha
Autor ★★
20 Beiträge

@paco  schrieb:

 

2) Die Facebook Aktie war ein schlechtes Beispiel. Die Aktie ist gar nicht soooo teuer. Nehmen wir Amazon oder Alphabet.  Kaufe ich mir 2 Aktien zu 1000 EUR, habe ich 2000 EUR investiert. Der Hebel ist dort aus meiner Sicht nicht so stark. Steigen die Aktien auf 1200, habe ich eine große Kurssteigerung, aber unter dem Strich nur 400 EUR plus gemacht.

Habe ich hingegen 2000 EUR und der Kurs ist bei 50 und steigt auf 70, macht es ein Plus von 800 EUR. Dahinter steckt der naive Gedanke, dass teure Aktien nicht mehr so viel Entwicklungspotenzial nach oben haben. Eine vielleicht haltlose Theorie.


Ich denke hier liegt noch ein Irrtum vor. Es ist prinzipiell absolut egal, welchen Wert die von dir betrachtete Aktie hat. Ob das nun eine für 100 € oder eine für 5 € ist. Der Wert einer Aktie ist ja de facto nichts anderes als der an der Börse veranschlagte Gesamtwert des Unternehmens geteilt durch die Anzahl der handelbaren Aktien. Wenn der Markt nun plötzlich der Meinung ist, dass ein Unternehmen aufgrund irgendwelcher Umstände (Gewinnausbau, neue Zukäufe, neue Technologien, was auch immer) plötzlich 10% mehr wert ist, dann ist jede Aktie somit 10% mehr wert. Da ist es nun völlig egal, ob du 10 Aktien zu je 100 € oder 200 Aktien zu je 5 € im Depot hast (also alle vom gleichen Unternehmen).

 

Eine Aktie, die bei 50 € steht hat also (völlig unabhängig vom Unternehmen) erst einmal genau die gleiche Wahrscheinlichkeit auf 70 € zu steigen, wie eine Aktie die bei 1000 € steht und auf 1400 € steigen soll. Beides würde eine Unternehmenswertsteigerung von 40 % bedeuten. In wie große Portionen (Aktien) dabei der Unternehmenswert zerteilt ist spielt dabei ja keine Rolle.

 

Relevant ist der Kurs der betrachteten Einzelaktien natürlich wenn du nun z.B. deine 10k€ auf mehrere Einzelaktien verteilen willst. Denn dann ist bei sehr teuren Aktien halt nur eine begrenzte Streuung möglich (Aktien, die bei 2000€ stehen erlauben halt nur eine Aufteilung auf max. 5 verschiedene Titel. Hier hast du deutlich mehr Möglichkeiten, wenn der Wert der einzelnen Aktien niedriger ist)

 

--> aber als Fazit: der Kurs einer Aktie sagt per se erst einmal nichts über das mögliche Kurssteigerungspotential aus

NordlichtSH
Mentor ★★
1.819 Beiträge

Ergänzend dazu: einige Aktien sind auch nur deshalb optisch "billig", weil sie ein- oder mehrmals Aktiensplits durchgeführt haben.

 

Beispiel, der Kurs lag bei 1.000€, ein Split 1:5 wurde durchgeführt, und ein Aktionär der zuvor eine Aktie im Wert von 1.000€ im Depot hatte, hat nun 5 Aktien zu je200€.

 

Sehr "teure" Aktien sind also eigentlich ein Kaufsignal, ist der hohe Wert doch ein Anzeichen dafür, dass der Kurs stark gestiegen und die Aktie bisher erfolgreich war.

ehemaliger Nutzer
ohne Rang
0 Beiträge

Ich kann @Gloktha nur zustimmen.

 

Wenn man mit Anfängern über Aktieninvestments spricht, dann hört man oft die Frage "Was kostet denn eine Amazon-Aktie?" Die Frage dahinter lautet "Kann ich mir eine Amazon-Aktie (von der alle reden) leisten oder reicht mein Geld nur für die Telekom?" Man blendet aus, dass man einen Anteil von etwas Größerem kauft. Man kauft halt 1 Gemälde, 3 Unzen Edelmetalle, 1 Auto etc. Und meistens ist teuer dann auch besser bzw. wertvoller. (Gold statt Silber, Mercedes statt VW, Beuys statt Beltracchi).

 

Es dauert mitunter eine Weile bis es bei den Leuten <click> macht. Wenn jemand ein Sprachbild hat, mit dem man dies gut erklären kann würde ich mich freuen, wenn er es mit mir teilen würde. Ich finde es wichtig die Altersvorsorge in die eigene Hand zu nehmen - gerne auch mit Aktien. Aber man sollte wenigstens die Grundzüge seiner Geldanlage verstehen.

swolpoll
Experte ★★★
727 Beiträge

@ehemaliger Nutzer: Ich benutze immer folgendes "Sprachbild":

 

- Als Aktionär beteiligst Du Dich am Eigenkapital eines Unternehmens;

- Sagen wir das Eigenkapital sind 100 Euro;

- Es ist völlig egal ob das Unternehmen 10 Aktien zu 10 Euro ausgibt oder 100 Aktien zu einem Euro. Das Eigenkapital ist immer gleich.

- Du investierst als Aktionär immer eine festen Betrag, sagen wir 10 Euro. Du hast entweder 1 Aktie oder 10 Aktien, je nachdem wie das Unternehmen sein Eigenkapital auf Aktien aufteilt. Aber Dein Anteil am Unternehmen sind immer 10%.

- Fazit: Es ist reine Optik.

 

 

Damit hat es schon so bei manchem Klick gemacht...

 

Gruß,

swolpoll

 

 

paco
Autor ★
7 Beiträge

Wow, ziemlich viele Antworten. Stark. Danke!

 

Das Prinzip habe ich schon verstanden. Mein Problem ist wahrscheinlich eher psychologischer Natur.

Starke Aktien explodieren wahrscheinlich nicht mehr, so meine These. Rein prozentual ist es natürlich egal. Das ist einfache Mathematik.

In meinem Kopf ist der Sprung von 50 auf 70 gefühlt leichter als von 1000 auf 1400. Diese Thesen sind faktisch widerlegbar. Ist nur noch nicht in meinem Rechenzentrum da oben angekommen. 

Und wie auch angesprochen wurde. Von teuren Aktien kann man sich "leider" nicht so viele leisten. Das macht teure Aktien auf den ersten Blick auch psychologisch nicht so interessant. 

 

Der große Wurf, ja. Das ist wohl Anfangseuphorie. Ich gebe zu, ich habe meine Gehirngespinste alle raus gelassen. Vor Aktien habe ich schon einen hohen Respekt. 

@nmh hat es geschafft, dass ich zumindest Aktien irgendwann in Betracht ziehe, was ich vorher für mich kategorisch ausgeschlossen hatte.

 

Ich habe nun erstmal in einen MSCI WORLD ETF investiert und eigne mir peu a peu weiteres Wissen und Erfahrungen über Aktien an. Das Musterdepot scheint mir in der Tat ein geeignetes Mittel zu sein, um mal ein Gespür für die Thematik zu bekommen und die Basics zu erlernen,  bevor es dann irgendwann mal los geht.

 

Genießt den Feiertag, wenn ihr im richtigen Bundesland zu Hause seid. 

NordlichtSH
Mentor ★★
1.819 Beiträge

Mit dem ETF machst du erstmal nichts falsch, das ist eine solide Langzeitinvestition.

 

Und mit Aktien erstmal nur im Musterdepot zu experimentieren, ist eine gute Entscheidung.

 

Explodierende Aktien - ja, bei Aktien wie Amazon denke ich auch manchmal "wenn ich die vor 10 Jahren gekauft habe, wäre ich jetzt reich". Oder Apple / Microsoft vor 20 Jahren.

 

Andererseits kann ich mich aber auch noch an den Neuen Markt erinnern, und an viele Start-ups, mit denen Anleger viel Geld verloren haben, sowie wenige, mit denen Anleger reich geworden sind. Soll heißen, je mehr Potential, desto höher auch das Risiko.

 

P.S.: Aber auch wenn z.B. der Kurs von Microsoft sich nicht mehr innerhalb von wenigen Jahren vervielfachen wird, ist es immer noch ein solides Investment. Ich habe Microsoft seit Anfang 2017 im Depot und bin jetzt mit etwa 40% im Plus, und als zusätzliches Bonbon gibt es 1,5% Dividende, das ist mehr als die aktuellen Zinsen auf Tagesgeld.

dg2210
Legende
6.199 Beiträge

@NordlichtSH  schrieb:

Mit dem ETF machst du erstmal nichts falsch, das ist eine solide Langzeitinvestition.

 

Und mit Aktien erstmal nur im Musterdepot zu experimentieren, ist eine gute Entscheidung.

 

Explodierende Aktien - ja, bei Aktien wie Amazon denke ich auch manchmal "wenn ich die vor 10 Jahren gekauft habe, wäre ich jetzt reich". Oder Apple / Microsoft vor 20 Jahren.

 


"Reich werden" geht auch mit langweiligenA ktien und etwas mehr Zeit; hier ein bekannter Einzelhändler:

 

Screenshot_20181101_160157.png

 

Anfang der 70-er Jahre kostete die Aktie ca 0,05 US-$, aktuell steht sie bei 100, dazu kommen noch mehr als 2 $ Divdiende pro Jahr. Selbst unter Berücksichtigung der Inflation (Durchschnittsmonatslohn 1972: ca 1000 DM) bleibt da etwas übrig. Die andere Frage ist, ob es in den 70-er Jahren in Deutschland eine Bank gab, die einem Privatanleger amerikanische Aktien verkauft hätte...

 

 Auch das ist nicht schlecht: von 0,01 US-$ auf 60 US-$:

 

Screenshot_20181101_160921.png



 

huhuhu
Legende
7.278 Beiträge

Aber auch in etwas kürzerer Zeit;

 

Fb.  vor ca. 6 Jahren

Apple vor ca. 8 Jahren

Google vor ca. 14 Jahren

SAP vor ca. 20 Jahren

MarS
Autor ★★
14 Beiträge

Hallo nmh,

 

vielen Dank für diese zahlreichen Beiträge und Artikel. (schreibst du auch prof. für Bücher und Zeitschriftenverlage?? ..und wenn ja wo kann ich die kaufen?)  Smiley (überglücklich)Lachender Smiley

 

nein Spaß "nochmal persönliches Danke" es macht Spaß dir zu folgen. Katze (zwinkernd)

 

Gruß

MarS

nmh
Legende
9.960 Beiträge

@MarS:

 

Danke! Ja, es gibt neben Zeitschriftenbeiträgen auch Bücher von mir. In jeder Buchhandlung kannst Du sie kaufen. Falls es Dich nicht stört, dass die nix mit Börse und Finanzen zu tun haben. Juristische Fachliteratur. Doof. Langweilig.

 

nmh

 

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.