am 26.08.2018 23:38
Werte Community,
ich lese hier viel von erfolgreichen Investitionen und guten Gewinnen und gefühlt schlägt jeder die Märkte ganz souverän à la Warren Buffet Aber Hand aufs Herz: Jeder hat doch schon mal ins Klo gegriffen, oder?
Ich mache mal den Anfang und lasse die Hosen runter, in der Hoffnung auf Absolution: Ich habe vor vielen Jahren einige "mündelsichere" WGF-Schrottanleihen gekauft (WGFH05, 6,7% Zins p.a.):
- Käufe 11/2009 (zu 100%), 02/2011 (zu 99,24%) und nochmal (wie kann man so blöd sein) 07/2011 (zu 80,79% - da gab es schon Gerüchte, dass die Firma Probleme hat)
- Eingang einiger Zinsen bis Ende 2012, dann Einstellung der Zinszahlungen und Insolvenz
- Stand heute: Papier wertlos, kein Börsenhandel mehr, keine steuerliche Verlustanrechnung möglich
- Buchverlust: -65%, nominal sag ich lieber nicht - es tut jedenfalls weh
Was sind meine Lehren aus dem Desaster?
- Glaube nie irgendwelchen Etiketten (z.B. "mündelsicher", ganz toll mit Immobilien "besichert"). Hohe Zinsen/Renditen gibt es nicht ohne Risiko.
- Niemals nachkaufen nach dem Motto "Einstandskurs verbilligen", wenn es schon schlechte Nachrichten gibt.
- Verluste per Stop Loss begrenzen und steuerlich geltend machen, solange es noch geht. Jetzt ist der Zug leider abgefahren.
Wer lässt noch die Hosen runter und verrät der Community, wo er sein Lehrgeld gezahlt hat?
Gruß, swolpoll
am 27.08.2018 15:38
Ouh ja, klasse Thema
So richtig ins Klo gegriffen habe ich so um 2000 (genau weiß ich nicht mehr, verdrängt...) mit Qiao Xing einem Mobiltelefonhersteller aus China.
Mein Kurs ist im Netz schon gar nicht mehr zu sehen, der war irgendwo vor dem ersten großen Peak.
Das Wiederbeleben in der ersten Nuller-Hälfte habe ich auch nur beiläufig verfolgt, das war mir bei dem Verlust auch egal...
Hier mal einen der damaligen Super-Schreihals-Experten gefunden:
Hoffentlich ist dem Typen seine Einschätzung von vor 15 Jahren mittlerweile wenigstens peinlich.
Meine Lehre?
- Nie zu lange Aussitzen und auf Wunder hoffen
- Nie glauben, dass "eine neue Zeit anbricht, in der die alten Maßstäbe nicht mehr gelten", Wasser fließt nach unten, Unternehmen sollen Gewinne machen
🍜
hx.
am 27.08.2018 17:15
Ich hatte im letzten Jahrzehnt einen süddeutschen Bö(r)senbrief für 144 Euro Jahresgebühr abonniert- dort wurde Mitte 2008 kräftig die Werbetrommel für die RBS (Royal Bank of Scotland) gerührt - im November 2008 sogar der Nachkauf empfohlen. Ergebnis waren dann ~90% Verlust, die ich realisiert habe. Gehalten habe ich nicht, da ich damals noch in der Spekulationsfrist war und so wenigstens den Verlust übers Finanzamt anerkannt bekam. Habe dann auch zwei Jahre gebraucht, um den Verlust wieder abzubauen. Den Börsenbrief habe ich schon lange gekündigt- dort hat man dann beim Gemeinschaftsdepot auch die Spuren des "Erfolges" verwischt. Statt Einstandskursen in der Übersicht gab es nur noch die Performance seit Jahresbeginn.
am 27.08.2018 22:26
Danke allerseits für die wunderbaren Beiträge! Ich habe mich köstlich amüsiert und fühle mich gar nicht mehr so alleine mit meinen Schrott-Anleihen...
Gruß, swolpoll
am 27.08.2018 22:43
Vielen Dank @swolpoll für diesen Beitrag. Schön zu wissen, das all die vielen Experten hier auch mal Fehler machen. Gibt doch gleich einen sympathisch-menschlichen Touch.
28.08.2018 09:25 - bearbeitet 28.08.2018 09:28
28.08.2018 09:25 - bearbeitet 28.08.2018 09:28
Was die prozentuale Betrachtung angeht, teilen sich bei mir mehrere Wertpapiere den ersten Platz mit –100%, also Totalverlust. (Noch schlechter geht auch nicht, denn ich habe nie ungedeckte Calls geschrieben oder sonstige Sachen mit Nachschußpflicht gemacht.) Das sind allerdings teils Optionsscheine gewesen, teils angeschlagene Aktien (Condomi), bei denen das nicht völlig unerwartet kam. Entsprechend hatte ich da auch nur geringe Summen eingesetzt.
Absolut gesehen den größten Verlust habe ich mit einem heutigen Star des TecDAX gemacht: Nemetschek. Gekauft im April 2000 für € 64,07, verkauft im Februar 2010 im Rahmen eines Depot-Aufräumens für € 17,97. (Zum Vergleich mit heutigen Kursen durch 4 teilen, denn es gab 2015 einen Split.) Macht 72% Verlust; und da hatte die Aktie sich schon ganz ordentlich wieder erholt, Tiefstkurs war nur wenig mehr als ein Euro. Von heute aus betrachtet hätte ich sie natürlich besser weiter behalten.
Ähnlich hohe prozentuale Verluste wie mit Nemetschek habe ich unter den ernsthaften Investments noch mit HCI Capital eingefahren (–88%) und mit einer gewissen Comdirect-Bank (–79%). Da war die Anlagesumme aber jeweils nur rund ein Drittel so groß; deshalb liegen sie in der absoluten Rangliste auf den weit abgeschlagenen Plätzen 4 und 2, und dazwischen drängelt sich noch Tarkett Sommer (–44%) auf Platz 3.
am 15.09.2018 08:01
Ging mir genauso: Habe mit Coba-Aktien ein Minus von aktuell 93,8 Prozent eingefahren. Zur Mahnung an den Flop werde ich die Aktien wohl immer behalten. Meine Konsequenz: Nie wieder Bankaktien!
15.09.2018 12:03 - bearbeitet 15.09.2018 12:05
15.09.2018 12:03 - bearbeitet 15.09.2018 12:05
Herzlich willkommen in unserer klein aber feinen Community.
Ich mache Chen es ähnlich wie Du und lasse den „Mahner“ (https://kunde.comdirect.de/itx/openEwf?execution=e7s1¬ationId=27202637&instrumentId=23221427&wkn=...) mit 80% Minus im Depot stehen.
Der ATH war in 2007 bei 52,80.
am 15.09.2018 15:30
Mir gehts genauso wie @ArPe, Nikoneer und TutSichGut,
die Commerzbank ist meine größte Verlustposition mit aktuell um die -86% ...behalte ich aber weiterhin als mahnendes Beispiel und so Fusionsfantasien mit der DB lassen den Kurs ja evtl. nochmal "anspringen"...so in 2045 (wo ist dieses traurige, verschmitzte Smiley?)
Ja das begab sich just im Frühjahr 2008 bei mir, damals als frischer Mitarbeiter der CoBa gerade so berechtigt für die jährlichen Mitarbeiteraktien, da habe ich dann von meinem dritten Gehalt etwas in den Arbeitgeber investiert. Ein paar Monate später habe ich das sinkende Schiff aber schon wieder in Richtung Uni verlassen, nachdem wir den ganzen Sommer über Nachranganleihen mit 6% Kupon und 6 Jahren Laufzeit lautend auf die Commerzbank rausgehauen und die Depots "gedreht" haben, wie man so schön sagt. Die Kohle floß dann wahrscheinlich direkt in den Kauf der Dresdner Bank - gebracht hats nichts, wie wir alle wissen.
Mir tun die Kunden (meist älteres Baujahr) von damals heute noch leid! Das Argument für die Nachranganleihen war immer "Die Commerzbank gibts schon fast 140 Jahre, die geht in den nächsten 6 Jahren auch nicht pleite" - O-Ton als Verkaufsargument von meinem damaligen Chef. Das die Butze aber nur 3 Monate später Garantien von der Bundesrepublik iHv 21 Milliarden Euro benötigt, weil ein paar Tage vorher irgendwelche Lehman Brüder nix mehr bekommen haben, konnte ja keiner ahnen...
Ich war jedenfalls seeehr froh, dass ich im September schon beurlaubt war und im Oktober in den ersten Vorlesungen saß anstatt in der Filiale den Kunden gegenüber, als unser Algebra-Dozent meinte, ob wir schon von der Zahlungsunfähigkeit der Commerzbank gehört haben...