Guten Abend miteinander,
ich freue mich immer über Eure zahlreichen Leserbriefe. Einer davon dürfte von allgemeinem Interesse sein, daher poste ich die Fragen und meine Antworten hier mit freundlicher Zustimmung des Verfassers. Damit wünsche ich allen Lesern ein wunderschönes, erholsames Wochenende.
@Hungry17 schreibt:
Ich lese nun schon seit längerer Zeit Deine beeindruckenden Berichte in der Community. Ich konnte schon so einiges von Dir lernen. Dafür schon mal ein großes Dankeschön!
Ich schreibe Dir, da ich sehr beeindruckt von Deiner Herangehensweise an die Börse bin und davon etwas lernen möchte.
Die beschriebenen typischen Anfängerfehler habe auch ich gemacht. Grunsätzlich bin ich durch Sparpläne auf extrem diversifizierte ETF investiert. Allerdings reizt mich mein Börseninteresse immer mehr, weshalb ich auch in Einzelaktien investieren möchte. Meine Anfängerfehler haben mich nun schon einiges an Geld gekostet, weshalb ich nun etwas ändern möchte. Durch Recherche innerhalb der Community bin ich auf Deine Sternelisten gestoßen. Dadurch habe ich mir auch Deine Beiträge zu Money Management, typische Anlagefehler usw. angeschaut.
Nun zu meinen Anliegen:
Deine Strategie, nur auf Aktien mit Aufwärtstrend zu setzen, weckt bei mir großes Interesse. Kann man einem etwas fortgeschrittenen Neuling empfehlen, nach Deiner Sternenliste Aktien zu kaufen? Natürlich stellt die Sterneliste keine Kaufempfehlung dar. Sie würde eher als Basis für eine weitere Analyse meinerseits dienen, um dann in verschiedene Aktien der Liste zu investieren. Mir stellen sich diesbezüglich aber noch ein paar Fragen.
Zum einen frage ich mich, ob es eine Faustformel zum Nachziehen des SL-Kurses gibt? Bis auf welches Kursniveau sollte dieser nachgezogen werden (5-7% unter aktuellem Kurs o.Ä.)?
Zum anderen: Habe ich es richtig verstanden, dass man sich nach Deiner Strategie grundsätzlich nur austoppen lässt? D.h. man hält die Aktie so lange bis man ausgestoppt wird; der proaktive Verkauf stellt keine Option dar, damit verfrühte Gewinnmitnahmen vermieden werden?
Zudem stellt sich mir grundsätzlich die Frage ab welchem Investitionsvolumen man überhaupt diese Strategie betreiben könnte. Also ab welchem Einsatz macht es abzüglich Gebühren und Provisionen überhaupt Sinn? Eine Summe von 1000-2000 Euro pro Aktie ist für einen Studenten wie mich schon einiges an Holz. Ich könnte aktuell demnach nur in ein oder zwei Aktien investieren. Würde das schon Sinn machen? Breit investiert bin ich ja ohnehin durch ETF.
Ich würde mich über eine Antwort sehr freuen.
Vielen Dank für Deine Zeit.
Hungry17
Wer so freundlich schreibt, bekommt natürlich auch eine Antwort. Die könnte dann so aussehen:
Hallo Hungry17,
vielen Dank für das freundliche Feedback und das Lob, über das ich mich sehr gefreut habe. Ich versuche, einige der schwierigen Fragen zu beantworten; falls noch etwas offen sein sollte, bitte gerne nochmal fragen.
Aktien aus der Sterneliste für fortgeschrittene Einsteiger geeignet? Nun, im Prinzip natürlich schon. Das Risiko ist, dass eine trendstarke Aktie nach unten abdreht. Also muß man Aktien regelmäßig beobachten, am besten täglich, aber mindestens jedes Wochenende. Und wenn der Grund für den Kauf (steigender Kurs) nicht mehr existiert, sollte man über einen Verkauf nachdenken.
Welche Aktien aus der Sterneliste kaufen? Wenn Du noch keine Einzelaktien hast, würde ich empfehlen, für den Anfang Titel näher zu analysieren, die man aus dem täglichen Leben oder vielleicht aus anderen Börsenempfehlungen kennt, und unbekanntere, kleinere Aktien erstmal nicht zu kaufen. Konkret:
Wenn Du in meinen diversen Listen Aktien siehst, deren Namen Du gut kennst, deren Produkte Du vielleicht selbst nutzt, die Dir sympathisch sind, dann würde ich über einen Einstieg nachdenken. Für den Anfang gerne auch mal für nur 500 Euro (siehe unten). Nestle (Maggi, After Eight, Tolerone), McDonalds, Coca-Cola, Pepsi, Visa (Kreditkarte), Yum! (Pizza Hut, KFC), Deutsche Telekom, Amazon, Apple, Microsoft, Adobe (Erfinder der PDF-Dokumente) sind solche Titel, die Du vielleicht kaufen könntest.
Wo setzt man Stopkurse? Wie ich schon öfters in der Community geschrieben habe, ist das leider nicht ganz einfach und im wesentlichen Erfahrungssache. Als Faustregel empfehle ich, Stopkurse etwas unterhalb von markanten Tiefpunkten aus der Vergangenheit zu setzen, also unterhalb von Niveaus, bei denen eine Aktie nach einem Abwärtstrend wieder nach oben gedreht hat. Auch die 200-Tage-Linie, also der gleitende Durchschnitt der letzten 200 Handelstage, eignet sich als grobe Orientierung für Stopkurse. Aber, wie gesagt, das ist ein sehr schwieriges Thema, über das ich ganze Bücher schreiben könnte. Ich habe ja schon manchmal in der Community angeboten, wenn man mir zwei oder drei Aktien nennt, dann gebe ich konkrete Empfehlungen für Stopkurse mit Begründung.
Mehr zum Thema Stopkurse steht hier und hier.
Welches Volumen? Nun, ich selbst besitze auch einige wenige Aktien im Wert von "nur" 500 Euro, aber das sind Papiere, die sehr stark schwanken und in die ich daher nur wenig investiert habe. Meistens sagt man, 1.500 oder 2.000 Euro pro einzelner Aktie sollten es schon sein, damit sich das Geschäft nach den Gebühren (je 10 Euro für Kauf und Verkauf) noch lohnt. Wenn beispielsweise 10.000 Euro in eine einzelne Aktie investiert werden sollen, darf man auch in zwei oder drei Etappen einsteigen. Es ist aber ein Anfängerfehler, einen zu hohen Betrag oder aber immer denselben Betrag zu investieren ohne Rücksicht darauf, wie stark die Aktie schwankt. Mehr dazu steht in meinem Text über das Money Management.
Zum Thema "viel Holz": warum nicht mit zwei oder drei Aktien anfangen und für den Rest ein Musterdepot einrichten, um ohne echtes Geld zu üben? Und wenn dann nach dem Studium (hoffentlich) das dicke Geld kommt, kannst Du ja nach und nach weitere Aktien kaufen. Wichtig an der Börse ist, Erfahrung zu sammeln, und das geht auch ohne richtiges Geld per Simulation. Aber die Emotionen, die spürst Du nur wenn richtiges Geld im Spiel ist.
Wenn es am Anfang nur darum geht, zu üben, dann ist es auch OK, wenn Du mal nur 500 Euro pro Aktie investierst. Dafür zahlst Du 10 Euro Gebühren pro Kauf, also 2 Prozent. Wenn so ein Titel dann abstürzt, sind erst mal nur 100 oder 200 Euro verloren, also nicht die Welt. Vielleicht ist es am Anfang sogar gut, nicht allzu viel in ein einzelnes Wertpapier zu stecken.
Bei derart niedrigen Beträgen kann man für den Anfang auch auf strenge Stopkurse verzichten. Allerdings haben "scharf" geschaltete Stopkurse den Vorteil, daß man schon früh den Umgang damit übt.
Aktiv verkaufen oder nur ausstoppen lassen? In der Tat ist es sehr selten, dass ich eine Aktie aktiv verkaufe. In fast allen Fällen erfolgt der Verkauf, weil die Aktie nach unten dreht. Ganz selten verkaufe ich Aktien im Aufwärtstrend, zum Beispiel, wenn die Aktie zu einem bestimmten Preis übernommen werden soll und bereits darüber steht und nicht mehr stark steigt.
Wenn Aktien extrem stark gestiegen sind (Kursgewinne von 30, 40, 50 oder gar 100 Prozent seit dem Kauf), darf man den Stop allerdings auch etwas enger setzen. Wird der Stop dann erreicht, verkaufe ich z.B. die Hälfte der Position, und für die andere Hälfte gibt es einen etwas großzügigeren Stopkurs. Das Verfahren ist hier genauer erklärt.
Ich wünsche Dir viel Erfolg und noch wichtiger: viel Spaß damit.
Soviel für den Moment. Wenn noch Fragen offen sind, einfach Bescheid geben. Nochmal vielen Dank für die freundlichen Zeilen!
Bis dahin viele Grüße aus München
Das nmh-Team
Die @Praktikantin aus der Grafik soll bitte irgendein billiges, lizenzfreies Stockbild zum Thema "Leserbrief" raussuchen und einmontieren, irgendwas mit einem voll fetten, tropfenden Füllfederhalter (aus Gold?) und einem Tintenfass vielleicht, danke.
Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.
Kann mich dem Leserbrief nur anschließen. 
