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Depotabsicherung mit Reverse-Bonus-Zertifikaten

nmh
Legende
9.959 Beiträge

Liebe Zertifikate-Fans,

 

vor einer Woche habe ich Euch ein Derivat vorgestellt, mit dem Ihr über den Sommer auf fallende DAX-Kurse setzen könnt (siehe hier). Ich hoffe, Ihr seid dem Vorschlag zahlreich gefolgt; mit dem heutigen DAX-Absturz liegt das Papier seit dem Kaufkurs bereits 27 Prozent im Plus (Kauf zu 3,60 Euro, heute bereits 4,58 Euro). Bei 5 Euro liegt die Obergrenze; wenn das Papier über ca. 4,85 Euro steigt, solltet Ihr bereits an einen Verkauf denken, denn dann paßt das Chance-Risiko-Profil nicht mehr so richtig.

 

Heute empfehle ich keine neue Absicherung*, sondern im Gegenteil: Ich möchte Euch ein wenig auf die Gefahren der beliebten Reverse-Bonus-Zertifikate hinweisen.

 

Unglaublich, aber wahr: seit dem Brexit-Entscheid vor einem Jahr hat der DAX etwa 30% gewonnen. Das Kursplus fällt auch nach dem aktuellen Rückgang noch fast viermal so hoch aus wie die durchschnittliche Jahresperformance des Leitindex. Weltweit befinden sich viele Aktienmärkte in der Nähe ihrer Allzeithochs. Doch die Zeiten ändern sich. In den USA und möglicherweise nächstes Jahr auch in Europa werden die Zinsen allmählich wieder steigen. Gerade die US-Aktienmärkte werden als überbewertet angesehen. Sollten hier Unternehmen mit ihren Gewinnen enttäuschen, droht Korrekturgefahr, die sich dann auch auf unsere Börsen in Europa auswirken. Viele Anleger sitzen auf dicken Gewinnen, die auch mit Blick auf potenzielle Crash-Monate August und September im Fall einer sich andeutenden Trendwende gerne mal mitgenommen werden dürften.

Anlager greifen zur Depotabsicherung gerne zu Reverse-Bonus-Zertifikaten auf den DAX. Die Funktionsweise ist relativ leicht zu verstehen: Das Prinzip der klassischen Bonus-Zertifikate wird einfach umgedreht. Die Barriere liegt also oberhalb des aktuellen Indexstands und darf während der Laufzeit des Zertifikates zur Erhaltung des Bonusbetrags nicht berührt oder überschritten werden. Ist diese Bedingung erfüllt, erhält der Anleger den fixen Bonusbetrag ausgezahlt und erzielt i.d.R. die maximale Rendite (bei Zertifikaten mit Cap). Falls die Barriere aber mindestens einmal während der Laufzeit überschritten wurde, gibt es einen kleineren Rückzahlungsbetrag abhängig vom Stand des DAX bei Fälligkeit (siehe unten).

Dass es bei der Auswahl von Bonus- und von Reverse-Bonus-Zertfikaten ganz allgemein auf ein niedriges Aufgeld ankommt, hat sich bei Anlegern schon herumgesprochen. Schließlich geht das Aufgeld bei einem Bruch der Barriere ersatzlos verloren. Und natürlich sollte die Barriere so gewählt werden, dass sie während der Laufzeit des Zertifikates nach Einschätzung des Anlegers nicht verletzt wird.

Und doch ist die Gefahr fataler Fehler bei der Auswahl der Zertifikate noch immer sehr hoch. Viele Anlager erwerben Zertifikate, bei denen sie die Risiken falsch einschätzen. Grund ist, dass oft nur auf die Barriere und auf die Laufzeit geachtet wird. Das reicht so aber nicht aus. Ohne Kenntnis der zusätzlichen Parameter, also Basispreis, Bonuslevel, möglicherweise Cap und - ganz wichtig - dem Reverse-Level greift man zu Bonus-Zertifikaten mit einem unerwünschten hohen Hebeleffekt, der zu starken Verlusten führt, wenn die Barriere während der Laufzeit doch überschritten wird. Und damit rechnen viele Anleger eben nicht!

Dem Reverse-Level kommt für die Risikoeinschätzung besondere Bedeutung zu. Es definiert das Niveau, ab dem das Zertifikat wertlos wird. Zum anderen dient es als Ausgangspunkt für die Berechnung der Rückzahlung, wenn am Ende nicht wie erhofft der Bonusbetrag zur Auszahlung kommt. Generell berechnet sich Rückzahlung  bei Barriereverletzung nach der Formel (Reverse-Level minus (DAX bei Fälligkeit)) multipliziert mit dem Bezugsverhältnis (bei DAX normalerweise 0,01). Je höher der DAX dann steht, desto weniger erhält der Anlager zurück. Das Reverse-Level ist nicht immer angegeben, errechnet sich aber einfach als das Doppelte des Basispreises. Mit Hilfe des Reverse-Levels wird auch der Bonusbetrag ermittelt, der ohne Bruch der Barriere zur Auszahlung kommt, es gilt nämlich: Bonusbetrag = (Reverse-Level minus Bonuslevel) mal 0,01 Euro. Durch einen möglichen Cap, der in der Regel dem Bonuslevel entspricht, wird nach derselben Formel der höchstmögliche Auszahlungsbetrag ermittelt.

Ein Beispiel: Bei einem Zertifikat auf den DAX mit einem Reverse-Level bei 20.000 (Basispreis: 10.000) und einem Bonuslevel/Cap bei 8.000 liegen Bonus- und Höchstbetrag demnach bei 120 Euro ((20.000 minus 8.000) mal 0,01 Euro). Die 120 Euro werden ausgezahlt, falls die Barriere unverletzt bleibt. Würde ein solches Zertifikat ohne Cap angeboten, wären theoretisch sogar bis zu 200 Euro möglich. Dazu müsste der DAX auf Null fallen ((20.000 minus 0) mal 0,01 Euro).

Das Reverse-Level ist damit die wichtigste Stellschraube zur Bestimmung des Chance-Risiko-Profils. Als Daumenregel gilt für Zertifikate ohne Aufgeld: Liegt das Reverse-Level ungefähr doppelt so hoch wie der aktuelle DAX-Stand, dann kann der Verlust im Zertifikat am Ende nicht höher ausfallen, als es der Basiswert mit seinem Plus vorgibt, es gibt also keine überproportionalen Verluste. Bei einem DAX-Stand von derzeit ca. 12.300 Punkten benötigt man dafür ein Reverse-Bonus-Zertifikat mit einem Reverse-Level von gut 25.000. Solche sind leider sehr selten, weshalb fast alle Reverse-Produkte einen Hebeleffekt aufweisen. Bei einem Bruch der Barriere führt dies zu heftigen Verlusten - bereits wenn der Bruch sich andeutet. Je näher das Reverse-Level am aktuellen Indexstand liegt, desto höher ist das Risiko sehr hoher Verluste. Vor diesem Hintergrund ist es fatal, dass nur wenige Anleger bei der Auswahl auf das Reverse-Level achten.

Das Aufgeld ist, wie bereits erwähnt, zwar sehr wichtig, eignet sich aber als grundsätzliche Risikokennzahl nur bedingt. Es gibt nämlich sogar Zertifikate ohne Aufgeld, bei denen es nach einem Barrierebruch trotzdem zu überproportional hohen Verlusten kommt. Entscheidend für Gewinnchancen und Verlustrisiken ist daher letztlich immer die Kombination aus allen vier Komponenten (Reverse-Level, Barriere-Level, Restlaufzeit, Bonuslevel/Cap).

Trotz der vergleichsweise hohen Komplexität müssen Reverse-Zertifikate aber nicht aus dem Depot verbannt werden. Man sollte im Vorfeld allerdings drei Fragen individuell beantworten:

1. Welches DAX-Niveau wird während der Laufzeit wohl nie erreicht?
2. Bis wohin reicht das erwartete Korrekturpotential des DAX?
3. Welche Renditevorstellungen hat der Anleger?

Mit den ersten beiden Angaben sind bereits recht konkrete Vorgaben zur Restlaufzeit, der Barriere und dem Bonuslevel möglich. Damit lässt sich eine Produktauswahl treffen, die sich im Detail nur noch bei den Gewinnchancen und Verlustrisiken voneinander unterscheiden.

Wie das beispielhaft aussehen könnte, zeigen drei Reverse-Bonus-Zertifikate auf den DAX aus meiner Datenbank, die mit der Vorgabe Restlaufzeit ca. 1 Jahr, Barriere 15.000 Punkte und Bonus/Cap bei 10.000 Punkten ausgewählt wurden. Das Reverse-Level wird jeweils so gewählt, dass unterschiedliche Renditeziele erreicht werden können:

WKN                  VL1YVS       DGP6C8       DGP6C1
-----------------------------------------------------
Kurs Zertifikat       98,70        77,80        56,30
Laufzeit           08.06.18     27.06.18     27.06.18
Barriere             15.000       15.000       15.000
Bonus/Cap            10.000       10.000       10.000
Basispreis           10.000        9.000        8.000
Reverse-Lv.          20.000       18.000       16.000
-----------------------------------------------------
Bonusbetrag          100,00        80,00        60,00
Bonusertrag            1,30%        2,80%        6,57%
-----------------------------------------------------
bei DAX 15.000:
 Auszahlung           50,00        30,00        10,00
 Verlust             -49,30%      -61,40%      -82,22%
-----------------------------------------------------
Stand: 21.07.2017   18:00 Uhr

mit Daten aus dem "ZertifikateBerater"


Sehr schnell wird deutlich, dass Chancen und Risiken bei sinkendem Reverse-Level jeweils zunehmen. Bei allen Zertifikaten sind allerdings bei Verletzung der Barriere (DAX mindestens 15.000 innerhalb der kommenden 12 Monate) überproportional hohe Verluste zu beklagen. Dies ist dem aktuellen Marktumfeld geschuldet. Zum Vergleich: ein ebenfalls bis Juni 2018 laufendes Zertifikat mit einer vergleichbaren Barriere bei 15.000, einem extrem hohen Reverse-Level bei 26.000 und einem Cap bei 12.000 Punkten (WKN HW3FSE) verliert bei einem DAX-Anstieg von 22 Prozent durch den Barrierebruch zwar nur 25% an Wert - also fast kein Hebeleffekt. Die mögliche Maximalrendite ist allerdings auf deutlich weniger als 1 Prozent begrenzt.

 

Wahnsinn! Um also in die Nähe einer halbwegs vernünftigen Rendite zu kommen, muß ich fast ein Totalverlustrisiko in Kauf nehmen, nämlich minus 82 Prozent. Einige von Euch werden jetzt sagen: Klar, die Barriere ist mit 15.000 zu hoch, da muß der DAX ja um 22 Prozent steigen. Je nun. Kann er das nicht in 12 Monaten? Zur Erinnerung: in den vergangenen 12 Monaten stieg er um 30 Prozent.


Für noch höhere Renditechancen sollte eigentlich nicht als erste Option die Barriere heruntergesetzt werden. Neben dem Reverse-Level bietet sich auch der Cap als Optimierungsinstrument an. Aber auch hier gilt wieder, dass ein relativ niedriges Cap/Bonus-Niveau zwar größere Gewinnchancen bietet, gleichzeitig eben aber auch höhere Verlustrisiken bei einem Barrierebruch nach sich zieht. Genauso wie es beim Reverse-Level auch ist.

Reverse-Bonus-Zertifikate sind sehr beliebt. Die obige Analyse zeigt aber deutlich, dass viele Produkte ein denkbar ungünstiges Chance-Risiko-Verhältnis aufweisen. Anleger sollten darüber nachdenken, ob nicht die Absicherung eines Depot mit Hilfe anderer Produkte sinnvoller ist. Mehr dazu habe ich hier und hier bereits veröffentlicht.

Ich wünsche Euch viel Erfolg bei der Auswahl geeigneter Reverse-Bonus-Zertifikate, mit denen Ihr auf fallende, jedenfalls nicht stark steigende Kurse setzen und Euch auf diese Weise absichern könnt.

 

Eigentlich war für heute eine neue, sehr langfristige Sterne-Auswertung geplant, auf die einige von Euch schon warten. Sorry, aber die ist aus aktuellem Anlass (DAX-Absturz) verschoben und kommt in einigen Tagen. Bleibt dran!


Viele Grüße aus einem hochsommerlichen München

nmh

 

_______________________________

*)   Das Papier von letzter Woche würde ich heute nicht mehr kaufen, der Kurs ist stark gestiegen und schon nahe an seinem rechnerischen Höchstwert von 5 Euro. Ihr könnt natürlich selbständig einen neuen Discount-Put-Plus-Optionsschein auswählen; die eignen sich immer dann, wenn man nicht mit starken Kurssteigerungen rechnet. Die Website der BNP, die in meinem Beitrag von letzter Woche verlinkt war, eignet sich für die Suche.

 

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.
2 ANTWORTEN

Noxx
Legende
7.051 Beiträge

...guter informativer Beitrag!!!

nmh
Legende
9.959 Beiträge

Liebe Sternefreunde,

 

die oben versprochene Auswertung von Aktien, die in sehr langfristigen Trends stecken (Krieg der Sterne Teil 2) habe ich jetzt hier gepostet. Viel Spaß beim Lesen!

 

nmh

 

Disclaimer: Ich habe leider kein scharfes ß auf meiner Schweizer Tastatur.